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Intervenieren, bevor es richtig knallt!
Das kommt Ihnen bestimmt bekannt vor: Ihr Arbeitsalltag ist komplex und jeder Tag bringt anspruchsvolle Aufgaben mit sich. Die Zahl der Schüler, die sich nicht an etablierte Normen und Regeln halten, nimmt zu. Damit wird die Grundlage für das Unterrichten und Lernen in vielen Klassen zerstört und der Frustrationspegel bei Lehrern (und Schülern) steigt.
Hier setzt dieser Ratgeber an: In gut lesbarer Form erhalten Sie einen Überblick über die wichtigsten Kompetenzen und Methoden, die Ihnen dabei helfen,
den Schulalltag als erfolgreicher Klassenmanager gut zu bewältigen. Der Fokus liegt dabei auf bewährten Instrumenten und Strategien aus dem Bereich der
Präventions- und Interventionsarbeit.
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Seitenzahl: 248
Meiner Frau Dorothee, durch die ich viel frischen pädagogischen Wind unter die Flügel bekommen habe und meinen Kindern Nicola und Julian, die auch manch stürmische Zeit gelassen durchflogen haben.
Wie Lehrer (wieder) wirksam werden
Burkhard Günther, Jahrgang 1952, lebt gern in Berlin und arbeitet dort als Studienrat für Deutsch, Englisch und Philosophie. Darüber hinaus ist er auf den Gebieten der Gewaltprävention, Schulberatung und -entwicklung sowie in der Lehrerfortbildung tätig und leitet Seminare zu den Themen Mediation, Konfrontative Pädagogik und Klassenmanagement. Hobbys: Lesen, Hören, Spielen – moderne Literatur, Blues, Jazz und Golf.
© 2011 AOL-Verlag, Buxtehude
Originalausgabe 2011
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Redaktion: Kathrin Roth
Lektorat: omnibooks, Bielefeld
Layout/Satz (Print u. E-Book): KCS GmbH, Buchholz bei Hamburg
Coverfoto: © Yuri Arcurs – Fotolia.com
ISBN: 978-3-403-70044-9
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Dieses Buch gibt in knapper, leicht verständlicher und praktikabler Form einen Überblick über die wichtigsten Kompetenzen und Methoden, die Lehrer benötigen, um ihren hochkomplexen und anspruchsvollen Berufsalltag sowohl zum Nutzen ihrer Schülerklientel wie ihrer eigenen beruflichen Zufriedenheit und Gesundheit zu bewältigen. Als Grundlage dazu dienen neben aktuellen gesellschaftlichen auch neurobiologische Erkenntnisse. Zusätzlich zu kurzen theoretischen Erklärungen und Begründungen erhalten Sie praktische Tipps zur unmittelbaren methodischen Umsetzung, die leicht realisierbar Ihren Methodenkoffer sinnvoll ergänzen und das vorhandene pädagogische Handlungsspektrum zielgenau in der Weise erweitern und professionalisieren, dass beziehungsfördernde Unterrichtsstrukturen ein Klima für effektives Lernen schaffen.
Der Fokus richtet sich nicht ausschließlich auf die Schülerklientel, welche in steigendem Maße an allen Schultypen Normen und Regeln verletzt, nicht in ausreichendem Maße über ein sozialverträgliches Verhalten verfügt sowie teilweise Gewaltbereitschaft zeigt und damit die nötigen Rahmenbedingungen für erfolgreiches Lernen in vielen Gruppen oder Klassen zerstört. Neurobiologische Untersuchungen zeigen, dass effektives Lernen auch von vielen anderen Faktoren abhängig ist, die es besonders in der schulischen Arbeit zu berücksichtigen gilt. Lehrer, die weiterhin „traditionell“ ausschließlich fachorientiert arbeiten, werden im Schulalltag zunehmend erfolglos agieren, darüber hinaus häufig selbst in Konflikte verwickelt und dabei nicht selten respekt- und distanzlos von Schülern behandelt. Viele dieser Kollegen müssen, weil ihnen kompatible Bewältigungsstrategien fehlen, machtlos zur Kenntnis nehmen, dass traditionelle Unterrichtsformen ebenso wie herkömmliche schulische Ordnungsmaßnahmen nicht mehr greifen und auf Einsicht basierendes, gut gemeintes pädagogisches Einwirken kaum mehr zu Entwicklungs- und Lernfortschritten bei Schülern führen.
Klassenmanagement beinhaltet eine Vielzahl von Aufgaben, die Lehrer heute zu erfüllen haben, die wiederum ein weites Spektrum von Kompetenzen voraussetzen, über das Lehrer heute verfügen müssen. Neben dem fachspezifischen Können und dem Kreieren geeigneter Lernarrangements ist es die vordringliche Aufgabe von Pädagogen, geeignete Rahmenbedingungen für nachhaltiges selbstständiges Lernen in Form einer beziehungsfördernden Lernatmosphäre zu schaffen. Das erfordert Menschenführungsqualitäten ebenso wie Expertisen in den Bereichen Konflikt- und Krisenmanagement. Dafür müssen Erfolg versprechende Instrumente und Strategien im Bereich Präventions- und Interventionsarbeit entwickelt werden, um derartige Prozesse professionell begleiten und steuern zu können. Hierzu gibt das Buch praktisch bewährte Tipps, die leicht und schultypübergreifend in jedem Fachunterricht sofort umsetzbar sind.
Das Buch zeigt praktische Möglichkeiten gegenseitigen Beziehungsaufbaus und der Beziehungspflege auf, um Schulentwicklung zum Wohle aller Beteiligten mit geeignetem pädagogischem Handwerkszeug im Rahmen einer angemessenen schulischen Präventions- und Interventionsarbeit zu garantieren. Das Überprüfen des eigenen beruflichen Selbstverständnisses und das Ausloten und Verändern der eigenen Lehrerrolle sowie die Erweiterung des Methodenkoffers sind Voraussetzungen für einen gelingenden Schulentwicklungsprozess. Dazu gehört ebenso das Aufzeigen von Handlungsalternativen für eine verändert sozial agierende Schülerklientel gerade im Bereich Konfliktbewältigung. Hier sind konzeptionelle und pädagogisch wirksame Managementqualitäten gefordert, denn Lehrer müssen im Konfliktfall wieder zu Akteuren werden und sich nicht in passiven Endlosschleifen und obsoleten Reaktionsmustern erschöpfen oder verlieren.
Schule muss sich verändern, Unterricht muss sich verändern: Schüler und Lehrer also auch. Lehrer müssen heraus aus der traditionellen Rolle des Paukers, der den Lernstoff im Frontalunterricht über seine starr aufgereiht vor ihm sitzenden Schäfchen ergießt. Sie müssen sich zu professionell agierenden Lernberatern/-begleitern und Klassenmanagern entwickeln, die nicht nur hirngerechte fachliche Lernarrangements schaffen und über geeignete Präventions- und Interventionsstrategien zur Förderung der sozialen Kompetenzen ihrer Klientel verfügen, sondern auch über respektvolle und wertschätzende Führungsqualitäten zur Förderung eines geeigneten sozialen Lernklimas, das jedem Mitglied einer Lerngruppe/Klasse ermöglicht, sein individuelles Potenzial optimal abzurufen und in wertschätzender Kooperation mit anderen weiterzuentwickeln.
Ein kurzer Hinweis zum Sprachgebrauch: Der besseren Lesbarkeit halber wird in diesem Buch von Lehrern und Schülern gesprochen. Natürlich sind damit immer auch Lehrerinnen und Schülerinnen gemeint.
Es ist ein irriger Gedanke, dass Management immer etwas mit Wirtschaft zu tun haben muss, denn ein systematisches und gutes Managen führt in allen prozessorientierten Betätigungsfeldern zu Erfolgen und Resultaten. Das Führen von Menschen ist ein Teil des Managens, weitere grundlegende Teilbereiche sind Gestalten, Entwickeln und Lenken.
Da in einer modernen Gesellschaft fast alle Menschen ihr Berufsleben innerhalb einer Organisation verbringen, Lehrer nicht ausgenommen, müssen auch sie managen: sich selbst und andere. Ebenso wie ein Interesse an Schulqualität besteht, muss demzufolge ein Interesse an der Qualität des Managens in der Schule bestehen. Klassenmanagement ist ein entscheidender Baustein für Schulqualität. Fredmund Malik fordert in Führen Leisten Leben, aus diesem Grund auch Studienräte mit Managementaufgaben zu konfrontieren.
Wollen Menschen erfolgreich und wirksam in ihrem Beruf agieren, so fordert das ein erhebliches Maß an Rüstzeug in Bezug auf Organisation, Gestaltung und Menschenführung. Managen als gestaltendes und bewegendes Organ, so Malik, stellt dabei die wichtigste Funktion der modernen Gesellschaft dar.
Natürlich müssen auch Lehrer in ihrer Funktion in einer Organisation ihren Beitrag zu professionellen Standards leisten, d. h. sich befähigen, sich autonom und emanzipiert zu verhalten und ihre individuellen Stärken dafür optimal nutzbar zu machen. Richtig managen heißt auch in der Schule, wirksam für andere zu werden, damit im Ergebnis auch die Schülerklientel wiederum wirksam und erfolgreich agieren lernt. Dafür, erläutert Peter Drucker in Alles über Management, müssen Menschen zu gemeinschaftlichen Leistungen geführt, ihre Stärken effektiver und ihre Schwächen bedeutungslos gemacht werden. Hierzu bedarf es grundlegender Führungsfähigkeiten aufseiten der Lehrer. Gefragt sind Fertigkeiten wie der Aufbau fundamentaler Beziehungen, Teambildung, Integration aller Gruppenmitglieder sowie die Förderung ihrer Kreativität. Joachim Bauer fordert in seinem Buch Lob der Schule von Lehrern Führungsqualitäten. Sie müssen Werthaltungen vermitteln, Ziele formulieren, Kritik üben und Mut machen. Führung scheitert häufig daran, keine egalitären Beziehungen aufbauen zu können. Deshalb gilt es, Beziehungen zu Menschen zu schaffen, sie zu bestärken, ihnen die Chance zum Reifen zu geben. Auf der Grundlage von Leistungen müssen Feedbacks der Anerkennung und Belohnung ausgesprochen werden.
Der Klassenmanager muss Sicherheit ausstrahlen und seine Lerngruppe reaktionsschnell und zielorientiert steuern können.
Malik weist auf wirksames Managen als Schlüssel zu gesellschaftlichem Erfolg hin. So muss sich jeder Mensch befähigen, zuerst einmal sich selbst zu managen, weil nur richtiges Managen zu Lebenstüchtigkeit, Autonomie und Emanzipation führt, also zu den fundamentalen Lern- und Erziehungszielen von Schule. Sich selbst und andere durch richtiges Managen wirksam und erfolgreich zu machen, ist Malik zufolge heute die wichtigste Fähigkeit in der Gesellschaft, von der Leistung, Karriere, Ansehen, Macht und Einkommen ebenso wie letztlich Gesundheit, Zufriedenheit und ein erfülltes Leben abhängen. Das Richtige richtig zu tun ist in jedem Beruf der Maßstab für Professionalität. Seinem Verständnis nach ist richtiges Managen der einzig stabile Faktor im stetigen gesellschaftlichen Wandlungsprozess, weil man dadurch auch mit neuen Situationen erfolgreich umgehen kann und eine feste Orientierungsmarke erhält.
Dient die eigene Managementfähigkeit als Orientierungsmarke, kann man mit bekannten wie unbekannten Situationen professionell umgehen. Richtiges Management erzeugt Sicherheit und Reaktionsgeschwindigkeit – unverzichtbare Qualitäten im Lehrerberuf, denn viel zu viele Kollegen verlieren sich und ihre Kraft im Unterrichtsalltag in immer wiederkehrenden, wenig produktiven Endlosschleifen besonders im Bereich Konfliktarbeit.
Ist man im Besitz des notwendigen und geeigneten Handwerkszeugs, erspart die richtige Ausrüstung zeit- und kraftraubende Umwege. Zielorientiertes Steuern ist speziell im Lehrerberuf von großem Vorteil, gutes Management ist als sozialer Code lebens-, ja manchmal überlebenswichtig. Wenn Management und Selbstmanagement nicht funktionieren, funktioniert auch die Organisation nicht, werden viele Ressourcen an Arbeitskraft verschenkt.
Managen ist ein Beruf der Wirksamkeit und des Erzielens von Resultaten, im Vordergrund stehen ein hohes Maß an Professionalität, handwerkliches Know-how, Fach- wie Sachverstand und ein Potenzial an Erfahrungen, auf das man zurückgreifen kann. Entscheidend ist eine spezielle Art des Handelns, die zu Wirksamkeit und Resultaten führt. Persönlichkeit ist im Lehrerberuf, in dem der Pädagoge immer als Modell für seine Klientel dienen sollte, eine überaus wichtige Größe. Management, so Malik, kann jeder lernen. Es ist Voraussetzung für das erfolgreiche Funktionieren komplexer Systeme, wie beispielsweise einer Klasse. Das Grundprinzip richtigen Managens folgt nach Malik dem Funktionsgesetz aller biologischen Systeme in der Natur, nämlich komplexe Systeme so zu organisieren, dass sie in die Lage versetzt werden, sich weitgehend aus sich selbst heraus zu organisieren, zu regulieren und zu bewerten. Das gilt auch für Klassen. Malik führt Erfolge in der Schule, in der Berufsausbildung oder an der Universität in erster Linie auf Selbstmanagementqualitäten zurück, sieht Talent diesbezüglich als sekundär an.
Die wahre Prüfung für den Klassenmanager beginnt immer dann, wenn er die Gruppe verlässt.
Erst dann nämlich erweist es sich, ob das System robust genug ist, sich selbst zu organisieren und zu regulieren oder ob sein Funktionieren von einer Person abhängig ist.
Als Lehrer oder Klassenleiter ist man Führungskraft. Kooperatives Klassenmanagement leistet Beziehungs-, Organisations- und Theoriearbeit, zudem zählen auch Delegieren und Führen dazu. Wie aber wird man als Führungskraft wirksam für andere? Der Schlüssel dazu liegt in der Art zu handeln. Handeln ist ein Muster – besonders auch für Schüler, denen geeignete Modelle in Form von verantwortungsvoll handelnden Eltern während ihres Sozialisationsprozesses in zunehmendem Maße verloren gehen.
Alle Menschen, auch wirksame, sind verschieden. Wirksame Menschen folgen lediglich einigen Regeln, ihre Arbeitsweisen sind methodisch-systematisch und handwerklich professionell. Den Kern managerieller Wirksamkeit, so Malik, bildet ein kompetenter Werkzeuggebrauch sowie zielfokussierende Handlungsweisen nach bestimmten Grundsätzen. Es lohnt, die Grundlagen für gutes Managen zu erlernen, weil sie nicht nur zu besseren Arbeitsergebnissen führen, sondern auch vor beruflichem Leidensdruck oder Burn-out schützen. Organisationen wie die Schule sind meist sehr zähflüssige Gebilde, die es elastischer und wirksamer zu machen gilt, d. h. ihrem eigentlichen Zweck zuzuführen, Kinder auszubilden, ihnen verantwortungsvolles Handeln zu vermitteln, sie selbstwirksam und lebensfähig zu machen.
Der Lehrerberuf erfordert heutzutage ein stark verändertes Berufs- und Rollenverständnis, ein äußerst vielseitig gefächertes Anforderungsprofil, das weit über die Unterrichtsfächer hinausgeht, weil gesellschaftliche Bedingungen und mit ihnen die Schüler sowie die wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Lernverhalten sich stark verändert haben.
Erfolgreiches Arbeiten mit Gruppen setzt ein Spektrum von Managementqualitäten voraus. Um wirksam agieren zu können, müssen die individuellen Bedürfnisse der Klientel stärker als bisher berücksichtigt werden. Erfolgreiches Interagieren mit (Lern-)Gruppen bedeutet zunehmend, auch mit problematischen und konfliktbeladenen Unterrichtssituationen fertig zu werden und den Umgang mit sozial ungeübt agierenden Schülern, deren moralische Grammatik nicht hinreichend entwickelt ist, konstruktiv und damit zu ihrem Nutzen zu meistern. Dabei bedarf es eines wohldosierten Mix aus professioneller Distanz und Abgrenzung ebenso wie der richtigen Dosis verstehender Zuwendung und Empathie. Darüber hinaus sind Grenzziehungs- und Konfliktlösungskompetenzen unverzichtbar, um, mit Jens Weidners Worten, auf das zunehmend ungekonnt-unglückliche Sozialverhalten und die problematischen Einstellungen vieler Schüler konstruktiv fordernd und zugleich fördernd reagieren zu können. Schulische Arbeit muss Weidner zufolge den Aufbau eines moralischen Bewusstseins bei Schülern fördern, um damit eine Unterrichtsgestaltung zu gewährleisten, die möglichst frei von Regelbrüchen ist.
Wirksames Klassenmanagement verlangt von Pädagogen ein vielseitig ausgeprägtes Spektrum an Kompetenz. Das Kreieren, Etablieren und Vorleben einer konstruktiven Konfliktkultur, die Integration des Bereichs „Soziales Lernen“ in den täglichen Fachunterricht, das Klären der eigenen Rolle und das Trainieren und Weiterentwickeln des eigenen Kommunikationsstils sind nur einige Gelingensfaktoren, die heute über Unterrichtsqualität, -effizienz und Schulentwicklung entscheiden. Inwieweit es mir als Lehrer gelingt, mit einer Gruppe zusammen Regeln zu entwickeln und zu leben, gewaltpräventiv zu agieren und über wirksame Interventionstechniken und Kurationsangebote zu verfügen, entscheidet letztlich über das Klassen-, Schul- und somit Lernklima, sprich über den Lernerfolg jedes Einzelnen.
Das soziale Miteinander an einer Schule ist das Fundament aller weiteren pädagogischen Schritte und Überlegungen. Thomas Grüner und Franz Hilt fordern in Bei Stopp ist Schluss!, dass Unterricht und soziales Verhalten ständig parallel verarbeitet werden müssen, sehen den Mehraufwand an Arbeit aber als Zugewinn an Arbeitszufriedenheit und raten, schon aus rein egoistischen Gründen nicht darauf zu verzichten. Nur auf einem gesunden sozialen Humus kann sich Schule, also auch der einzelne Schüler, zum eigenen wie zum Wohle aller weiterentwickeln. Will man wirklich alle Schüler zu einem Schulabschluss bringen, müssen von Lehrerseite auch individuelle und passgenaue präventive und intervenierende Maßnahmen ergriffen und pädagogisch geeignete flankierende Lernangebote gemacht werden.
Das Verständnis moderner Schulentwicklung macht aus meiner Erfahrung häufig den zweiten Schritt vor dem ersten, baut das Dach des Lernhauses vor dem Fundament. Ganztagsbetrieb und Differenzierung, individuelles und duales Lernen sind wichtige Bausteine und stehen zu Recht ganz oben auf der Agenda der Schulentwicklung. Sie setzen aber voraus, dass Schüler bereits lern- und teamfähig sind und über die wichtige Expertise sozialer Kompetenzen im Mikrobereich der Beziehungspflege untereinander verfügen. Unbestrittenerweise benötigen viele Schüler zuerst entsprechende Lernarrangements für den Erwerb notwendiger Basiskompetenzen, vor allem aber adäquat hirngerechte, soziale und klimatische Arbeits- und Lernvoraussetzungen, um den Anforderungen moderner Schulentwicklung gerecht werden zu können – analog zu einem mit vielen Extras ausgestatteten Auto, das einen kompetenten und verständigen Fahrer voraussetzt.
Lehrer sind (oft unfreiwillig) Rund-um-die-Uhr-Netzwerker. Dafür benötigen sie neben kommunikativen auch interkulturelle Kompetenzen.
Effektives Klassenmanagement schafft die notwendigen klimatischen Voraussetzungen für nachhaltiges und erfolgreiches Lernen und erfordert ein hohes Maß an persönlichen Qualitäten auf Lehrerseite, um ein fried- und respektvolles, auf gegenseitiger Wertschätzung beruhendes Miteinander zusammen mit den Schülern entwickeln zu können. Dafür sollte der Klassenmanager Freundlichkeit und Lebensfreude ausstrahlen, vor allem aber, so Bauer in Lob der Schule, Präsenz zeigen. Hilbert Meyer stellt zudem in Was ist guter Unterricht? fest, dass insbesondere Lehrer junger und lernschwacher Schüler auf ein positives Klima angewiesen sind. Schüler mit hoch entwickeltem Selbstwirksamkeitskonzept hingegen können klimatisch negative Einflüsse besser kompensieren.
Sich ständig verändernde gesellschaftliche Rahmenbedingungen haben das Aufgabenfeld von Lehrern deutlich komplexer werden lassen. Neben dem Bildungsauftrag tritt zunehmend der Erziehungsauftrag in den Fokus des pädagogischen Wirkungsfeldes. Lehrer müssen ein Bündel von Aufgaben übernehmen und bewältigen. Sie müssen mit einem Netzwerk anderer Berufe wie Erzieher, Sozialarbeiter, Psychologen, Familienhelfer und mit Eltern kommunizieren, was enorme kommunikative Fähigkeiten voraussetzt. Will auch der Umgang mit einer zunehmend multikulturell geprägten Schülerschaft gelingen, müssen Lehrer in zunehmendem Maß über interkulturelle Kompetenzen verfügen, die Voraussetzung sind für eine auf gegenseitiger Rücksichtnahme und Verständnis basierenden Arbeitsplattform in Form von Anerkennung und Respekt.
Viele Autoren haben sich in den letzten Jahren mit diesen Phänomenen in Hinblick auf Schule und speziell der sich ständig neu definierenden Lehrerrolle beschäftigt. Meyer sieht beispielsweise, dass die Erziehungsaufgaben der Schule seit Jahren wachsen, weil Eltern ihre Pflichten an Lehrer delegieren. Auch Gert Lohmann betont in Mit Schülern klarkommen, dass die Kernaufgabe von Schule die Erziehung ist, weil durch die wachsende Zahl erzieherischer Defizite die Schulfähigkeit vieler Kinder nicht gegeben ist. Noch vor einer Generation waren Eltern verlässlich für die Kinder da, das mediale Unterhaltungsprogramm hat die Kinder und Jugendlichen nicht so viel Aufmerksamkeit gekostet und Lehrer waren per se Respektspersonen. Darüber hinaus war die Schülerschaft trotz sehr hoher Klassenfrequenzen relativ homogen. Heute dagegen zeigen Kinder aufgrund hoher Mobilität, sozialer Entmischung, Immigration und einer Zunahme sozialer Unterschiede bereits im Vorschulalter eine hohe Varianz im Sprachvermögen und ihrem ganzen Vorverständnis. Gerade die Zunahme der Varianz erschwert, laut Manfred Spitzer in Lernen, Lehrern bei hohen Klassenfrequenzen die Arbeit, da sie zwangsläufig Disziplinprobleme zur Folge hat.
Weil Schule eine Zwangsgemeinschaft darstellt und pädagogische Prozesse ständig neuer Aushandlung bedürfen, birgt die Arbeit an der Schule ein enormes Konfliktpotenzial und fordert ein großes Gespür und Wissen gerade im Hinblick auf das Managen von Konflikten. Grüner/Hilt weisen auf den Freiheitsdurst der Schüler hin, der oft größer ist als ihr Wissendurst, weshalb gerade nicht so leistungsfähige Schüler Schule als Gefängnis erleben und sich dementsprechend benehmen. Wer sich ausgeliefert fühlt, rebelliert dagegen. Deshalb wollen Schüler vom Lehrer genau wissen, wie weit sie gehen können. Neben einem Grundwissen über Mediation sollten Lehrer zunehmend auch über interkulturelle Mediationskompetenzen verfügen. Geeignete Methoden im Umgang mit Mobbing sollten ebenso zur Grundausstattung im Erfahrungsschatz von Pädagogen zählen wie der professionelle Umgang mit Regelarbeit. Die Gelingensbedingungen für effektives Klassenmanagement sind weit gefächert und Voraussetzung dafür, dass Lerngruppen überhaupt produktiv werden.
Lehrer stehen wie kaum eine andere Berufsgruppe als Person ständig im Fokus ihrer Klientel. Die Lehrerpersönlichkeit ist für Schüler ein (häufig sogar: das) Modell, von dem sie nicht nur Englisch, Geschichte oder Mathe lernen, sondern einen Großteil ihrer sozialen Kompetenzen, den Kommunikationsstil und Umgang mit anderen Menschen – vor allem im Konfliktfall. Rigide Erziehungsstile und traditionell geprägte Strafrituale fördern in keiner Weise ein auf Selbstverantwortung basierendes Menschenbild und wirken auf die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen kontraproduktiv. Eben dieser Verantwortung ständig Rechnung zu tragen, setzt ein hohes Maß an Konfliktmanagementqualitäten voraus.
Prägen Sie ein gutes Schulklima durch eine respektvolle Lehrer-Schüler-Streitkultur
Bauer vergleicht den Lehrerberuf mit dem Anforderungsprofil eines Arztes. Kaum ein anderer Beruf verlange ein derartig vielfältiges Kompetenzspektrum. Bauer fordert deshalb, dass fachliches Wissen mit einer hilfreichen Art des persönlichen Auftretens verbunden sein sollte. Neben der fachlichen Qualifikation benötigen Lehrer insbesondere Fähigkeiten darin, Beziehungen zu anderen Menschen aufbauen zu können. Verstehende Gesprächsführung und Beziehungsgestaltung müssen ebenso ausgebildet sein, weil der Lehrerberuf eine Balance zwischen verstehender Zuwendung und Führungskraft benötigt. Bauer verweist darauf, den einzelnen Schüler nicht nur unter dem Aspekt seines schulischen Könnens zu sehen, sondern auch und vor allem als Person, d. h. seine Motive, sein Bemühen, sein Verhalten, seine emotionalen Stärken ebenso wie seine problematischen Seiten wahrzunehmen. Das erfordert einen kompetenz- und stärkenorientierten Blick auf den einzelnen Schüler. Durch die veränderte Perspektive auf den Schüler wird der Lehrer vom Fehlersucher zum Schüler- und Lerncoach.
Hinzu kommen Expertisen wie eine starke persönliche Ausstrahlungskraft, Authentizität und Spontaneität. Die Qualität der Beziehung zu Schülern steht und fällt mit der Art und Weise, wie kommunikative Prozesse miteinander ausgehandelt werden, vor allem aber, wie miteinander gestritten wird. Die Streitkultur, die mit Schülern gepflegt wird, ist in hohem Maße aussagekräftig für die Qualität des Unterrichts und des gesamten Schulklimas. Nur wer auch in der Uneinigkeit respektvoll mit anderen kommuniziert, interagiert pädagogisch wirksam. Bewusstes oder unbewusstes Vermeiden von Streit mit Schülern führt auf beiden Seiten zum Anlegen innerer Konten über das Fehlverhalten des anderen. Dabei werden Schüler stigmatisiert, wird der Kontakt zu ihnen häufig (unbewusst) abgebrochen, wodurch die Gefahr der Ausgrenzung besonders der Schüler mit ungekonnt-unglücklichem Sozialverhalten steigt und ihnen somit wichtige Lern- und Entwicklungschancen verloren gehen.
Schüler brauchen Konflikte, um ihren Erfahrungsschatz erweitern zu können. Sie schaffen sich genau wie Erwachsene erst in der Auseinandersetzung ihre eigene Wirklichkeit. Diese muss sich mit der anderer reiben dürfen, sonst lernen junge Menschen nicht, gemachte Erfahrungen produktiv zu steuern. Sicherlich lassen sich nicht immer alle Konflikte lösen. Ersetzt man den Begriff Lösung aber durch Entwicklung, entsteht eine produktive Gelassenheit im Umgang mit täglich auftretenden Konfliktsituationen, entwickelt sich eine schulische Streitkultur, die für alle Beteiligten äußerst bereichernd und produktiv sein kann. Schüler benötigen Zeit für ihre Entwicklung, denn sie sind keine Erwachsenenminiaturen und reagieren häufig noch ungekonnt-emotional, sind auf diese Weise aber auch (manchmal verletzend) ehrlich, geben dem gestandenen Pädagogen, der diese Signale zu lesen imstande ist, wichtige Rückmeldungen über seinen Kommunikations- oder Unterrichtsstil. Nur Lehrer mit unrealistischen Erwartungen oder wenig elastischen Idealen reagieren auf Schülerkritik persönlich beleidigt. Könnten Schüler bereits alles, müssten sie nicht mehr in die Schule gehen. Professionelle Klassenmanager nehmen Kritik gerne an und verwenden sie für sich und ihre Arbeit produktiv.
Unsichere Pädagogen verstecken sich allzu oft hinter der Fassade ihrer Fächer, reagieren starr formalistisch anstatt spontan konzeptionell, werden Schülern im Konfliktfall gegenüber auch laut und beleidigend oder geben sich streng autoritär, flüchten sich in eine zynische Führungsrolle und koppeln sich so von den Schülern ab, mit denen sie eigentlich eine funktionierende und einander wertschätzende Kooperations- und Lerngemeinschaft bilden sollten. Bauer legt den Fokus auf die Beziehungsarbeit zu den Schülern. Ausschlaggebendes Kriterium für guten Unterricht ist für ihn die Tatsache, ob es Lehrern gelingt, Kontakt zu Schülern herzustellen und deren Aufmerksamkeit binden zu können. Spitzer untermauert in seinem Werk Lernen die Wichtigkeit der Beziehungsarbeit durch den Lehrer und fordert, dass Schüler bestärkt werden müssen. Wichtigste Gelingensbedingung für ihn ist, dass sich Schüler und Lehrer gegenseitig schätzen und mögen. So sollte seinem Verständnis zufolge der Lehrer der Zukunft mehr Unterrichtsmanager und Moderator sein, damit Schüler ihre Lernprozesse selbst organisieren können.
Ohne Beziehungsarbeit gibt es keine Ebene produktiver, gemeinsamer Kooperation, keine funktionierende Arbeitsplattform: Ohne Beziehungsebene keine Arbeitsebene, so könnte die Formel lauten. Mit dem Aufbau der Beziehungsebene zu allen Gruppenmitgliedern muss jeder Kontakt und jede Arbeit mit einer Lerngruppe beginnen, Beziehungsarbeit muss auf jedem Stundenplan an vorderster Stelle stehen. Nur Schüler mit sicheren Bindungen sind offen, neugierig, lernfähig und selbstsicher genug, auch Fehler in Kauf zu nehmen. Jeder Fachunterricht kann und muss dazu genutzt werden, das grundlegend menschliche Bedürfnis nach Anerkennung des anderen zu befriedigen. Jeder will vor der Arbeit erst einmal in seiner einzigartigen Vielfalt und momentanen Stimmung wahrgenommen werden. Beziehungsförderung ist sozusagen die Eintrittskarte zum anderen und dadurch zu einer Kooperation.
Deutschlands neues Top-Lehrer-Modell: persönliches Verständnis gepaart mit konstruktiver Kritik.
Spielen Sie nicht Mutter Teresa!
Lehrkräfte, denen es an einem professionellen Kommunikationsverhalten mangelt, die Angst haben, die Kontrolle zu verlieren, sobald sie sich emotional auf Schüler einlassen, werden immer Probleme im Unterricht bekommen. Wer sich aus eigener Harmoniesucht der Kuschelpädagogik verschrieben hat, verliert den Bezug zur Gruppe und zu sich selbst – abgesehen davon, dass heute nur noch ein sehr geringer Teil der Schüler diese lauschige Spielart der Pädagogik wertschätzt. Ein Großteil der Schüler deutet die Mutter-Teresa-Pädagogik als Schwäche, denn alle Schüler wünschen sich starke Lehrerpersönlichkeiten als Modelle, an denen sie sich reiben, mit denen sie streiten, von denen sie lernen können, die ihnen gerade im Dissens wertschätzend und bestimmt Grenzen setzen, die Führungsqualitäten besitzen und trotzdem verständnisvoll und empathisch agieren.
In Konfrontative Pädagogik hat Jens Weidner es mit seinem autoritativen Ansatz einer pädagogisch gelenkten Streitkultur im sozialen Schonraum auf den pädagogischen Punkt gebracht: Verstehen, aber nicht einverstanden sein, das bedeutet, dass der Pädagoge den Schüler in seiner Person akzeptiert, mit seinem abweichenden Verhalten aber nicht einverstanden ist und dieses kritisiert, um dem Schüler die Möglichkeit zu bieten, mithilfe des Pädagogen neue, passgerechtere Verhaltensweisen zu entwickeln. An solchen Modellen können sich Schülerpersönlichkeiten orientieren und entwickeln.
Bei allem pädagogischen Verständnis für die Entwicklung junger Menschen ungünstig beeinflussende gesellschaftliche oder häusliche Voraussetzungen, für daraus resultierende Fehlentwicklungen und Kompetenzmangel bei Schülern müssen Pädagogen bei gleichzeitiger Wertschätzung der Schülerpersönlichkeit diesen mit seinem Fehlverhalten und seinen problematischen Einstellungen konfrontieren. Hier leistet die autoritative (oder: konfrontative) Pädagogik wertvolle Hilfestellungen, weshalb Grundkenntnisse dieses konfrontativen Ansatzes nicht im pädagogischen Methodenkoffer fehlen sollten. Das Interesse am Menschen und eine damit zwangsläufig verbundene Lust am Streit mit anderen sollten Pädagogen mitbringen. Wegsehen kommt in der Summe immer teuer zu stehen und fördert den Regelbruch. Führen bedeutet genaues Hinsehen. Jede Verhaltensweise, die im Unterricht vom Lehrer geduldet wird, jeder Regelbruch, der nicht sofort zum Unterrichtsgegenstand gemacht wird, und sei es eine noch so leise Beleidigung in der letzten Reihe, wird durch Ignorieren vom Lehrer als sein Standard akzeptiert. Schüler sind die Spezialisten für Lehrer, sie erkennen sofort, ob ein Lehrer, sei es aus Desinteresse oder mangelnder Professionalität, Konflikten ausweicht oder sie bewusst vermeidet. Konfliktvermeidung entzündet einen Schwelbrand, der zeitnah und mit dem nötigen Know-how leicht zu löschen wäre, bei Passivität jedoch schnell (auf andere Gruppenmitglieder) übergreift, unkontrollierbar und dementsprechend immer schwerer und aufwendiger einzudämmen wird und im Nachhinein ungeheure Mühen und Reparaturkosten nach sich zieht. Wie bei einem Waldbrand kann man kleinere Feuer möglicherweise noch mit dem Fuß ohne großen Aufwand löschen. Lässt man es brennen, gerät das Feuer außer Kontrolle und die Interventionsarbeit wird immer größer. Ist der Wald abgebrannt, verursacht das einen riesigen Schaden und hohe Kurationskosten. Präventionsarbeit pflanzt Bäume so, dass Feuer gar nicht erst entstehen können, und wenn sie doch entstehen, ein Übergreifen unwahrscheinlicher wird. Spitzer fordert Lehrer deshalb auf, richtige Vorbilder zu sein und nicht wegzugucken, weil Kinder alles sehen und registrieren.
Nimmt man die individuelle Förderung aller Schüler ernst, soll wirklich allen Schülern ein Schulerfolg beschieden sein, muss soziales Lernen ebenso wie Mathe oder Geschichte immer wieder zum täglichen Unterrichtsgegenstand gemacht werden, müssen auch für diesen Bereich individuell differenzierte Lernangebote in allen Fächern bereitstehen. Schüler mit gewaltlegitimierenden Männlichkeitsnormen brauchen ebenso wie schwache Rechtschreiber ein speziell und individuell zugeschnittenes pädagogisches Hilfsangebot. Schüler aus Elternhäusern mit niedrigem Bildungsniveau sind in der Regel traditionell autoritär erzogen, ihre tägliche Dosis an häuslicher Erziehung besteht häufig aus körperlicher Züchtigung, seelischen Verletzungen oder anderen entwürdigenden Maßnahmen. Rein verstehende Pädagogik läuft bei ihnen häufig ins Leere. Es müssen passgenaue, differenzierte, auf sozialer Resonanz fußende Lernszenarien geschaffen werden, um jungen Menschen mit einer verzögert entwickelten Sozialgrammatik pädagogische Kompensationsmöglichkeiten anzubieten. Rein verstehende Pädagogik reicht als Instrumentarium nicht mehr aus, denn Kinder und Jugendliche, die früh gelernt haben, sich mit Schlägen, Tritten oder durch Mobben anderer Respekt zu verschaffen, stauen nicht nur Wut und Hass in sich auf, sondern haben an wenig tauglichen Erziehungsmustern gelernt, sich in dieser Welt Ansehen und Anerkennung zu verschaffen. Über dringend benötigte soziale Kompetenzen wie Frustrationstoleranz, Empathie, Perspektivübernahme anderer Sichtweisen oder gewaltfreie Konfliktlösungsstrategien verfügen diese Kinder und Jugendlichen nicht im Ansatz. Ihr ungekonnt-unglückliches Sozialverhalten aber wird jeden Tag neu in die Schule importiert und prallt dort auf einen auf Verstehen und Toleranz basierenden Erziehungsstil. Im Fokus dieser täglichen Epizentren stehen häufig hilflose Lehrer, denen es an pädagogisch geeigneten Interventions- und konstruktiv flankierenden Fördermaßnahmen fehlt. Professionell agierende Klassenmanager hingegen verfügen über ein adäquates Instrumentarium an Möglichkeiten konstruktiver Einflussnahme in Form passgerechter Interventionsstrategien zum Schutz der Opfer ebenso wie zur Förderung der sozial mangelhaft agierenden Klientel. Schüler, die in ihren Elternhäusern wenig bis gar nicht in ihrer einzigartigen Persönlichkeit wahrgenommen oder gewürdigt werden, benötigen zuallererst eine auf Empathie und Anerkennung gründende Atmosphäre, um die eigene Wirksamkeit spüren zu lernen. Wer etwas kann und dafür soziale Resonanz erhält, muss keinen Stress machen.
Schüler sind die Experten für Schule. Gerade Schüler mit wenig Selbstwertgefühl haben ein intuitives Gespür und wissen genau, wann es ihnen an den Kragen geht und wie Pädagogen ticken. Joachim Bauer zitiert hierzu Frank McCourt, der diese Schüler „heatseeking missiles“ nennt: Raketen, die den Punkt finden, um einen Lehrer anzugreifen, seine Schwächen offenzulegen und ihn gegebenenfalls fertigzumachen.
Zu geeigneten Managementqualitäten zählt natürlich auch ein gerütteltes Maß an Spaßmacherqualitäten, denn die Klientel ist verwöhnt durch diverse coole Miterzieher in den Medien, die häufig für ihren Sozialisationsprozess Pate gestanden haben und in deren Schatten viele ihre gesamte Freizeit verbringen. Es ist nicht nötig, sich deshalb in die Niederungen der unterhalterischen Verblödungsszenarien aufzumachen, die der Entertainmentzeitgeist privater Sender fordert – über eine ordentliche Prise Witz sowie einen großen Schuss Selbstironie sollten Lehrer dennoch verfügen, um ihr Publikum bei Laune zu halten. Gelassenheit, Zuversicht und Humor verwandeln große Sorgen in kleine, kleine in winzige, und die winzigen lösen sich schließlich in Luft auf. Gerade unsichere Lehrer neigen häufig dazu, den Klassenraum in einen witz- und spaßfreien Hochsicherheitstrakt zu verwandeln, um sich keine Blöße zu geben und nicht die Kontrolle zu verlieren. Bauer nennt Lehrer, die mangels eigener Ausstrahlung in Schülern keine Motivation erzeugen können, „Neutralisationsmaschinen“. Authentizität und das Zeigenkönnen von Gefühlen sind Basics für Lehrer und fördern darüber hinaus die eigene Gesundheit.
Stärkste Belastung und somit gesundheitsschädigender Faktor Nummer eins an Schulen ist Untersuchungen zufolge die Aggressivität in der Lehrer-Schüler-Beziehung. Schon deshalb sollte die Beziehungsarbeit im Klassenzimmer absolute Priorität haben, damit der Arbeitsplatz des Lehrers, laut Meyers Forderung, ein humaner wird. Ergänzend könnte man hinzufügen, dass auch die klimatischen Bedingungen für Schüler humaner werden sollten. Lehrer müssen Akteure bleiben und die Managementfäden in der Hand behalten, sie dürfen nicht zu wehrlosen Opfern werden. Schlechte Kollegialität verdoppelt darüber hinaus die Belastung. Ein nicht respektvoll miteinander kooperierendes Kollegium macht auf Dauer krank. So benötigt ein Kollegium, nach Grüner/Hilt, eine Konflikt- und Gesprächskultur, die persönliche Abwertung verhindert, Meinungsvielfalt toleriert und nicht auf Rechthaberei basiert. Lehrerzimmer sind vielerorts Baustellen, auf denen es gelingen muss, respektvoller und wertschätzender, kurz professioneller miteinander zu kommunizieren. Der (Unter-)Ton, der in einem Lehrerzimmer gepflegt wird, sollte immer als modellbildend für Schüler angesehen werden können.
Das Fundament guter, gemeinsamer Arbeit gründet auf Respekt und Wertschätzung – auf beiden Seiten des Lehrerpults.
Zentrale Akte der Erziehung sind Spiegelungsakte, was bedeutet, dass emotionale Resonanz eine zentrale Komponente von Interaktion und Beziehung darstellt. Was an Gestik und Mimik ausgesendet wird, steckt andere an. Die Art, wie Schüler Lehrer spiegeln, sendet dem Pädagogen wertvolle Botschaften. Die Art, wie eine Klasse den Lehrer lenkt und verändert, sagt viel über seinen Unterrichts- und Kommunikationsstil aus. Betritt ein Lehrer mit einem entsprechenden Gesicht eine Klasse, die er nicht mag, könnte er ebenso gut umkehren, denn die Klasse wird so gut wie gar nicht auf seine noch so gut gemeinten pädagogischen Angebote eingehen, weil er ihr spiegelt, was er von ihr hält. In gleicher Währung zahlt die Klasse zurück.