Wer klar denkt, entscheidet besser - Shane Parrish - E-Book
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Wer klar denkt, entscheidet besser E-Book

Shane Parrish

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Beschreibung

Die Werkzeugkiste für gute Entscheidungen

Denken ist nichts, was wir lernen können – werden die meisten behaupten. Shane Parrish war Agent bei einem Geheimdienst mit drei Buchstaben und musste auf die harte Tour feststellen, dass es gravierende Unterschiede beim Denken gibt. Nach einem Einsatz, der nicht mit dem gewünschten Erfolg endete, begann er, das Denken infrage zu stellen.

In welchen Situationen können wir überhaupt klar denken? Wie lässt sich unser reflexartiges Denken verbessern?

Sobald wir unter Druck geraten, entfernen wir uns automatisch von unserem eigentlichen Ziel und dem klaren Denken und Entscheiden. Shane Parrish hat in Gesprächen mit diversen Meister*innen des Denkens, wie beispielsweise Daniel Kahnemann, und durch eigene Reflexion herausgefunden, was klares Denken ausmacht. Welche Situationen prädestiniert sind für kluge Entscheidungen und klares Denken und wie wir uns den mentalen Raum dafür nehmen, zeigt Shane Parrish nun in seinem ersten Buch.

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Seitenzahl: 333

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Buch

Gab es je Momente, in denen Sie sich gewünscht haben, Sie hätten eine bessere Entscheidung getroffen? Kennen Sie die quälende Frage »Wie wäre mein Leben anders verlaufen?«, wenn Sie in einer komplexen Situation mit klarem Kopf und Weitblick entschieden hätten? Wenn wir unter Druck geraten, macht sich unser Gehirn gerne aus dem Staub. Wir laufen auf Autopilot, und unsere Instinkte übernehmen die Show für uns. Doch wir können lernen, auch in herausfordernden Momenten geistige Klarheit zu bewahren, um so die Situation richtig zu erfassen und die für uns besten Entscheidungen zu treffen.

Autor

Shane Parrish ist ehemaliger Geheimdienstagent und eine gefeierte Größe der Unternehmensführung. Er berät Konzerne im Silicon Valley und an der Wall Street, Anlageberater*innen und Athlet*innen. Für manche seiner Kund*innen ist er persönlicher Entscheider. Er ist der Gründer des Medienportals Farnam Street und des Podcasts The Knowledge Project mit einer halben Million Abonnent*innen und 35 Millionen Downloads. Zu seinem Netzwerk gehören unter anderem James Clear, Arianna Huffington und Daniel Pink. Er lebt in Ottawa, Kanada.

In jeder Situation wissen, was zu tun ist

Aus dem Amerikanischen von Annika Tschöpe

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2023 unter dem Titel „Clear Thinking“ bei Portfolio, einem Imprint der Penguin Publishing Group, New York.

Wir haben uns bemüht, alle Rechteinhaber ausfindig zu machen, verlagsüblich zu nennen und zu honorieren. Sollte uns dies im Einzelfall aufgrund der schlechten Quellenlage bedauerlicherweise einmal nicht möglich gewesen sein, werden wir begründete Ansprüche selbstverständlich erfüllen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Deutsche Erstausgabe März 2024

Copyright © 2023 der Originalausgabe: Portfolio, an imprint of Penguin Publishing Group, a division of Penguin Random House LLC.

Copyright © 2024 der deutschsprachigen Ausgabe: Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Nadine Lipp

Umschlag: Uno Werbeagentur, München

Umschlagmotiv: © istock/Olaser/DigitalVision

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

GS/JS ∙ IH

ISBN 978-3-641-31740-9V001

www.goldmann-verlag.de

Inhalt

Vorwort

Einleitung: Die Kraft des klaren Denkens in alltäglichen Situationen

TEIL 1

Die Feinde des klaren Denkens

1. Schlecht gedacht – oder gar nicht gedacht?

2. Die emotionale Standardeinstellung

3. Die Ego-Standardeinstellung

4. Die soziale Standardeinstellung

5. Die Trägheits-Standardeinstellung

6. Klarheit zum neuen Standard machen

TEIL 2

Stärke entwickeln

1. Selbstverantwortung

2. Selbsterkenntnis

3. Selbstbeherrschung

4. Selbstvertrauen

5. Stärke in Aktion

6. Ansprüche setzen

7. Vorbilder und Übung

TEIL 3

Umgang mit Schwächen

1. Schwächen erkennen

2. Schutzmaßnahmen zur Absicherung

3. Mit Fehlern umgehen

TEIL 4

Entscheidungen: Klares Denken in Aktion

1. Das Problem definieren

2. Mögliche Lösungen erkunden

3. Die Optionen bewerten

4. Aktiv werden

5. Sicherheitsmarge

6. Aus Entscheidungen lernen

TEIL 5

Wollen, was zählt

1. Von Charles Dickens lernen

2. Die Glücksexperten

3. Memento mori

4. Vom Tod für das Leben lernen

Schlusswort: Der Wert des klaren Denkens

Dank

Anmerkungen

Register

Vorwort

Im August 2001 trat ich eine Stelle bei einer kanadischen Geheimbehörde an. Wenige Wochen später hatte sich die Welt nach den Anschlägen vom 11. September für immer verändert.

In meiner Behörde sahen wir uns unverhofft mit Aufgaben und Verantwortungen konfrontiert, auf die wir nicht vorbereitet waren. Ich musste Tag für Tag Lösungen für Probleme finden, die kaum jemand je für möglich gehalten hätte. Meine Tätigkeit war nicht nur kompliziert und neuartig, es standen auch Menschenleben auf dem Spiel. Scheitern kam also nicht infrage.

Einmal ging ich nach einem Einsatz nachts um drei Uhr nach Hause. Das Ergebnis war nicht so ausgefallen, wie ich es mir erhofft hatte. Mir war klar: Am nächsten Morgen würde ich meinem Chef erklären müssen, was geschehen war und was ich mir bei meinen Entscheidungen gedacht hatte.

Hatte ich alles richtig durchdacht? Hatte ich etwas übersehen? Wie konnte ich mich selbst überprüfen?

Ich würde meine Gedankengänge offenlegen müssen, sodass sich andere ein Urteil darüber bilden konnten.

Am nächsten Tag erläuterte ich meinem Chef, was in meinem Kopf vorgegangen war. Zum Abschluss erklärte ich, dass ich dem Job und der damit verbundenen Verantwortung nicht gewachsen sei. Mein Chef legte seinen Stift aus der Hand, holte tief Luft und sagte: »Shane, niemand ist diesem Job gewachsen. Aber du und dieses Team, ihr seid alles, was wir haben.«

Diese Antwort war nicht gerade beruhigend. Mit »Team« meinte er zwölf Leute, die seit Jahren 80 Stunden pro Woche im Einsatz waren. »Alles, was wir haben« bedeutete, dass nur wir ein neues Programm unserer Behörde starten konnten, das wichtigste seit vielen Generationen. Als ich nach dem kurzen Gespräch sein Büro verließ, schwirrte mir der Kopf.

In der darauffolgenden Nacht begann ich mir Fragen zu stellen, die mich die nächsten zehn Jahre lang beschäftigen sollten. Wie kann es uns gelingen, besser zu denken, zu urteilen und zu entscheiden? Wie kommen schlechte Entscheidungen zustande? Warum gelingt es manchen Menschen, bei identischer Ausgangsinformationslage, bessere Ergebnisse zu erzielen als anderen? Wie kann ich erreichen, dass ich öfter richtigliege und die Gefahr einer schlechten Entscheidung minimiere, wenn Menschenleben auf dem Spiel stehen?

Bis zu jenem Zeitpunkt hatte ich beruflich ziemlich viel Glück gehabt, und ich hoffte natürlich, dass dieses Glück anhalten würde. Dennoch wollte ich mich nicht zu sehr darauf verlassen. Falls es eine Technik gab, die zu einem klareren Denken und besseren Entscheidungen führte, dann wollte ich diese Technik nutzen.

Man hat mir nie beigebracht, wie man denkt oder Entscheidungen trifft – vermutlich ist es bei Ihnen nicht anders. In der Schule gibt es keinen Grundkurs Klares Denken. Offenbar geht man allgemein davon aus, dass jeder Mensch von Natur aus weiß, wie man denkt, oder es sich eben selbst beibringt. Dabei ist es in Wirklichkeit erstaunlich schwierig, das Denken – das klare Denken – zu lernen.

In den darauffolgenden Jahren setzte ich alles daran, zu lernen, wie man besser denkt. Ich achtete darauf, wie andere Informationen zusammentrugen, wie sie schlussfolgerten, wie sie dann in der Praxis handelten und wie ihr Handeln zu positiven oder negativen Ergebnissen führte. Waren manche einfach schlauer als andere? Oder hatten sie bessere Strategien oder Methoden? War ihnen in den entscheidenden Augenblicken überhaupt klar, wie sie dachten? Wie konnte ich die offensichtlichen Fehler vermeiden?

Ich begleitete besonders erfahrene Leute zu Meetings und hörte mir still* an, was sie warum für wichtig hielten. Ich las alles, was ich zum Thema Erkenntnis finden konnte, und redete mit allen, die zu einem Gespräch bereit waren.

Ich wandte mich an Wirtschaftsgrößen,† die offenbar auch dann klar denken konnten, wenn es anderen nicht gelang. Offenbar wussten sie etwas, das anderen verborgen blieb, und ich wollte unbedingt herausfinden, was es war.

Während die meisten von uns unbedingt gewinnen wollen und alles daransetzen, wissen die Besten, dass man, wenn man gewinnen will, vor allem nicht verlieren darf. Und diese Strategie ist erstaunlich effektiv.

Meine Erkenntnisse habe ich auf einer anonymen Website namens Farnam Street zusammengestellt.‡ Sie ist unter fs.blog zu finden, und ich habe sie zu Ehren von Charlie Munger und Warren Buffett§ so benannt. Das sind zwei Menschen, die ihr Geld dadurch verdienen, dass sie Entscheidungen treffen, und sie haben meine Sicht auf die Welt maßgeblich beeinflusst.

Im Laufe der Jahre hatte ich das Glück, mich nicht nur mit meinen Helden Charlie Munger und Daniel Kahneman über das Denken und die Entscheidungsfindung austauschen zu können, sondern auch mit anderen Koryphäen wie Bill Ackman, Annie Duke, Adam Robinson, Randall Stutman und Kat Cole. Viele dieser Gespräche kann man im Podcast The Knowledge Project nachhören. Andere, wie meine Unterredungen mit Munger, müssen privat bleiben. Obwohl ich mit so vielen Menschen gesprochen habe, hat niemand mein Denken und meine Ideen stärker beeinflusst als mein Freund Peter D. Kaufman.

Aus Tausenden von Gesprächen ging eine wichtige Erkenntnis hervor: Damit wir die Ergebnisse erzielen, die wir uns wünschen, ist zweierlei nötig. Erstens müssen wir in unseren Gedanken, Gefühlen und Handlungen Raum zum Überlegen schaffen, und zweitens müssen wir diesen Raum gezielt nutzen, um klar zu denken. Sobald Sie diese Fähigkeit beherrschen, werden Sie merken, dass Sie anderen gegenüber entscheidend im Vorteil sind.

Entscheidungen, die Sie durch klares Denken fällen, stärken Ihre Position, sodass sich Ihr Erfolg stetig erhöht.

Dieses Buch ist eine praktische Anleitung zum klaren Denken.

In der ersten Hälfte geht es darum, wie Sie den dazu nötigen Raum schaffen. Zunächst identifizieren wir die Feinde des klaren Denkens. Sie werden lernen, dass das, was wir für »Denken« halten, in Wirklichkeit meist eine unüberlegte Reaktion ist, die auf biologische Instinkte zur Arterhaltung zurückgeht. Wenn wir unüberlegt reagieren, schwächen wir unsere Position und schränken unsere Möglichkeiten immer weiter ein. Doch wenn wir wissen, wie wir mit biologischen Triggern umgehen können, schaffen wir uns Raum, um klar zu denken und unsere Position zu stärken. Anschließend ermitteln wir eine Reihe praktischer, leicht umsetzbarer Strategien, mit denen Sie Ihre Schwächen in den Griff bekommen und Ihre Stärken ausbauen können, sodass Sie auch unter Druck stets diesen Raum zum Überlegen haben.

In der zweiten Hälfte des Buches geht es um die praktische Anwendung des klaren Denkens. Sobald Sie Ihre Stärken optimiert und Ihre Schwächen unter Kontrolle haben – wenn Sie also dafür gesorgt haben, dass zwischen Denken und Handeln eine Pause liegt –, können Sie klares Denken in effektive Entscheidungen umsetzen. Im vierten Teil stelle ich Ihnen die besten Hilfsmittel zur Problemlösung vor.

Und schließlich, wenn Sie gelernt haben, wie Sie standardmäßig für und nicht gegen Ihre eigenen Interessen arbeiten und Ihren rationalen Verstand optimal einsetzen, gehe ich auf die vielleicht wichtigste Frage ein: die Frage nach Ihren eigentlichen Zielen. Die erfolgreichsten Techniken der Welt sind zwecklos, wenn Sie damit nicht das anstreben, was Sie wirklich wollen. Aber woher sollen Sie wissen, was das ist?

In diesem Buch erläutere ich die effektivsten Herangehensweisen ans Denken, so, wie nur wenige es tun. Ganz ohne hochtrabende Floskeln, Tabellen oder Entscheidungsbäume konzentrieren wir uns auf die praktischen Fertigkeiten, die ich von anderen gelernt, selbst entdeckt und zusammen mit Tausenden Menschen aus verschiedenen Organisationen, Kulturen und Branchen ausprobiert habe.

Gemeinsam werden wir das fehlende Glied zwischen der Verhaltenswissenschaft und den praktischen Ergebnissen finden und dafür sorgen, dass Sie in jeder Situation wissen, was zu tun ist.

Die Erkenntnisse in diesem Buch sind einfach, praxisorientiert und zeitlos. Sie gehen in erster Linie auf das zurück, was ich von anderen gelernt und selbst umgesetzt habe. Diese Erkenntnisse und Einsichten haben mir dabei geholfen, im Geheimdienst bessere Entscheidungen zu treffen, mehrere Unternehmen zu gründen und auszubauen, und sie haben mir erstaunlicherweise auch dabei geholfen, ein besserer Vater zu sein. Wie Sie sie nutzen, bleibt Ihnen überlassen.

Wenn mein Leben ein Motto hat, dann dieses: »Die besten Erkenntnisse, die andere Menschen bereits hatten, optimal nutzen«, und diese Einstellung spiegelt sich in diesem Buch. Ich habe mich redlich bemüht, alle Ideen, die in diesem Buch vorkommen, auch denjenigen zuzuschreiben, denen Anerkennung dafür gebührt. Dabei habe ich sicherlich jemanden übersehen, und dafür möchte ich mich entschuldigen. Alles, was man praktisch anwendet, geht einem irgendwann in Fleisch und Blut über. In zwei Jahrzehnten habe ich Tausende von Gesprächen mit den Besten der Welt geführt und mehr Bücher verschlungen, als ich zählen kann, sodass ich oft nicht mehr genau weiß, welcher Gedanke woher stammt.

Alles Nützliche in diesem Buch ist höchstwahrscheinlich anderen zu verdanken; mein Anteil beschränkt sich in erster Linie darauf, aus den vielen Dingen, die mir andere vermittelt haben, das Mosaik zusammenzusetzen, das ich hier präsentiere.

* Nun ja, weitestgehend still.

† Wenn man für einen Nachrichtendienst arbeitet, öffnen sich viele Türen, die sonst verschlossen bleiben.

‡ Anonym deshalb, weil öffentliche Profile bei Geheimdiensten meist nicht gerne gesehen werden. Mittlerweile hat sich das geändert. Neue Leute sind so schwer zu bekommen, dass man nun ein öffentliches Profil haben darf. Auch wenn die Stellenbeschreibungen vage bleiben, nennen jetzt viele die Behörde, für die sie arbeiten, im LinkedIn-Profil. Aber als ich anfing, existierten wir offiziell gar nicht – es gab nicht einmal ein Schild am Gebäude. Es sollte noch mehr als ein Jahrzehnt vergehen, bis an ein öffentliches Profil zu denken war.

§ Der Hauptsitz von Berkshire Hathaway, dem Unternehmen, bei dem Warren Buffett CEO ist und Charlie Munger Vice-Chairman war, befindet sich in der Farnam Street in Omaha, Nebraska, USA.

EINLEITUNG

Die Kraft des klaren Denkens in alltäglichen Situationen

Die Zukunft wird durch das geprägt, was heute in Alltagssituationen geschieht.

Man schärft uns ein, wir müssten uns auf die großen Entscheidungen konzentrieren, nicht auf die Momente, in denen uns gar nicht klar ist, dass wir gerade eine Wahl treffen. Diese alltäglichen Momente sind für unseren Erfolg jedoch oft wichtiger als die großen Entscheidungen, nur ist das nicht immer so leicht zu erkennen.

Wir glauben, dass sich alles wie von Zauberhand fügen wird, wenn wir bei den großen Entscheidungen richtig handeln. Wenn wir die richtige Person heiraten, wird alles gut. Wenn wir uns den richtigen Beruf aussuchen, werden wir glücklich. Wenn wir richtig investieren, werden wir reich. Diese Annahme stimmt jedoch bestenfalls zum Teil. Man kann den tollsten Menschen der Welt heiraten, wenn man ihn nicht zu schätzen weiß, wird die Ehe scheitern. Man kann sich den tollsten Beruf aussuchen, wenn man sich aber nicht ins Zeug legt, kommt man nicht weiter. Man kann die perfekte Investitionsmöglichkeit entdecken, aber wenn das Konto leer ist, kann man nichts investieren. Selbst wenn unsere großen Entscheidungen in die richtige Richtung gehen, ist nicht garantiert, dass wir damit die erhofften Ergebnisse erzielen.

Alltägliche Momente betrachten wir nicht als Entscheidungen. Niemand weist uns darauf hin, dass wir mit unserer Reaktion auf die Bemerkung eines Kollegen entweder Öl oder Wasser ins Feuer gießen werden. Wäre uns klar, welch negative Folgen unser Verhalten haben könnte, würden wir das natürlich ändern. Für einen kleinen Triumph würden wir niemals bewusst alles auf Spiel setzen, was wir uns in einem ganzen Jahrzehnt erarbeitet haben – und doch tun wir es sehr oft.

Die Feinde des klaren Denkens – die primitiveren Teile unseres Wesens – verhindern, dass wir Zusammenhänge durchschauen, und machen uns das Leben umso schwerer. Wenn wir in einem Meeting aufbrausend reagieren, müssen wir uns später entschuldigen. Wenn wir mit einer Entscheidung nicht das bestmögliche Ergebnis anstreben, sondern beweisen wollen, dass wir recht haben, werden wir das später ausbaden müssen. Wenn wir freitags einen Ehestreit anfangen, kann das das ganze Wochenende verderben. Kein Wunder, dass wir nicht genug Energie haben, gestresst sind und uns ständig unter Druck fühlen.

In den meisten Alltagssituationen überlassen wir das Denken den Umständen und bemerken es gar nicht, weil der einzelne Moment so belanglos wirkt. Doch im Laufe der Wochen und Monate summieren sich diese Momente und haben großen Anteil daran, wie leicht oder schwer es uns fällt, unsere Ziele zu erreichen.

Jeder Moment stellt die Weichen für die Zukunft. Diese Weichen bestimmen, ob das Leben einfacher oder schwerer wird. Wenn unser Ego die Oberhand gewinnt und wir anderen unsere Überlegenheit beweisen wollen, machen wir uns die Zukunft schwerer. Wenn wir uns Kollegen gegenüber passiv-aggressiv verhalten, verschlechtert sich unsere Beziehung. Und auch wenn diese Momente im Augenblick nicht besonders wichtig erscheinen, haben sie zusammengenommen einen großen Einfluss auf unsere aktuelle Position. Und diese Ausgangsposition bestimmt unsere Zukunft.

Eine gute Ausgangsposition gibt Ihnen die Möglichkeit, klar zu denken, statt sich von den Umständen zu einer Entscheidung drängen zu lassen. Dass sich die Besten der Welt kontinuierlich gut entscheiden, liegt unter anderem daran, dass sie selten durch die Umstände zu einer Entscheidung gezwungen werden.

Wer gut positioniert ist, muss nicht schlauer sein als andere, um bessere Leistungen zu erzielen. In einer guten Position wirkt jeder Mensch wie ein Genie, und selbst der Klügste steht dumm da, wenn er schlecht aufgestellt ist.

Die beste Entscheidungshilfe besteht darin, dass man sich eine gute Ausgangsposition verschafft. Ein Unternehmen mit geringer Verschuldung und flüssigen Mitteln hat ausschließlich gute Optionen. In schlechten Zeiten – und diese kommen unweigerlich – werden die guten Optionen dann zu großartigen. Ein hoch verschuldetes Unternehmen ohne Barmittel kann dagegen nur zwischen schlechten Optionen wählen. Dann wird die Lage im Handumdrehen immer schlechter. Und das gilt natürlich längst nicht nur in der Wirtschaftswelt.

Die Zeit ist Ihr Freund, wenn Sie gut aufgestellt sind, und sie ist Ihr Feind, wenn Ihre Position schlecht ist. Aus einer guten Position führen viele Wege zum Sieg, aus einer schlechten vielleicht nur ein einziger.

Stellen Sie sich das wie ein Tetris-Spiel vor: Wer gut spielt, kann den nächsten Stein an vielen Stellen einsetzen, schlechte Spieler brauchen genau die richtige Form.

Vielen Menschen ist leider nicht klar, dass alltägliche Momente bestimmen, wie wir positioniert sind – und unsere Position wiederum bestimmt, welche Optionen uns zur Verfügung stehen. Klares Denken ist der Schlüssel zur richtigen Positionierung und gibt Ihnen die Möglichkeit, die Gegebenheiten selbst zu gestalten, statt von ihnen beherrscht zu werden.

Ihre aktuelle Position spielt keine Rolle. Wichtig ist, ob Sie diese Position heute verbessern.

Jeder alltägliche Moment ist eine Gelegenheit, die Zukunft leichter oder schwieriger zu gestalten. Es kommt nur darauf an, dass Sie klar denken.

TEIL 1

Die Feinde des klaren Denkens

Vergessen wir nie, dass unser Unbewusstes schlauer, schneller und machtvoller ist als wir. Vielleicht steuert es uns sogar. Niemals werden wir all seine Geheimnisse kennen.

Cordelia Fine, Wissen Sie, was Ihr Gehirn denkt?1

Schon von Weitem hörte ich Geschrei. Auf dem Weg zum Büro des CEO erwartet man so etwas normalerweise nicht, aber bei diesem CEO war das anders.

Ich betrat sein Büro, stellte meine Aktentasche auf den Tisch und nahm meinem Chef gegenüber Platz. Er reagierte nicht auf mich. Da ich schon seit Monaten für ihn arbeitete, hatte ich damit gerechnet, aber verstörend war es trotzdem.

Ich war seine erklärte rechte Hand, und eigentlich drang nichts und niemand zu ihm vor, ohne erst an mir vorbeizukommen. Deshalb war dieser Anruf so spannend. Er stand nicht im Kalender.

Während des Telefongesprächs mit der unbekannten Person war mein Chef vor Wut rot angelaufen. Ich hatte auf die harte Tour lernen müssen, dass man ihm in solchen Momenten besser nicht riet, tief durchzuatmen. Hätte ich das getan, hätte sich sein Zorn sofort auf mich gerichtet.

Als er auflegte, sah er mir kurz in die Augen. Ich wusste, dass mir nur der Bruchteil einer Sekunde für eine Äußerung blieb, sonst würde er seine Wut über diesen ungeplanten Anruf an mir abreagieren.

»Worum ging es?«, fragte ich.

»Ich musste meinen Standpunkt klarmachen«, erwiderte er.

Ich hatte keine Ahnung, mit wem er gesprochen hatte, aber die Art seiner Wut ließ mich vermuten, dass er diese Person nicht kannte. Wer für diesen CEO arbeitete, wusste genau, dass man ihm besser nichts sagte, was ihn verärgern könnte. Dazu gehörten schlechte Nachrichten, Ideen, die nicht seinen Vorstellungen entsprachen, und natürlich der Ratschlag, es gut sein zu lassen, wenn er eine Situation nur noch schlimmer machte.

Dieser Anruf sollte einer der letzten sein, die dieser CEO je in seinem Büro entgegennahm. Dieser ganz alltägliche Moment änderte alles.

Wie sich nämlich herausstellte, hatte die Person am anderen Ende der Leitung verzweifelt versucht, auf ein Problem hinzuweisen, das für die Organisation ernstliche Folgen haben konnte. Aufgrund der erbosten Reaktion wandte sie sich mit ihrem Anliegen an den Vorstand, und kurze Zeit später wurde der CEO entlassen.

Natürlich würde ich gerne behaupten, dass das unmittelbar auf sein Verhalten zurückzuführen war, aber sicher ist Ihnen klar, dass das nicht stimmt. Er wurde gefeuert, weil sein Ego ihn daran gehindert hatte, auf das zu reagieren, was man ihm mitteilen wollte. Hätte er klar denken können, hätte er seinen Job vielleicht noch heute.¶

¶ Einige Einzelheiten dieser Geschichte habe ich abgeändert, um die Identität der betroffenen Person zu schützen, doch im Wesentlichen hat es sich so zugetragen.

1.

Schlecht gedacht – oder gar nicht gedacht?

Alle Vernunft nützt nichts, wenn man nicht weiß, wann man sie einsetzen soll.

Wenn es darum geht, wie man sein Denken verbessern könnte, nennen viele Menschen verschiedene Hilfsmittel, die ein rationaleres Denken ermöglichen sollen. In Buchhandlungen stehen reihenweise Werke, die von der Grundannahme ausgehen, dass wir nicht richtig nachdenken. Sie erläutern, wie wir vorgehen und welche Strategien wir nutzen sollten, um bessere Entscheidungen zu treffen. Und das kann durchaus sinnvoll sein, wenn man weiß, dass man gerade nachdenken sollte.

Allerdings beobachte ich bei echten Menschen im wahren Leben – etwa bei dem erbosten CEO –, dass sie oft gar nicht merken, dass sie das Denken den Gegebenheiten überlassen. Es ist, als würden wir darauf warten, dass uns eine innere Stimme sagt: »Halt! Jetzt musst du nachdenken!«

Und weil wir nicht wissen, dass wir denken sollten, überlassen wir unseren Impulsen das Kommando.

In der Phase zwischen Reiz und Reaktion gibt es zwei Möglichkeiten. Sie können entweder bewusst innehalten und die Situation vernünftig überdenken, oder Sie geben das Kommando aus der Hand und führen ein Standardverhalten aus.

Nur ist es leider so, dass unser Standardverhalten oft alles nur noch schlimmer macht.

Wenn uns jemand beleidigt, schlagen wir mit zornigen Worten zurück.

Wenn uns jemand ins Wort fällt, sehen wir darin einen persönlichen Angriff.

Wenn etwas länger braucht, als uns lieb ist, werden wir ärgerlich und ungeduldig.

Wenn jemand passiv-aggressiv ist, springen wir darauf an und lassen die Situation eskalieren.

Bei derartigen Reaktionen erkennen wir nicht, dass unser Gehirn von unserer Biologie gekapert wurde und das Ergebnis nicht dem entsprechen wird, was wir erreichen wollen. Wir erkennen nicht, dass es dem Team schadet, wenn wir zu unserem eigenen Vorteil Informationen horten. Wir erkennen nicht, dass wir die Ansichten der Gruppe übernehmen, obwohl wir eigentlich selbstständig denken sollten. Wir erkennen nicht, dass unsere Gefühle uns zu Verhaltensweisen veranlassen, die letztlich zu Problemen führen werden.

Um bessere Ergebnisse zu erzielen, müssen wir also zuallererst dafür sorgen, dass wir erkennen, wann Urteilsvermögen gefragt ist und wir innehalten müssen, um Raum für klare Gedanken zu schaffen. Das kostet viel Zeit und Mühe, denn dabei müssen wir gegen unsere im Laufe der Jahrhunderte gewachsenen, fest einprogrammierten biologischen Standardeinstellungen angehen. Doch wir können es nicht nur schaffen, die Alltagsmomente zu beherrschen, die uns die Zukunft leichter oder schwerer machen, es ist sogar von entscheidender Bedeutung, um Erfolg zu haben und langfristige Ziele zu erreichen.

Kontrollverlust ist kostspielig

Unüberlegtes Reagieren macht jede Situation schlimmer.

Das zeigt ein Szenario, das ich schon unzählige Male erlebt habe. In einem Meeting äußert sich ein Kollege abschätzig über ein Projekt, für das Sie verantwortlich sind. Instinktiv schlagen Sie mit einem Kommentar zurück, der den Kollegen oder seine Arbeit in ein schlechtes Licht rückt. Diese Antwort war keine bewusste Entscheidung, sondern ist Ihnen einfach herausgerutscht. Ehe Sie es sich versehen, ist es passiert. Darunter leidet nicht nur das Verhältnis zum Kollegen, sondern das gesamte Meeting.

Nun müssen Sie viel Energie aufbringen, um die Ausgangssituation wiederherzustellen. Sie müssen das Verhältnis kitten, das gescheiterte Meeting muss neu angesetzt werden, vielleicht müssen Sie auch Gespräche mit anderen Beteiligten führen, um die Sache aus der Welt zu schaffen. Und trotz alledem kann es sein, dass Sie anschließend schlechter dastehen als davor. Alle, die den Vorfall miterlebt haben, und alle, die davon hören, haben unbewusst ein Signal empfangen, das das Vertrauen in Sie untergräbt. Somit müssen Sie sich nun monatelang als zuverlässig beweisen, um das Vertrauen zurückzugewinnen.

Die Menge an Zeit und Energie, die Sie für die Wiedergutmachung vermeidbarer Fehler aufwenden, fehlt Ihnen, um auf Ihre gewünschten Ergebnisse hinzuarbeiten. Es ist ein gewaltiger Vorteil, wenn Sie mehr Energie für die Arbeit an Ihren Zielen zur Verfügung haben. Wer klares Denken beherrscht, kann sich stärker für die erwünschten Ergebnisse engagieren als Menschen, die dazu nicht in der Lage sind.

Allerdings werden Sie kaum klar denken können, wenn Sie Ihre Standardreaktionen nicht in den Griff bekommen.

Biologische Instinkte

Nichts ist so stark wie biologische Instinkte. Sie steuern uns oft, ohne dass wir es überhaupt merken. Wenn wir uns das nicht eingestehen, wird ihr Einfluss nur noch größer.

Wenn Sie nicht nachvollziehen können, wieso Sie in manchen Situationen auf die denkbar schlechteste Weise reagieren, dann liegt das nicht an Ihrem Verstand. Ihr Verstand tut genau das, was die Biologie von ihm verlangt: Er reagiert auf Bedrohungen schnell und effizient, ohne wertvolle Zeit mit Nachdenken zu vergeuden.

Wenn bei Ihnen zu Hause eingebrochen wird, stellen Sie sich instinktiv zwischen den Eindringling und Ihre Kinder. Wenn jemand mit bedrohlicher Miene auf Sie zukommt, werden Sie misstrauisch. Wenn Sie fürchten, Ihre Stelle könne in Gefahr sein, horten Sie unter Umständen unbewusst Informationen. Ihr Primatengehirn meint nämlich, man könne Sie nicht feuern, wenn Sie sich unentbehrlich machen. Dabei steuert die Biologie, nicht der rationale Verstand, Ihr Verhalten.

Wenn sich unsere Lage durch eine unüberlegte Reaktion verschlechtert hat, macht uns die kleine Stimme in unserem Kopf schwere Vorwürfe: »Was hast du dir nur dabei gedacht?« In Wahrheit haben wir überhaupt nichts gedacht, sondern nur reagiert, wie es Tiere tun – schließlich sind wir ja auch Tiere. Der Verstand war nicht im Spiel, nur die Biologie.

Unsere biologischen Veranlagungen sind fest in uns verankert.** Diese Veranlagungen haben unseren urzeitlichen Vorfahren oft gute Dienste geleistet, aber heute stehen sie uns eher im Weg. Diese zeitlosen Verhaltensweisen wurden in Philosophie und Wissenschaft ausführlich erörtert, von Aristoteles und den Stoikern bis hin zu Daniel Kahneman und Jonathan Haight.2

So neigen wir beispielsweise wie alle Tiere von Natur aus dazu, unser Revier zu verteidigen.3 Dabei geht es aber nicht unbedingt um ein Stück Land in der afrikanischen Savanne, denn ein Revier ist nicht nur physischer, sondern auch psychologischer Natur. Unsere Identität ist ebenfalls Teil unseres Reviers. Wenn jemand unsere Arbeit, unseren Status oder unser Selbstverständnis kritisiert, schalten wir instinktiv auf stur oder verteidigen uns. Wenn unsere Überzeugungen infrage gestellt werden, hören wir nicht mehr zu, sondern gehen zum Angriff über. Ohne nachzudenken, aus einem rein tierischen Instinkt heraus.

Wir sind von Natur aus darauf programmiert, die Welt hierarchisch zu ordnen. Das tun wir, um sie zu begreifen, um unsere Überzeugungen aufrechtzuerhalten und um uns allgemein besser zu fühlen. Aber wenn jemand unseren Platz in der Welt und unsere Sicht auf diese Welt angreift, reagieren wir, ohne nachzudenken. Wenn Sie in Rage geraten, weil Ihnen jemand die Vorfahrt nimmt, dann sagt Ihr Unterbewusstsein: »Wieso meinst du, dass du dir das erlauben kannst?« Sie reagieren auf eine Bedrohung Ihres angeborenen Hierarchieempfindens. Im Straßenverkehr sind wir alle gleich. Wir müssen uns alle an die gleichen Regeln halten. Wer anderen die Vorfahrt nimmt, verstößt gegen diese Regeln und impliziert damit einen höheren Status.†† Ein anderes Beispiel wäre, dass Sie eine leidige Diskussion mit Ihren Kindern beenden, indem Sie verkünden: »Weil ich das sage.« (Oder im Büro entsprechend: »Weil ich hier das Sagen habe.«) In solchen Situationen denken Sie nicht mehr, sondern zeigen die angeborene Neigung, die Hierarchie zu unterstreichen.

Wir haben einen Selbsterhaltungstrieb. Die meisten von uns würden niemals absichtlich einen anderen Menschen niedermachen, um unser Ziel zu erreichen.‡‡ Das Schlüsselwort ist dabei jedoch »absichtlich«, denn Absicht erfordert Denken. Wenn wir getriggert werden und nicht nachdenken, übernimmt unser Selbstschutz das Ruder. Wenn in einem Unternehmen Entlassungen drohen, fallen sogar sonst sehr anständige Menschen anderen schnell in den Rücken, um den eigenen Job zu retten. Natürlich würden sie ihren Kollegen niemals bewusst schaden, aber wenn es »die oder ich« heißt, sorgen sie dafür, dass sie die Oberhand behalten. Das ist Biologie.

Unsere biologischen Instinkte bewirken eine automatische Reaktion ohne bewusste Informationsverarbeitung. Dafür sind sie schließlich da!

Bewusstes Verarbeiten kostet Zeit und Energie. Die Evolution hat auf kurze Wege zwischen Reiz und Reaktion gesetzt, weil sie für die Gruppe von Vorteil sind: Sie machen die Gruppe stärker, sichern ihr Überleben und die Fortpflanzung. Als die Menschheit in Gruppen aufgeblüht ist, entwickelten sich Hierarchien, die im Chaos Ordnung stifteten und uns allen einen Platz zuwiesen. Mithilfe von Revieren versuchten wir, Auseinandersetzungen mit anderen zu vermeiden – du lässt mir mein Revier, ich dir deins. Gleichzeitig sorgt der Selbsterhaltungstrieb dafür, dass wir dem Überleben Vorrang vor Regeln, Normen oder Sitten geben können.

Problematisch wird es, wenn man vom großen Ganzen auf das Individuum blickt, von den Äonen der Evolution auf den aktuellen Moment, in dem eine Entscheidung fällt. Heutzutage ist das grundsätzliche Überleben nicht mehr in Gefahr. Die Veranlagungen, die einst nützlich waren, hemmen uns jetzt oft, schwächen unsere Position und machen vieles schwerer, als es sein müsste.

Standardeinstellungen erkennen

Es gibt zwar viele Instinkte dieser Art, aber vier sind meiner Ansicht nach besonders stark ausgeprägt, typisch und gefährlich. Diese Verhaltensweisen sind quasi die Standard- oder Werkseinstellungen unseres Gehirns.4 Es handelt sich dabei um programmiertes Verhalten, das durch die natürliche Auslese in unsere DNA eingegangen ist und von unserem Gehirn bei bestimmten Auslösern automatisch ausgeführt wird, sofern wir nicht dagegen vorgehen und uns Zeit zum Überlegen nehmen. Diese Einstellungen haben viele Namen, aber in diesem Buch möchte ich sie als emotionale Standardeinstellung, Ego-Standardeinstellung, soziale Standardeinstellung und Trägheits-Standardeinstellung bezeichnen.

Und so wirken diese Standardeinstellungen:

Emotionale Standardeinstellung: Wir neigen dazu, eher auf Gefühle zu reagieren als auf Argumente und Fakten.Ego-Standardeinstellung: Wir neigen dazu, auf alles zu reagieren, was unser Selbstwertgefühl oder unsere Position in einer Gruppenhierarchie gefährdet.Soziale Standardeinstellung: Wir neigen dazu, uns an die Normen unserer größeren sozialen Gruppe anzupassen.Trägheits-Standardeinstellung: Wir bilden Gewohnheiten und wollen es bequem haben. Wir neigen dazu, Veränderungen abzulehnen, und bevorzugen Ideen, Abläufe und Umgebungen, die uns vertraut sind.

Diese Standardeinstellungen lassen sich nicht scharf voneinander trennen, die Grenzen sind fließend. Jede für sich kann bereits zu unnötigen Fehlern führen, doch wenn sie zusammenwirken, hat das oft schlimme Folgen. 

Wer die eigenen Standardeinstellungen im Griff hat, erzielt in der Praxis die besten Ergebnisse. Das heißt nicht, dass diese Leute keine Launen oder kein Ego haben – sie wissen nur, wie sie beides steuern können, statt sich davon steuern zu lassen. Sie können heute in Alltagssituationen klar denken und verschaffen sich damit immer wieder eine gute Ausgangsposition für morgen.

Im folgenden Kapitel werde ich erläutern, wie sich diese Standardeinstellungen im menschlichen Verhalten manifestieren und wie Sie erkennen, wenn sie bei Ihnen selbst am Werke sind. Sie werden dann nicht nur Ihr eigenes Verhalten besser verstehen, sondern künftig auch erkennen, wenn andere von ihren Standardeinstellungen gesteuert werden.

** Ich danke Peter Kaufman für die vielen Gespräche zu diesem Thema, die mein Denken stark beeinflusst haben.

†† Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich dieses Beispiel erstmals von Jim Rohn gehört habe, kann aber keine genaue Quelle finden.

‡‡ Natürlich mit Ausnahme der Person, für die Taylor Swift den Song »Better Than Revenge« geschrieben hat.

2.

Die emotionale Standardeinstellung

Der Pate ist einer meiner Lieblingsfilme, unter anderem weil man daraus so viel über das Unternehmertum lernen kann. Vito Corleone, das Oberhaupt der Gangsterfamilie Corleone, ist der Inbegriff von Geduld und Disziplin. Er hat seine Standardeinstellungen fest im Griff und zeigt deshalb niemals unüberlegte Reaktionen. Wenn er reagiert, dann mit gnadenloser Effizienz.

Vitos ältester Sohn, Santino alias »Sonny«, ist Vitos designierter Erbe. Im Gegensatz zu seinem Vater ist Sonny rachsüchtig, impulsiv und hitzköpfig. Er gerät leicht in Rage, reagiert spontan und denkt erst im Nachhinein nach. Mit seinen unnötigen Fehlern macht er sich selbst das Leben schwer.

Sonny wird, ohne dass er es merkt, von seiner emotionalen Standardeinstellung beherrscht. Einmal schlägt er in aller Öffentlichkeit seinen Schwager Carlo Rizzi zusammen, was später ungeahnte Folgen haben wird. Bei einer anderen Gelegenheit versucht eine rivalisierende Familie Vito als Partner für Drogengeschäfte zu gewinnen. Vito lehnt ab, doch Sonny stimmt schnell und unüberlegt zu und untergräbt damit die Position seines Vaters. Nach dem Treffen erteilt Vito seinem Sohn eine Lektion: »Du darfst nie einen Menschen, der nicht zur Familie gehört, merken lassen, was du denkst.« Doch der Ratschlag kommt zu spät, der Schaden ist bereits angerichtet. Der Dealer ist überzeugt davon, dass Sonny sich auf das Geschäft einlassen wird, wenn Vito aus dem Weg geräumt werden kann. Sonnys Indiskretion führt zu einem Anschlag auf Vito, der dabei schwer verwundet wird.

Während Vito im Krankenhaus liegt, übernimmt Sonny die Rolle des Familienoberhaupts. Mit seiner impulsiven Art zettelt er einen richtiggehenden Krieg mit den anderen Mafiafamilien an. Carlo Rizzi, der Sonny noch immer dafür hasst, dass er ihn vor seinen Leuten verprügelt hat, tut sich unterdessen mit einer rivalisierenden Familie zusammen, um ihn zu töten. Er verleitet Sonny zu einer unüberlegten Reaktion, die zu dessen brutaler Ermordung auf dem Jones Beach Causeway führt.

Sonny fällt letztlich seinem unbeherrschten Temperament zum Opfer, und so geht es auch vielen anderen. Wenn wir unüberlegt handeln, machen wir leichter Fehler, die im Nachhinein offensichtlich erscheinen. Bei emotionalen Reaktionen ist uns oft überhaupt nicht klar, dass wir eigentlich nachdenken sollten. Wenn man sich vom Augenblick mitreißen lässt, helfen die besten Denktechniken der Welt nicht weiter.

Vom Fühlen zum Handeln

In uns allen steckt ein bisschen Sonny. Wenn wir Wut, Angst oder ein anderes Gefühl verspüren, haben wir den Drang, sofort zu handeln. Aber die Handlung, zu der wir uns in solchen Augenblicken gedrängt fühlen, tut uns selten gut.

Wut auf Rivalen verhindert, dass Sie das tun, was für Sie selbst am besten ist. Die Angst, eine Chance zu verpassen, verleitet Sie dazu, impulsiv statt überlegt zu handeln. Empörung über eine Kritik bewirkt, dass Sie zum Gegenangriff übergehen und damit mögliche Verbündete vor den Kopf stoßen. Das sind nur einige Beispiele von vielen.

Gefühle können sämtliche Fortschritte zunichtemachen. Im Handumdrehen ist etwas zerstört, in das Sie viele Überlegungen oder viel Arbeit investiert haben. Niemand ist davor gefeit. Der Sportschütze Matthew Emmons beispielsweise galt als Ausnahmetalent und dominierte seinen Sport. Er war auf dem besten Weg, zum zweiten Mal olympisches Gold zu gewinnen, als ihm die emotionale Standardeinstellung in die Quere kam. Emmons war in der letzten Runde. Er zielte. Er schoss. Volltreffer. Allerdings hatte er auf das falsche Ziel gefeuert! Mit dem richtigen hätte er sich die Goldmedaille gesichert, doch so bekam er null Punkte und rutschte auf den achten Platz ab.

Im Nachhinein sagte Emmons, dass er sich normalerweise durch das Zielfernrohr vergewisserte, dass über dem Ziel die richtige Zahl stand, ehe er das Bullseye anpeilte. Dieses eine Mal hatte er diesen entscheidenden ersten Schritt jedoch ausgelassen.

»Bei diesem Schuss«, so berichtete er, »habe ich nur darauf geachtet, möglichst ruhig zu werden … deshalb habe ich die Zahl gar nicht angeschaut.«5 So landete er einen Treffer für die emotionale Standardeinstellung.

Emmons Fehlleistung bei den Olympischen Spielen ist zwar legendär, aber nichts im Vergleich zu der Tragödie, die ein ehemaliger Kollege erlebte, den ich hier Steve nennen möchte. Mir war aufgefallen, dass Steve immer ganz still wurde, wenn bei Geschäftsessen politische Themen diskutiert wurden. Eines Tages, als wir unter uns waren, erkundigte ich mich nach dem Grund.

Daraufhin erfuhr ich eine Geschichte, die ich nie vergessen werde.

Steve hatte einmal seine Eltern zum Abendessen eingeladen, und als die Rede auf Politik und Steuern kam, wurde es hitzig. Steve wurde von seinen Gefühlen übermannt und sagte Dinge, die er wahrscheinlich nicht so meinte. Dinge, die man nicht zurücknehmen kann. Dinge, die man nur dann sagt, wenn man unüberlegt reagiert.

Das war das letzte Mal, dass Steve mit seinen Eltern gesprochen hat. Auf dem Heimweg wurde ihr Wagen frontal von einem betrunkenen Autofahrer erfasst. Beide starben bei dem Unfall. Dieser Abend verfolgt Steve bis heute. Ihn quält die Erinnerung an diese Situation, an diesen Alltagsmoment, den er für immer bereuen wird.

Gefühle können selbst die Besten dumm dastehen lassen und am klaren Denken hindern. Allerdings bekommen die Gefühle dabei oft Verstärkung. Wir werden noch auf verschiedene biologische Schwachstellen eingehen, die dazu führen, dass wir besonders anfällig dafür sind, nach der emotionalen Standardeinstellung zu handeln: Schlafmangel, Hunger, Müdigkeit, Gefühle, Ablenkung, Stress durch Zeitdruck und ungewohnte Umgebungen. In solchen Situationen sollten Sie besonders auf der Hut sein, denn höchstwahrscheinlich hat dann die emotionale Standardeinstellung das Ruder übernommen. Außerdem werden wir uns mit Schutzmaßnahmen befassen, die Ihnen in solchen Situationen helfen können.

3.

Die Ego-Standardeinstellung

Um noch einmal auf den Paten zurückzukommen: Carlo Rizzi ist ein gutes Beispiel für eine andere Standardeinstellung, nämlich das Ego.

Carlo wird Teil der Corleone-Familie, als er Vitos Tochter Connie heiratet. Als Außenseiter steht er in der sozialen Hierarchie relativ weit unten. Hochmut und Ego bewirken, dass ihn seine Nebenrolle im Familienunternehmen zunehmend frustriert. Dieser Frust verleitet ihn zu einigen unverzeihlichen Handlungen.

So etwas geschieht im Leben immer wieder: Die Ego-Standardeinstellung drängt uns dazu, um jeden Preis unser Selbstbild zu fördern und zu schützen.

In Carlos Fall ist es so, dass ihm ständig sein geringer Status in der Familie vor Augen geführt wird, während er gleichzeitig sein Selbstbild verteidigen will (»Ich kann mehr leisten, aber sie lassen mich nicht.«). Deshalb begeht er letztlich den ultimativen Verrat. Carlo hatte nie die Absicht, die Familie Corleone von innen heraus zu zerstören, er wollte nur eine Rolle, die seinem Selbstverständnis entsprach. Der tägliche Frust über seinen geringen Stellenwert löste eine Kettenreaktion aus, die er nie beabsichtigt hatte.

Erfolgreich wirken oder erfolgreich sein

Selbstvertrauen ist nicht gleich Selbstvertrauen. Manchmal basiert es auf der Erfahrung, das eigene fundierte Wissen erfolgreich eingesetzt zu haben, und manchmal geht es nur auf ein oberflächliches Zeitungsartikel-Wissen zurück. Es ist schon erstaunlich, wie oft das Ego fremdes Wissen in uneingeschränktes Selbstbewusstsein verwandelt.

Oberflächliches Wissen kann gefährlich sein; das musste eins meiner Kinder auf die harte Tour lernen. Um sich Zeit und Mühe zu sparen, verfasste mein Sohn seine Französisch-Hausaufgaben einfach auf Englisch und jagte sie durch ein Online-Übersetzungstool. Auf meine Frage, wieso er so schnell fertig sei, sagte er nur, die Aufgabe sei eben sehr simpel gewesen. Natürlich merkte seine Französischlehrerin sofort, was Sache war, und gab ihm null Punkte.

Unser Ego verleitet uns dazu, uns für besser zu halten, als wir sind. Wenn wir das Ego nicht bändigen, kann Selbstvertrauen zu Selbstüberschätzung oder sogar zu Arroganz werden. Wir informieren uns ein bisschen im Internet und halten uns sofort für die Schlauesten. Alles wirkt so einfach, deshalb gehen wir Risiken ein, die uns vielleicht gar nicht richtig klar sind. Solch unbegründetem Selbstvertrauen müssen wir entgegenwirken, um das zu erreichen, was wir erreichen wollen.

Als ich kürzlich einen Vortrag über die steigende Zahl von Obdachlosen besuchte, sagte mein Sitznachbar zu mir, die Lösung für dieses tiefgehende, komplexe Problem liege doch auf der Hand. Unbegründetes Selbstvertrauen, das wahrscheinlich auf oberflächlichen Informationen beruhte, gaukelte ihm vor, das Problem sei ganz einfach zu lösen. Diejenigen dagegen, deren Selbstvertrauen auf hart erarbeitetes Wissen zurückging, waren ganz anderer Meinung und konnten die Lage durchaus realistisch einschätzen.

Oberflächliche Informationen verleiten uns zu vorschnellen Urteilen. »Ich hab’s begriffen«, denken wir. Unwahrscheinliche Szenarios schließen wir aus und denken nur an den Optimalfall. Mit unserem neuen (und falschen) Selbstvertrauen fühlen wir uns gegen Unglück gefeit – schlimme Dinge passieren nur anderen.6

Aber Selbstvertrauen macht weder schlechte Ergebnisse unwahrscheinlicher noch gute Ergebnisse wahrscheinlicher, sondern lediglich blind für die Risiken. Außerdem führt das Ego dazu, dass wir vor allem danach streben, unsere vermeintliche Position in einer sozialen Hierarchie zu erhalten oder zu verbessern, statt unser Wissen oder unsere Fähigkeiten auszubauen.

Dass es uns im Beruf oft schwerfällt, andere zu fördern, liegt unter anderem daran, dass wir uns wichtig und unentbehrlich vorkommen, wenn jede Entscheidung von uns abhängt. Aufgrund dieser Abhängigkeit fühlen wir uns nicht nur gebraucht, sondern auch mächtig. Je mehr Menschen von uns abhängig sind, desto stärker unser Gefühl der Macht. Allerdings ist diese Haltung oft selbstzerstörerisch. Eine Situation, die wir selbst geschaffen haben, nimmt uns immer stärker gefangen, bis es kein Zurück mehr gibt; wir müssen uns immer mehr anstrengen, um unsere Position zu verteidigen, und die Grenze zur rohen Gewalt§§ rückt immer näher. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis alles in sich zusammenstürzt.

Menschen, die bewundert werden wollen, zeigen der Welt, wie man sie manipulieren kann. Dass wir nach außen hin Größe ausstrahlen, ist uns oft wichtiger als wahre Größe. Wenn jemand das Bild stört, das wir von uns selbst haben (oder das wir vermitteln wollen), regt sich das Ego und lässt uns oft unüberlegt handeln. Carlo Rizzi ist ein fiktives Beispiel, aber es gibt auch viele aus dem echten Leben.