Wie uns die Pille verändert - Sarah E. Hill - E-Book
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Wie uns die Pille verändert E-Book

Sarah E. Hill

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Beschreibung

Fast alle Frauen verhüten irgendwann in ihrem Leben mit der Pille. Doch die Hormone haben ungeahnte Auswirkungen: Die Pille erschafft eine andere Version von uns selbst, verändert unser Gehirn, lässt uns anders auf Stress reagieren und kann sogar unsere Partnerwahl grundlegend beeinflussen.
In ihrem bahnbrechenden Sachbuch erklärt die erfahrene Psychologin Dr. Sarah E. Hill die Auswirkungen der Antibabypille verständlich und auf Basis der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse. Wer es gelesen hat, kann die Vorteile und Risiken verstehen und abwägen, um eine bessere Entscheidung zu treffen – für oder gegen die hormonelle Verhütung.

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Seitenzahl: 499

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DR. SARAH E. HILL

Wie uns die Pille verändert

Die überraschenden Auswirkungen auf unser Denkenund Fühlen, den Körper und unsere Beziehungen

Alles, was Frauen über die Antibabypille wissen müssen

Aus dem Amerikanischen von Wibke Kuhn

Die Originalausgabe erschien 2019 unter dem Titel »This Is Your Brain on Birth Control« bei Avery.Alle Informationen in diesem Buch wurden sorgfältig geprüft und die Angaben zu Präparaten für die deutsche Ausgabe angepasst. Dennoch kann der Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit aller Angaben übernehmen. Die Lektüre des Buchs kann eine eigenverantwortlich eingeholte und durchgeführte schulmedizinische Diagnose und Behandlung nicht ersetzen. Jegliche Haftung für Gesundheitsschäden ist daher ausgeschlossen.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.© 2019 by Sarah E. Hill© der deutschsprachigen Ausgabe 2020 by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 MünchenRedaktion: Sophie DahmenUmschlaggestaltung und Motiv: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, ZürichHerstellung: Helga SchörnigSatz: Vornehm Mediengestaltung GmbH, MünchenISBN978-3-641-23646-5V001www.heyne.de

FÜRDICH

INHALT

Vorwort

1. Teil – Sie Sind Biologie

1. Kapitel: Was ist eine Frau?

Die Antwort der Evolution auf eine philosophische Frage

2. Kapitel: Sie sind Ihre Hormone

Die Grundlagen, die Kontroversen und der Fisch mit den drei Geschlechtern

3. Kapitel: Sie in Ihrer fruchtbaren Zeit

Eine 28-tägige Fallstudie der weiblichen Sexualhormone

2. Teil – Wie Ihr Gehirn aussieht, wenn Sie die Pille nehmen

4. Kapitel: Hormone in Endlosschleife

Wie die Pille funktioniert und was für Wirkstoffe Ihr Präparat enthält

5. Kapitel: Sexyness liegt im Auge der Pillenschluckerin

Anziehungskraft und Partnerwahl bei hormoneller Verhütung

6. Kapitel: Sex mit Pille

Sexuelle Nebenwirkungen bei ihr und ihm

7. Kapitel: Der seltsame Fall des fehlenden Cortisols

Die Pille und Ihre Stressreaktion

8. Was schlägt uns so aufs Gemüt? 199

Ihre Stimmung auf Drogen

3. Teil – Das grosse Ganze

9. Kapitel: Das Gesetz der Unbeabsichtigten folgen

Die Auswirkungen der Pille auf die Körper anderer Leute

10. Kapitel: Warum hat mir das keiner gesagt?

Wettbewerb, Politik und Selbsttäuschung

11. Kapitel: Und jetzt? Ein Brief an meine Tochter

Pille oder nicht Pille? Das ist die Frage.

DANKSAGUNG

ANMERKUNGEN

STICHWORTREGISTER

QUELLENVERZEICHNIS

VORWORT

Ich will dieses Buch mit dem Versprechen beginnen, dass ich nichts im Schilde führe und keine heimlichen Absichten verfolge.

Obwohl … nein, das wäre gelogen. Niemand schreibt ein Buch, ohne etwas im Schilde zu führen. Also verfolge ich wahrscheinlich schon eine Absicht, aber vielleicht ist es nicht die, die Sie erwartet haben, als Sie ein Buch über Ihr Gehirn und die Pille in die Hand genommen haben. Das hier ist kein Buch, in dem ich Ihnen massenweise beängstigende Fakten über die Pille um die Ohren haue und Ihnen einzureden versuche, dass die Pille Ihnen bereits auf 763 verschiedene Arten das Gehirn geschrottet hat, die natürlich alle nicht wiedergutzumachen sind. Es ist auch kein Buch, in dem ich Ihnen erkläre, dass Sie die Pille gar nicht nehmen sollten beziehungsweise unmissverständlich andeute, dass Sie bei weiterer Einnahme der Pille für diese unkluge Entscheidung bezahlen werden, weil Sie nämlich Krebs kriegen, Sie Ihr Langzeitgedächtnis verlieren oder Ihnen ein Schwanz wächst.

So ein Buch wird das nicht.

Ich habe über zehn Jahre meines Lebens die Pille genommen, und ich bin ziemlich sicher, dass ich damit gut gefahren bin. In dieser Zeit konnte ich einen Summa-cum-laude-Abschluss am College machen (Streber!) und an einer der härtesten Unis des Landes in Psychologie promovieren (Superstreber!). Obwohl nun nicht jeder Lust hätte, seine frühen Zwanziger mit dieser Art von Ausbildungsmasochismus zu verbringen – ich habe es eben gemacht. Und die Pille hat mir dabei geholfen, ohne dass ich mir Sorgen machen musste, durch eine Schwangerschaft, für die ich noch gar nicht bereit war, plötzlich ins Aus zu geraten. Indem ich von den Konsequenzen meines Sexuallebens befreit wurde, spielte die Pille eine große Rolle bei meinem Projekt, den bestmöglichen Abschluss in meinem Fachgebiet zu erwerben, ein florierendes Forschungslabor aufzubauen und meine zwei Kinder zu bekommen, als ich dafür bereit war. Ich bin wahnsinnig dankbar für die Chance, das alles tun zu können, und ich bin ziemlich sicher, dass es mir viel schwerer gefallen wäre, wenn es die Pille nicht gegeben hätte. Ich schreibe dieses Buch also nicht, um Ihnen dieselbe Pille auszureden, die mich überhaupt erst in die Lage versetzt hat, dieses Buch zu schreiben. So ein Buch wird das nicht.

Aber es wird auch nicht die andere Art Buch werden, die Sie vielleicht erwarten. Ich werde Ihnen keine einseitige Liebesgeschichte erzählen, in der die Frauen und die Pille gemeinsam in den Sonnenuntergang reiten und glücklich leben bis ans Ende ihrer Tage – das wäre vielleicht die andere Absicht, die Sie von einem Buch wie diesem erwarten könnten. Obwohl die Pille unheimlich viele tolle Dinge für die Frauen getan hat, werden Sie bald sehen, dass diese tollen Dinge ihren Preis haben. Und der ein oder andere Preis ist gar nicht ohne. Und am meisten muss es einen wohl beunruhigen, dass die meisten Frauen keine Ahnung haben, wie hoch der Preis eigentlich ist.

Ich habe es zumindest nicht gewusst.

Wissen Sie, Ihre Hormone sind nicht nur etwas, was Ihnen passiert, sie sind vielmehr ein Bestandteil von dem, was Sie zu der Person macht, die Sie sind. Sie sind buchstäblich Ihre Hormone. Und wenn Sie Ihre Hormone verändern – und genau das tun hormonelle Verhütungsmittel ja – verändern Sie die Version Ihrer Person, die Ihr Gehirn erschafft. Außerdem reicht die Wirkung der Pille weit über die kleine Auswahl erwünschter Effekte hinaus, wegen derer wir sie einnehmen. Sie beeinflusst alles. Und eine wachsende Zahl von psychologischen und neurowissenschaftlichen Studien belegt das. Man hat es Ihnen bis jetzt nur noch nicht erzählt. Und ich bin sicher, sobald Sie erst mal alles wissen, was ich erfahren habe, werden Sie mir zustimmen, dass wir in 100 Jahren auf unsere Ära zurückblicken und uns erschrocken fragen werden, wie man so nonchalant mit den Hormonen der Frauen umspringen konnte.

Obwohl noch nicht lange wissenschaftlich untersucht wird, wie die Pille die Frauen verändert, wissen wir genug, um Sie bei einer aufgeklärten Entscheidung zu unterstützen. Zunächst müssen Sie ein paar Dinge über die Funktionsweise Ihres Gehirns lernen und darüber, welche Rolle Ihre Hormone dabei spielen, Sie zu der Person zu machen, die Sie sind. Dann müssen Sie begreifen, was die Studien über diese ganzen von der Pille bewirkten Veränderungen aussagen. Ersteres war über 15 Jahre Gegenstand meiner Arbeit als Evolutionspsychologin mit dem Forschungsschwerpunkt Frauen und Gesundheit. Letzteres ist etwas, was ich erst kürzlich entdeckt habe, nachdem mich drei voneinander unabhängige Ereignisse auf meine wissenschaftliche Reise in die Welt der Gehirne hormonell verhütender Frauen geschickt haben. Wie sich herausgestellt hat, ist diese Reise in vielerlei Hinsicht die Geschichte meines Lebens als junge Erwachsene.

Es könnte auch Ihre sein.

Die drei unabhängigen Ereignisse

Wie die meisten guten Abenteuer begann auch meine Reise ganz unspektakulär, ohne dass mir klar war, dass sich hier etwas Wichtiges anbahnte. Es begann alles, als ich die Pille absetzte, eine Entscheidung, die ich im Grunde auf geräuschlose Art traf. Ich wusste, dass ich keine Kinder mehr wollte, deswegen entschieden mein Mann und ich uns für eine dauerhaftere Verhütungslösung. Da er Manns genug war, die Sache selbst in die Hand zu nehmen, konnte ich die Pille wegwerfen, ohne viel nachzudenken.

Um Ihnen ein wenig Hintergrundinformation zu geben: An diesem Punkt hatte ich die Pille mehr oder weniger durchgehend für etwas über ein Jahrzehnt genommen. Hie und da hatte ich die Einnahme unterbrochen, aber nie sonderlich lang. Ich hatte sie abgesetzt, um schwanger zu werden, und nach jeder Schwangerschaft hatte ich sie ein Jahr lang nicht genommen, um stillen zu können. Ich kann diese Erfahrungen jedoch kaum als repräsentativ für meinen psychologischen Normalzustand betrachten, denn sie waren entweder von sehr kurzer Dauer (vor der Schwangerschaft) oder getrübt durch einen verwirrenden Cocktail aus Schlafmangel und postnatalen Hormonen (Stillen). Nichtsdestotrotz hätte ich nicht erwartet, dass sich meine Welt spürbar verändern würde, nachdem ich die Pille abgesetzt hatte. Ich dachte, die Konsequenzen würden sich nur auf meine Fähigkeit beschränken, jeden Monat ein Ei springen zu lassen.

Wie sich herausstellte, hatte ich mich gewaltig verschätzt.

Ein paar Monate nachdem ich die Pille abgesetzt hatte, merkte ich, dass ich mich … anders fühlte. Ich merkte es nicht, während es passierte, aber eines Tages stellte ich fest, dass mir mein Leben heller und interessanter vorkam. Als wäre ich aus einem zweidimensionalen Schwarz-Weiß-Film in eine durchgehend farbige, dreidimensionale, sinnvolle Realität getreten. Ich fing wieder an, Sport zu machen und zu kochen – das waren Dinge, die mir früher Spaß gemacht hatten, die ich aber vergessen hatte. Ich hatte mehr Energie. Mir fielen attraktive Männer auf. Ich achtete auf mein Aussehen, auf eine Art, wie ich es schon länger nicht mehr getan hatte. Ich fühlte mich einfach … lebendig. Komplett, lebhaft, herrlich, menschlich lebendig. Das passierte aber nicht alles auf einen Schlag. Mir war gar nicht bewusst, dass diese ganzen Veränderungen passierten, ich merkte es erst hinterher. Eines Tages wurde mir bewusst, dass ich mir im Grunde vorkam, als wäre ich aus einem fast zehn Jahre währenden Nickerchen aufgewacht, obwohl ich nicht mal gewusst hatte, dass ich eingeschlafen war.

Als ich über diese ganzen Veränderungen in mir nachdachte, tat ich das, was Frauen in solchen Situationen zu tun gelernt haben: Ich schrieb sie ab unter »Kopfgeburt«.1 Ich dachte schon irgendwie, dass es irgendwas damit zu tun gehabt haben könnte, dass ich die Pille abgesetzt hatte, aber es kam mir zu Science-Fiction-mäßig vor, dass meine Antibabypillen mir ein Gefühl gegeben haben sollten, als hätte ich mir eine andere Persönlichkeit transplantieren lassen. Ich dachte mir, dass das einfach nur wieder so was Komisches ist, was nur mir passiert, aber sonst keinem. Oder vielleicht war es einfach ein Nebeneffekt der Tatsache, dass ich über dreißig war oder jetzt mehr Sport machte. Ich legte meine Erfahrungen in einer Schublade mit der Aufschrift »seltsame Dinge, die Sarah passieren, wenn sie anfängt oder aufhört, ein Medikament zu nehmen« in meinem Gehirn ab und wandte meine Aufmerksamkeit wieder meinem Leben zu.

Das war Ereignis Nummer 1.2

Ungefähr ein Jahr vorgespult: Sie sehen mich auf einer Psychologiekonferenz im Fahrstuhl mit einer guten Freundin. Wir sind gerade dabei, uns alles Mögliche zu erzählen und uns über unsere Forschungsarbeit zu unterhalten, da fragt sie mich, ob ich diesen coolen neuen Aufsatz gelesen habe über die Pille und die romantischen/sexuellen Beziehungen der Frauen. Hatte ich nicht, und so erzählte sie mir, dass sich da ein paar interessante Unterschiede abzeichneten in der Zufriedenheit mit der Beziehung und der Scheidungsrate von Frauen, die die Pille nehmen, im Vergleich zu Frauen, die sie nicht nehmen. Wir werden in Kapitel 5 noch sehr viel gründlicher auf diese Studie zurückkommen, aber die Kernaussage kann ich Ihnen hier schon verraten: Wenn Frauen die Pille nehmen, wird dadurch ihre Wahl des Männertyps beeinflusst, ihre Zufriedenheit mit dem Partner und sogar die Wahrscheinlichkeit einer Scheidung. Als wir aus dem Fahrstuhl stiegen, plauderten wir über die Ergebnisse, spekulierten, ob diese Erkenntnisse die Beziehungsdynamiken diverser Paare in unserem Bekanntenkreis erklären könnten (ja, so sieht das aus, wenn Nerds tratschen), und dann teilten wir unsere eigenen Erlebnisse in einem Leben mit beziehungsweise ohne hormonelle Verhütung.

Dieser Aufsatz, den ich beim Heimkommen gleich las, warf mich wirklich um. Belege dafür zu sehen, dass kleine Änderungen im individuellen Hormonhaushalt der Frauen Auswirkungen auf etwas so Großes, Übergreifendes wie die Scheidungsrate haben, ließ mich nicht mehr los. Ich konnte nicht aufhören, darüber nachzudenken. Ich war schon immer fasziniert, wenn Studien zeigen, welche Folgen unbeabsichtigte Wirkungen auf komplexe Verhaltenssysteme haben, und die Vorstellung, dass der Hormonhaushalt einzelner Frauen einen derartigen Einfluss auf kulturelle Muster in der ganzen Welt haben könnte, war einfach zu provokativ, um sie zu ignorieren. Dieser Aufsatz gehört in einem meiner Kurse jetzt zur Pflichtlektüre und hat neue Studien in meinem eigenen Labor inspiriert.

Das war Ereignis Nummer 2.

Das letzte von diesen drei nicht zusammenhängenden Ereignissen widerfuhr mir bei einer anderen Psychologiekonferenz, wieder ein Jahr später (ich kann Ihnen versichern, ich weiß auch noch andere Dinge mit meiner Zeit anzufangen). In diesem Fall hörte ich mir den Vortrag eines Forschungskollegen an, Dr. Bruce Ellis, über die Auswirkungen einer schwierigen Kindheit auf die Stressreaktion. Bruce’ Vortrag war aus einer Reihe von Gründen interessant, die ich hier aber nicht weiter anführen möchte (nachdem ich auf Dinnerpartys jahrelang meine Gesprächspartner in Narkose gelabert habe, weiß ich, dass »interessant« ein höchst subjektiver Ausdruck ist), aber vor allem eines ließ mein Gehirn jäh aufmerken: Bei Frauen, die die Pille nehmen, fehlt ein entscheidender Bestandteil der Stressreaktion – im Gegensatz zu jedem anderen gesunden Menschen auf der Welt.

Wir werden im 7. Kapitel noch sehr viel mehr darüber hören, auch darüber, warum das so wichtig ist. Vorerst müssen Sie einfach wissen, dass es eine ganz schön heftige Beobachtung ist, dass so etwas in einer ansonsten gesunden Person nicht stattfindet, und es kann gewaltige Auswirkungen haben auf Dinge wie Lernen und Gedächtnis, aber auch Angststörungen und Depressionen nach sich ziehen.

Aus irgendeinem Grund traf es mich wie ein Blitzschlag, als ich das hörte. Mein Kopf war im Handumdrehen geflutet von einer Erkenntnis nach der anderen, und schon verbanden sich klick-klick-klick diese ganzen scheinbar zusammenhangslosen Teile in meinem Kopf.

Die Antibabypille sind Hormone. Man hat Hormonrezeptoren im ganzen Körper. Das Gehirn strotzt nur so vor Hormonrezeptoren. Weibliche Sexualhormone beeinflussen Sex, Anziehungskraft, Stress, Hunger, Essgewohnheiten, Gefühlsregulierung, Freundschaften, Aggression, Stimmung, Lernen und noch vieles andere. Selbstverständlich hatte die Pille mich verändert. Selbstverständlich beeinflusst sie die Zufriedenheit in der Beziehung und die Scheidungsrate. Selbstverständlich beeinflusst sie die Stressreaktion. Die Pille enthält Hormone, und damit verändert sie den Menschen, der man ist. Die Pille verändert … alles.

Ich würde lügen, wenn ich Ihnen nicht gestehen würde, wie peinlich es mir ist, dass mir das bis zu diesem Moment nie aufgegangen war. Während ich eine Karriere darauf aufgebaut hatte, Antrieb, Anziehungskraft und, ja, sogar die Auswirkung weiblicher Hormone aufs Verhalten zu untersuchen, hatte ich bei der hormonellen Verhütung, die ich selbst über zehn Jahre meines Lebens benutzt hatte, einen riesigen blinden Fleck gehabt. Mir wäre nie in den Sinn gekommen, dass mich die Pille verändert. Nachdem es mir als Psychologin nicht eingefallen ist, würde ich schätzen, die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass es Ihnen auch nie in den Sinn kam. Wenn Sie ähnlich gestrickt sind wie ich, haben Sie sich wahrscheinlich nur um einen Aspekt Sorgen gemacht, nämlich ob Sie von der Pille zunehmen. Oder einen Schlaganfall kriegen. Und wenn Sie ähnlich gestrickt sind wie ich, dann ist die Gewichtszunahme definitiv die beängstigendere dieser beiden Nebenwirkungen … Na ja, so beängstigend, wie man Dinge eben empfinden kann, wenn einem die Hälfte seiner Stressreaktion fehlt.

Sobald ich von dieser Konferenz nach Hause kam, begann ich zu recherchieren, ob es vielleicht eine Erklärung dafür geben könnte, wie ich mich fühlte, als ich die Pille absetzte. Ich wollte nachschauen, ob die Erfahrungen, die ich gemacht hatte, vielleicht in der wissenschaftlichen Literatur dokumentiert oder von anderen Frauen ebenso geschildert worden waren. Die Ergebnisse dieser Suche zeigten, dass ich nicht allein und meine Erlebnisse kein Einzelfall waren. Psychologen und Neurowissenschaftler veröffentlichen schon seit Jahren ihre Forschung zu diesen Themen. Aber ich hatte keine Ahnung, und ich nehme an, Sie genauso wenig. Die meisten Frauen haben nämlich überhaupt keinen Zugang zu Informationen darüber, was die Pille mit ihrem Gehirn anstellt. Die einzigen Informationen, die in der Welt kursieren, sind tief in den Seiten wissenschaftlicher Publikationen vergraben. Und so sind diese Artikel nicht nur völlig unzugänglich für alle, die nicht an Universitäten arbeiten (denn Abonnements dieser Fachzeitschriften sind unglaublich teuer), sondern obendrein oft voller Fachausdrücke und auch nicht immer so angenehm zu lesen (das Gehirn liest nicht gerne Dinge über sich selbst).

Ich schreibe dieses Buch, um diese ganzen Informationen für Sie zusammenzutragen und sie Ihnen so verständlich wie möglich zu präsentieren. Ich hoffe außerdem, dass Sie ein paar coole Sachen darüber lernen, wie weibliche Gehirne funktionieren, und ich Ihnen ein paar Gedanken über die Pille, Gesundheit und Leben unterbreiten kann. Ein Teil davon stammt aus Forschungsergebnissen meines eigenen Labors. Ein Teil stammt aus Studien, die in anderen Laboren durchgeführt wurden, von anderen Wissenschaftlern, denen ich vertraue und deren Arbeit ich respektiere. Ich werde Ihnen auch Geschichten aus meinem eigenen Leben erzählen und aus dem Leben anderer Frauen, die mir ihre Geschichten erzählt haben. Jede von uns hat es verdient, so viel wie möglich über die Medikamente zu erfahren, die wir in unseren Körper bringen, auch wenn die betreffenden Wirkungen nicht lebensbedrohlich sind (das ist die Frage, auf die sich die meisten medizinischen Studien konzentrieren). Einiges von dem, was ich Ihnen erzähle, wird Sie schockieren. Einiges wird einfach Dinge bestätigen, die Sie lange vermutet haben, aber wahrscheinlich für »Kopfgeburten« hielten.

Folgende Bereiche werden wir abdecken:

Viele von uns meinen zwar, dass Hormone etwas sind, was uns »passiert«, aber das stimmt nicht ganz. Sie sind Ihre Hormone. Hormone helfen dabei, Ihre eigene Identität zu formen, die Dinge, die Sie von sich selbst glauben, und Ihr Verhalten. Die Pille zu nehmen und abzusetzen kann das Empfinden für Ihr Selbst verändern. Es kann eine Veränderung in der Identität bewirken – anscheinend sogar ziemlich häufig, aber die Wissenschaftler haben das noch nicht ganz erforscht.Die Pille verändert das Gehirn. Gehirnscans von Frauen, die die Pille nehmen, weisen strukturelle und funktionale Unterschiede auf im Vergleich zu Aufnahmen von Frauen, die nicht die Pille nehmen.Frauen, die die Pille nehmen, fehlt der Gipfel im Cortisolspiegel bei der Stressreaktion, den jeder andere gesunde Mensch aufweist. Forscher haben diese Wirkung seit den Neunzigerjahren dokumentiert. Und das ist schockierend. Wie wir noch sehen werden, spielt Cortisol nämlich eine ganz entscheidende Rolle dabei, Ihrem Körper mitzuteilen, dass gerade etwas Wichtiges geschieht – und zwar nicht nur Schlimmes. Es teilt uns auch mit, ob etwas Aufregendes und Interessantes passiert.Die hormonelle Verhütung beeinflusst auch, wen sich die Frauen aussuchen, wenn sie mit Männern ausgehen oder sich einen Partner suchen, und hat eventuell auch eine nicht unwesentliche Auswirkung auf ihre Zufriedenheit mit der Beziehung und auf die Wahrscheinlichkeit, dass diese Beziehung hält.Die Pille hat entscheidende Auswirkungen auf die soziale Mobilität der Frauen, die Motivation der Männer, etwas zu erreichen, Heiratsverhalten, Wirtschaftswachstum und die Scheidungsrate. Die Forschungsdaten belegen, dass die sexuellen Ansprüche der Frauen und das Leistungsniveau der Männer Hand in Hand gehen, das heißt, die Pille könnte auch Auswirkungen auf das Verhalten anderer Menschen haben. Das ist doch mal eine richtig ungewöhnliche Nebenwirkung, oder?

Ich werde Ihnen aber nicht nur Neues über Hormone, Frauen und ihre Veränderung durch hormonelle Verhütungsmittel erzählen. Ich werde Ihnen auch einen Einblick in die Wissenschaft geben und was es bedeutet, Studien zu Frauen anzustellen. Eine wichtige Lektion in diesem Buch lautet, dass wir bessere Labore brauchen, um sicherzustellen, dass sich die Forscher die Zeit nehmen, Frauen zu untersuchen (dieses Problem erstreckt sich auf die Forschung mit menschlichen Studienteilnehmern, Tieren und sogar Zellen!).3 Weibliche Untersuchungsobjekte und sogar weibliche Zelllinien (wobei Zelllinien grundsätzlich die ersten Studienobjekte sind, wenn neue Medikamente getestet werden oder man die Entwicklung von Krankheiten wie Krebs erforscht) waren und sind in der biomedizinischen Forschung unterrepräsentiert und zu wenig erforscht, obwohl man schon Reformen durchgesetzt hat, um sie häufiger in Studien einzubeziehen, die sich mit Problemen beider Geschlechter befassen. Wir müssen sicherstellen, dass die Wissenschaft sich weiterhin darum bemüht, Frauen bei solchen Studien zu berücksichtigen.

Ich schließe dieses Buch mit einem Brief an meine Tochter, der ihr helfen soll – genauso wie Ihnen –, eine mündige Entscheidung über ihre Verhütungsoptionen zu treffen, und zwar auf der Basis gründlicher Information. Ich werde die Informationen, die ich in den vorhergehenden Kapiteln vorgestellt habe, noch einmal aufführen und die zahlreichen Fragen durchgehen, die sich daraus ergeben. Sind wir mit Pille besser dran? Oder sollten wir uns nicht lieber Alternativen dafür überlegen, wie wir die Frauen von den biologischen Konsequenzen ihres sexuellen Verhaltens befreien können? Obwohl es keine klaren Antworten geben wird (und die Antwort wird auch für jede Frau anders ausfallen, je nach ihren persönlichen Zielen und Lebensumständen), hoffe ich doch, einen Dialog in Gang zu bringen – einen Dialog zwischen Frauen und Ärzten, Frauen und ihren Partnern, Frauen und ihren Freundinnen und Frauen und ihren Töchtern. Zu den tollsten Effekten, die es hatte, dieses Buch zu schreiben, gehören die ganzen Gespräche, die es ausgelöst hat. Diese Gespräche beginnen normalerweise mit einem »Ich will ja jetzt nicht zu weit unter die Gürtellinie gehen, aber …« oder »Ich hoffe, ich erzähl da jetzt nichts zu Intimes …« Und dann erzählen mir diese Frauen Geschichten, die ihrer Meinung nach reine »Kopfgeburten« sind. Ich hoffe, dass dieses Buch den Anstoß für viele weitere Gespräche dieser Art geben wird. Und hier noch eine Einstiegshilfe für Sie: Das ist jetzt vielleicht fast ein bisschen zu intim, aber …

Ein paar Anmerkungen zum Aufbau dieses Buchs

Ich habe dieses Buch in drei Teile gegliedert. Der erste Teil (»Sie sind Biologie«) handelt davon, was es in biologischer Hinsicht bedeutet, eine Frau zu sein. Ich werde Ihnen von Ihrem Gehirn erzählen, von Ihren Hormonen, und warum die Vorgänge der Evolution uns durch natürliche Selektion überhaupt erst anders gemacht haben als die Männer. Diese Kapitel sind so aufgebaut, dass Sie verstehen, wie Sie funktionieren und warum Sie so funktionieren. Obwohl Sie sich vielleicht wundern, warum ich Ihnen das alles in einem Buch über die Antibabypille erzähle – das alles ist von entscheidender Wichtigkeit. Wir springen viel zu leichtfertig mit unseren Hormonen um, und ich glaube einfach nach wie vor, dass wir viel sorgfältiger mit uns umgehen würden, wenn wir begreifen, wie wir funktionieren und warum. Sie müssen wissen, wie Ihr Gehirn funktioniert, Sie müssen wissen, wie Ihre Hormone in Ihrem Gehirn wirken, und Sie müssen wissen, wie sich das alles verändert, sobald Sie die Pille nehmen. Im ersten Abschnitt lege ich die Grundlagen für dieses Verständnis, und ich glaube, Sie werden feststellen, dass das zu den interessantesten Dingen gehört, die Sie jemals gelesen haben. Frauen sind noch viel interessanter, als Sie sich überhaupt vorstellen konnten.

Der zweite Abschnitt (»Wie Ihr Gehirn aussieht, wenn Sie die Pille nehmen«) dreht sich ganz darum, wie die Pille funktioniert und was wir über ihren Einfluss auf Gehirne und Leben der Frauen wissen. Ich werde Ihnen von den verschiedenen Arten von Hormonen erzählen, die in der Pille enthalten sind, und davon, wie die Pille Ihre Psyche beeinflusst – in Sachen Sexualität und Partnerwahl, Stressreaktion, Stimmung und noch vielem mehr, was in Ihrem Gehirn abläuft. Das sind alles Dinge, die die Psychologen zum Teil seit Jahrzehnten wissen, von denen Sie aber wahrscheinlich bis jetzt noch nie gehört haben. Ich werde Ihnen alles darlegen, was wir derzeit wissen, und Ihnen sagen, was wir erst noch erforschen müssen. Nachdem Sie diesen Abschnitt des Buches gelesen haben, werden Sie mit allen Informationen gewappnet sein, um eine gründlich aufgeklärte, mündige Entscheidung darüber zu treffen, ob die Pille das Richtige für Sie ist.

Der letzte Abschnitt (»Das Große Ganze«) deckt noch einige weiterführende Themen ab, die mit der Pille zusammenhängen. Zunächst werden wir darüber sprechen, inwiefern die Verhaltensänderungen der hormonell verhütenden Frauen weitreichende Konsequenzen für das Verhalten anderer haben können und damit Ehe, Schwangerschaft und Arbeitswelt beeinflussen. Dann werden wir darüber reden, warum Sie das alles bis jetzt noch nie gehört haben. Das ist schon ein ziemlich kompliziertes Thema. Ein Teil der Antwort ist politisch (den Leuten ist immer ein bisschen unwohl, wenn sie in einem Atemzug von »Frauen« und »Hormonen« sprechen sollen), zum Teil ist es auch praktisch bedingt (es ist keine leichte Aufgabe, die nötigen Studien zufriedenstellend durchzuführen, und Frauen sind komplizierte Forschungsobjekte), und zu guter Letzt liegt es auch daran, dass wir alle gern glauben möchten, die Frage der Geburtenkontrolle gelöst zu haben. Ungeachtet all dieser Gründe müssen wir die Wissenschaft unbedingt dazu anhalten, weiter zu forschen, damit wir mehr über Frauen und die für sie wichtigen Themen erfahren.

Für diejenigen unter Ihnen, die nicht ins Schema F passen

Der Großteil der Forschung, die ich in diesem Buch bespreche, konzentriert sich ausschließlich auf die Erfahrungen heterosexueller Cisgender-Frauen, weil sie normalerweise diejenigen sind, die die Pille nehmen. Obwohl manche Lesben, ebenso wie Transgender-Frauen und Transgender-Männer, die Pille nicht zum Zwecke der Empfängnisverhütung nehmen, ist die Forschung so weit noch nicht gediehen, dass sie auch diesen Gruppen gerecht werden könnte.

Wenn Sie jemand sind, der zufällig nicht in die sehr schmale Kategorie von Menschen fällt, die Forscher normalerweise bei Studien zur Pille untersuchen, bedeutet das noch lange nicht, dass Ihre Erfahrungen nicht wichtig wären. Das sind sie sehr wohl. Und ich hoffe, dass Sie aus den Ergebnissen, die ich Ihnen vorstelle, trotzdem noch Erkenntnisse für sich selbst gewinnen können. Wir alle weisen mehr Ähnlichkeiten auf als Unterschiede. Und das trifft auch auf diejenigen von uns zu, denen man den Großteil ihres Lebens das Gefühl gegeben hat, dass sie anders sind als alle anderen. Wir alle sind Menschen, und es gibt viele Erfahrungen, die jeder macht. Selbst wenn die Forschung, von der ich im Folgenden berichten werde, Sie nicht ganz miterfasst, seien Sie versichert, dass es auch für Sie einen Platz in diesen Erkenntnissen gibt. Denn die Forschung legt die Vermutung nahe, dass die Psychologie der Partnersuche bei Lesben und Transgender-Frauen nicht völlig anders funktioniert als bei ihren heterosexuellen Cisgender-Kolleginnen. Und in den Fällen, in denen Sie der Meinung sind, dass das Forscher-Establishment wichtige Unterschiede übersehen haben könnte, fordern Sie, dass die Wissenschaft sich mehr Mühe gibt. Ihre Geschichte ist auch wichtig. Ich hoffe jedenfalls, Sie werden auf den Seiten dieses Buches auch Teile Ihrer eigenen Geschichte wiederfinden.

Ich schreibe dieses Buch für Sie alle, um Ihnen ein Machtinstrument an die Hand zu geben. Um Sie mit den Erkenntnissen der jüngsten Forschung zur Pille zu bewaffnen, damit Sie auf der Grundlage dieser Fakten eine Entscheidung darüber treffen können, was Sie tun wollen und wer Sie sein wollen. Obwohl diese Forschung noch jung ist und es viel zu lernen gibt, ist es inakzeptabel, dass Sie noch länger in Unkenntnis dieser Tatsachen leben. Wir wissen schon zu viel, als dass Sie so wenig wissen sollten.

Aber jetzt wollen wir endlich anfangen. Es gibt eine Menge zu besprechen.

1. TEIL

SIESINDBIOLOGIE

1. KAPITEL: WASISTEINEFRAU?

Obwohl es Hunderte von Antworten gibt, die man auf eine solche Frage geben könnte (wir könnten über geschlechtliche Identität oder soziale Rollen sprechen oder irgendein anderes der zahllosen Phänomene, die Sie zu dem machen, was Sie sind), wollen wir uns anschauen, was die Evolutionsbiologie zu diesem Thema zu sagen hat. Denn wie sich herausgestellt hat, lernen wir sehr viel über Frauen, wenn wir erst einmal begriffen haben, wozu unsere Gehirne überhaupt angelegt worden sind.

Jede von uns ist das Ergebnis einer langen Kette von erfolgreichem Überleben und Fortpflanzen, die sich mittlerweile – ununterbrochen – über Millionen von Jahren erstreckt. Wenn es auch nur einer unserer Vorfahrinnen nicht gelungen wäre, lange genug zu überleben, um sich fortzupflanzen, oder wenn sie sich überhaupt nicht fortgepflanzt hätte, dann würden Sie jetzt nicht hier sitzen.

Allein das ist schon ziemlich bemerkenswert.

Wir Frauen haben von unseren erfolgreichen Vorfahrinnen die Eigenschaften geerbt, die es ihnen erlaubten – Generation um Generation, und zwar ohne Unterbrechung –, gute Entscheidungen zu treffen, sei es nun in der Frage, ob sie sich einer Schlange nähern sollten (nein!), oder ob sie eine geheime Affäre mit dem heißen Typen vom Nachbarstamm anfangen sollten (vielleicht!). Eigenschaften, die erfolgreiches Überleben und Fortpflanzung garantieren, werden von einer Generation an die nächste vererbt. Eigenschaften, die dem Überleben und der Fortpflanzung nicht förderlich sind, werden nicht vererbt. So einfach ist das. Dieser Vererbungsprozess wird natürliche Selektion genannt. Und wie sich gezeigt hat, liefert sie ein ausgezeichnetes Erklärungsmodell, wenn wir uns mit der Frage befassen, was es bedeutet, eine Frau zu sein und ein weibliches Gehirn zu haben.

Sie sind Ihre Keimzellen

Um zu verstehen, was es bedeutet, eine Frau zu sein und ein weibliches Gehirn zu haben, müssen wir erst einmal definieren, was es heißt, weiblich zu sein. Und in den Augen der Evolutionsbiologie wird das durch die Größe Ihrer Keimzellen definiert. Wenn Sie einen begrenzten Vorrat an großen Keimzellen besitzen, der viele Kalorien kostet, sind Sie weiblich, und wir nennen Ihre Keimzellen »Eizellen«. Wenn Sie einen unbegrenzten Vorrat an kleinen, metabolisch nicht weiter aufwendigen Keimzellen besitzen, sind Sie männlich, und wir nennen Ihre Keimzellen »Sperma«. Und obwohl diese Beschreibung übertrieben vereinfachend klingen mag (und eventuell sogar ein bisschen derb), steckt sie eben doch im Kern fast aller zuverlässig beobachtbaren Unterschiede zwischen den Geschlechtern bei großen wie kleinen Kreaturen, Menschen mit eingeschlossen.

Und das ist tatsächlich unglaublich faszinierend.

Wenn man zu dem Geschlecht mit den größeren, teureren Keimzellen gehört, bedeutet das, dass Frauen – bevor sie die zukünftigen Väter ihrer Kinder auch nur treffen – bereits mehr in ihre Babys investiert haben, die sie vielleicht einmal bekommen könnten, als es bei den zukünftigen Kindsvätern der Fall ist. Und bei Menschen (und vielen anderen Spezies) wird diese Asymmetrie der Investitionen immer größer, sobald eine Eizelle befruchtet worden ist. Letztendlich sind wir Menschen eben doch Säugetiere. Und für weibliche Säugetiere ist die Fortpflanzung kostspielig. Wenn man die größeren Keimzellen hat, bedeutet das oftmals, dass man damit auch die Bühne für eine kostspielige Fortpflanzung bereitet.

Und zwar so richtig kostspielig. Frauen, die darauf hoffen, sich fortzupflanzen, müssen bereit sein, ihre Körper neun Monate lang mit einem anderen menschlichen Wesen zu teilen. Das ist keine kleine Forderung. Das kostet Energie. Das ist unbequem. Und ein logistischer Albtraum für das Immun- und Kreislaufsystem der Frau. Des Weiteren kosten Komplikationen rund um Schwangerschaft und Geburt trotz des Wunders namens »moderne Medizin« immer noch täglich mehrere Hundert Frauen das Leben.

Aber das war noch nicht alles!

Wissen Sie, da ist ja auch noch die Laktation. Und obwohl diese Tätigkeit heute nicht mehr unbedingt nötig ist für eine erfolgreiche Fortpflanzung, war sie in unserer evolutionären Vergangenheit mehr oder weniger unabdingbar. Frauen mussten Milch produzieren, um ihre Kinder zu ernähren, und die Milchbildung ist ebenfalls ziemlich kostspielig. Abgesehen davon, dass sie von den Frauen verlangt, täglich ungefähr 600 zusätzliche Kalorien zu sich zu nehmen, um den Stoffwechselaufwand für die Milchproduktion auszugleichen, ist sie auch zeitaufwendig und hat unseren Ahninnen solche Dinge wie Nahrungsbeschaffung ziemlich schwer gemacht. Obwohl ich selbst nie versucht habe, Nahrung zu suchen, während mir ein nuckelndes Baby an der Brust hing, kann ich mir nicht vorstellen, dass es dem Unternehmen förderlich wäre.

Was lernen wir daraus? Das Minimum, das Frauen in die Fortpflanzung investieren müssen, liegt schon wesentlich höher als das der Männer. Wesentlich. Und das bedeutet, dass Frauen – im Laufe unserer Entwicklungsgeschichte – einer ganzen Reihe von Herausforderungen gegenüberstanden, die ganz speziell damit zusammenhängen, dass wir das Geschlecht sind, das seinen Nachwuchs im eigenen Körper austrägt und mehr investieren muss. Letztlich ist das der Grund, warum Männer und Frauen unterschiedlich sind. Die Evolution durch Selektion hat die Psychologie der Frauen und Männer verschieden ausgebildet, weil die Eigenschaften, die Überleben und Fortpflanzung optimal sichern, nicht dieselben sind – es kommt immer darauf an, ob sie in einem männlichen oder weiblichen Körper wohnen. Ähnliche Aufgaben bei der Evolution bringen ähnliche Gehirne hervor. Verschiedene Aufgaben bringen verschiedene Gehirne hervor.

Um diesen Punkt näher auszuführen, möchte ich Sie bitten, sich vorzustellen, dass Sie Sex mit einem Fremden haben. Und ich möchte, dass Sie das aus der Perspektive von jemandem sehen, der in der Zeit unserer frühesten Vorfahren lebte. Stellen Sie sich vor, Sie leben in der afrikanischen Savanne ohne den Luxus des modernen Lebens, einschließlich Verhütungsmittel.

Stellen wir uns dieses Szenario zunächst aus der männlichen Perspektive vor.

Dieses Szenario (vergessen wir nicht, dass die Männer billige Keimzellen besitzen und sehr wenig investieren müssen, um sich fortzupflanzen) ist ganz schön verlockend. Selbst wenn die fremde Frau gar nicht so gut aussieht oder keine allzu amüsante Gesellschaft abgibt – solange sie sich für Sex interessiert und sonst nichts, sind die Kosten für die Männer sehr gering, wenn sie sich darauf einlassen. In der Tat ist dieses sexuelle Szenario ein echter Bringer, weil es dem Mann eine Gelegenheit bietet, die eigenen Gene mehr oder weniger kostenlos zu vererben. Das ist genau die Art von Eigenschaft, die bei der Selektion gewinnt. Eigenschaften, die die Vererbung von Genen fördern, werden an die Kinder weitervererbt, die sie wiederum an ihre Kinder weitervererben. Und wenn diese Eigenschaften, die die Fortpflanzung begünstigen, über Millionen von Jahren vererbt werden, darf man erwarten, dass sie irgendwann charakteristisch für diese Spezies werden (bzw. zumindest für das eine Geschlecht dieser Spezies). Die Psychologie der Partnerwahl des modernen Mannes wäre dann dominiert von einer Neigung zu sexuellem Opportunismus, weil seine Vorfahren ihre Gene öfter vervielfältigen konnten als die sexuell etwas vorsichtiger handelnden Zeitgenossen.

Aber was ist mit den Frauen? Mit unseren raren, teuren Keimzellen und der neunmonatigen Mindestinvestition – wie sollten wir reagieren?

Ganz bestimmt nicht so wie die Männer, das steht schon mal fest.

Zunächst einmal, da der Körper der Frau ihrer Fortpflanzungsfähigkeit gewisse Grenzen setzt, kann sie ihre Gelegenheiten zur Weitergabe ihrer Gene nicht einfach erhöhen, indem sie sich neue Partner sucht. Egal mit wie vielen Männern eine Frau im Laufe einer Woche Sex hat, sie kann – höchstens – eine Schwangerschaft erzielen. Aus diesem Grund können Frauen mit dem Wunsch nach sexueller Abwechslung also auch nicht mehr Kopien ihrer Gene weitergeben als solche, die sich bei der Partnerwahl immer nur auf einen Partner konzentrieren. Das soll nicht heißen, dass Frauen nicht auch Vorteile daraus ziehen könnten, wenn sie sich einen kurzfristigen Partner suchen. Solche Vorteile gibt es durchaus (und von einigen werde ich Ihnen im 3. Kapitel erzählen). Ich will nur sagen, dass eine Ausweitung der Vererbungsgelegenheiten nicht dazugehört. Die Gelegenheiten einer Frau, sich fortzupflanzen, werden begrenzt durch die Zahl der Kinder, die ihr Körper hervorbringen kann, nicht durch ihren Zugriff auf eine größere Zahl von Partnern.

Gelegenheitssex war für die Fortpflanzungsergebnisse der Frauen also nicht so günstig wie für die Männer. Allein das würde ausreichen, um zu verhindern, dass die Selektion sexuellen Opportunismus bei Frauen fördert. Doch das Schicksal dieser Eigenschaft – die aus der Perspektive der Evolution betrachtet ein absoluter Rohrkrepierer ist – wird noch weiter zementiert durch die Tatsache, dass sie die Frauen historisch ebenfalls sehr teuer zu stehen gekommen ist. Und das wiederum liegt an der Sache mit der Schwangerschaft.

Während Frauen heutzutage mehr oder weniger alles haben können – Karriere, Beziehungen, Gelegenheitssex ohne Schwangerschaft –, hatten unsere Vorfahrinnen nicht so viel Glück. Wenn sie Sex hatten, bestand immer die Möglichkeit, dass dieser Sex zu einer Schwangerschaft führte. Und das ist entscheidend, denn den Kindern von alleinerziehenden Müttern ist es historisch gesehen nie besonders gut ergangen. Diese Kinder sterben eher als die Kinder, deren Väter bei der Mutter bleiben, um zu Nahrung, Pflege und Schutz der Kinder beizutragen. Obwohl die heutigen Gesetze, Verhütungsmethoden und sozialen Programme für Kinder und ihre Mütter geholfen haben, diese Lücken für die moderne Frau halbwegs zu schließen, haben wir die Psychologie bei der Partnerwahl den Frauen zu verdanken, die diese Optionen eben nicht hatten.

Angesichts dieser Unterschiede müssten wir also davon ausgehen, dass Frauen sexuell zurückhaltender agieren und nicht so opportunistisch handeln wie die Männer. Außerdem müssten wir herausfinden, dass Frauen eine längere Werbungsphase vorziehen und sich weniger für sexuelle Abwechslung um der bloßen Abwechslung willen interessieren.

Und soll ich Ihnen was sagen? Genau das hat die Forschung auch gezeigt.

Die meisten Frauen sind sexuell weniger opportunistisch veranlagt als Männer. Hunderte von Studien haben das belegt. In einem der Experimente, das zu seiner Zeit in aller Munde war, haben die Wissenschaftler abwechselnd attraktive männliche und weibliche Schauspieler auf den Hof eines Collegecampus in Florida gestellt. Sie waren von den Forschern angehalten worden, zufällig ausgesuchte Vertreter des anderen Geschlechts mit den beiläufigen Worten anzusprechen: »Ich hab dich schon öfters hier auf dem Campus gesehen. Ich find dich total attraktiv.« Dann sollten die Schauspieler eine der folgenden drei Fragen hinzufügen (die wurde den Teilnehmern ebenfalls zufällig zugeteilt): »Würdest du heute Abend mit mir ausgehen?«, »Würdest du mich heute Abend in meiner Wohnung besuchen?« oder »Würdest du heute Abend mit mir ins Bett gehen?«

Die Ergebnisse sehen Sie in Abbildung 1.

Abb. 1: Reaktionen von Männern und Frauen auf eine fremde Person des anderen Geschlechts, die fragte, ob sie a) sich zu einem Date mit ihr verabreden b) in die Wohnung des anderen mitkommen oder c) Sex mit ihr haben würden.

Fünfzig Prozent der Männer wie der Frauen sagten Ja zu einem Date.

Danach gingen die Antworten jedoch dramatisch auseinander, je nachdem, ob das Ansinnen an eine Person mit männlichem oder weiblichem Gehirn herangetragen wurde.

Weniger als 10 Prozent der Frauen wären mit dem Mann in seine Wohnung gegangen. Und keine der Frauen sagte Ja zu Sex. Nicht eine einzige.

Jetzt denken Sie sich vielleicht: »Natürlich hat niemand Ja zum Sex gesagt. Wer würde so was schon machen? Nur ein völliger Irrer würde einen Fremden fragen, ob er mit ihm ins Bett geht, deswegen würde – selbstverständlich – auch niemand mit Ja auf so eine bizarre, unvermittelte sexuelle Einladung antworten.«

Aber genau das haben 80 Prozent der Männer getan.4

Bizarr oder nicht bizarr – die Männer sahen wenig Grund, diesem geschenkten Sex-Gaul ins Maul zu schauen. Die meisten Männer sind sexuell opportunistischer als die meisten Frauen, weil Sex aus einer historischen Perspektive teuer für die Frauen war und weit weniger teuer für die Männer. In der Tat hat er den Männern eine Chance geschenkt, die eigenen Gene ohne allzu viel Folgekosten an die nächste Generation weiterzugeben. Wenn man eine Frau ist, ist der Sex teuer, und unsere Psychologie spiegelt diese Kosten. Sie wurde geformt von den zahllosen, spezifisch weiblichen Herausforderungen, denen man gegenübersteht, wenn man zu dem Geschlecht gehört, das mehr investieren muss.

Bevor wir jetzt aber in eine Hymne auf die Unterdrückten dieser Welt ausbrechen, soll angemerkt werden, dass man auch einer Reihe von besonderen Herausforderungen gegenübersteht, wenn man ein Mann ist. Zum Beispiel dem Thema der ungesicherten Vaterschaft.

Frauen, die ihren Nachwuchs nun mal im eigenen Körper austragen, können jederzeit sicher sein, dass jedes Kind, das sie bekommen, auch wirklich ihres ist. In jeder Hinsicht. Das bedeutet, dass die Frau über den langen Zeitraum der Evolution hinweg immer etwas davon hatte, wenn sie massiv in ihre Kinder investierte. Letztlich half diese Investition ja dabei, den Erfolg ihrer Gene zu fördern, weil sie sicher sein konnte, dass jedes ihrer Kinder wirklich auch mit ihr verwandt ist. Angesichts dieser einwandfrei gesicherten Verwandtschaft zwischen einer Mutter und ihren Kindern ist es völlig selbstverständlich, dass Frauen sich elterlich massiv engagieren, auch wenn die Kinder nicht so aussehen, als wären sie mit ihnen verwandt.

Für die Männer ist es etwas komplizierter. Da sie die Kinder nicht austragen, können sie nicht ganz sicher sein, ob jedes ihrer Kinder auch ihres ist (oder eben nur »ihres«, je nachdem). Das ist eine Herausforderung, der sie gegenüberstehen, wenn sie überlegen, wie viel sie in die Elternschaft investieren möchten – während Frauen mit dieser Frage gar nicht konfrontiert werden. Man nennt es das Problem der nicht gesicherten Vaterschaft. Und während man meinen könnte, dass das in Wirklichkeit nicht unbedingt ein Problem sein müsste, über das sich die Männer den Kopf zerbrechen müssen, belehrt uns eine neuere Meta-Analyse (also eine Studie anderer Studien) eines Besseren. Obwohl die durchschnittliche Rate der Nicht-Vaterschaft (wenn die Männer also meinen, der Vater eines Kindes zu sein, das in Wirklichkeit gar nicht von ihnen ist) irgendwo zwischen 2 und 4 Prozent liegt bei Männern, die sich sehr sicher sind, die biologischen Väter ihrer Kinder zu sein, geht diese Rate bei den Männern, die sich weniger sicher sind, mit ihren Kindern verwandt zu sein, eher an die 30-Prozent-Marke.

Aua.

Deswegen haben Männer die Tendenz, sich viel gründlicher zu überlegen, wie viel sie in ihre Kinder investieren wollen. Sie investieren mehr in die, die sie eher für die ihren halten, und weniger in diejenigen, bei denen eine Verwandtschaft fragwürdig ist. In einer Studie ließen die Forscher von Außenstehenden beurteilen, wie ähnlich die Gesichter von Kindern denen ihrer Eltern waren. Sie ließen auch die Eltern die Ähnlichkeit zu ihrem Kind einstufen und Angaben zur psychologischen und emotionalen Nähe zu diesen Kindern machen.

Abb. 2: Die Ähnlichkeit der Gesichter wurde gemessen, indem man den Anteil der korrekten Zuordnung Kind-Elternteil durch Außenstehende feststellte. Die Ähnlichkeit mit dem Gesicht der Mutter hat keinen Einfluss auf die emotionale Nähe zu ihren Kindern. Bei den Männern sehr wohl.

Wie sich herausstellte, war die Ähnlichkeit der mütterlichen Gesichter mit denen ihrer Kinder überhaupt kein Indikator dafür, wie nah sie ihren Kindern standen (siehe die Balken auf der rechten Seite in Abbildung 2). Und bei den Vätern? Wie Sie den Balken auf der linken Seite entnehmen können, war das sehr wohl entscheidend. Ganz massiv sogar. Väter, die sich nach eigenen Angaben ihren Kindern emotional am nächsten fühlen, sehen ihren Kindern ähnlicher als diejenigen, die angeben, ihren Kindern emotional weniger nah zu sein. Mehrere Studien haben inzwischen gezeigt, dass die Psychologie der Vaterschaft sehr stark auf Reize anspringt, die darauf hinweisen, dass ihre Kinder wahrscheinlich genetisch mit ihnen verwandt sind. Die Psychologie der Mutterschaft tut dies nicht. Männer und Frauen haben sich in Sachen Überleben und Fortpflanzung also mit Herausforderungen auseinandersetzen müssen, die jeweils einzigartig für ihr biologisches Geschlecht sind, und deswegen unterscheiden sich auch ihre Gehirne.

Frauen kann man erst verstehen, wenn man sie im Lichte der Evolution betrachtet

Ich muss unterstreichen, dass diese Art von Studien Muster beschreibt, wie sie sich an großen Gruppen von Männern und Frauen beobachten lassen. Vielleicht beschreiben sie nicht unbedingt auch Sie. Es bedeutet auch nicht einfach, dass unverbindlicher Sex bei Frauen eine Art evolutionäre Anomalie wäre. Beileibe nicht. In der Tat hat sich die Forschung in meinem eigenen Labor auf die zahlreichen Zusammenhänge konzentriert, die sexuellem Opportunismus und der Neigung zu sexuell riskantem Verhalten bei Frauen Vorschub leisten.5

Diese Studien verdeutlichen einfach nur, dass sich die weibliche von der männlichen Psychologie – im Allgemeinen – in einigen Punkten unterscheidet, weil die Anforderungen der Schwangerschaft und der Fürsorge für die Kinder es für unsere weiblichen Vorfahren erforderlich gemacht haben, einige Probleme zu lösen, die von den Männern nicht gelöst werden mussten. Die Art, wie wir auf Männer, Kinder, Schlangen, Spinnen, Paarungsgelegenheiten, Schokoladenkuchen und das Gesicht unserer besten Freundin reagieren, spiegelt die Lösungen für diese Herausforderungen, mit denen sich unsere Vorfahrinnen konfrontiert sahen. Und in Fällen, in denen sich Männer und Frauen mit denselben Herausforderungen konfrontiert sahen, sind auch unsere Gehirne gleich. Und in Fällen, in denen Männer und Frauen sich mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert sahen (normalerweise aufgrund der Unterschiede in der Größe unserer Keimzellen), unterscheiden sich auch unsere Gehirne. Die Männer haben Eigenschaften geerbt, die Überleben und Fortpflanzung förderlich sind, wenn sie in einem männlichen Körper auftreten. Die Frauen haben Eigenschaften geerbt, die Überleben und Fortpflanzung förderlich sind, wenn sie in einem weiblichen Körper auftreten.

Wenn wir verstehen, welche Herausforderungen unsere weiblichen Vorfahren lösen mussten, um uns dorthin zu bringen, wo wir heute stehen, können wir viel darüber lernen, was es heißt, eine Frau zu sein. Ob es uns nun gefällt oder nicht, unsere Gehirne sind im Laufe der Evolution durch die natürliche Auslese geformt worden, und sie unterscheiden sich von den männlichen Gehirnen, weil wir Babys kriegen und die Männer nicht. Und obwohl es hübscher wäre, diesen Unterschied vom Tisch zu wischen, als sich ihm zu stellen, hat er einen sehr weitreichenden Einfluss auf zahllose Bereiche unserer Psychologie, einschließlich Partnerwahl, Elternschaft, Nahrungsaufnahme, Beziehungen zu Verwandten, Beziehungen zu Nicht-Verwandten, unsere Bereitschaft, bei Wettbewerben aufs Ganze zu gehen, und die Wahrscheinlichkeit aggressiven Verhaltens bei Provokation. Eine Frau zu sein bedeutet, ein Gehirn zu haben, das Sex als sehr folgenreich einstuft, es aber weniger wichtig findet, mehr zu verdienen als die Leute um uns herum. Es bedeutet, dass wir bei unseren Sexualpartnern wählerischer sind, aber körperlich weniger aggressiv. Es bedeutet, dass wir mehr Autoimmunerkrankungen bekommen, aber seltener an Bluthochdruck leiden. Sie haben die Eigenschaften geerbt, die Sie zu dem Menschen machen, der Sie heute sind, weil vor Ihnen zahllose Generationen von Frauen in der Lage waren, erfolgreich zu überleben und sich fortzupflanzen. Eine Frau zu sein ist eine Erfolgsstory der Evolution. Jede von uns hat die Weisheit unserer weiblichen Vorfahren geerbt. Sie steckt in unseren Körpern, sie steckt in unseren Gehirnen, und sie steckt in unseren Hormonen.

Warum Sie das auch als Feministin akzeptieren sollten

Ich weiß, dass einige von Ihnen an dieser Stelle bereits kochen, weil ich versuche, Sie auf Ihre Gebärmutter zu reduzieren. Ich kann Ihre Einwände verstehen, wenn Sie meine Ausführungen so wahrnehmen. Ich habe zufällig eine Gebärmutter und einen akademischen Abschluss, und ich glaube, dass Letzterer viel interessanter und wichtiger für die Prägung meiner Persönlichkeit war. Ich habe viel mehr zu bieten als nur meine Gebärmutter, und ich wette, dass ist bei Ihnen auch so.

Die gute Nachricht lautet: Ihre Wahrnehmung könnte nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein.

Selbstverständlich sind Sie ein biologisches Wesen. Und Ihre Gebärmutter und der Umstand, dass Ihre Mindestinvestition an elterlichem Engagement größer ist als bei den Männern, gehört dazu. Aber wenn Sie wollen, können Sie mit dieser Biologie anfangen, was Sie wollen. Sie sind immerhin eine Frau. Und zwar eine mit Millionen von Jahren an ererbter Weisheit im Rücken. Und wenn Sie wissen, wie Sie funktionieren, können Sie bessere, klügere Entscheidungen treffen, um dort hinzukommen, wo Sie hinwollen.

Wenn man anerkennt, dass Männer und Frauen unterschiedlich sind, und versteht, dass diese Unterschiede sich letztlich auf die Unterschiede im Mindestaufwand bei der elterlichen Investition zurückführen lassen, bedeutet dies nicht (ich wiederhole: es bedeutet nicht), dass a) alle Frauen Kinder haben sollten, b) alle Frauen Kinder haben wollen oder c) irgendwelche anderen beleidigenden Forderungen, die sich aus irgendeiner Kombination dieser zwei »Regeln« ergeben. Frauen sind anders als Männer wegen der Unterschiede in der Biologie unserer Fortpflanzung, aber das bedeutet nicht, dass alle Frauen dieselben Entscheidungen treffen werden wie unsere Vorfahrinnen.

Wir müssen es nicht.

Wir haben Verhütungsmittel.

Und wenn Sie mal darüber nachdenken … ist die Erklärung mit der »reinen Sozialisierung« denn nicht viel schlimmer für die Frauen als die biologischen Erklärungen, die ich Ihnen unterbreitet habe? Ich kann mir nicht viel vorstellen, was die Weiblichkeit der Frauen mehr trivialisieren würde als die Vorstellung, dass wir anders sind als Männer, weil wir stumpfsinnig die kulturellen Sitten und sozialen Normen angenommen haben, die uns Gesellschaft, Medien und unsere wohlmeinenden Eltern aufgedrängt haben. Ich bin nicht sicher, warum dieser Blick auf die Unterschiede zwischen den Geschlechtern vom Feminismus abgenickt wird, wo er doch die Frauen viel stärker in eine untergeordnete Rolle drängt als die biologische Perspektive. Die Perspektive der »Frau als kulturelles Konstrukt« beschreibt uns als passive Empfängerinnen der sozialen Rollen, die Männer uns auferlegt haben. Die Perspektive der Evolutionsbiologie beschreibt Frauen als Nutznießerinnen einer über Millionen von Jahren vererbten Weisheit unserer Vorfahrinnen.

Inwiefern wäre die erste Position besser und frauenfreundlicher als die zweite?

Jeder, der Ihnen erzählt, dass Biologie sich mit Feminismus nicht vereinbaren lässt, weiß nicht, wovon er redet. Um vernünftige Entscheidungen in Bezug auf Ihren Körper und Ihre Gesundheit treffen zu können, brauchen Sie Expertenwissen über sich SELBST und über die biologischen Abläufe in Ihrem Körper. Und das bedeutet, dass Sie verstehen müssen, warum wir im Laufe der Evolution per Auslese so geformt wurden, dass wir eben diese Gehirne und Hormone haben, die wir heute haben. Wir können unseren Geist, unsere Gehirne und unser Verhalten nicht völlig verstehen, wenn wir nicht verstehen, welche Prozesse uns geprägt haben. In Abwandlung meines liebsten Zitats aller Zeiten von dem Evolutionsbiologen Theodosius Dobzhansky (»In der Biologie kann man die Dinge erst verstehen, wenn man sie im Lichte der Evolution betrachtet«) sage ich: Frauen kann man erst verstehen, wenn man sie im Lichte der Evolution betrachtet. Und wenn Sie mir immer noch nicht glauben, könnte die nächste Geschichte Sie vielleicht endgültig überzeugen. Es ist die Geschichte Ihrer Menstruation. Und das ist eine derart wilde Geschichte, dass sie ihren eigenen Zwischentitel verdient hat.

Die wilde Geschichte Ihrer Menstruation

Bevor ich ans Eingemachte gehe, möchte ich Ihnen noch einmal bewusst machen, was Ihre Menstruation eigentlich ist. Während Ihrer Monatsblutung wird die Gebärmutterschleimhaut abgestoßen, die Ihr Körper jeden Monat aufbaut, um sich auf eine Schwangerschaft vorzubereiten. In diese Schleimhaut nistet sich die befruchtete Eizelle von selbst ein. Wenn kein Ei befruchtet wurde, wird die Gebärmutterschleimhaut entfernt und verlässt den Körper mit der monatlichen Belästigung Ihrer Menstruation.

Man könnte auf die Idee kommen, dass allmonatliche Abstoßen einer aufgebauten Gebärmutterschleimhaut wäre einfach eine Nebenerscheinung des Säugetierdaseins. Säugetiere tragen ihre Jungen im eigenen Körper aus, was bedeutet, dass sie eine Gebärmutter haben, was wiederum zu dieser legitimen Annahme führen könnte.

Der Haken ist nur – so ist es nicht.

Die überwältigende Mehrheit der Säugetierweibchen auf dieser Welt menstruiert gar nicht. Nur eine kleine Handvoll von Arten tut es, was uns verrät, dass eine Monatsblutung kein notwendiges Übel ist, das man bei einer Trächtigkeit im Körper wohl in Kauf nehmen muss.

Warum haben wir also eine Menstruation?

Na ja, eine Möglichkeit, die die Wissenschaftler in Erwägung ziehen, ist die, dass die Blutung einfach zu diesen »gewissen Dingen« gehört, die die natürliche Selektion nur deswegen überstanden haben, weil sie als Nebenwirkungen einer anderen Eigenschaft auftraten und nicht so kostspielig waren, dass sie per Selektion weggefallen sind. Das wäre zwar möglich, ist aber nicht sehr plausibel. Denn Monatsblutungen sind sehr wohl kostspielig.

Erstens wären da die Kosten für den Stoffwechsel. Nichts im Leben – nicht mal eine ungenutzte Gebärmutterschleimhaut – ist umsonst. Ressourcen des Körpers zu nutzen, um jeden Monat eine neue Gebärmutterschleimhaut aufzubauen, erfordert Energie, die für andere Bauprojekte im Körper genutzt werden könnte, wie Zellreparaturen, Neurogenese, Immunsystem und andere Dinge, die unser Körper vielleicht will oder braucht. Deswegen wird bei anderen Weibchen, die ihre Jungen ebenfalls im eigenen Körper austragen, die Gebärmutterschleimhaut einfach absorbiert. Diese Art von körperlichem Recyclingprogramm minimiert die Kosten.

Aber wir tun das nicht. Wir stoßen sie ab. Und das ist schon irgendwie seltsam, denn es ist wirklich Verschwendung, jedes Mal, wenn sich keine Eizelle darin eingenistet hat, diese ganzen Zellen einfach abzustoßen.6 Obwohl Stoffwechselkosten in unserer modernen, nahrungsreichen Umwelt kein großes Ding mehr sind (manche von uns fänden solche Extra-Stoffwechselkosten ab und zu vielleicht sogar ganz gut), waren sie es den Großteil unserer Evolutionsgeschichte sehr wohl. Da unsere Spezies die meiste Zeit nur von dem leben konnte, was ihre Umwelt gerade hergab, wurden unsere Körper für eine Umwelt optimiert, in der Nahrung nicht immer gesichert und nicht so leicht zugänglich war wie heutzutage. Wir wurden durch die Selektion also so geformt, dass unser Stoffwechsel sparsam arbeitet, und so verlangt diese verschwenderische Abstoßung der Gebärmutterschleimhaut doch nach einer Erklärung.

Und als würde es nicht schon genug kosten, ist es ja auch noch so eine Sauerei. Blut gibt immer eine Sauerei, und für die Raubtiere ist man in dieser Phase der reinste Leuchtturm. Und man braucht nun nicht unbedingt einen Abschluss in Biologie, um zu wissen, dass es dem Überleben oder dem Fortpflanzungserfolg einer Frau nicht gerade zuträglich ist, wenn sie Raubtiere anlockt. Ganz zu schweigen davon, dass sich Frauen während ihrer Monatsblutung oft ziemlich scheiße fühlen. Menstruationssymptome verursachen alljährlich 100 Millionen verlorene Arbeitsstunden für die amerikanischen Frauen. Und manche werden durch ihre Krämpfe so geschwächt, dass sie nicht viel mehr zustande bringen, als Mutter Natur zu verfluchen und zur Ibuprofen-Schachtel zu greifen (die es in unserer evolutionären Vergangenheit nicht gegeben hat, was bedeutet, dass es unseren armen Vorfahrinnen noch schlechter ging als uns).

Ist die Menstruation also kostenlos? Ich würde sagen, Nein.

Was uns wieder zum Ausgangspunkt zurückbringt.

Warum haben wir sie also?

Wie sich herausstellt, ist die Antwort ein wenig makaber, aber superinteressant.

Zuerst einmal muss ich Ihnen sagen, dass alles, was Sie über Schwangerschaft zu wissen glauben, falsch ist. Na ja, nicht alles. Aber manches schon. Insbesondere Ihr Glauben, dass die Schwangerschaft ein schöner, liebevoller, altruistischer Austausch zwischen einer Mutter und ihrem sich entwickelnden Embryo ist. Dieser Teil ist komplett falsch. Obwohl die Schwangerschaft von außen rührend, selig, altruistisch und liebevoll aussehen mag, ist die mütterliche Gebärmutter in Wirklichkeit ein Schlachtfeld, auf dem Kämpfe ausgetragen werden zwischen den höchsten evolutionären Interessen der Mutter und denen einer befruchteten Eizelle.

Sie müssen wissen, dass eine Mutter und eine befruchtete Eizelle nicht unbedingt völlig übereinstimmende Interessen haben, wenn es um die Einnistung geht. Obwohl Frauen 50 Prozent der Gene mit jedem Embryo in ihrem Körper gemeinsam haben, haben sie 100 Prozent der Gene mit sich selbst gemeinsam. Letzteres klingt für Ihre Ohren vielleicht reichlich bescheuert, aber in Wirklichkeit ist das eine sehr tiefgründige Aussage. Mütter – weil zweimal so nah mit sich selbst wie mit der befruchteten Eizelle verwandt, die sich da in ihnen einzunisten versucht – sind mit dieser befruchteten Eizelle nicht immer so ganz einer Meinung in der Frage, ob er oder sie die neunmonatige Investition wert ist, die der Einnistung folgt. Angesichts der beträchtlichen Investition an Zeit und Ressourcen, die mit einer Schwangerschaft verbunden ist, sollten Mütter nicht bereit sein, ihre Fortpflanzungsressourcen auf die Entwicklung einer befruchteten Eizelle zu verschwenden, die keine guten Chancen hat, bis ins Erwachsenenalter zu überleben. Die Körper der Frauen sollten daher sehr gut unterscheiden, in welche befruchtete Eizelle sie investieren wollen und in welche nicht.7

Diese Art von Wahl ist selbstverständlich nicht die ideale Situation für eine befruchtete Eizelle (insbesondere, wenn sie ein paar seltsame Mutationen aufweist, die ihr Überleben bis ins Erwachsenenalter unwahrscheinlich machen). In den Augen der befruchteten Eizelle (die mit sich selbst zweimal so verwandt ist wie mit ihrer Mutter) sollte sie die Chance kriegen, trotzdem zur Welt zu kommen, egal ob ihr Überleben fraglich ist. Immerhin ist das hier ihre einzige Chance auf ein Leben überhaupt! Und wir sind auf Überleben programmiert. Deswegen sollte die befruchtete Eizelle nur dann bereit sein, kampflos aufzugeben, wenn die Kosten für die Mutter so groß wären, dass ihre Fähigkeit, sich fortzupflanzen, in der Zukunft massiv eingeschränkt wäre (dann wäre es auch gut für die befruchtete Eizelle, denn sie hat ja 50 Prozent ihrer Gene mit ihren zukünftigen Brüdern und Schwester gemeinsam). Doch von solchen Extremfällen abgesehen sollte die befruchtete Eizelle eigentlich jeden Trick versuchen, um sich in Mamas Gebärmutter einzunisten und sich in ihren Blutkreislauf einzuklinken, damit sie anfangen kann zu wachsen.

Was zum Teufel hat das alles mit der Gebärmutterschleimhaut zu tun, fragen Sie jetzt?

Alles.

Während sich viele von uns diese Schleimhaut als warme, kuschelige Decke vorstellen, die eine befruchtete Eizelle liebevoll einhüllt, ist das überhaupt nicht der Fall. Die Gebärmutterschleimhaut ist in Wirklichkeit ein gefährliches Testgelände für eine Eizelle, und sie verhindert die Einnistung eher, als dass sie sie fördert. Die Zellen der menschlichen Gebärmutterschleimhaut bilden an der Innenwand des Uterus eine festungsähnliche Mauer, in der die Zellen dicht an dicht sitzen, und dort muss sich die befruchtete Eizelle hindurchbohren, wenn sie hofft, sich einzunisten und ein Blutgefäß zu finden, das sie mit der Energie für ihr Wachstum versorgt. Statt das Ei durch den Einnistungsprozess zu führen, machen es die dicht gepackten Zellen der befruchteten Eizelle viel schwerer, sich an Mamas Blutversorgung zu hängen, als an jeder anderen Stelle im Körper. Woher wir das wissen? Na ja, Wissenschaftler haben versucht, Mäuseembryos an einer Reihe von anderen Stellen im Körper einzupflanzen, in der Erwartung, dass sie alle verkümmern und sterben würden, weil sie keine Gebärmutterschleimhaut haben, die sie nährt und am Leben hält. Zu ihrer großen Überraschung war genau das Gegenteil der Fall. Nicht nur, dass die Embryos nicht starben – sie gediehen prächtig. Diese kleinen Despoten bohrten sich gnadenlos ihren Weg durchs Gewebe, wo immer man sie einpflanzte, und zerstörten alles, was ihnen in den Weg kam, während sie nach Arterien wühlten, um sich den Brennstoff für ihr weiteres Wachstum zu sichern. Die Gebärmutterschleimhaut ist also eine der ungünstigsten Stellen, an denen sich ein Embryo einnisten könnte, denn diese Umgebung ist geradezu unwirtlich für eine gerade befruchtete Eizelle.

So viel zum Thema liebevolle Umarmung.

Nun gibt es dafür natürlich evolutionstechnisch gute Gründe. Zumindest aus Sicht der zukünftigen Mutter. Zunächst bietet diese schwierige Umgebung einen ersten Test für die Lebensfähigkeit der befruchteten Eizelle. Wenn sie nicht den nötigen Schmackes hat, um sich ihren Weg durch diese Festung zu bohren, hat sie vielleicht auch nicht das Zeug dazu, in der echten Welt zu überleben. Diejenigen, die es in der ersten Runde nicht schaffen, nisten sich auch nicht ein, und die Mutter erfährt nicht mal, dass es überhaupt eine befruchtete Eizelle gegeben hat. Und Mama stößt ihre Gebärmutterschleimhaut ab, damit diese höchstwahrscheinlich nicht lebensfähige befruchtete Eizelle nicht versucht, noch ein bisschen zu bleiben und sich ohne Mamas Genehmigung einzunisten. Man glaubt, dass ungefähr 32 Prozent aller befruchteten Eizellen dieses Schicksal erleiden.

Für diejenigen, denen es gelingt, sich ihren Weg durch diese ungastliche Landschaft zu bohren, steht dann eine zweite Testrunde an, je nachdem, wie viel humanes Choriongonadotropin (hCG) ausgeschüttet wird. Dieses Hormon wird vom eingenisteten Embryo ausgeschüttet, um zu verhindern, dass der Körper der Mutter die biologische Kettenreaktion für die Menstruation in Gang setzt.8 Gesündere Embryos produzieren mehr hCG, weniger gesunde Embryos weniger. Wenn ein Embryo also nicht genug hCG produziert, um die Anforderungen der Mutter für ihre Investition zu erfüllen (die wiederum schwanken, je nachdem, wie günstig die Umstände für die Fortpflanzung gerade sind), zieht der mütterliche Körper die Reißleine und löst die biologische Reaktionskette aus, die dafür sorgt, dass die Gebärmutterschleimhaut abgestoßen wird, mitsamt Embryo. Man glaubt, dass dieses Schicksal weiteren 24 Prozent der Embryos beschieden ist. Das Gewebe der Gebärmutterschleimhaut verhindert, dass der Blutkreislauf der Mutter von Embryos angezapft wird, bei denen sie noch nicht entschieden hat, ob sie sie annehmen will. Die Hälfte der befruchteten Eizellen scheitert an diesen Hürden, bevor die Frauen überhaupt wissen, dass sie schwanger sind – das ist also ein Mechanismus, der öfter Einsatz findet, als Sie vielleicht meinen.

Menschen menstruieren, weil die Abstoßung der Gebärmutterschleimhaut es den Frauen gestattet, bei ihren Schwangerschaften wählerisch zu sein. Und der Grund, warum wir es tun und die meisten anderen Spezies nicht, ist letztlich der, dass die Kosten, die am Ende in die falsche Schwangerschaft investiert werden, beim Menschen wesentlich höher liegen als bei anderen Arten. Abgesehen davon, dass ihnen schon vor der Geburt viel höhere Kosten abverlangt werden (neun Monate Schwangerschaft sind nun wirklich kein Pappenstiel), ist die Geburt an sich für die menschlichen Frauen viel gefährlicher als für die Weibchen anderer Spezies. Diese unselige Kombination aus gerne mal zu schmalen Frauenbecken und riesigen Babyköpfen macht die Geburt zu einem heiklen Unterfangen. Die Körper der Frauen haben also durchaus recht, wenn sie bei ihren Schwangerschaften wählerisch sind. Und die Abstoßung der Gebärmutterschleimhaut gehört zu dieser Weisheit.9

Wenn man die Frauen verstehen will, muss man die biologischen Prinzipien verstehen, die uns zu dem machen, was wir sind. Und wenn wir verstehen, wie wir funktionieren, bekommen wir mehr Macht und mehr Kontrolle über unser Leben, nicht weniger. Und es hilft, die Grundlage für ein Verständnis dafür zu bilden, wie etwas so Kleines und scheinbar Unwichtiges wie die weiblichen Sexualhormone alles beeinflusst, was die Persönlichkeit der jeweiligen Frau ausmacht. Fortpflanzung ist der Motor, der den Evolutionsprozess per Selektion vorantreibt. Das bedeutet, dass alles, was mit uns zu tun hat, am Ende aufs Prinzip der Genweitergabe zurückzuführen ist. Sogar Dinge, von denen Sie nie gedacht hätten, dass sie mit Sex oder Fortpflanzung zu tun haben – wie die Funktion Ihrer Stressreaktion und Ihr Immunsystem –, gibt es nur deswegen in ihrer heutigen Form, weil sie bei der Optimierung der Genweitergabe hilfreich waren. Das bedeutet, dass Ihr Geschlecht – und Ihre Sexualhormone – einen ganz entscheidenden Teil Ihrer Persönlichkeit ausmachen.

2. KAPITEL: SIESINDIHREHORMONE

Ihre Hormone sind wahrscheinlich die am schlimmsten missverstandene Gruppe chemischer Botenstoffe, die Ihnen in Ihrem Leben jemals über den Weg laufen wird. Wie Hormone die weibliche Psychologie und das Verhalten beeinflussen, wurde zugleich trivialisiert, falsch beschrieben und verfälscht von Leuten, die – meistens – keine Ahnung hatten, wovon sie reden. Deswegen werde ich Ihnen jetzt erzählen, was Ihre Hormone sind und was sie bewirken, damit Sie die ganzen Fehldarstellungen vergessen und die vielen wunderbaren Dinge schätzen lernen, die diese missverstandenen Botenstoffe verrichten und die Sie zu dem Menschen machen, der Sie sind.