Der achtsame Lehrer - Burkhard Günther - E-Book

Der achtsame Lehrer E-Book

Burkhard Günther

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Beschreibung

Ihre Arbeit als Lehrer fordert eine Menge Energie: Die Schüler wollen bespaßt werden, statt sich anzustrengen, Sie müssen zusätzliche Erziehungsaufgaben übernehmen und Elterngespräche verlaufen ernüchternd bis frustrierend. In solchen Zeiten fällt es schwer, den Kopf oben zu behalten und mit Elan zu unterrichten.

Mit dem Konzept der Achtsamkeitlassen sich Stress und Konflikte im Schulalltag leichter bewältigen. Dabei geht es darum, bewusst zu leben und auf die eigenen Gefühle zu hören. Dieser Ratgeber unterstützt Sie dabei, konstruktive Denk- und Handlungsmusterzu entwickeln und Selbstwirksamkeit im Arbeitsalltag zu erleben. Sie erfahren die neurobiologischen Grundlagen für das Verhalten Ihrer Schüler, reflektieren Ihre eigene Rolle im Unterricht und in der Zusammenarbeit mit Eltern und Kollegen und lernen, sich vor unnötiger Frustration zu schützen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 218

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Burkhard Günther

Der achtsame Lehrer

Achtsamkeit entwickeln – Haltung verändern – Beziehungen gestalten

Impressum

Der achtsame Lehrer

Bitte beachten Sie:

Der besseren Lesbarkeit halber sprechen wir meist nur von Schülern, Lehrern usw. Damit meinen wir selbstverständlich auch immer Schülerinnen, Lehrerinnen usw.

Burkhard Günther lebt gern in Berlin und arbeitet dort als Coach und Berater auf den Gebieten Gewaltprävention, Mediation, Klassenmanagement und Schulentwicklung; Hobbys: Lesen, Hören, Spielen – moderne Literatur, Blues, Jazz und Golf.

© 2017 AOL-Verlag, Hamburg

AAP Lehrerfachverlage GmbH

Alle Rechte vorbehalten.

Veritaskai 3 · 21079 Hamburg

Fon (040) 32 50 83-060 · Fax (040) 32 50 83-050

[email protected] · www.aol-verlag.de

Lektorat: omnibooks, Bielefeld

Redaktion: Kathrin Roth

Layout/Satz: Satzpunkt Ursula Ewert GmbH, Bayreuth

Coverfoto: © pathdoc – Fotolia.com

ISBN: 978-3-403-70506-2

Das Werk als Ganzes sowie in seinen Teilen unterliegt dem deutschen Urheberrecht. Der Erwerber des Werkes ist berechtigt, das Werk als Ganzes oder in seinen Teilen für den eigenen Gebrauch und den Einsatz im Unterricht zu nutzen. Die Nutzung ist nur für den genannten Zweck gestattet, nicht jedoch für einen weiteren kommerziellen Gebrauch, für die Weiterleitung an Dritte oder für die Veröffentlichung im Internet oder in Intranets. Eine über den genannten Zweck hinausgehende Nutzung bedarf in jedem Fall der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Verlages.

Sind Internetadressen in diesem Werk angegeben, wurden diese vom Verlag sorgfältig geprüft. Da wir auf die externen Seiten weder inhaltliche noch gestalterische Einflussmöglichkeiten haben, können wir nicht garantieren, dass die Inhalte zu einem späteren Zeitpunkt noch dieselben sind wie zum Zeitpunkt der Drucklegung. Der AOL-Verlag übernimmt deshalb keine Gewähr für die Aktualität und den Inhalt dieser Internetseiten oder solcher, die mit ihnen verlinkt sind, und schließt jegliche Haftung aus.

Für Dorothee, Nicola und Julian

Loslassen schafft Raum für Neues.

(Simon Peng-Keller)

Sei du selbst die Veränderung, die du gerne in dieser Welt sehen möchtest.

(Mahatma Gandhi)

Inhalt

0 Einige Statements zu Ihrer persönlichen Lehrerhaltung

1 Vorwort

2 Was bereitet Lehrern heute Probleme?

2.1 Zwei Selbsttests

3 Schüler verstehen

3.1 Bezugspersonen haben Einfluss

3.2 Schüler verarbeiten Realität produktiv

3.3 Lehrer stehen im Fokus

4 Veränderte Rahmenbedingungen – veränderte pädagogische Haltung

5 Unterricht neu definieren

6 Neurobiologisch denken und arbeiten

6.1 Wie funktioniert unser Gehirn?

6.2 Das Gehirn braucht Halt(ung) und Zuspruch

6.3 Wie kommt es zu Stress?

6.4 Herausfordernde Erfahrungen tun dem Gehirn gut ...

6.5 ... und Perspektiven auch

6.6 Geist und Körper mit Achtsamkeitsübungen in Einklang bringen

6.7 Das Gehirn braucht Frieden

6.8 Grundbedürfnisse erfüllen

6.9 Anerkennung ist der beste Cocktail

6.10 Der Stoff muss stimmen

7 Die eigene Lehrerrolle klären

7.1 Sich selbst besser auf die Spur kommen

7.2 Perspektive wechseln: Eine Reise auf die Metaebene

7.3 Neue Inhalte braucht das Land

7.4 Ein guter Aufschlag ist die Basis

7.5 Kooperation fördert Selbstwirksamkeit

7.6 Unterschiedliche Sichtweisen akzeptieren

8 Achtsamkeit ist der Baustein für Veränderung

8.1 Worum geht es bei Achtsamkeit?

8.2 Achtsamkeit in der Schule

8.3 Wie wurde ich achtsam?

8.4 Glaubenssätze loslassen

8.5 Dem neuen Navi der Achtsamkeit vertrauen

8.6 Wer fragt, wird sich bewusst

8.7 Achtsamkeit fördert Selbstmanagement

8.8 Achtsamkeit schafft hirngerechte Schulatmosphäre

8.9 Achtsamkeit verschiebt den Fokus

8.10 Achtsam sein ist gar nicht schwer

8.11 Vom Was zum Wie

8.12 Machtgehabe war gestern

8.13 Achtsamkeit schützt vor Steinzeitverhalten

8.14 Bedürfnisse artikulieren und Feedbackkultur etablieren

8.15 Wie werden Sie achtsam?

8.16 Positiv denken – Energie tanken – Gesundheit kreieren

9 Wie werden Sie als Lehrer zum achtsamen Rollenspieler?

9.1 Der Lehrer als achtsamer Manager

9.2 Der Lehrer als achtsamer Motivator

9.3 Der Lehrer als achtsamer Kommunikator

9.4 Der Lehrer als achtsamer Beziehungsmanager

9.5 Der Lehrer als achtsamer Lernbegleiter

9.6 Der Lehrer als achtsamer Konfliktmanager

10 Wie geht Beziehungsarbeit praktisch?

10.1 Der Stuhlkreis

10.2 Das Blitzlicht im Stuhlkreis

10.3 Energizer

10.4 Feedback

10.5 Achtsamkeitsübungen für Schüler (und Lehrer)

11 Ausblick

12 Mein persönliches Achtsamkeits-Entwicklungs-Modell

13 Literatur

14 Bildnachweis

0 Einige Statements zu Ihrer persönlichen Lehrerhaltung

Bevor Sie sich mit dem Inhalt dieses Buches auseinandersetzen, bitte ich Sie, sich folgende Aussagen über den Umgang mit Schülern durchzulesen.

Kreuzen Sie bitte an, welchen der folgenden Statements Sie zustimmen.

◻ Jungen stören den Unterricht in der Regel häufiger als Mädchen.

◻ Ich kann immer nur auf das reagieren, was mir die Gruppe an Verhalten bietet.

◻ Schüler aus verschiedenen Kulturen lernen und verhalten sich unterschiedlich.

◻ Gruppen mit einem hohen Migrationsanteil machen mir mehr Stress.

◻ Dass Schüler sich regelkonform verhalten, ist für mich selbstverständlich.

◻ Auch gute Lehrer bekommen heute Probleme mit Schülern.

◻ Die Schüler müssen das Angebot der Lehrer ungefragt annehmen.

◻ Wenn Schüler Regeln brechen, muss ich halt ein wenig lauter werden.

◻ Strafen nach dem Schulgesetz reichen aus, damit Gruppen arbeitsfähig werden.

◻ Durch Maßnahmen nach dem Schulgesetz lernen die Schüler sozial verträgliches Verhalten.

◻ Schüler, die den Unterricht stören, sollten den Klassenraum verlassen.

◻ Ich kann nicht auch noch für geeignete Rahmenbedingungen des Unterrichts sorgen, ich habe mit der Stoffvermittlung genug zu tun.

◻ Ich kann mich nicht auch noch mit Regelarbeit beschäftigen, weil mir sonst wertvolle Unterrichtszeit verloren ginge.

◻ Schüler müssen lernen, mit den schulischen Rahmenbedingungen klarzukommen.

◻ Ich bin Lehrer, kein Klassenmanager oder Lernbegleiter.

◻ Wer fleißig ist, bekommt keine Probleme mit Lehrern.

◻ Eltern sind dafür verantwortlich, Kindern ein sozial verträgliches Benehmen beizubringen.

◻Alle Schüler müssen denselben Stoff lernen.

◻ Ich kann nichts dafür, dass Schüler meinen Unterricht stören, denn ich bereite mich fachlich stets sehr gut vor.

◻ Wenn bestimmte Schüler nicht in meiner Klasse wären, wäre meine Arbeit erheblich leichter.

◻ Die Schule ist für die Bildung der Kinder da, insofern muss ich nicht auch noch erzieherische Aufgaben übernehmen.

◻ Gewaltprävention gehört nicht in mein Aufgabengebiet.

1 Vorwort

Weil dem Lehrerauftritt vor oder in der Klasse eine zentrale Bedeutung zukommt, sollte er gut geplant und vorbereitet sein. Sein Gelingen ist von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängig. Weil Schüler so sind, wie sie sind, braucht es auf Pädagogenseite einen großen, bunten und artenreichen Strauß an Kompetenzen, um in der heutigen pädagogischen Manege Schule selbstwirksam agieren und ebenso flexibel wie nachhaltig wirken zu können. Das Prinzip der Achtsamkeit (siehe Kapitel 8) kann hier entscheidende Hilfestellung leisten.

Die Schüler von heute haben zum einen den neurobiologisch begründeten Anspruch, mit ihren oft juvenil-unverständlich anmutenden Haltungen, Einstellungen, Bedürfnissen, persönlichen Vorlieben und Wünschen dort abgeholt zu werden, wo sie sich auf unterschiedlichen Niveaus intellektuell und sozial bewegen. Zum anderen möchten sie zeitgemäß nach ihrem Verständnis unterhalten werden und lernen können. Weil Lehrer immer häufiger auf das Bildungs- und Erziehungsbündnis mit Eltern verzichten müssen, fällt ihnen neben dem Bildungsauftrag auch der Erziehungsauftrag zu. Und das bei einer vorwiegend digital geprägten und auf ihre ganz eigene Art selbstbewussten Schülerklientel, die sich immer weniger sagen lässt. Deshalb fühlen sich Lehrer oft allein gelassen und mit ihren vielfältigen Aufgaben bisweilen überfordert. Sie treten mit ihrem pädagogischen Angebot vor Schüler, die oft aus bildungsfernen Elternhäusern kommen, dementsprechend ungekonnt-unglücklich kommunizieren und dem Lehrer aus seiner Sicht die Arbeit erschweren.

Da die Sichtweise auf Schule zwischen Lehrern und Schülern stark differiert, konkurrieren hier sehr unterschiedliche Haltungen und Einstellungen miteinander (siehe Kapitel 3). Insofern lohnt es für Lehrer, die eigene pädagogische Einstellung auf den Prüfstand zu stellen und möglicherweise den aktuellen Rahmenbedingungen anzupassen (siehe Kapitel 4, Kapitel 5 und Kapitel 7). Nicht nur, um weiter selbstwirksam im Beruf des Lehrers arbeiten zu können, sondern auch, um damit die eigene Arbeitsfreude und -gesundheit zu erhalten.

Wer dabei allein auf die Erfüllung von Rahmenplänen, ein starres Rollenmuster und herkömmliche Unterrichtskonzepte setzt, hat schon verloren, bevor er die Manege betritt. Wer weiter auf ein Bündnis mit Elternhäusern setzt, erliegt einem schulromantischen Wunschdenken. Selbst auf die Unterstützung des Arbeitgebers sollte der Pädagoge nicht blindlings bauen, denn dieser hat in den letzten Jahren zwar eine Flut an Reformen aufgelegt, entsprechende Unterstützungsangebote für Lehrer aber blieben weitestgehend Mangelware. So steht der Pädagoge heute häufig allein und ohne geeignetes pädagogisches Rüstzeug vor oder besser inmitten einer Klasse. Häufig fühlt sich der Lehrer vor der Klasse heute wie ein Dompteur im Tigerkäfig.

Wer sich als Lehrer achtsam und flexibel in seinem Arbeitsfeld zu bewegen weiß, wird selbstwirksam als Lehrer arbeiten können.

Viele Lehrer verzweifeln an ihrem Beruf, weil die Schüler andere Ziele verfolgen als sie. Schulen, an denen diese Ziele besonders weit voneinander entfernt liegen, werden heute Brennpunktschulen genannt. Weil Unterricht häufig in der Form, wie Lehrer ihn sich vorstellen, nicht mehr funktioniert, wäre es von Vorteil, die eigenen Vorstellungen von Schule und Schülern in neue kompatible Vorstellungen und Glaubenssätze (siehe Kapitel 2.1, Kapitel 7.2 und Kapitel 8.4) zu verwandeln, mit denen es sich besser arbeiten lässt. Wer mit falschen Idealen unterwegs ist, wer nicht bereit ist, sich und Schule neu zu denken, den macht Schule im schlechtesten Fall sogar krank.

Deshalb will dieses Buch ein aktuelles Anforderungsprofil an Lehrer darstellen, damit Neueinsteiger wissen, worauf sie sich einlassen, und alte Hasen erkennen können, in welchen Bereichen sie sich gegebenenfalls fort- oder weiterbilden könnten, um mit der Klientel im Kontakt zu bleiben.

Das Buch möchte alle wichtigen Kompetenzfelder, die für einen professionellen Lehrerauftritt heute wichtig sind, auf dem Hintergrund neurobiologischer Erkenntnisse (siehe Kapitel 6) aufzeigen und ausleuchten. Damit die Selbstwirksamkeit von Lehrern gesteigert und ihre Gesundheit geschont wird, werden untaugliche Vorstellungen, Haltungen und Rollenmuster überprüft (siehe Kapitel 7) und Angebote für alternatives pädagogisches und persönliches Handeln gemacht (siehe Kapitel 9 und Kapitel 10).

Das Buch will zeigen: Wer sich als Lehrer achtsam und flexibel in seinem Arbeitsfeld zu bewegen weiß und neurobiologische Erkenntnisse in seine Arbeit integriert, wird weiterhin zufrieden und selbstwirksam als Lehrer arbeiten können.

2 Was bereitet Lehrern heute Probleme?

Die Arbeitsbelastung von Lehrern ist hoch. Bereits 2006 ermittelte Joachim Bauer in einer Studie, dass zwei Drittel der befragen Lehrer eine hohe bis sehr hohe Verausgabungsbereitschaft in ihrem Beruf zeigten und 20 % der diensttuenden Lehrkräfte an stressbedingten Gesundheitsstörungen litten, die behandlungsbedürftig waren. Die Arbeitszeit betrug in einer Studie von 2007 durchschnittlich bereits mindestens 51 Zeitstunden pro Woche (Bauer1, S. 50). Sicherlich hat sich die Arbeitsbelastung von Lehrern in den letzten Jahren gerade wegen diverser Schulreformen nicht unbedingt verringert. Warum aber wird gerade der Lehrerberuf oft als besonders stressanfällig empfunden?

Gerda Hanko sieht als Hauptgründe für den Berufsstress von Lehrern

das zunehmend schwierige Verhalten von problembelasteten Kindern, mit denen sie im Unterricht umgehen müssen,

ständigen Zeitdruck,

mangelnde berufliche Anerkennung sowie

allgemeine Unzulänglichkeiten im Schulbetrieb.

Sie sieht einen Fortbildungsbedarf insbesondere im Bereich der heute zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Einfluss emotionaler Faktoren auf die Lernfähigkeit, auf Erfolg und Scheitern in der Schule. Lehrer sollten ihre unterrichtliche Perspektive um eine individuums- und entwicklungszentrierte Sichtweise auf die Kinder und Prozesse in der jeweiligen Lerngruppe ergänzen (Hanko, S. 7).

Veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen (siehe Kapitel 4) haben die Aufgabenfelder, die Lehrer heute bearbeiten müssen, stark erweitert. Hinzu kommt, dass die Arbeitsbedingungen im realen Unterricht aufgrund der Lerngruppengröße und Verhaltensauffälligkeiten einiger Schüler nicht optimal sind. Bauer beklagt das in unseren Schulen herrschende hohe Ausmaß an Unruhe, Impulsivität und Destruktivität, unter welchem nicht nur Lehrer, sondern auch Schüler leiden. Aus seiner Sicht bedarf es einer pädagogischen Intervention der Achtsamkeit, deren Ziel es ist, den unruhigen Geist zu fokussieren und in einen wohltuenden Zustand der Ruhe zu bringen.

Häufig sind Lehrer die überwiegende Zeit ihres Unterrichts damit beschäftigt, gegen eine permanente Unruhe anzukämpfen und Konflikte zu schlichten. Insofern entsteht Frustration besonders bei solchen Lehrern, die ihr Kerngeschäft immer noch im Vermitteln von Wissen, also der rein fachlichen Arbeit sehen und auf absolute Ruhe während der Unterrichtszeit setzen. Aber auch körperliche Übergriffe und Beleidigungen gehören zum Schulalltag. Diese richten sich nicht nur gegen Schüler. Etwa die Hälfte der Lehrer sind einer Studie zufolge im Zeitraum eines Jahres während der Ausübung ihres Berufs von schweren Beleidigungen und Drohungen oder von tatsächlicher Gewalt betroffen (Bauer1, S. 50).

Viele Lehrer beklagen darüber hinaus einen Mangel an Anstrengungsbereitschaft bei Schülern sowie einen nicht immer erkennbaren Bildungswillen. Vielen Kindern fehlt die Fähigkeit zur Selbstkontrolle und Selbststeuerung. Dies bedeutet, dass Lehrer vor allem auch erzieherische und disziplinarische Aufgaben zu erledigen haben. Mangelnde Selbstkontrolle ebenso wie eine wenig ausgeprägte Frustrationstoleranz bei Schülern führen zu anhaltender Unruhe, die es durch aktive Regelarbeit zu kanalisieren gilt. Häufig fehlt Lehrern das pädagogische Handwerkszeug, um mit der Impulsivität der Schüler umzugehen – oder das Wissen, wie man Regeln mit Gruppen effektiv und nachhaltig aufstellt.

Wer als Lehrer keine Selbstwirksamkeit mehr spürt, wer nicht im Besitz wirksamer pädagogischer Tools ist, hat in der Folge öfter Angst, die Kontrolle zu verlieren. Aus Kontrollverlust resultiert oft ein Rückgriff auf ungeeignete disziplinarische Mittel, um die Gruppen ruhig zu bekommen. Weil vielen Schülergruppen aber nicht mehr mit disziplinarischen Drohgebärden beizukommen ist, wird das Unterrichten als anstrengend und stressig empfunden, es kostet dann unnötige Kraft und Nerven, weil die eigene Energie resultatarm verpufft.

Sehr anschaulich macht Bauer die Situation, in der sich Lehrer heute nach ihrer Ausbildung befinden. Er vergleicht ihren Auftritt in einer Klasse mit dem Auftritt eines Tiger- oder Löwenbändigers und stellt fest, dass ein Dompteur mit der derzeitigen Ausbildung keiner Überlebenschance hätte, weil er zwar viel Theoretisches über die Zoologie von Raubkatzen wüsste und mit geltenden Vorschriften über den Zirkusbetrieb vertraut gemacht wurde, aber über keinerlei Wissen verfügt, wie man in der Manege selbstwirksam auftritt (ebd., S. 77 ff.).

Auf einer stabilen Beziehungsebene lässt es sich gut miteinander streiten.

Wer also wenig über die Gestaltung von Beziehungen, über die Art, als Lehrkraft wirksam aufzutreten, sowie über die in der Klasse ablaufenden dynamischen Vorgänge weiß, diese auch nicht zu erkennen oder zu fördern vermag, der steht heute in der Schule auf verlorenem Posten. Wer aber eine gesunde und tragfähige Beziehungsebene zu seiner Klasse aufgebaut hat, braucht sich gerade in Krisen- und Konfliktsituationen, die zum normalen Schulalltag gehören, keine Sorgen zu machen, gefressen zu werden. Denn auf einer stabilen Beziehungsebene lässt es sich gut miteinander streiten.

Aber auch in Bezug auf Konflikte konstruktiv und angemessen zu reagieren, vermögen die meisten Pädagogen Bauers Meinung zufolge nicht in ausreichendem Maße. Lehramtsstudenten sollten sich demnach mit den Komponenten zwischenmenschlicher Beziehungen, dem Deuten von Signalen, die eine Klasse aussendet, den Motiven regelbrechender Schüler und dem eigenen verbalen und nonverbalen Auftreten beschäftigen, um mit Gruppen überhaupt in Kontakt zu kommen (ebd., S. 77 ff.).

So wird die Schule heute zu einem großen Zirkus, der neben der Fachkompetenz auch clowneske und artistische Fertigkeiten vom Lehrer einfordert, um das Publikum bei der Stange zu halten und selbst zu überleben. Vom witzig-unterhaltenden Conferencier bis hin zum mutig auftretenden Löwenbändiger sollte die Kompetenzpalette des Lehrers reichen und Facetten didaktisch-methodischer sowie zwischenmenschlich-beziehungsfördernder Schulzirkuskunst beinhalten. Nur mit dem richtigen Expertisemix kann der Lehrer heute die Manege Schule betreten und unversehrt und zufrieden wieder verlassen. Wer allein auf fachliches Know-how setzt, wird eher weniger Applaus ernten.

2.1 Zwei Selbsttests

Bevor Sie weiterlesen, möchte ich Sie einladen, zwei kleine Selbsttests durchzuführen. Sie haben kein wissenschaftlich untermauertes Fundament und dienen lediglich dazu, Ihnen auf spielerische Weise gewisse Ungleichgewichte und Disbalancen in Ihrer schulischen Arbeit vor Augen zu führen.

Test 1 „Meine Unterrichtsuhr“ macht Ihnen bewusst, welchen Stellenwert Sie bestimmten Unterrichtsgegenständen widmen bzw. welchen Sie weniger Zeit einräumen.

Test 2 „Gummilehrer“ zeigt Ihnen, welche Bereiche Ihrer schulischen Arbeit Sie viel Kraft kosten und welche weniger. Die Idee zu diesem Test ist einer Übung von Gunnar Cramer und Dag Furuhomen entlehnt.

Test 1: Meine Unterrichtsuhr

Erstellen Sie bitte anhand der unten aufgeführten Unterrichtsgegenstände eine Rangliste, wie viel Zeit Sie den einzelnen Bereichen im Unterricht widmen.

Präventionsarbeit (Gewaltprävention, vorbeugende Maßnahmen gegen Regelverletzungen)

Interventionsarbeit (Klärung von Konflikten mit der Gruppe, Lösen von Problemen)

Kurationsarbeit (Wiederherstellen einer lernfördernden Atmosphäre, Trösten bzw. Befrieden einzelner Schüler nach Konflikten)

Beziehungsarbeit mit den einzelnen Schülern

Regelarbeit mit den Schülern bzw. der Gruppe

Facharbeit

organisatorische Aufgaben

Wenn Sie diese Liste erstellt haben, übertragen Sie die Zeitbudgets bitte anteilig in Ihre persönliche Unterrichtsuhr. Die Flächeninhalte der einzelnen Kuchenstücke sollten in ihrer Größe ungefähr den ihnen gebührenden zeitlichen Aufwand der einzelnen Unterrichtsinhalte widerspiegeln. Das Uhrenmodell geht von 45 Minuten (einer normalen Unterrichtsstunde) aus.

Test 2: Gummilehrer

Erstellen Sie bitte anhand der unten aufgeführten Faktoren eine Rangliste, was Sie in Ihrem Beruf als Lehrer die meiste Kraft und Energie kostet!

Wenn Sie die Liste erstellt haben, sind Sie bereit, Ihren persönlichen Gummilehrer zu zeichnen.

Unterrichtsplanung/-vorbereitung

fachliche Arbeit mit Schülern

Konfliktarbeit im Unterricht

Beziehungsarbeit mit Schülern

Regel- und Präventionsarbeit im Unterricht

Zusammenarbeit mit Kollegen/Schulleitung

Nehmen Sie sich nun ein Stück Papier und zeichnen Sie den Flächeninhalt der einzelnen Körperteile Ihres persönlichen Gummilehrers entsprechend des Energie- oder Kraftaufwands, den Sie für die einzelnen Bereiche aufwenden müssen. Gestalten Sie die Größe der Körperteile nach Energie- bzw. Kraftaufwand. Es reicht, wenn Sie dabei die Ziffern der einzelnen Bereiche in Ihr Gummilehrermodell eintragen.

Orientierungsmodell:

Wenn Sie Ihr persönliches Modell gezeichnet haben, achten Sie auf die Körperproportionen. Befindet sich Ihr Modell ungefähr in einer körperlichen Balance, in einem physischen Gleichgewicht oder sind bestimmte Körperteile überproportional groß und andere dafür sehr klein dargestellt? Ein äußerliches Ungleichgewicht könnte ein Hinweis darauf sein, dass bestimmte Bereiche in Ihrer schulischen Arbeit sehr viel Energie kosten, andere dafür deutlich weniger. Gerät der Gummilehrer aus dem Gleichgewicht, ist das ein Hinweis darauf, etwas zu verändern.

Typische Aussagen für ein Ungleichgewicht sind:

„Meine Arbeit deprimiert mich.“

„Ich fühle mich unflexibel und in meinen Methoden gefangen.“

„Ich habe ständig Probleme mit Schülern/Kollegen.“

„Die Schule insgesamt ist sehr anstrengend.“

„Ich bin enttäuscht von meiner Arbeit, denn ich möchte doch alles perfekt machen.“

„Ich mache viel, bewirke aber wenig.“

„Ich will schließlich niemanden enttäuschen.“

„Ich renne ständig mit dem Kopf gegen die Wand.“

Wenn Ihnen diese Aussagen bekannt vorkommen, werden Sie beginnen, Dinge zu verändern. Als Erfolgskontrolle können Sie von Zeit zu Zeit Ihren Gummilehrer wieder zeichnen. Er wird sich ständig verändern.

Ein wichtiger Aspekt, den Sie üben können, ist, Klarheit zu bekommen. Verdeutlichen Sie sich selbst, was genau in Ihnen vorgeht (eine innere Unruhe oder ständige Müdigkeit, Ängste vor einer Klasse, mangelnde Motivation):

„Was genau ist das?“

„Was macht dieser Zustand mit mir?“

„Welche Gedanken gehen damit einher?“

„Wie beeinflusse ich diese?“

Spüren Sie dem nach:

„Was sind meine Wünsche und Bedürfnisse?“

„Was fühle ich genau? Was denke ich dabei?“

„Was ist meine Meinung darüber?“

„Was gestehe ich mir nicht ein?“

Denn das, was ich mir gerne verschweige, stimmt häufig. So lernen Sie sich selbst besser kennen und können besser auf sich achtgeben.

Es ist vorteilhafter, über die eigenen Bedürfnisse zu sprechen, als dem inneren Kritiker die Stimme zu geben, denn der neigt zu stetigen Selbstvorwürfen wie: „Hättest du doch, wenn du doch bloß ...? Warum hast du nicht ...?“

Eine wichtige Zielvorgabe lautet: Ungleichgewichte ausbalancieren, um wieder in ein persönliches und berufliches Gleichgewicht zu kommen.

Es sollte Ihr Ziel sein, ein mögliches Ungleichgewicht auszubalancieren, um wieder in ein persönliches und berufliches Gleichgewicht zu kommen. Wenn Sie sagen „Daran kann ich nichts ändern. Schule ist und war schon immer so“, dann besteht Ihre erste Aufgabe darin, zu untersuchen und zu hinterfragen, woher Sie das so genau wissen? Wer hat Ihnen das gesagt? Warum sind Sie sich da so sicher? Wo ist das belegt? Wer denkt noch so? Wenn Sie das nicht so genau wissen, dann sollten Sie den Glaubenssatz „Das war schon immer so, da kann man nichts machen!“ als ersten aus Ihrem Denkkontingent entsorgen. Sie haben damit einen wichtigen ersten Schritt getan hin zu mehr Achtsamkeit. Sie haben einen ersten Erfolg zu feiern auf Ihrem Weg der persönlichen Veränderung. Sie haben einen behindernden Glaubenssatz weniger in Ihrem Gepäck.

Räumen Sie weiter auf, entrümpeln Sie alte Denkansätze! Wie Ihre Fachbibliothek, in der Sie überholte Fachbücher durch aktuelle ersetzen, besitzen auch Glaubenssätze nur eine bestimmte Halbwertzeit und sollten durch neue, aktuelle ersetzt werden. Wo nicht aufgeräumt wird, kann die Energie nicht frei fließen. Ein deformierter Gummilehrer ist Ausdruck eines Ungleichgewichts, auch in ihm kann die Energie nicht frei fließen. Ein freier Energiefluss aber sollte Ihr Ziel sein, um im Beruf selbstwirksam zu bleiben. Ins Gleichgewicht, in eine gute energetische Balance zu kommen, ist eine wichtige Voraussetzung für das eigene Wohlergehen. Dafür muss ich selbst sorgen. Es liegt in meiner persönlichen Verantwortung, den eigenen Akku immer wieder aufzuladen. Wer energielos vor eine Klasse tritt, wer mit leerem Tank mit Schülern zusammenarbeiten will, der kommt nicht weit. Wer öfter vor einer Klasse liegen geblieben ist, weil ihm der nötige Sprit fehlte, der sollte dafür sorgen, zumindest einen Reservetank mitzuführen.

3 Schüler verstehen

Ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg, ein energiegeladener, achtsamer Lehrer zu werden, ist ein grundlegendes Verständnis für das Schülerverhalten. Verständnis erwächst aus dem Verstehen. Insofern ist die wohl wichtigste Voraussetzung für gelingende pädagogische Arbeit das Wissen, wie Schülerverhalten überhaupt entsteht. Wer weiß, wie unsere Gehirne funktionieren, entwickelt das nötige Verständnis für bestimmte Verhaltensweisen von Schülern. Zu den neurobiologischen Verhaltensvoraussetzungen finden Sie mehr im Kapitel 6.

3.1 Bezugspersonen haben Einfluss

Nach Bauer sind es Umwelteinflüsse, die kindliches Verhalten prägen. So ist das kindliche Gehirn sozialen Erfahrungen in Form von Erziehung und anderen Einflüssen ausgesetzt. Diese formen seine Struktur und sind verantwortlich für seine Funktionen. Wie ein Kind lebt und wie es sein Gehirn benutzt, all das beeinflusst sein Verhalten (Bauer2, S. 38 ff.). Die Bezugspersonen des Kindes spielen eine wesentliche Rolle bei seiner Entwicklung. Wirken sie zugewandt, positiv gestimmt und zukunftsoptimistisch auf das Kind ein, stärkt das sein Selbstwertgefühl und befeuert seine Grundstimmung positiv. Gute soziale Beziehungserfahrungen sind deshalb enorm wichtig für das Wohlbefinden und die Entwicklung von Kindern.

Eltern wie Lehrern stellt sich damit die Aufgabe, Kinder bei der Erkundung der Welt zu ermutigen und zu begleiten, sie bei der Entwicklung ihrer Fähigkeiten zu planvollem Vorgehen anzuleiten und ihnen deutlich zu machen, was richtig und falsch ist. Damit Kinder lernen, ihr Verhalten selbst zu kontrollieren und damit verbundene Frustrationen auszuhalten, ist es wichtig, dass Eltern wie Lehrer lernen müssen, Nein zu sagen. Diese Selbstkontrolle muss mit dem Kind in einem jahrelangen Dialogprozess gelebt und eingeübt werden (ebd., S. 53 ff.). Deshalb braucht Pädagogik einen langen Atem.

Neben den wichtigen Erfahrungen mit frustrierenden Situationen gilt es, Jugendliche nach einer angemessenen Zeit immer wieder Erfolgs- und Glückserlebnisse ernten und damit erfahren zu lassen, dass es sich tatsächlich lohnt, vorübergehende Anstrengungen und Unannehmlichkeiten für längerfristige Ziele zu akzeptieren.

Bauer sieht an unseren Schulen eine besorgniserregend mangelhafte Förderung der Selbstkontroll- und Selbststeuerungspotenziale der Kinder. So fehlt es in hohem Maße an persönlichem Gesehenwerden, an Zuwendung und Gelegenheiten zur produktiven Auseinandersetzung mit Bezugspersonen, um Selbstkontrolle und soziale Kompetenzen einzuüben und zu entwickeln (ebd., S. 57 ff.). Insofern kommt guter Betreuung von Kindern und Jugendlichen besondere Bedeutung zu, weil die Beziehungserfahrungen, die Kinder machen, direkten Einfluss auf die Ausformung ihrer Gehirne haben. Werden Kinder vernachlässigt oder machen sie Gewalterfahrungen, werden ihre emotionalen, psychischen wie neurobiologischen Bedürfnisse nicht ausreichend befriedigt, werden sie in der Schule stigmatisiert und ausgegrenzt, wird ihnen keine Hoffnung auf eine gute Zukunft gemacht, so hat das fatale Folgen für die Entwicklung ihrer Gehirne und damit für ihre Verhaltenssteuerung.

Auch Gerald Hüther sieht die psychosozialen Erfahrungen (Beziehungserfahrungen), die das menschliche Gehirn macht, als entscheidend für dessen Nutzung und Strukturierung an. Die Herausbildung komplexer Verschaltungen im kindlichen Gehirn kann nicht gelingen, wenn Kinder in einer Welt aufwachsen, in der die Aneignung von Wissen und Bildung keinen Wert besitzt, wenn sie nur konsumierend vor dem Fernseher oder Computer sitzen, wenn sie mit Reizen überflutet werden oder wenn man sie durch Verwöhnen hindert, eigene Erfahrungen bei der Bewältigung von Schwierigkeiten zu machen (Hüther/Hauser, S. 101).

Aus diesem Grund sollten Schüler mit Lehrern unbedingt positive Erfahrungen machen. Deshalb ist ein Lehrer, der im Konflikt Beherrschung und Haltung verliert, kein geeignetes, sondern ein kontraproduktives und obsoletes pädagogisches Modell, an dem der Schüler nichts lernen kann, sondern vielmehr leidet. Und von diesen Modellen haben viele Schüler leider schon genügend bei sich zu Hause oder in ihrem Freundeskreis. Genau deshalb rasten sie häufig aus, wenn es eng wird, wenn sie Angst bekommen, wenn sie abgewertet und nicht in ihrer noch unfertig ausgebildeten Persönlichkeit anerkannt werden. Sie rasten aus, weil ihr Gehirn in den Stressmodus umschaltet.

Der Lehrer aber ist Profi und Vorbild, er wird dafür bezahlt, sein Gehirn sollte unter Kontrolle bleiben. Er sollte eine sichere Bindungsbeziehung zu allen Mitgliedern seiner Lerngruppe aufbauen können, in der alle Schüler ihre Ressourcen angstfrei entwickeln können. Er sollte für die geeigneten pädagogischen Rahmenbedingungen das entsprechende methodisch-didaktische Handwerkszeug besitzen. Er sollte auch eine lernfördernde Lobkultur installieren können, damit die Schüler angespornt und motiviert werden und ihre gesamte Kraft dem Lernen widmen können. Andernfalls müssen sie diese auf den Nebenschauplätzen des Selbstschutzes vergeuden, um ihre Gehirne wieder in den Ruhemodus zu bringen.

Schon aus Interesse an der eigenen Gesundheit ist es für Lehrer wichtig, Beziehungsaspekte ihrer Arbeit stärker zu akzentuieren und die Beziehungen zu Schülern positiv zu gestalten.

Nur wenn Schüler Konsistenz in ihren Gehirnen spüren, können sie wirklich lernen. Deshalb braucht es Rahmenbedingungen, die so gestaltet sind, dass die persönlichen Bedürfnisse der Schüler darin einen angemessenen Platz finden. Die nötige tragfähige Beziehungsebene vermittelt sich über eine wertschätzende und respektvolle Kommunikation miteinander. Hierfür muss der Lehrer als Modell Pate stehen. Werden immer wieder Inkonsistenzsignale an die Gehirne der Schüler gesendet, kann so etwas wie eine Beziehungsebene nicht entstehen und folglich keine Lernebene. Gelingt dem Lehrer keine Beziehungsarbeit mit der Gruppe, werden auch die einzelnen Gruppenmitglieder untereinander wenig Beziehungsfähigkeit entwickeln können. Damit wird leider ein Nährboden für Mobbing geschaffen.

Im Gehirn von Kindern wirken sich nach Hüther gerade Beziehungsstörungen besonders nachhaltig aus. Weil die Verknüpfung der Nervenzellen im Frontalhirn erst noch ausgebildet und stabilisiert werden muss, entstehen Störungen, wenn dort Chaos herrscht. Chaos führt zu Lernschwierigkeiten, wichtige Kompetenzen wie Impulskontrolle, Frustrations- und Ambiguitätstoleranz, Empathie und Verantwortungsübernahme können nicht entwickelt werden (ebd., S. 54). Fehlende oder gestörte zwischenmenschliche Beziehungen, ein schlechtes Arbeitsklima und schlechte Führung durch Lehrer erhöhen die Tendenz, dass Schüler Stress empfinden. Deshalb ist es für Lehrer (schon aus Interesse an der eigenen Gesundheit) wichtig, Beziehungsaspekte ihrer Arbeit stärker zu akzentuieren und die Beziehungen zu Schülern positiv zu gestalten (Bauer2, S. 94).

Korte verweist darauf, dass Lernen mehr unbewusste als bewusste Komponenten hat. Entsprechend ist es wichtiger, die Lernatmosphäre und den Kon