Barnaby – Der Teufel aus der Tonne - Sabine Ludwig - E-Book

Barnaby – Der Teufel aus der Tonne E-Book

Sabine Ludwig

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Beschreibung

Absurd, urkomisch und ein bisschen böse – der neue Kinderroman von Bestsellerautorin Sabine Ludwig Eigentlich bekommt Jan-Ole immer alles, was er sich wünscht. Und wenn nicht, wird Jan-Ole wütend, und zwar so richtig! Vor seinen Wutanfällen haben eigentlich alle ein bisschen Angst. Trotzdem wollen ihm seine Eltern zum Geburtstag keinen Hund schenken – dabei ist Rolf, der Mischling aus dem Tierheim, doch so niedlich! Und dann taucht plötzlich Barnaby, der Beutelteufel, bei Jan-Ole auf – und Barnaby ist kein bisschen niedlich, sondern ein echt fieses Vieh! Jan-Ole hat alle Mühe, ihn im Zaum zu halten! Nicht nur, dass Barnaby dauernd Hunger auf Fleisch hat, er kann auch seine Klappe nicht halten und bringt Jan-Ole oftmals ganz schön in Schwierigkeiten. Und dabei ist es ja diesmal gar nicht er, der Mist baut … 

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Seitenzahl: 142

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Sabine Ludwig

Barnaby – Der Teufel aus der Tonne

 

 

Mit Illustrationen von Lena Winkel

Über dieses Buch

 

 

Eigentlich bekommt Jan-Ole immer alles, was er sich wünscht. Und wenn nicht, wird Jan-Ole wütend, und zwar so richtig! Vor seinen Wutanfällen haben eigentlich alle ein bisschen Angst. Trotzdem wollen ihm seine Eltern zum Geburtstag keinen Hund schenken – dabei ist Rolf, der Mischling aus dem Tierheim, doch so niedlich! Und dann taucht plötzlich Barnaby, der Beutelteufel, bei Jan-Ole auf – und Barnaby ist kein bisschen niedlich, sondern ein echt fieses Vieh! Jan-Ole hat alle Mühe, ihn im Zaum zu halten! Nicht nur, dass Barnaby dauernd Hunger auf Fleisch hat, er kann auch seine Klappe nicht halten und bringt Jan-Ole oftmals ganz schön in Schwierigkeiten. Und dabei ist es ja diesmal gar nicht er, der Mist baut … 

 

 

Weitere Informationen finden Sie unter www.fischerverlage.de/kinderbuch-jugendbuch

Biografie

 

 

Sabine Ludwig arbeitet seit Jahren erfolgreich als Autorin und Übersetzerin und wurde als «Lesekünstlerin des Jahres» ausgezeichnet. Vor allem bekannt ist die Verfilmung ihres Buches «Hilfe, ich hab meine Lehrerin geschrumpft». Sabine Ludwig lebt mit ihrer Familie in Berlin.

 

Lena Winkel, geboren 1993 im Westerwald, wollte eigentlich Pokémon-Erfinderin werden. Sie studierte also Illustration in Hamburg und Paris und geriet dabei auf Abwege. Jetzt macht sie Kinderbücher und Comics und zeichnet natürlich am liebsten nichtmenschliche Tiere.

Inhalt

1. Kapitel

Keine Rakete, keinen Swimmingpool, Jan-Ole will einen Hund!

2. Kapitel

Der Mann mit dem Tasmania-T-Shirt

3. Kapitel

Eine perfekt geformte Hundekackwurst

4. Kapitel

Gestatten: Barnaby, der Beutelteufel

5. Kapitel

Im ‹My Dear Lady› ist der Teufel los!

6. Kapitel

Ein Grillabend voller Überraschungen

7. Kapitel

Beutelteufelstachelkacke und eine große Enttäuschung

8. Kapitel

Eine saublöde Einhornschnepfe mit einer saublöden Kotzkatze

9. Kapitel

Jan-Ole heißt er, in den Tofu beißt er? Von wegen!

10. Kapitel

Immer diese verflixte Technik!

1. Kapitel

Keine Rakete, keinen Swimmingpool, Jan-Ole will einen Hund!

Herr und Frau Butterweck liebten ihren Sohn Jan-Ole über alles.

Sie liebten den störrischen Wirbel über seiner Stirn, die Sommersprossen auf seiner Nase, sie liebten sogar seine ein ganz klein wenig abstehenden Ohren. Sie liebten sein Lächeln, wenn er etwas Schönes träumte, sein fröhliches Jauchzen, wenn er im Sommer ins Meer sprang – wenn das Wasser warm genug war, natürlich! –, und sie liebten sogar seine selbst gebastelten Geschenke zu Weihnachten oder zum Geburtstag, egal wie schief und krumm er sie zusammengepfriemelt hatte.

Ganz besonders liebten es Herr und Frau Butterweck, wenn Jan-Ole sie beide aus heiterem Himmel umarmte und rief: «Ich hab die coolsten Eltern der Welt!»

Aber etwas gab es, das liebten Herr und Frau Butterweck an ihrem Sohn ganz und gar nicht. Und das waren seine Wutanfälle. Dummerweise bekam Jan-Ole ziemlich oft Wutanfälle. Erst wurde seine Nasenspitze weiß, sodass man die Sommersprossen nicht mehr sah, dann liefen seine ein ganz klein wenig abstehenden Ohren rot an. Und schließlich brüllte Jan-Ole. Er brüllte, stampfte mit dem Fuß auf, warf irgendetwas durch die Gegend und schrie: «Ich hab die fiesesten Eltern der Welt!»

Herr Butterweck meinte, das sei eine Phase, und mit zunehmendem Alter würde Jan-Ole schon noch lernen, seine Wutausbrüche zu kontrollieren. Jan-Oles Vater arbeitete in einer Bank und hatte den ganzen Tag mit Zahlen zu tun, die erfreulicherweise immer genau das taten, was man von ihnen erwartete.

Frau Butterweck glaubte nicht an Zahlen und schon gar nicht daran, dass mit dem Alter alles besser wird. Sie arbeitete in einer Modeboutique, und wie oft hatte sie es erlebt, dass sich Kundinnen in ein viel zu enges Kleid zwängten, und wenn es überall zwickte und spannte, behaupteten, man habe etwas an den Größen geändert. Und wütend wurden. Sehr wütend.

Daher sah Jan-Oles Mutter auch mit Sorge seinem zehnten Geburtstag entgegen, denn seine Wutanfälle waren mit der Zeit nicht weniger, sondern mehr geworden. Insgeheim hoffte sie, dass sich Jan-Ole zum Geburtstag etwas wünschte, das es auch zu kaufen gab – und das vor allem auch in die Wohnung passte.

Mit Schrecken dachte Frau Butterweck an Jan-Oles achten Geburtstag zurück. Da hatte sich ihr Sohn ein Laserschwert gewünscht. Und er hatte eins bekommen. Jan-Ole hatte es ausgepackt, angestarrt, wütend «Das ist was für Babys!» gerufen und es auf den Boden geschleudert. «Das kann die Farbe wechseln, guck», hatte sein Vater gesagt, doch Jan-Ole blieb dabei. Er wollte ein echtes Laserschwert haben, kein Spielzeug.

Und zum neunten Geburtstag hatte sich Jan-Ole eine Jacht gewünscht, eine richtige, mit einer Kabine, einer Reling und einer Leiter, von der aus man ins Wasser hüpfen konnte.

Herr Butterweck hatte gemeint, ein Schlauchboot würde es auch tun, von dem aus könne man genauso gut ins Wasser hüpfen. Doch als das prall aufgeblasene Schlauchboot mit einer großen blauen Schleife geschmückt vor Jan-Oles Geburtstagstisch lag und fast sein ganzes Zimmer ausfüllte, da hatte er vor lauter Wut eine Kuchengabel genommen und in das Boot gepikst, sodass es mit einem traurigen «Pfffttt!» in sich zusammensank.

Jan-Oles zehnter Geburtstag war in wenigen Wochen, und er hatte noch keinen Wunsch geäußert, sondern nur gesagt: «Ich wünsche mir etwas ganz Besonderes, schließlich werde ich zweistellig.»

Doch was dieses ganz Besondere sein sollte, das wusste er selber nicht. Aber er dachte darüber nach. Pausenlos. Wo er ging und stand.

 

So auch an diesem Morgen. In Geburtstagswunschgedanken vertieft, machte sich Jan-Ole auf den Weg zur Schule.

Ob er sich ein Raumschiff wünschen sollte? Er sah sich schon darin sitzen und in den unendlichen Weiten des Weltraums herumsausen. Sein Freund Karim hatte zum Zehnten einen Quadrocopter bekommen, mit Kamera! Aber was war das schon gegen eine echte Rakete. Dass seine Eltern es schaffen würden, rechtzeitig für eine Rakete zu sorgen, war allerdings zu bezweifeln. Ein Swimmingpool wäre auch nicht schlecht. Bei Valerie stand einer im Garten, Jan-Ole hatte ihn aber nur einmal benutzen dürfen. Die Mädchen, angeführt von der blöden Chantal, hatten ihn nass gespritzt, und Jan-Ole war so wütend in dem Pool herumgesprungen, dass er schließlich umkippte und das viele Wasser darin sämtliche Blumenbeete ertränkte.

Wenn er einen Swimmingpool bekäme, dann dürfte da keiner außer ihm rein, das war schon mal klar. Klar war aber auch, dass bei ihnen zu Hause allenfalls ein Mini-Planschbecken Platz fand. Warum hatten seine Eltern auch so eine kleine Wohnung?

Am besten wünschte er sich zum Geburtstag gleich ein Haus. Mit Garten. Und in diesem Garten, da würde er keinen öden Plastikpool aufstellen, in dem tote Insekten und lange Mädchenhaare herumschwammen, nein, da gäbe es ein richtiges Schwimmbecken mit glitzerklarem Wasser und Sprungturm.

Bei diesen Gedanken bekam Jan-Ole richtig gute Laune, doch die verflog im Nu, als er es hinter sich trappeln hörte. Nein, nicht das Trappeln von Pferdehufen, sondern das Trampeln von Mädchenfüßen.

Und da war es auch schon, das Einhorngeschwader!

So nannte Jan-Ole die Mädchen auf ihren Einhornsteckenpferden, allen voran die grässliche Valerie und die noch grässlichere Chantal.

Mit lautem «Hüa!» und «Aus dem Weg, Segelohr!» galoppierten sie an ihm vorbei, wobei ihm Chantal mit dem Horn ihres Einhorns in die Seite pikste. Das tat zwar nicht weh, war aber trotzdem das Allerletzte!

Jan-Ole spürte, wie seine Ohren heiß wurden, und er brüllte den Einhornpferdemädchen «Ihr blöden Arschkühe!» hinterher. Aber die hörten es nicht, denn sie waren schon um die Ecke. Und außerdem war Arschkuh ein absolut lahmes Schimpfwort, und er war froh, dass sie es nicht gehört hatten, sonst hätten sie ihn bestimmt dafür ausgelacht, dass ihm nichts Besseres einfiel.

Seit der umgekippte Swimmingpool den Garten von Valeries Eltern unter Wasser gesetzt hatte, waren die Mädchen und Jan-Ole miteinander verfeindet. Und am meisten verfeindet war er mit Chantal. Und dabei waren sie mal befreundet gewesen, aber das war mindestens tausend Jahre her. Zum Glück hatte er jetzt Karim.

Als Karim neu in die Klasse gekommen war, hatte Jan-Ole ihm bei den Deutschhausaufgaben geholfen, aber inzwischen konnte Karim fast so gut Deutsch sprechen wie die anderen in der Klasse und half nun Jan-Ole, wenn der mal etwas nicht verstand. Sie waren wirklich gute Freunde. Daran konnte auch eine kleine Prügelei ab und zu nichts ändern, im Gegenteil.

 

Wütend stürmte Jan-Ole in die Schule und versetzte seinem Ranzen einen gezielten Tritt, sodass er genau vor der Klassenzimmertür der 4c landete. An der Leiste mit den Haken, wo im Winter die Jacken und Mäntel der Kinder hingen, baumelten einträchtig nebeneinander die Einhornsteckenpferde. Jan-Ole überlegte kurz, ob er ihnen die Hörner abreißen sollte, doch in diesem Moment kam Frau Pettenkofer, die Kunst- und Deutschlehrerin, aus dem Lehrerzimmer und schaute Jan-Ole misstrauisch an. Sie schaute ihn eigentlich immer misstrauisch an, bis ihr einfiel, dass sie mal einen Kurs gemacht hatte, der hieß: «Wie begegne ich schwierigen Schülern». Dann lächelte sie ein Knopfdrucklächeln, das genauso schnell verschwand, wie es gekommen war.

«Ab in die Klasse mit dir, Jan-Ole», sagte sie. «Es hat schon geklingelt.»

Frau Pettenkofer wuchs ein Haar am Kinn. Ein langes schwarzes borstiges Haar. Jan-Ole juckte es in den Fingern. Am liebsten hätte er es rausgerissen, aber das hätte Frau Pettenkofer bestimmt nicht gefallen.

«Was starrst du mich so an?», fragte sie. «Hab ich was im Gesicht?»

«Ja … äh … nein …», stotterte Jan-Ole.

Frau Pettenkofer strich sich übers Kinn. «Ah, du meinst mein Hexenhaar. Darauf bin ich sehr stolz.» Sie zwinkerte Jan-Ole zu, und ehe er darüber nachdenken konnte, was das jetzt bedeutete, war sie auch schon im Klassenraum der 1b verschwunden.

 

Jan-Ole stieß die Tür zur 4c auf, und als er sah, wie ihm Chantal frech entgegengrinste, da vergaß er Frau Pettenkofer und ihr Hexenhaar, und seine Ohren wurden vor Wut sofort wieder heiß. Und wenn sie heiß wurden, wurden sie auch rot. Er presste seine Hände auf die Ohren und setzte sich schnell auf seinen Platz. Glücklicherweise saß er vor Chantal, und das ersparte ihm, die ganze Zeit ihren rosa Rücken sehen zu müssen. Chantal war auch vorn rosa und dazu mit Pailletten geschmückt, die, je nachdem in welche Richtung man darüberstrich, mal ein silbernes, mal ein goldenes Einhorn zeigten. Natürlich hatte er nie über die Pailletten gestrichen, aber Chantal tat das die ganze Zeit, und natürlich trugen auch ihre Freundinnen solche Paillettenpullis. In der ganzen Klasse blinkte und glitzerte es so sehr, dass man hätte blind werden können.

Die Tür ging auf, und Herr Kenntenich kam herein, Jan-Ole spürte, wie seine Ohren langsam abkühlten. Bei Herrn Kenntenich fühlte er sich sicher, der lächelte ihn nie so hinterhältig an wie Frau Pettenkofer. Wenn Herr Kenntenich lächelte, dann war das echt, und wenn er die Stirn runzelte und sehr verärgert aussah, dann war das auch echt. Sein Lieblingsspruch lautete: «Kennste nich Herrn Kenntenich? Du wirst ihn kennenlernen!»

In der ersten Stunde war Mathe. Jan-Oles Lieblingsfach. Die Zahlen machten fast immer, was Jan-Ole von ihnen wollte, und Herr Kenntenich hatte viel Grund zu lächeln.

In der kleinen Pause durften die Kinder in der Klasse bleiben, und Jan-Ole und Karim kabbelten sich aus Spaß um einen Flummi.

Chantal zog die Augenbrauen hoch. «Pass auf, dass er dich nicht beißt, Karim.»

«Ja, pass bloß auf!», riefen nun auch die anderen Mädchen, und Valerie sang: «Jan-Ole heißt er, wird er wütend, beißt er!»

«Ich hab noch nie jemanden gebissen!», brüllte Jan-Ole, und seine Ohren brannten wie glühende Kohlen. «Noch nie!»

«Hast du wohl! Und zwar mich», rief Chantal und tippte auf ihre rechte Hand. «Hier. In der ersten Klasse.»

«Weil du mir meine Filzer geklaut hast!»

«Das waren meine!»

Jan-Ole nahm den Flummi und schleuderte ihn in Richtung von Chantals Kopf. Chantal duckte sich, der Ball traf die Schranktür, prallte ab und landete genau im Bauch von Frau Pettenkofer, die gerade die Klasse betrat.

Frau Pettenkofer schrie auf, krümmte sich, lief aus der Klasse und kehrte mit Herrn Kenntenich zurück. Und der lächelte nicht mehr.

Und dann passierte, was in solchen Fällen immer passierte: Jan-Ole wurde ermahnt, es gab eine Mitteilung ins Heft, Jan-Ole musste die Klasse ausfegen oder die Tafel wischen oder sich bei den Mädchen entschuldigen, wobei Letzteres am ekelhaftesten war.

«Ich hab doch gar nichts mit dem Bauch von Frau Pettenkofer gemacht!», rief Jan-Ole. «Das war der Flummi!»

Aber Herr Kenntenich kannte keine Gnade, und so musste Jan-Ole in der großen Pause drinbleiben und Papierschnipsel, Butterbrotreste, Apfelbutzen, alte Tintenpatronen und was sonst noch so auf dem Boden lag, zusammenfegen und in den Mülleimer werfen.

Chantal und der Rest des Einhorngeschwaders waren ebenfalls in der Klasse geblieben. Angeblich, weil es regnete, aber in Wirklichkeit, weil sie Jan-Ole beim Putzen zuschauen wollten.

«Dahinten liegt noch was!», rief Jasmina.

Valerie hielt sich die Nase zu. «Puh, wie das stinkt!»

«Da ist wer wo reingetreten!», rief Chantal, und die Mädchen gackerten wie die Hühner.

Jan-Ole tat so, als würde er nichts hören, doch dann sperrte er die Ohren auf. Was erzählte Chantal da?

«Sie ist noch ganz klein, und sie heißt Poupette, und sie darf in meinem Bett schlafen, wollt ihr mal sehen?»

Chantal zog ein Smartphone aus der Tasche, obwohl das in der Schule verboten war. Jan-Ole wollte schon was sagen, da drehte Chantal das Handy so, dass er das Foto auf dem Display anschauen musste. Eine Katze. Eine kleine Katze mit blaugrauem Fell, einer winzigen Nase und großen bernsteinfarbenen Augen.

«Du hast einen Vogel», stellte Valerie fest, und Jan-Ole wollte schon rufen: «Und wie sie den hat», da sagte Chantal: «Du meinst Hansi? Dem würde Poupette kein Federchen krümmen, ich zeig’s euch.» Sie wischte auf ihrem Smartphone herum und tippte auf ein Bild, das die kleine Katze zeigte, die sich vor einem Vogelkäfig zusammengerollt hatte und schlief. Der Kanarienvogel darin sah ziemlich entspannt aus.

Die Mädchen riefen «süß» und «niedlich» und «du hast es gut!».

Chantal sah Jan-Ole erwartungsvoll an, aber der dachte nicht daran, die Katze irgendwie zu finden, schon gar nicht süß.

«ICH.MAG.KEINE.KATZEN!», rief er und warf den Besen in die Ecke. «Katzen sind blöd! Genauso blöd wie du!»

 

Nach Schulschluss stoben alle auseinander. Einige gingen in den Hort, Chantal und die Mädchen ritten auf ihren Einhörnern nach Hause, wo jemand mit dem Essen auf sie wartete, und so arme Gestalten wie Jan-Ole trotteten heim, und da war niemand.

Jan-Ole wusste, wie man das nannte, was er war: ein Schlüsselkind. Das hatte seine Oma gesagt und ihm dabei mitleidig über den Kopf gestrichen. «Armer Jan-Ole, bist jetzt ein Schlüsselkind.»

Doch seine Mutter hatte nur gelacht. «Der arme Jan-Ole muss am Mittwoch zwei Stunden allein in der Wohnung sein. Zwei Stunden und nicht eine Minute länger, das wird ein fast Zehnjähriger ja wohl schaffen. In den Hort kann ich ihn ja nicht mehr schicken.»

Seit Beginn der vierten Klasse ging Jan-Ole nicht mehr in den Hort, worüber er nicht traurig war, denn das Essen dort hatte ihm sowieso nicht geschmeckt. Aber das war nicht der Grund. Es hatte Ärger gegeben, viel Ärger. Mal hatte er Rahmspinat in Chantals Vanillepudding gekippt, mal hatte er Karim ein Würstchen geklaut, aber dann war das gar kein echtes, sondern so ein labbriges Veggieteil. Dafür konnte Karim zwar nichts, trotzdem hatte Jan-Ole ihm das angebissene Würstchen wieder auf den Teller geknallt. Karim fand das eklig, und sie hatten sich geprügelt. Gleich zwei Erzieherinnen mussten kommen, um die beiden zu trennen. Und als Jan-Ole der Köchin schließlich einen Kartoffelknödel an den Kopf geworfen hatte, war das sein letztes Mal im Hort gewesen. Dabei war der Knödel schon in der Luft auseinandergefallen, denn die Köchin machte die gar nicht selber, die Knödel kamen in Styroporbehältern und waren schon Brei, bevor sie auf dem Teller landeten, aber wer möchte schon Brei an den Kopf bekommen?

 

Warum war die Welt bloß so ungerecht?, dachte Jan-Ole, als er Chantal und ihren Freundinnen hinterher sah, die auf ihren dämlichen Einhörnern fröhlich wiehernd um die Ecke galoppierten.

Chantal hatte doch eh schon alles: eine Mutter, die mittags zu Hause war und ihre Lieblingsgerichte kochte, einen großen Bruder, der jeden verprügeln würde, der ihr auch nur ein Haar krümmte. Und einen Vater, der am Wochenende mit den Kindern Federball spielte oder Mau-Mau.

Jan-Ole hatte keine Geschwister, seine Mutter kochte nie, nie, NIE! sein Lieblingsessen, und sein Vater wäre nie auf die Idee gekommen, am Wochenende irgendwas Nettes mit Jan-Ole zu unternehmen. Nein, der setzte sich auf sein Rennrad und sauste damit durch die Gegend. Allein.

Und jetzt hatte Chantal nicht nur einen Vogel, sondern auch ein richtiges Haustier!

Jan-Ole wollte keine Katze. Katzen mit graublauem Fell und Stupsnäschen und bernsteinfarbenen Augen waren nur was für Mädchen. Jan-Ole wollte einen Hund. Am besten einen, bei dessen Anblick Chantal vor Angst die Knie schlotterten und ihr die Tränen in die Augen schossen. «Liebster Jan-Ole», würde sie ihn anflehen, «liebster Jan-Ole, bitte, bitte, lass nicht zu, dass er mich beißt.» Und dann würde Jan-Ole den wütend bellenden Riesenhund ganz lässig am Halsband festhalten und sagen: «Keine Angst, er gehorcht mir aufs Wort. Er beißt dich nur, wenn ich es ihm befehle.»