Wer mein Herz gefangen nimmt - Sandra Henke - E-Book
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Wer mein Herz gefangen nimmt E-Book

Sandra Henke

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Beschreibung

Ziehen Gegensätze sich wirklich an? Der turbulente Liebesroman »Wer mein Herz gefangen nimmt« von Romance-Queen Sandra Henke als eBook bei dotbooks. Eigentlich bringt die sympathische Kellnerin Carly nichts aus der Ruhe – bis sie das erste Mal von Nathan Winchester hört: Dessen Mitarbeiter kaufen am idyllischen Golden Lake ein Grundstück nach dem anderen, um dort ein dubioses Großprojekt zu verwirklichen. Nur Carly und ihre Großeltern weigern sich standhaft, ihr kleines, aber heißgeliebtes Zuhause zu verlassen. So viel steht fest: Dieser Immobilienhai ist der Teufel in Person! Doch dann steht er eines Tages vor ihr. Überraschenderweise ist Nathan so charmant und attraktiv, dass Carly ihren Ärger fast vergessen könnte – aber auch nur fast. Und so entbrennt zwischen den beiden ein funkensprühender Kampf um das begehrte Haus am See … und möglicherweise auch um Carlys Herz? Jetzt als eBook kaufen und genießen: Das hinreißende Romantik-Highlight »Wer mein Herz gefangen nimmt« von Sandra Henke, ursprünglich veröffentlicht unter dem Titel »Nacktbaden mit dem Teufel«, ist ein Liebeshumor voller Humor und großer Gefühle. Wer liest, hat mehr vom Leben! dotbooks – der eBook-Verlag.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 346

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Über dieses Buch:

Eigentlich bringt die sympathische Kellnerin Carly nichts aus der Ruhe – bis sie das erste Mal von Nathan Winchester hört: Dessen Mitarbeiter kaufen am idyllischen Golden Lake ein Grundstück nach dem anderen, um dort ein dubioses Großprojekt zu verwirklichen. Nur Carly und ihre Großeltern weigern sich standhaft, ihr kleines, aber heißgeliebtes Zuhause zu verlassen. So viel steht fest: Dieser Immobilienhai ist der Teufel in Person! Doch dann steht er eines Tages vor ihr. Überraschenderweise ist Nathan so charmant und attraktiv, dass Carly ihren Ärger fast vergessen könnte – aber auch nur fast. Und so entbrennt zwischen den beiden ein funkensprühender Kampf um das begehrte Haus am See … und möglicherweise auch um Carlys Herz?

Über die Autorin:

Sandra Henke, geboren 1973, gehört zu den Autorinnen, die sich nicht auf ein Genre beschränken, sondern ihre Leserinnen auf die unterschiedlichste Art begeistern – mit großen Liebesgeschichten, mit »Paranormal Romance« und erotischer Literatur. Unter dem Namen Laura Wulff veröffentlicht Sandra Henke außerdem erfolgreich Thriller. Sie lebt, glücklich verheiratet, in der Nähe von Köln. Mehr Informationen finden sich auf den Websites der Autorin (www.sandrahenke.de), auf Facebook (www.facebook.com/sandra.henke.autorin) und auf Instagram (www.instagram.com/sandra.henke.liebesromane).

Bei dotbooks veröffentlichte Sandra Henke die Hot-Romance-Romane »London Lovers – Die Kunst der Unterwerfung«, »Flammenzungen«, »Jenseits aller Tabus«, »Die Maske des Meisters«, »Opfer der Lust«, »Loge der Lust«, »Lotosblüte« und »Gebieter der Dunkelheit«

und die Contemporary-Romance-Highlights »Wo mein Herz dich sucht«, »Wenn mein Herz dich findet« und »Was mein Herz sich wirklich wünscht«

sowie den Sammelband »Fürstenkuss«, der die romantischen Romane »Verbotene Küsse«, »Prinzessin unter falschem Namen« und »Obwohl ich dich nicht lieben wollte« vereint.

Unter dem Namen Laura Wulff veröffentlichte Sandra Henke bei dotbooks die Thriller »Leiden sollst du«, »Nr.13« und »Opfere dich«.

Gemeinsam mit Kerstin Dirks verfasste Sandra Henke außerdem die erotische Trilogie über die Vampirloge Condannato, die ebenfalls bei dotbooks erschienen ist: »Die Condannato-Trilogie – Erster Band: Begierde des Blutes«, »Die Condannato-Trilogie – Zweiter Band: Zähmung des Blutes« und »Die Condannato-Trilogie – Dritter Band: Rebellion des Blutes«.

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Originalausgabe Oktober 2019

Copyright © der Originalausgabe 2019 dotbooks GmbH, München

Die Autorin hat diesen Roman ursprünglich unter dem Titel »Nacktbaden mit dem Teufel« im Selfpublishing veröffentlicht.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von shutterstock / nd 3000, Feel good studio, Alessandro Cancian, Jose R Garcia Cuevas, NYS, Chainarong06

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)

ISBN 978-3-96148-773-8

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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blog.dotbooks.de/

Sandra Henke

Wer mein Herz gefangen nimmt

Roman

dotbooks.

Kapitel 1»Man könnte meinen, du wärst in ihn verknallt.«

Carly

Wenn ich nur an Nathan X. Winchester denke, fängt das Blut in meinen Adern an zu kochen. Dabei kenne ich ihn nicht einmal persönlich, doch allein sein Name ist ein rotes Tuch für mich. Abfällig nenne ich ihn Mr. Cash. Er wurde schon mit Dollarzeichen in den Augen geboren. Vielleicht fallen bei ihm sogar Goldmünzen in die Keramikschüssel, wenn er auf dem stillen Örtchen sitzt und das Börsenmagazin liest, wer weiß? Bricklebrit! Wie der Esel im Märchen Tischlein, deck dich!. Und dass er ein Esel ist, steht für mich fest.

Er ist reich, seine Familie ist reich und auch seine Freunde sind reich. Sie alle schwimmen in Geld, während wir in einem Meer aus Sorgen ums Überleben kämpfen. Winchester schert das einen Dreck! Stattdessen schickt er Anzugträger, die uns dazu verführen sollen, ihm unseren letzten wertvollen Besitz zu überschreiben. Aber ich zeige ihm meinen Mittelfinger, denn an mir wird sich dieser Lackaffe die Zähne ausbeißen.

Wütend werfe ich den Waschlappen, mit dem ich gerade aus lauter Langeweile die Bistrotische im Schnellrestaurant abgewischt habe, in das Spülbecken hinter dem Tresen. Lauge spritzt mir ins Auge. Ich fluche leise und blinzele. Warum muss mir immer so etwas passieren? Vielleicht weil ich zu impulsiv bin? Papperlapapp.

»Lass mich raten.« Bear guckt mich durch die Essensluke aus der Küche heraus an. »Du hast schon wieder an ihn gedacht.«

»Winchester ist der Teufel in Person!«

»Übertreibst du nicht ein wenig?«

»Dieser Ebenezer Scrooge zerstört Existenzen, er vertreibt Menschen aus ihrem Zuhause. Da gibt es nichts schönzureden.«

»Genau genommen kauft er den Besitzern ihre Grundstücke ab, das ist ein bisschen was anderes.«

»Ha! Für ein Taschengeld.«

»Sie sind eben nichts mehr wert, seit Scoop Town zugrunde geht. Immer mehr Geschäfte dort geben auf. Inzwischen wohnen wir am Allerwertesten der Welt, Schätzchen.«

Aus tiefstem Herzen seufze ich und lächele verträumt. »Für mich ist der Golden Lake immer noch das Paradies.« Der See liegt allerdings noch einmal eine Stunde von Scoop Town entfernt im Nirgendwo und zwei Stunden von Houston weg.

»Mit der Meinung stehst du alleine da.«

»Offensichtlich nicht, denn dieser verfluchte Bastard Winchester hat leider das Potenzial dieses wunderschönen Fleckens erkannt.«

»Wie redest du denn? Achte auf deine Wortwahl, Carly!«

»Es tut mir leid.« Verlegen streiche ich über meine Kellnerinnenuniform, ein rosafarbenes Kleid mit verboten kurzem Rock und weißer Schürze, als wären wir in den Siebzigern stehen geblieben. »Hier machen zu viele Trucker Pause. Ihre Sprache färbt auf mich ab.«

Oh, Wunder! Ein Kunde – ein Mann, der erfolglos versucht, seine Aknenarben unter einem weit ins Gesicht gezogenen Basecap zu verstecken – betritt das Fast N Tasty, in dem ich als Bedienung arbeite. Nicht mein Traumjob, aber in einer abgelegenen Gegend, in der immer mehr Firmen schließen, darf man nicht wählerisch sein. Bear ist mein Boss. Natürlich ist das nur sein Spitzname, alle nennen ihn so, weil er an die zwei Meter groß ist. Seine riesigen Hände sehen aus, als wären sie zum Holzfällen gemacht, aber nicht zum Kochen. Neulich habe ich die ersten weißen Härchen an ihm entdeckt. Ob sie ihm auch schon aufgefallen sind? Wenn ja, stören sie ihn bestimmt nicht, denn er ist nicht eitel. Meistens trägt er ein Achselshirt, weil ihm immer zu heiß ist, und ein Halsband aus Knochen, Perlen und Lederbändern. Ich habe ihn ins Herz geschlossen! Dieser riesige Teddybär ist einfach zum Knuddeln. Was ich natürlich nicht mache, denn er ist ja mein Chef.

Den Laden an der Interstate 45 zwischen Houston und Dallas führt er jetzt schon seit fünfzehn Jahren. Als er ihn übernahm, lag Scoop Town noch nicht im Sterben. Einmal habe ich ihn gefragt, ob er daran denken würde, das Fast-Food-Restaurant zu schließen. Aufgebracht verneinte er. Er sagte, er sei sicher, dass das nur eine Flaute wäre und sein Geschäft diese mageren Zeiten überstehen und eines Tages wieder florieren würde. Meine Frage hat ihn richtig sauer gemacht, darum schweige ich das Thema jetzt tot.

Auffordernd nickt er mir zu, damit ich um den einzigen Mittagsgast, der uns bisher beehrt hat, herumfliege wie eine Motte ums Licht. Während ich die Bestellung aufnehme, strahle ich professionell mit der Septembersonne um die Wette. Der Gast tut so, als würde er an mir vorbeischauen, aber ich merke, dass er in Wahrheit meinen prallen Hintern anstarrt. Das tun sie alle. Gucken erlaubt, anfassen verboten!, signalisiere ich mit meiner Körperhaltung und meinem Blick. Das habe ich nach all den Jahren, die ich hier arbeite, drauf. Ich kann mich wehren, ich bin kein Opfer! Das wird auch dieser Snob mit dem geheimnisvollen zweiten Vornamen lernen. X, wofür das wohl stehen mag?

Ich gebe die Bestellung an Bear weiter. Mein Magen krampft sich zusammen. Wenn weiterhin so wenig Kundschaft kommt, würde ich bald arbeitslos sein, könnte meine Großeltern nicht mehr finanziell unterstützen und das würde Winchester in die Karten spielen.

Gedankenversunken gieße ich am Tresen für den Gast Kaffee in einen weißen Porzellanbecher. Wie lange wird es das Fast N Tasty noch geben? Hoffentlich so lange, bis Mr. Cash der Atem ausgeht. Ich glaube, ein Ticken zu hören und schaue zu der Wanduhr, die über der Küchendurchreiche hängt, aber sie hat schon vor Wochen den Geist aufgegeben. Es muss meine innere Uhr sein, die mir sagen will, dass die Zeit abläuft. Die Schlinge Winchesters zieht sich immer enger um meinen Hals zusammen. Wenn ich diesen Schnösel in die Finger bekäme, würde ich mit meinen rot lackierten Fingernägeln sein bildschönes Gesicht ...

»Verdammt!« Kaffee läuft über den Rand des Bechers und bildet eine Lache auf der Arbeitsfläche. Schnell stelle ich die Kanne zurück auf die Warmhalteplatte und wische mit einem feuchten Tuch das Malheur auf. In der Küche schnalzt Bear. Der kriegt aber auch alles mit! Entschuldigend lächele ich ihn an. Er schüttelt den Kopf, während er für den Gast ein Steak brät. Kulinarische Feinheiten darf man bei uns nicht erwarten. Aber diejenigen, die hier hereinkommen, wollen im Grunde eh nur schnell satt werden und wieder raus auf die Straße, um rasch weiterzufahren. Früher kamen viele Gäste von weither, um sich im Spielcasino zu amüsieren. Doch die Zeiten wurden schlechter, sodass die Menschen ihr Geld zusammenhalten mussten und Spaß nichts mehr kosten durfte. Das Casino machte dicht und unsere Kundschaft blieb aus. Ich kann Bears Hoffnung auf eine Wende nicht teilen, so sehr ich mich auch bemühe.

In meiner Vorstellung laufe ich herum wie Michonne in der TV-Serie The Walking Dead, das Schwert auf dem Rücken, jederzeit bereit, es zu zücken. Denn ich muss Granny und Grandpa verteidigen. Grace und Ethan sind schwach und drohen eher einzuknicken als ich. Dabei wollen sie auch nicht fort. Der Golden Lake ist unsere Heimat. Unser Herz hängt an diesem Fleckchen Erde.

Nun hängt alles von mir ab. Ich bin für Mr. Cash die letzte Bastion.

Aber es ist ein Kampf wie David gegen Goliath. Während er ein Heer aus Soldaten hat, habe ich nichts weiter als meinen Willen, gegen ihn zu gewinnen und dort wohnen zu bleiben, wo ich aufgewachsen bin und eine unbeschwerte Kindheit erlebt habe. Mein Schwert besteht aus Standhaftigkeit und ich schieße mit Mut. Niemand kann uns zwingen, an ihn zu verkaufen.

Plötzlich werden meine Augen feucht. Nanu, woher kommen denn die Tränen? Ich will mein Zuhause nicht verlassen. Hier bin ich glücklich, hier will ich bleiben, aber die Zeichen stehen schlecht.

Als zwei weitere Kunden innerhalb einer Stunde das Fast N Tasty betreten, überlege ich, ob ich den heutigen Tag im Kalender rot ankreuzen soll, aber wir haben gar keinen. Fröhlich flattere ich um sie herum. Ich flirte, lache und schäkere, was das Zeug hält. Während ich meine Reize einsetze, damit sie wiederkommen, gebe ich ihnen das Gefühl, die tollsten Typen im Universum zu sein. Das habe ich drauf, das gehört zu meinem Job.

Ich bilde mir nichts darauf ein, aber ich sehe ganz gut aus. Bis auf meinen J.Lo-Hintern mag ich alles an mir. Andere bezeichnen ein ausladendes Gesäß mitunter als Sinnbild von Weiblichkeit und finden das sexy, ich allerdings schäme mich für meinen XL-Po. Aber was soll’s? Ich kann’s nicht ändern. Der Rest ist okay. Mein Busen ist mehr als eine Männerhand voll, meine Taille ist schlank, ohne dass meine Hüftknochen scharf hervorstechen, meine Nase ist klein, meine Lippen sind dagegen voll und meine Augen groß wie die von Sailor Moon und meine braunen Haare, die mir bis zu den Schulterblättern reichen, schimmern im Sonnenschein, als hätte jemand Goldstaub darauf gestreut.

Was nutzt mir all das?, frage ich mich, während ich den Neuankömmlingen Eistee und Cola mit mehr Eiswürfeln als Flüssigkeit serviere. Eine Sparmaßnahme von Bear. Das Glas sieht voll aus, ist aber zu einem Großteil nur mit gefrorenem Wasser gefüllt. Die Männer bemerken den Schwindel nicht, weil meine üppige Kehrseite sie ablenkt, oder es ist ihnen egal. Die Abkühlung kommt ihnen wohl recht, denn tagsüber knacken die Temperaturen immer noch die 30-Grad-Marke und die Klimaanlage des Restaurants rasselt, stöhnt und ächzt, weil sie in den letzten Zügen liegt.

Was nutzt es mir, ganz gut auszusehen?, grübele ich erneut. Mir bringt Schönheit nichts. Seit einer Ewigkeit bin ich Single, weil alle jungen Männer wegziehen, um in Houston, Dallas, Austin oder San Antonio zu arbeiten. Hier stehe ich und bezirze Fremde mit speckigen Basecaps, löchrigen T-Shirts und Spucke in den Mundwinkeln, die ich nicht einmal mit der Kneifzange anfassen würde. Dabei sollte ich mit meinem Seelenverwandten in Herzchenkonfetti baden, eine Familie gründen und mit meinen außergewöhnlichen Keramiken die Welt erobern.

Na, super! Jetzt fühle ich mich mies. Klasse gemacht, Carly.

Die Wahrheit ist, ich bin verdammt einsam. Immer verzweifelter sehne ich mich nach Liebe und ertappe mich dabei, wie ich mit offenen Augen von einem Mann träume, der mein Herz wärmt. Der jeden Zentimeter meines Körpers zärtlich küsst, mich mit seinen Stößen in den Wahnsinn treibt und mich dann liebevoll in den Armen hält. Der mir Hoffnung schenkt, dass ich eines Tages mein Hobby zum Beruf machen kann und nicht mehr meine Reize dazu einsetzen muss, einem Gast ein Stück Käsekuchen als Dessert aufzuschwatzen, und der meinen Alltag sonniger macht, denn momentan hält sich ein Tief über mir. Und eine Mitschuld daran trägt dieser verteufelte Winchester.

Kaum denke ich an ihn, knülle ich unbewusst den Stapel weißer Papierservietten zusammen.

»Die sind sauber«, schreit Bear aus der Küche.

»Tschuldigung.« Ich versuche, die Servietten zu glätten, aber sie sehen trotzdem benutzt aus. Früher ließ Bear sie mit dem Logo seines Ladens bedrucken, heutzutage spart er sich die Ausgabe. Das Gebäude müsste dringend gestrichen werden, von innen und von außen. Die Stühle wackeln und die Tische sind zerkratzt. Rotkarierte Deckchen, künstliche Blumen und Poster mit scharfen Bräuten auf heißen Öfen an den Wänden sollen davon ablenken. Was mache ich eigentlich in diesem jämmerlichen Schuppen?

»Erst verschüttest du Kaffee und jetzt das. Wenn das so weitergeht, muss ich dir was vom Lohn abziehen, Carly, so leid es mir auch tut. Du weißt, ich mag dich.«

Das würde Bear eh nicht tun, dafür ist er zu nett. Mein spitzes Mundwerk schießt zurück: »Das würde ja bedeuten, ich müsste dir noch was dafür zahlen, dass ich für dich schaffe.«

Zähneknirschend schiebt er mir zwei Teller mit Spareribs und Pommes zu, die ich den Neuankömmlingen serviere.

Danach gehe ich wieder auf meine Warteposition hinter dem Tresen. Ich lehne mich zu meinem Boss, der durch die Durchreiche die schmatzenden Gäste beobachtet. »Machst du dir etwa keine Sorgen wegen Mr. Cash?«

Er zuckt nur mit seinen kräftigen Schultern.

»Das solltest du aber. Was auch immer er am Golden Lake bauen möchte, seine Klientel wird bestimmt nicht in einem Lokal wie diesem dinieren.«

»Das haben deine Nachbarn vom See auch schon lange nicht mehr.«

Ich schlucke schwer. Damit hat er leider recht. »Du darfst ihnen nicht böse sein. Sie krebsen alle herum und können es sich nicht mehr leisten, auswärts zu essen.« Inzwischen wohnen ohnehin nur noch die Fishburns und wir dort. »Früher war alles besser.«

»Bist du mit deinen sechsundzwanzig Jahren nicht zu jung, um so zu reden?«

Ich schnalze, reiße den Karton mit den Milchpäckchen auf und stelle ihn unter die Theke. Arbeit erledigt. Und was mache ich jetzt, um die Zeit rumzukriegen?

»Früher war nicht alles besser, nur anders.« Er holt ein Taschentuch aus der Hosentasche und wischt sich die Schweißperlen von der Stirn. »Nathan Winchester wird der Gegend Aufschwung bringen.«

»Meiner Familie und mir nicht. Uns will er verjagen.« Ich balle die Hand zur Faust. »Er ist der Balrog, aber ich bin Gandalf, der sich ihm in den Weg stellt und ihn aufhalten wird.«

»Mein Gott, Carly! Du bist ja regelrecht obsessiv, was den Kerl betrifft.«

»Er ist meine Nemesis.«

»Wärt ihr Highschool-Kids, könnte man meinen, du wärst in ihn verknallt.«

»Das ist der größte Unsinn, den du jemals von dir gegeben hast!«, sage ich aus vollstem Herzen, doch meine Wangen brennen.

Ich muss zugeben, dass Mr. Cash auf seinem Pressefoto recht passabel aussieht. Attraktiv, das ja, aber aalglatt und gestriegelt wie ein preisgekrönter Hengst. Die schwarzen Haare ordentlich gescheitelt wie ein Chorknabe, der Kragen seines Hemds blütenweiß und der anthrazitfarbene Anzug knitterfrei. Das glattrasierte Kinn leicht erhoben, blickt er würdevoll in die Kamera, als stände er über den Dingen, als säße er in seinem Elfenbeinturm, wo ihm niemand etwas anhaben kann. Das Einzige, was ihn aus der Masse der Karrieretypen herausstechen lässt, ist die weiße Krawatte, in meinen Augen eine Extravaganz unter Managertypen. Ansonsten ähneln sie sich wie Schafe – gleiche Uniform, blank polierte Oberfläche und ein überhebliches Lächeln auf den Lippen.

Ich verabscheue Anzugträger! Sie arbeiten in Krankenhäusern, Banken, in Autohäusern und Anwaltskanzleien. Sie zeigten kein Fünkchen Mitleid, als Grandpa das Geld für Herz-Medikamente fehlte, damals, als er noch keine Krankenversicherung hatte. Sie lehnten den Antrag meiner Großeltern auf einen Kredit auf ihr Haus am Golden Lake ab, um sich die Arzneimittel leisten zu können. Sie verkauften mir einen Gebrauchtwagen, der nur einen Monat durchhielt und verweigerten mir den Ersatz, den ich so dringend brauchte, um Ethan zu Arztbesuchen zu fahren. Sie schüttelten den Kopf, als sie erfuhren, dass ich nicht einmal die unverhältnismäßig hohe Summe für das juristische Erstberatungsgespräch besaß, begleiteten mich zum Ausgang und warfen mich, garniert mit diesem abschätzigen Lächeln, das ich zu hassen gelernt hatte, aus ihren Büroräumen.

Es kommen weitere Gäste an diesem Mittag. Ich kann ihnen Eiscreme und Kaffeevarianten mit Sirup, die um einiges teurer als der Filterkaffee sind, aufschwatzen. Mit einigen von ihnen unterhalte ich mich sogar gut. Der Tag wird langsam sonniger. Meine Laune blüht auf.

Ein schlohweißer Trucker mit Altersflecken auf den Handrücken erzählt mir, wie sehr er sich auf seine Frau, die in Amarillo wohnt, freut. Der alte Mann, der vermutlich längst in Pension sein sollte, scheint so verliebt zu sein wie am ersten Tag, dabei werden die beiden im nächsten Jahr Goldene Hochzeit feiern. Die Geschichte des Paares berührt mich. Das will ich auch! Lieben, bis in alle Ewigkeit, und noch in hohem Alter den Drang verspüren, jedem von meiner Hingabe zu erzählen, weil ich die Trennung kaum ertrage. Innerlich seufze ich.

Eine Familie bringt Leben ins Fast N Tasty. Ihr Baby schreit fast ununterbrochen, während ihre vierjährige Tochter immer wieder in die Küche rennt. Dabei scheucht Bear sie genauso regelmäßig wieder hinaus, was die Kleine toll findet. Sie denkt wohl, es sei ein Spiel. Er hat mir mal gebeichtet, dass er sich von Kids fernhält, weil er sich aufgrund seiner Größe ihnen gegenüber wie ein Elefant im Porzellanladen fühlt und Angst hat, ihnen versehentlich wehzutun. Ich amüsiere mich köstlich über seine erfolglosen Abwehrversuche. Die Kleine scheint ihn zu mögen.

Bald möchte ich auch Kinder haben, die meinen Alltag auf den Kopf stellen und mich auf Trab halten. Durch sie fühle ich mich lebendig. Beim Anblick der Familie wird meine Sehnsucht nach einem Mann und Nachwuchs fast schmerzhaft intensiv.

Erst als nachmittags alle weg sind und wieder Ruhe einkehrt, nehme ich mein Handy aus dem Fach unter der Theke und schaue auf die Zeitanzeige. Oh, Schreck! Meine Augen weiten sich. »Himmel, ist das schon spät. Ich muss dringend los.«

»Du hast erst in einer Stunde Feierabend.«

»Ich hatte dich doch gebeten, früher gehen zu dürfen.«

»Muss das sein?«

»Es ist doch keine Kundschaft mehr da.«

»Aber es könnte jederzeit jemand kommen. Ich kann nicht gleichzeitig bedienen und kochen.«

»Bitte, Bear. Es ist wichtig. Joanna kommt doch bald zur Spätschicht.«

»Wo musst du denn so dringend hin?«

»Das darf ich dir nicht verraten.« Ich weiche seinem Blick aus. Denn was ich tun werde, ist illegal.

Kapitel 2Plötzlich brennen alle Sicherungen bei mir durch.

Cowboystiefel und Hitze passen so gut zusammen wie Wollhandschuhe und Sauna, aber ich liebe meine Boots einfach. Ehrlich gesagt, kann ich mir keine neuen leisten und wir Frauen quälen uns ja gerne mal für die Schönheit. Mit diesen Stiefeln komme ich mir nach all den Jahren immer noch todschick vor. Ich werde sie tragen, bis sie auseinanderfallen. Das Leben ist nicht Chichi, sondern Rock ‚n‘ Roll, so sehe ich das! Und eines Tages werden diese Boots Nathan Winchester in seinen Millionen-Dollar-Arsch treten.

Mein Auto ist eine Schrottkarre. Diese Bezeichnung hat es verdient, sonst hätte einer der Nachbarn, der weggezogen ist, mir den Wagen nicht kostenlos überlassen. Zärtlich nenne ich das Fahrzeug Hexe, denn die Schrauben, Ventile und all das Blech müssen im positiven Sinne verhext sein, sonst würden sie längst nicht mehr zusammenhalten.

Als ich von Hexe zum Haus meiner Großeltern eile, flattert mein beigefarbenes Kleid mit den kleinen Totenköpfen drauf um meine Oberschenkel. Grandma hat es genäht und es sogar so kurz abgeschnitten, wie ich wollte, damit es sexy aussieht. Grace ist gut darin, Löcher in Jeans zu stopfen und günstig Stoff aufzutreiben, um daraus Kleidung zu schneidern. Grandpa Ethan repariert alle Maschinen auf unserem kleinen Hof am Golden Lake, egal wie alt und verrostet sie sind. Selbst solche, für die es keine Ersatzteile mehr gibt. Er hat magische Hände und ist der bescheidenste Mensch, den ich kenne. Ihm genügt es, abends Pfeife rauchend am Ufer zu sitzen und den Sonnenuntergang zu beobachten. Dann ist er glücklich. Und ich bin glücklich, weil er es ist.

Mit der Zufriedenheit sieht es da schon anders aus. Ich muss das Gebäude, das wir unser Zuhause nennen, nur angucken und bekomme Magenkrämpfe. Es muss dringend renoviert werden, aber Grandpa allein schafft das nicht mehr. Er ist immerhin schon dreiundsechzig Jahre alt, zwei Jahre älter als Granny, und leidet unter tachykarden Herzrhythmusstörungen. Aber wenn ich ihn frage: »Wie geht es dir heute?«, antwortet er jedes Mal: »Gut, macht dir keine Sorgen.« Ich glaube ihm kein Wort! Seit die Nachbarn einer nach dem anderen wegziehen, sieht er gespenstisch blass aus und isst nur noch wie ein Spatz.

Grace und Ethan haben mich in ihrem bescheidenen, aber liebevollen Heim am Golden Lake inmitten von Wald großgezogen. Ich schulde ihnen viel. Wenn sie mich nicht unter ihre Fittiche genommen hätten, was wäre dann nur aus mir geworden? Dasselbe wie aus meiner Mutter?

Erst als ich schon fast bei der Haustür angekommen bin, bemerke ich den Wagen zwischen den Bäumen. Eine Bonzenkarre. Riesig, auf Hochglanz poliert und pechschwarz. Vor Schreck stolpere ich beinahe über meine eigenen Füße. Schlagartig schießt mein Puls in die Höhe. Meine Nackenhaare stellen sich auf. Innerlich fauche ich wie eine Katze. Instinktiv greife ich in meine Handtasche. Meine Hand schließt sich um das Pfefferspray. Ich runzele die Stirn so heftig, dass ich Kopfweh bekomme. Vielleicht wird der Schmerz aber auch von der heißen Wut, die in mir schäumt, ausgelöst.

Nathan Winchester. Ist er hier? Werde ich ihm gleich das erste Mal persönlich gegenüberstehen?

Mit pochendem Herzen bleibe ich vor dem selbstgebastelten Holzschild mit der Aufschrift Gimple Farm – eine maßlose, aber witzig gemeinte Übertreibung – stehen und versuche meinen Stakkato-Atem zu beruhigen. Ich fahre meine Krallen aus, leider nur im metaphorischen Sinne. In Gedanken rufe ich: »Ich habe keine Angst vor dir!«, aber ein bisschen flattern meine Nerven schon.

Kampfeslustig betrete ich das Haus. Aftershave schwängert die Luft. Ein schwerer und stark moschuslastiger Duft. Aufdringlich maskulin, als müsste der Träger sein geringes Selbstwertgefühl damit überlagern. Am liebsten würde ich die Tür offen lassen, damit er verschwindet, der Gestank und Mr. Cash, aber ich schließe sie dann doch.

Ich höre Stimmen. Langsam gehe ich durch den Korridor auf sie zu. Eigentlich möchte ich zu ihnen hinrennen, Winchester am Jackett packen und hochkant rauswerfen, doch meine Füße führen den Befehl, zu laufen, einfach nicht aus. Schwerfällig waten sie durch den Gang wie durch Schlick. Sie wünschen sich, Winchester wäre nicht so mächtig. Und weniger attraktiv. Das würde alles einfacher machen. Na schön, ich geb’s zu, ich wünsche es mir. Meine Füße sind nur unschuldige Befehlsempfänger. Die Soldaten verweigern den Dienst, weil der Kommandant plötzlich unsicher ist.

Reiß dich zusammen, Carly!

Doch ich male mir unweigerlich das schlimmste Szenario aus. In meiner Vorstellung sitzen Grace und Ethan mit diesem Teufel an einem Tisch. Während Winchester das teerschwarze Gebräu, das Granny Kaffee nennt, runterwürgt und sie aufmunternd anlächelt, unterzeichnen sie just in diesem Moment meines Zauderns seinen Kaufvertrag. Wir verlieren unser Zuhause, nur weil ich Schiss bekomme. Große Klappe und nichts dahinter. Damit dieses Szenario, das durch meine Angst geboren wurde, nicht Wirklichkeit wird, bewege ich mich endlich schneller.

Alle Zimmertüren rechts und links stehen offen, damit Licht in den fensterlosen Gang fällt. Ich passiere Häkeldeckchen in Kirschrot, Zitronengelb und Apfelsinenorange, die uralte Kommoden aufpeppen, und eingerahmte, nachkolorierte Schwarz-Weiß-Fotografien von verstorbenen Verwandten. Alle Zimmerdecken sind in Blau und alle Wände in Grün gestrichen, was schräg wirkt, aber dadurch hat man den Eindruck, sich im Freien aufzuhalten. Auf die ein oder andere Wand hat Granny sogar Blumen gemalt. Wilde Malven, Katzenpfötchen, Vogelwicken, Gauklerblumen und Habichtkraut. Richtig plastisch sehen sie aus. Und über den Betten funkeln Sterne an den Decken. Ich muss meine künstlerische Ader von ihr geerbt haben. Obwohl man sich drinnen aufhält, kommt es einem vor, als würde man mitten in der Natur kochen, baden und schlafen. Außerdem können wir uns eine Renovierung nicht leisten. Grace und Ethan haben sich noch nie darum geschert, was andere von ihnen denken. Sie leben ihr Leben so, wie sie es möchten.

Dieses Haus ist so einzigartig wie sie. Sie gehören zusammen. Jetzt will Mr. Cash die beiden liebenswerten Kauze in eine 08/15-Wohnung umziehen und ihr ungewöhnliches Zuhause abreißen lassen. Unter Garantie würden sie darunter leiden. Das kann ich unter keinen Umständen zulassen!

Endlich komme ich in der Küche an. Auf dem Tisch finde ich einen frischen Strauß mit Wildblumen vor. Ethan hat Grace auch schon mit einer Seerose überrascht. Er hat die Pflanze im Uferbereich des Golden Lake ausgegraben und in eine meiner Keramikschalen umgesiedelt. Ein bisschen crazy ist das schon, aber in meinen Augen sind solche Liebesbeweise viel mehr wert als Diamanten, Goldketten und Silberanhänger. Liebe kann man nicht mit Geld aufwiegen, sondern sie zeigt sich in kleinen Gesten, romantischen Worten und sehnsüchtigen Blicken.

Ein süßliches Parfüm mischt sich unter den Aftershave-Duft. Die Stimmen werden lauter. Sie dringen aus dem Garten zu mir ins Haus. Mit geballten Fäusten trete ich ans Fenster und halte nach Nathan Winchester Ausschau. Eine unpassende Neugier lässt meine Haut kribbeln. Ist er wirklich so ansehnlich wie auf dem Pressefoto? Das sollte ich mich nicht fragen. Es hat mich nicht zu interessieren, es spielt keine Rolle. Potzblitz! Trotzdem stelle ich mich auf die Zehenspitzen, um über den Rasen, der bis hinunter zum See reicht, zu spähen.

Vier Personen schlendern auf das Haus zu.

Während auf Grannys Gesicht die Sonne scheint, ziehen über Grandpas dunkle Wolken. Die fremde Frau an ihrer Seite mustert den Hühnerstall und rümpft die Nase. In ihrem hellen Kostüm wirkt sie hier so fehlplatziert wie eine weiße Angorakatze beim Tough Mudder. Mit sauertöpfischer Miene begutachtet die Frau ihre Strumpfhose. Da ist wohl nichts mehr zu machen, die Nylons sind hin. Meine Laune bessert sich etwas. Muss ich darum ein schlechtes Gewissen haben? Sorry, damit kann ich nicht dienen. Mit ihren hochhackigen Schuhen sinkt sie in den Boden ein, als sie an den Gemüserabatten vorbeigeht, obwohl sie nicht viel mehr als eine Essiggurke wiegen kann.

Wir Gimpels sind Selbstversorger aus der Geldnot heraus, aber ich kann dieser Tatsache etwas Wildromantisches abgewinnen. So zu leben ist erdgebunden und verleiht mir ein Gefühl von Freiheit.

Der Anzugträger neben ihr stützt die Frau mit dem asymmetrischen Pony. Ich verspüre den irrsinnigen Drang, eine Schere zu holen und die Haare zu begradigen. Wie um alles in der Welt kann man freiwillig solch eine Frisur tragen? Heimlich verdreht er die Augen, als Granny über das Gatter hinweg eine der Ziegen, die wir zur Milchgewinnung und Käseherstellung halten, streichelt. Er wirkt so glattgebügelt wie ein Hemd, das frisch aus der Wäscherei kommt. Einzig seine beiden hervorstehenden Schneidezähne lassen ihn menschlich wirken. Durch seine zurückgegelten, schwarz gefärbten Haare sieht er nicht nur wie ein Schleimbeutel aus, sondern er verhält sich auch so. Liegt die Aufmerksamkeit auf ihm, knipst Hasenzähnchen sein falsches Grinsen an und schaltet es genauso abrupt aus, wenn er sich unbeobachtet fühlt. Als wäre er ein Roboter. Oder besser gesagt, ein Android. Oder ein Autoverkäufer.

Es ist nicht Mr. Cash.

Enttäuscht stoße ich die Luft aus und trete auf die Holzterrasse. Trotz Arthrose rennt Conan erstaunlich flott zu mir und winselt vor Freude. Ich streichele sein langes Fell und zupfe mühsam einige Kletten heraus. Eigentlich sollte der Rüde ein braunes Pony werden, aber irgendwas muss da schiefgelaufen sein.

Essiggurke und Hasenzähnchen kommen mit strahlenden Gesichtern auf mich zu, als wäre ich die First Lady höchstpersönlich. Eiskalt ignoriere ich ihre ausgestreckten Arme. Allein bei der Vorstellung, ihnen die Hand zu geben, möchte ich mich schütteln wie ein Hund, der lästige Parasiten loswerden will. Denn ich ahne, wer die beiden geschickt hat. Sie sind gefallene Engel, die dem Teufel ihre Seele verkauft haben, um Karriere zu machen.

Drohend neige ich mich leicht vor. »Sie sind Nathan Winchesters finstere Gesellen, habe ich recht?«

»Wie bitte?« Essiggurke versucht Conan auf Distanz zu halten, indem sie unauffällig ihre Aktentasche vor seiner Schnauze hin und her schwenkt, was die Fremde erst interessant für den Hund macht.

Ich stemme die Fäuste in die Hüften. »Ich wette, der Vertrag ist in der Tasche.«

Während die Frau errötet und vorsorglich stehen bleibt, stellt sich Hasenzähnchen schützend vor seine Kollegin und zwitschert betont fröhlich: »Wir haben ein neues Angebot für Ihre Großeltern und Sie. Solch eine immens hohe Kaufsumme hat Mr. Winchester sonst niemandem angeboten. Nur Ihnen.«

»Wir verkaufen nicht!« Das stimmt doch, oder? Plötzlich bin ich unsicher, schließlich weiß ich nicht, was bereits besprochen wurde. Ich schiele zu meinen Großeltern. Da sie mir nicht widersprechen, entspanne ich mich wieder.

»Hören Sie es sich doch erst einmal an, Miss Gimple.«

»Nicht nötig. Unsere Entscheidung steht fest.«

»Seien Sie doch vernünftig! Ihr Besitz ist viel weniger wert als der gebotene Betrag.«

»Wenn das so ist, ist Ihr Boss der schlechteste Geschäftsmann, den die Welt jemals gesehen hat.«

»Ich meinte, zum jetzigen Zeitpunkt.« Verlegen nestelt er an seiner Krawatte herum. »Das Grundstück liegt weit abseits der Versorgungszentren und das Gebäude ist baufällig. Es ist nicht schwer zu erraten, dass Ihnen das Geld für die Sanierung fehlt.«

In diesem Moment wünschte ich, mein Kleid wäre übersät mit Stinkefingern statt mit Totenköpfen.

»Das Leben an diesem Ort ist jetzt schon beschwerlich«, pikst er weiterhin mit Wahrheiten gnadenlos in mein Herz. »Bald wird es unmöglich sein.«

Das Damoklesschwert über mir wackelt bedrohlich, als würde die Klinge jeden Moment auf mich heruntersausen. Ich bekomme einen Kloß im Hals und muss mich erst räuspern, bevor ich sprechen kann. »Als unmöglich kann man jedenfalls Ihr Vorgehen bezeichnen. Ich wette, Sie haben meine Großeltern absichtlich aufgesucht, während ich arbeiten war, um sie in meiner Abwesenheit weichzukochen. Bestimmt haben die Mitarbeiter, die vorher auf uns angesetzt waren, Ihnen mitgeteilt, dass ich ein harter Brocken bin. Nun sind Sie hier, verteilen großzügig Komplimente und wecken falsche Hoffnungen. Denn die Realität sieht doch so aus: Sollten meine Großeltern unterzeichnen, werden sie für den Rest ihres Lebens in einer fremden Stadt in einer unpersönlichen Wohnung dahinvegetieren.«

»Na, na«, sagt der Anzugträger, als würde er mit einem Kind sprechen. Er hat sichtlich Mühe, sein Verkäuferlächeln aufrechtzuerhalten. »Übertreiben Sie nicht ein wenig, schöne, junge Frau?«

Plötzlich reißt mir der Geduldsfaden und mein Temperament kommt wieder durch. »Stecken Sie sich das ›schön‹ dorthin, wo die Sonne nie hin scheint!«

Entsetzt reißt Granny die Augen auf. »Carly Gimple!«

»Und jetzt raus hier!« Ich öffne die Terrassentür und zeige zum Ausgang.

Grace guckt hilfesuchend Ethan an, doch Grandpa scheint sich prächtig zu amüsieren. Hätten wir Popcorn im Haus, würde er sich vermutlich mit einer Schüssel davon in den Schaukelstuhl setzen und uns mit demselben Vergnügen beobachten, wie er immer seine Heimwerkersendungen im Fernsehen anschaut.

Diese Laufburschen von Winchester sind eindeutig hartnäckiger als ihre Vorgänger, denn Essiggurke lacht gekünstelt, als hätte ich einen Scherz gemacht, und Hasenzähnchen holt in aller Seelenruhe seine Visitenkarten aus einem Silberetui. Anerkennend nickt er mir zu. »Sie sind eine toughe Verhandlungspartnerin.«

»Ich verhandele nicht, sondern werfe Sie raus.« Oder versuche es wenigstens. Aber dieser Kerl ist eine harte Nuss. Seit meiner Kindheit habe ich nicht mehr andere Menschen mit Dreck beworfen, doch nun verspüre ich den Wunsch dazu. Achtung, Schlammschlacht!

»Melden Sie sich doch bei mir, sobald Sie nach Houston umgezogen sind. Ich habe in meiner Kanzlei bestimmt Verwendung für jemanden mit Ihrem Charisma und Ihren Talenten. Meine Kontaktdaten haben Sie ja jetzt.« Nonchalant reicht er mir seine Karte. Offenbar hat Winchester zusätzlich externe Laufburschen engagiert.

Ich traue meinen Ohren kaum. Der Typ hat vielleicht Nerven! Verächtlich pruste ich. Auf diese Augenwischerei falle ich nicht rein. Trotzdem nehme ich das kleine Stück Karton an und gebe es Conan, der es innerhalb von Sekunden zerfetzt. Zu guter Letzt markiert er die Schnipsel als die seinen und scheint stolz in die Runde zu lächeln. Fein gemacht, Conan. Guter Junge!

Hasenzähnchen seufzt. Sein Grinsen verschwindet. Auf der Rückseite einer zweiten Geschäftskarte notiert er eine Zahl und legt sie mit der Ziffer nach unten auf den Gartentisch. »Das ist die neue Kaufsumme, die Mr. Winchester Ihnen anbietet. Überzeugen Sie sich selbst von seiner Großzügigkeit.«

»Welchen Teil von Nein verstehen Sie nicht?«, brülle ich ihn an.

Plötzlich brennen alle Sicherungen bei mir durch. Ich bin nicht stolz darauf, manchmal zum wilden Stier zu werden, aber ich habe noch keinen Weg gefunden, mein Temperament zu kontrollieren. Ticke ich erst aus, ist es zu spät. Das ist hier und jetzt der Fall. Ich kann nur jedem empfehlen, mir aus dem Weg zu gehen. Aber das bringe ich nicht mehr über die Lippen. Denn wenn die Wut in mir explodiert, bin ich unfähig zu sprechen.

Granny erkennt offenbar die Anzeichen, denn sie ruft für die Besucher völlig unvermittelt: »Carly, tu das nicht!«

Dabei weiß sie gar nicht, was ich vorhabe. Verflucht, das weiß ich ja nicht einmal selbst. Meine Füße rennen an Winchesters Lakaien vorbei zum Werkzeugschuppen, meine Hände greifen – Nehmt den Wasserschlauch! Der ist harmlos, rufe ich ihnen verzweifelt zu. – die Motorsäge und mein Mund lacht wie ein Schreckgespenst in der Geisterbahn. Ich werfe die Säge an, stelle mich breitbeinig vor den Holzverschlag und halte sie in einer dramatischen Geste hoch. Ihr Kreischen dröhnt in den Ohren und übertönt die Schreie von Essiggurke. Ich sehe nur ihren aufgerissenen Mund und die Angst in ihren Augen.

Obwohl sie mich genauso wenig hören kann, rufe ich ihr zu: »Ich will doch nur spielen.«

Hastig dreht sie sich um und rennt mit ihren hohen Hacken erstaunlich schnell ins Haus, dicht gefolgt von Hasenzähnchen, der sich mit dem Jackettärmel über die Stirn wischt, vielleicht weil ihm der Schweiß ausgebrochen ist.

Simsalabim. Abrakadabra. Bibbidi-Bobbidi-Boo, weg bist du.

Zufrieden stelle ich die Kettensäge aus. Im unwahrscheinlichen Fall einer Zombieapokalypse wüsste ich mich zu wehren, so viel steht fest.

»Du bist unmöglich!«, schimpft Granny mich aus, während Grandpa kichert wie ein Junge, der jemandem einen Streich gespielt hat. Unentwegt schüttelt sie den Kopf, als wollte sie nie wieder damit aufhören. »So habe ich dich nicht erzogen.«

»Warum habt ihr sie überhaupt reingelassen?« Langsam erlischt das flüssige Feuer, das durch meine Adern fließt. Mit schuldbewusster Miene bringe ich die Motorsäge zurück in die Hütte. Okay, ich bin übers Ziel hinausgeschossen. Asche auf mein Haupt. Aber seit wann kann man jemanden mit sanften Mitteln hochkant rauswerfen?

»Weil wir höflich sind.« Granny rauft sich die kurzen grauen Haare und geht ins Haus. Sie hat sich bereits für den wichtigen Termin, den wir heute Nachmittag haben, umgezogen und trägt eine saubere hellblaue Denim und eine apricotfarbene Bluse.

Grandpa und ich bleiben an ihr dran. Bevor ich die Terrassentür hinter uns schließe, höre ich einen Automotor aufheulen. Räder drehen durch. Ein Wagen fährt quietschend los. Vermutlich werden Essiggurke und Hasenzähnchen kommende Nacht Albträume von mir haben. Aber die Eskalation geht auf ihr eigenes Konto. Sie hätten mich eben nicht reizen sollen. Ein Ex-Freund bezeichnete mich einst als süß, aber gefährlich.

»Mit Höflichkeit kommt man bei denen nicht weit. Das sind Aasgeier. Die darf man erst gar nicht über die Türschwelle lassen.« Mein Blick fällt auf die Küchenuhr, ein giftgrünes Plastikungetüm von einem Garagentrödelmarkt, das wohl einen Frosch darstellen soll. Es könnte aber auch ein Reptil mit abgeworfenem Schwanz oder eine Eule, die sich in Matcha Tee gewälzt hat, sein. »Ach, du Schreck! Wir kommen zu spät. Hoffentlich sind sie nicht schon weg. Das wäre furchtbar traurig!«

Ich eile noch rasch in mein Zimmer, um meine Waffe zu holen, und verstecke sie in meiner Handtasche, damit Granny nicht ausflippt. Dann bin ich bereit.

Kapitel 3Winchester ist so geheimnisvoll wie sein zweiter Vorname.

Ethan tritt so, wie er ist, auf den Vorplatz der Gimple Farm hinaus und wartet dort geduldig auf seine beiden Frauen. Seine Arbeitshose – eine von Garten, Nutztieren und Geräten fleckige Jeans – und das verwaschene navyblaue T-Shirt werden von Grace mit einem missmutigen Schnalzen quittiert, doch ansonsten schweigt sie zu seinem Aufzug. Sie kennt ihn einfach zu gut und weiß, dass jeder Kommentar überflüssig wäre. Er würde sich ja doch nicht umziehen. Wozu?, fragt er sich vermutlich. Er ist mit Ethel und Thomas Fishburn befreundet, seit er aus dem Ei geschlüpft ist. Sie sind unsere letzten Nachbarn. Ab morgen werden sie eine Adresse in Houston haben. Sobald sie fort sind, werden nur noch wir Gimples am Golden Lake ausharren. Alle anderen Anwohner haben schon an den Teufel verkauft und leben bereits in verschiedenen texanischen Großstädten. Wir sind die letzten Mohikaner.

Der Druck, den Nathan X. Winchester auf uns ausübt, wird noch intensiver werden, da bin ich mir sicher. Werden wir ihm standhalten können?

Als ich mich hinter das Steuer von Hexe setze, bekomme ich Magenschmerzen. Ich will die Fishburns nicht verabschieden, wir brauchen sie als Verbündete. Pech gehabt, sie sind bereits verloren. Ein Punkt für Winchester. Wir sind ab sofort auf uns allein gestellt im Kampf gegen Mr. Cash.

Grace nimmt neben mir Platz und hält mir eine Predigt, weil sie es leid ist, dass ich immer wieder eskaliere, schließlich bin ich inzwischen sechsundzwanzig Jahre alt und müsste langsam erwachsen handeln. Eigentlich finde ich, dass ich das getan habe. Ich habe die Dinge geregelt, ich war erfolgreich und es ist kein Blut geflossen. Kein Grund, einen Psychotherapeuten aufzusuchen. Granny tut ja gerade so, als wäre ich eine tickende Zeitbombe. Dabei wollte ich die Eindringlinge lediglich erschrecken, mehr nicht. Aber das alles sage ich ihr nicht, weil ich eine Diskussion vermeiden möchte und ihren Standpunkt durchaus verstehe. Eines Tages werde ich mich bessern. Bestimmt. Vielleicht. Hoffentlich. Wir werden sehen.

Schweigend sitzt Ethan auf dem Rücksitz, nickt geflissentlich, wenn Grace ihn über die Schulter hinweg anschaut und um Unterstützung bittet, und krault Conan, vermutlich um sich selbst zu beruhigen. Ich hoffe, der Rüde hat in der vergangenen Stunde nichts gefressen, denn die Sitzpolster sind nicht abwaschbar.

Obwohl das Land der Fishburns an das unsere grenzt, müssen wir zehn Minuten durch die Hitze fahren, um zu ihnen zu gelangen. Wir kurbeln alle Fenster runter, damit der Fahrtwind uns Erleichterung verschafft, denn Hexe hat keine Klimaanlage. Trotzdem kommen wir verschwitzt an. In meinen Cowboystiefeln entsteht ganz langsam mein eigener Golden Lake, aber ich ertrage diesen Zustand stoisch. Schließlich habe ich mich dazu entschieden, die Boots zu tragen, also darf ich auch nicht jammern. Punkt.

Ein trauriger Anblick erwartet uns. Ethel und Thomas packen gerade ihren restlichen Besitz auf den Pick-up ihrer Tochter Candice. Ihr Schwiegersohn Jim Tucker steht auf der Ladefläche, nimmt die Koffer, Kisten und Kleinmöbel an und sichert sie. Seine knallbunten Bermudashorts sind heruntergerutscht und man sieht seine Poritze. Bleibt mir heute denn gar nichts erspart?

Tränen schießen mir in die Augen, als ich neben ihnen parke. Mein Herz wird schwer. Ethan hinter mir räuspert sich unentwegt. Das macht er immer, wenn er nervös ist.

Grace steigt zuerst aus. In ihrem eigensinnigen schlurfenden Gang eilt sie zu Ethel, drückt ihre alte Freundin an sich und lässt sie erst wieder los, als ich ihre Schulter antippe und sage: »Sie läuft schon blau an.«

Auch ich herze die Frau mit dem weißen Dutt auf dem Kopf, die mir gerade eben bis zu den Schultern reicht. Sie ist so klein und zart, dass ich den Drang verspüre, sie zu beschützen. Vor der Anonymität und Hektik der Großstadt, den Veränderungen, die man mit zweiundachtzig Jahren nicht mehr braucht, dem Gefühl des Sichfremdfühlens in der neuen Wohnung und der Gewissheit, dass ihr altes Haus, in dem viele Generationen Fishburns heranwuchsen, bald abgerissen werden wird. Aber es ist zu spät. Ich öffne den Mund, doch statt tröstender Worte dringt überraschenderweise ein Schluchzen heraus.

»Es tut mir so leid«, bringe ich dann doch noch hervor.

Ethel lächelt mich beruhigend an, als wäre nicht sie, sondern ich diejenige, die heute ihre Wurzeln kappt. Zärtlich legt sie ihre altersfleckigen Hände an meine Wangen und muss dafür die Arme nach oben strecken. »Das braucht es nicht.«

»Das ist so falsch.«