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ATEMLOS VOR BEGEHREN Atemlos vor Leidenschaft gibt Sarah sich ihrem Mann Scott hin. So stürmisch hat der Diamanten-Magnat sie noch nie geliebt! Doch schockiert findet sie am nächsten Tag heraus, dass er sie für eine Betrügerin hält und einzig aus Eifersucht und Rachedurst zu solch aufregenden sinnlichen Spielen verführt hat. Aufgebracht und mit gebrochenem Herzen läuft sie davon. Sie braucht keinen Mann an ihrer Seite, der ihr nicht vertraut! Allerdings kann sie das überwältigende Verlangen, das Scott in ihr geweckt hat, trotz allem einfach nicht vergessen … WEHRLOS VOR VERLANGEN NACH DIR Es trifft Cleo wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Tycoon Byron Maddox weckt in ihr die süße Sehnsucht, sich in starken Armen wieder als begehrenswerte Frau zu fühlen. Etwas, das sie seit ihrer unglücklichen Ehe für unmöglich hielt. Dabei weiß sie genau, dass der umschwärmte Millionär die schönsten Frauen haben kann. Sie dagegen ist nun mal eine graue Maus! Da ist es bestimmt nicht klug, ihn anstelle ihres Bosses im Privatjet auf eine Geschäftsreise zu begleiten. Aber zum ersten Mal in ihrem Leben ist Cleo wehrlos vor Verlangen … AFFÄRE NACH DREHSCHLUSS Liebe? Daran glaubt der berühmte Hollywoodproduzent Blake Randall nach einer gescheiterten Ehe nicht mehr. Weshalb für ihn nur eine Affäre mit der jungen Schauspielerin Kate Holiday infrage kommt. Sie ist bezaubernd schön und zugleich erfrischend eigensinnig. Er findet sie unwiderstehlich erregend! Doch als er Kate zum ersten Mal leidenschaftlich liebt, erkennt Blake, dass er sich selbst belügt: Er will seine schöne Geliebte für die Hauptrolle in seinem Leben - als seine Ehefrau. Aber seinen Antrag lehnt sie einfach ab!
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Seitenzahl: 593
Miranda Lee
Wie verführt man einen Tycoon? (3-teilige Serie)
IMPRESSUM
JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2017 by Miranda Lee Originaltitel: „The Magnate’s Tempestuous Marriage“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 2314 - 2017 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: SAS
Abbildungen: Harlequin Books S.A., dianazh / Getty Images, alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 12/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733711627
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Zu Tode gelangweilt, saß Sarah an ihrem Schreibtisch und drehte Däumchen. Dem Himmel sei Dank war Freitag. Nur noch ein paar Stunden, und das Wochenende wäre da und sie könnte das Kleingedruckte in Verträgen und Abschlüssen vergessen. Sie war nicht Anwältin geworden, um Mandanten zu zeigen, auf welche gestrichelte Linie sie ihre Unterschriften zu setzen hatten. Das konnte jeder, dazu brauchte man kein Jurastudium.
Als sie den Job bei der renommierten Anwaltskanzlei Goldstein & Evans angenommen hatte, hatte sie sich als Kämpferin für die Gerechtigkeit gesehen. Mit glühenden Plädoyers im Gerichtssaal würde sie Geschädigten zu ihrem Recht verhelfen … Doch seit sie zu Jahresbeginn hier angefangen hatte, war sie in den ersten sieben Wochen nicht einmal in die Nähe eines Gerichtssaals gekommen. Zwei Wochen hatte sie sich mit nichts anderem beschäftigt als Eigentumsübertragungen, dann noch einmal zwei Wochen mit Treuhandangelegenheiten und Testamenten und danach zwei Wochen mit Familienrecht … was ihr überhaupt nicht lag. Kaum zu fassen, aber das war immer noch besser gewesen als die Aufgaben der letzten Woche.
Schon jetzt war sie dankbar dafür, dass sie in den nächsten Wochen endlich als Verteidigerin im Strafrecht arbeiten durfte. Das war es, was sie wirklich interessierte. Die Kanzlei bot einen Pro-bono-Pool – vermutlich wurden wohl vor allem die Neuen eingesetzt, die dann als Pflichtverteidiger jenen Mandanten zugeteilt wurden, die sich eine teure Rechtsvertretung nicht leisten konnten. Sarah freute sich darauf, endlich an die Arbeit gehen zu können.
In der Zwischenzeit vertrieb sie sich die Zeit damit, mehr über den Mandanten herauszufinden, der um drei zu einem Termin kommen sollte, um einen Kaufvertrag zu unterschreiben … für eine Diamantmine. Scott McAllister hieß er, irgendeiner der ganz Großen. Laut ihrem Mentor Bob hätte ihr der Name längst begegnen müssen. Offenbar war der Mann in letzter Zeit oft in Talkshows und Nachrichten präsent gewesen, aber da Sarah Fernsehen nicht besonders mochte, war auch der Trubel um den Mann an ihr vorbeigegangen. Sie hatte keine Ahnung, wer er war.
Im Internet fand sie einige Informationen über Scott McAllister. Als einer der jüngsten Minen-Magnaten Australiens mischte er bei den unterschiedlichsten Projekten mit – Eisenerz, Gold, Kohle, Nickel und Aluminium. Und jetzt also auch noch Diamanten. Vor mehr als zehn Jahren hatte er das Unternehmen nach dem Tod des Vaters übernommen, wobei, wie es Sarah schien, vor allem Glück eine große Rolle gespielt hatte. Nicht jedoch laut Bob, der ihren Mandanten für einen außerordentlich cleveren Geschäftsmann hielt, dem der Ruf vorauseilte, einen Felsen zu kaufen und ihn dann in Diamanten zu verwandeln.
„Es heißt, die Diamantmine, die McAllister heute kauft, sei ausgeschürft“, hatte Bob ihr gesagt. „Aber dann würde ein Mann wie er sie nicht kaufen. Er muss etwas wissen, was jedem anderen entgangen ist.“
Er sprudelte geradezu über vor Bewunderung für den Mann. Sarah dagegen bewunderte so schnell niemanden. Aber immerhin war sie neugierig geworden und hatte sich informiert.
Das Foto, das sie von Scott McAllister gefunden hatte, verriet ihr nicht viel mehr, als dass er sehr groß und sehr gut gebaut war. Es war bei einer Schürfstelle aufgenommen worden, alle Arbeiter trugen gelbe Sicherheitswesten und gelbe Arbeitshelme. McAllisters Gesicht war kaum zu erkennen, saß ihm doch auch noch eine Sonnenbrille auf der Nase. Aber immerhin war es eine gerade Nase. Braun gebrannte Haut und ein eckiges Kinn waren zu sehen. Um seinen Mund lag ein harter, unnachgiebiger Zug. Angeblich war der Mann erst fünfunddreißig, aber er sah definitiv älter aus. Und er war ledig. Was Sarah nicht überraschte. Nicht viele Frauen würden sich von einem solchen Mann einnehmen lassen, trotz seines Reichtums.
Bobs Telefon klingelte. Mit einem gemurmelten Fluch riss er den Hörer ans Ohr. Sekunden später fluchte er noch heftiger.
„Entschuldigung“, richtete er sich an Sarah. „McAllister ist schon hier, die anderen Parteien aber noch nicht. Und den Vertrag habe ich auch noch nicht richtig durchgelesen. Könnten Sie mir einen Gefallen tun? Könnten Sie nach unten gehen und ihn in Empfang nehmen? Gehen Sie mit ihm in den Konferenzraum vor, bieten Sie ihm einen Kaffee an, ja? Oder einen Drink, was immer der Mann haben will. Sie sind doch gut in so was.“
Das stimmte zweifellos. Sie hatte ausreichend Übung im Kaffeeservieren für Bob und Kohorten gesammelt, seit sie hier angefangen hatte. Sie hätte genauso gut in einem Café als Bedienung jobben können. Aber ihre Mutter hatte ihr makellose Manieren beigebracht. Also lächelte sie nur und behauptete, es wäre ihr ein Vergnügen.
Bob strahlte sie an. „Sie sind ein gutes Mädchen.“
Das hätte Sarah beleidigt, wäre Bob nicht der dreiundsechzigjährige Gentleman, der er war. Sie wurde demnächst sechsundzwanzig … wohl kaum noch ein Mädchen!
Sie stand und machte sich auf den Weg zur Rezeption. In gewisser Hinsicht war sie sogar froh, etwas zu tun zu haben. Und ehrlich gesagt, war sie neugierig auf den Mann, den sie jetzt treffen würde. Neugierig, wie er ohne Sonnenbrille aussah.
Im Foyer erkannte sie ihn sofort. In einem anthrazitfarbenen Anzug mit weißem Hemd und langweiliger blauer Krawatte saß er auf einem der schwarzen Ledersofas im Wartebereich, die Arme auf die Rücklehne gelegt, den rechten Fuß auf dem linken Knie. Seine Schuhe waren geputzt, aber alles andere als neu. In Sachen Mode schien der Mann nicht besonders bewandert zu sein. Aber vielleicht achteten Minen-Magnaten ja nicht auf Äußerlichkeiten.
Wirklich enttäuschend jedoch war es, dass er die Augen geschlossen hielt. Dafür aber nutzte sie die Gelegenheit, um sein Gesicht zu studieren. Das sehr kurze dunkelbraune Haar stand ihm gut, seine Nase war sogar noch größer als auf dem Foto, aber das passte zu seinem Gesicht. Ein großzügiger Mund, die Oberlippe eher schmal, die untere voller, aber eben nicht voll genug, um sein Gesicht weicher wirken zu lassen.
Noch bevor er die Augen öffnete, hatte Sarah entschieden, dass Scott McAllister kein im klassischen Sinne gut aussehender Mann war. Dennoch fand sie ihn auf unerklärliche Weise sehr attraktiv. Völlig unverständlich. Große bullige Macho-Typen hatten sie noch nie gereizt, sie fand sie eher einschüchternd und zog schlanke, elegante Männer vor, die mehr Verstand als Muskeln hatten.
In gebührendem Abstand blieb sie vor ihm stehen und räusperte sich. „Mr. McAllister?“ Plötzliche Nervosität ließ ihre Stimme höher klingen als normal. Bei den Theateraufführungen in der Schule hatte ihre Lehrerin ihre Stimme als „trällernd“ bezeichnet, was wohl eher mädchenhaft wirkte. Sicher kein Plus bei Plädoyers im Gerichtssaal, aber sie arbeitete daran!
Der Mann vor ihr hob die Lider, und sie konnte endlich seine Augen sehen.
Silbergrau, erstaunlich lange Wimpern, überhaupt nicht hart, aber definitiv auf der frostigen Seite. Und gleichzeitig heiße Funken sprühend. Heiß und gierig. Mit einem schnellen Blick hatte er sie von Kopf bis Fuß gemustert. Das raubte ihr vorübergehend den Atem und jagte einen Hauch Rot in ihre Wangen. Wie erniedrigend!
„Der bin ich, ja.“ Er stand auf, überragte sie um Haupteslänge, trotz ihrer ein Meter fünfundsiebzig und die Absätze – wenn auch gemäßigt –, die sie trug.
Sie musste tatsächlich den Kopf in den Nacken legen, um ihn ansehen zu können. Ihr Mund war verstörenderweise jäh staubtrocken geworden.
Sie leckte sich über die Lippen. „Die aktuellen Besitzer der Mine sind leider noch nicht eingetroffen.“ Sarah konzentrierte sich auf Erziehung, Gewandtheit und Professionalität und setzte ein höflich-verbindliches Lächeln auf, das sie auf Kommando abrufen konnte. „Mr. Katon bat mich, mich Ihrer anzunehmen, bis die anderen Parteien zu uns stoßen.“
Er erwiderte ihr Lächeln, fixierte sie mit diesem grauen Blick.
Völlig unangebrachtes Verlangen drohte, sich in ihr auszubreiten und sie dazu zu verleiten, die unmöglichsten Dinge zu sagen und zu tun. Nur mit eiserner Anstrengung riss sie sich zusammen. „Wenn Sie mir dann bitte folgen wollen, Sir …“
„Engelchen“, jetzt zuckte ein Lächeln um seine Mundwinkel, ließ seinen Mund unglaublich sexy wirken. „Ihnen würde ich sogar in die Hölle folgen.“
Und Sarah stand der Mund offen, als ihr klar wurde, dass sie das Gleiche für ihn tun würde.
Sydney, fünfzehn Monate später …
In seinem Büro stand Scott am Fenster und sah mit leerem Blick hinaus. Nicht dass es hier viel zu sehen gäbe. Das Bürogebäude von McAllister Mines lag am Südende von Sydneys Geschäftsviertel. Hier gab es keinen pittoresken Blick auf Hafen und Opernhaus, nicht einmal auf beruhigendes Grün von Parkanlagen oder Gärten. Nur mit Autos verstopfte Straßen und langweilige Hochhäuser.
Allerdings bezweifelte er sowieso, dass irgendetwas ihn an diesem Montagmorgen hätte beruhigen können. In seinem ganzen Leben war er noch nie so aufgewühlt gewesen, nicht einmal, als sein Vater gestorben war. Mit dem Tod war leichter umzugehen als mit Betrug. Noch immer konnte er nicht glauben, dass Sarah ihm so etwas antun würde. Sie waren doch gerade mal ein Jahr verheiratet, gestern war ihr erster Hochzeitstag gewesen. In Scott lebte ein grundsätzlicher Argwohn gegenüber dem weiblichen Geschlecht, aber Sarah war so anders als all die Frauen, die für seinen Zynismus verantwortlich waren. Komplett anders. Dass sie ihn betrügen sollte, schien … schlicht unmöglich.
Doch letzten Freitag war dieser Text mitsamt Fotos auf seinem Smartphone eingegangen, kurz nach dem Meeting mit dem Milliardär aus Singapur an der Goldküste, von dem er sich eine Liquiditätsspritze erhofft hatte. Nur gut, dass er zu dem Zeitpunkt allein gewesen war, so hatte niemand seine entsetzte Schockreaktion miterlebt, auf die ungläubige Fassungslosigkeit gefolgt war. Und dann hatte er sich gezwungen gesehen, den Beweis, den er vor Augen hatte, zu akzeptieren – die Fotos, gestochen scharf, mit Datum und Uhrzeit, und zwar zur Lunchzeit an demselben Tag.
Vielleicht interessiert es Sie ja, was Ihre Frau so treibt, während Sie geschäftlich unterwegs sind, hatte der begleitende Text gelautet. Gezeichnet mit: Ein Freund.
Das wohl nicht, eher ein Konkurrent oder eine eifersüchtige Kollegin Sarahs. Sarah weckte Eifersucht. Nicht nur bei anderen Frauen, auch in ihrem Ehemann. Was aber nicht automatisch bedeutete, dass Sarah unschuldig war. Sein Vater hatte immer gesagt, dass, wenn etwas aussah wie eine Ente, watschelte und quakte wie eine Ente, die Wahrscheinlichkeit groß war, dass es sich auch um eine Ente handelte. Daher dauerte es nicht lange, bis Scott überzeugt war, dass seine Frau eine Affäre mit dem gestriegelten Schönling hatte, mit dem zusammen sie auf diesen verdammten Fotos abgelichtet war.
Scott hätte sich nie zu solch intensiver Eifersucht und nahezu unkontrollierbarer Rage für fähig gehalten. Er hatte seine Assistentin Cleo allein an der Goldküste zurückgelassen, um den Deal in trockene Tücher zu bringen, und war unter dem Vorwand eines häuslichen Notfalls sofort zu seiner untreuen Ehefrau zurückgeflogen.
Aber er hatte sie nicht zur Rede gestellt. Weshalb nicht? Aus Scham? Aus schlechtem Gewissen?
Eigentlich hatte er auf eine logische Erklärung gehofft. Doch als er die gemeinsame Wohnung betreten hatte, war Sarah ihm praktisch um den Hals gefallen, überglücklich, dass er früher von seiner Geschäftsreise nach Hause gekommen war. Sie hatte ihn leidenschaftlich geküsst, viel überschwänglicher als üblich. Ihr eheliches Sexleben war sicher befriedigend, aber Sarah war nie diejenige, die die Initiative ergriff. Sie überließ immer ihm den ersten Schritt. Doch nicht an jenem Abend. Da war sie ziemlich forsch gewesen.
Musste das Schuldgefühl sein, hatte er rückblickend entschieden. Und was dem Ganzen noch die Krone aufgesetzt hatte … nach dem Marathon-Liebesspiel, als sie längst in den Schlaf der Erschöpfung geglitten war, hatte er wach gelegen und sich mit Vorwürfen gemartert. Komplett verrückt. Warum sollte er sich schuldig fühlen? Sie war die Ehebrecherin, nicht er.
Sie hatte ihn außerdem munter angelogen und ihm minutiös beschrieben, was sie an dem Tag alles unternommen hätte. Angeblich war sie auf der Jagd nach einem besonderen Geschenk für ihn zum Hochzeitstag gewesen. Dabei wusste er doch, was sie an dem Tag getrieben hatte!
Scott war in sein Arbeitszimmer gegangen und hatte sich wie der Neandertaler benommen, als der er sich fühlte. Er hatte sich hemmungslos betrunken und war auf der Couch in einen bewusstlosen Schlaf gefallen.
Wo Sarah ihn am nächsten Morgen gefunden hatte. Dort hatte auch ihre letzte hässliche Konfrontation begonnen. Noch immer hatte Scott nicht verarbeitet, was Sarah ihm an den Kopf geworfen hatte, bevor sie sich auf dem Absatz umdrehte und zur Tür hinausgerauscht war. Zurückgekommen war sie nicht.
Am späten Sonntagabend sah er sich gezwungen, die Möglichkeit zu akzeptieren, dass sie vielleicht nie wieder zurückkommen würde. Dazu setzten die nagenden Zweifel ein, dass er vielleicht vorschnelle Schlüsse gezogen haben und einem schrecklichen Irrtum aufgesessen sein könnte. Zweifel, die ihn nicht losließen.
Das Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen trüben Gedanken. Cleo steckte zögerlich den Kopf zur Tür herein. Ihre dunklen Augen sprachen Bände, sie sorgte sich um ihren Chef. Scott hatte ihr eine knappe Schilderung der Ereignisse anvertraut, da er vor Cleo kein so großes Geheimnis wahren konnte. In den drei Jahren, seit sie jetzt für ihn als PA arbeitete, war sie so etwas wie eine Freundin geworden. Cleo war sogar noch schockierter über die Nachricht gewesen als er, falls das überhaupt möglich war.
„Deine Frau liebt dich über alles“, hatte sie im Brustton der Überzeugung behauptet. „Sarah würde dich niemals betrügen!“
Das hatte er auch einmal gedacht. Aber offensichtlich hatte er sich getäuscht. Und Cleo lag genauso falsch.
Scott hatte das Smartphone dem Chef seines Sicherheitsdienstes überlassen, damit dieser so viel wie nur möglich herausfinden konnte. Harvey die Fotos seiner Frau mit einem anderen Kerl zu zeigen, war extrem erniedrigend gewesen, aber er musste einfach wissen, ob die Bilder echt waren. Und er wollte wissen, wer sie ihm geschickt hatte. Außerdem wollte er alles über den schnieken Schnösel herausfinden. Der Himmel allein wusste, was er dem Kerl antun würde, wenn dessen Identität geklärt war.
Der Typ hatte ein attraktives Gesicht, das musste Scott ihm zugestehen, aber er war weder groß noch besonders gut gebaut. Eher verweichlicht. Schick. Ein protziger Pfau.
Scott hasste ihn mit Inbrunst.
„Harvey möchte hochkommen“, erklärte Cleo. „Ist das in Ordnung? Soll ich euch beiden Kaffee bringen?“
Schon den ganzen Morgen wartete Scott auf eine Antwort von Harvey, doch jetzt, wo es so weit war, wünschte er, er hätte das Ganze niemals angefangen. Er hätte Sarah nicht gehen lassen dürfen, hätte es mit ihr ausdebattieren und eine Erklärung von ihr verlangen sollen. Aber welche Erklärung hätte sie ihm schon geben können? Sie hatte die Echtheit der Fotos ja nicht bestritten. Stattdessen war sie wütend auf ihn gewesen, auf sein Verhalten am Abend zuvor. Na schön, er hätte sie also direkt mit den Fotos konfrontieren sollen. Hatte er aber nicht. Und am nächsten Morgen war er immer noch zu zornig gewesen, um sich für sein „Höhlenmenschenbenehmen“, wie sie es nannte, zu entschuldigen. Fast wäre es ihr gelungen, ihm ein schlechtes Gewissen einzureden. Nachdem sie aus dem Apartment gestürmt war, hatte er doch tatsächlich geglaubt, sie wäre unschuldig.
Bis er sich die Fotos erneut angesehen hatte.
„Kaffee ist nicht nötig, Cleo, danke.“ Er bemühte sich, normal zu klingen und nicht wie ein Mann, der auf sein Erschießungskommando wartete. „Ach, und Cleo … nochmals danke, dass du letzten Freitag übernommen hast. Ich weiß nicht, was ich ohne dich tun würde.“
Cleo hob die Schultern. „Nur hat das leider nicht viel geholfen. Der Investor hat überdeutlich klargemacht, wie wenig es ihm behagt, mit einer Frau zu verhandeln, noch dazu mit einer unter dreißig. Aber wenn du meine Meinung hören willst … ohne ihn bist du besser dran. Ich hatte ein ganz schlechtes Gefühl bei dem Mann. Er hatte mir viel zu listige Augen.“
Scott lächelte schmal. Cleo beurteilte ihre Mitmenschen grundsätzlich nach den Augen, und normalerweise lag sie damit richtig. Schon mehrere Male hatte sie ihn so vor Fehlentscheidungen bewahrt. Allerdings hatte sie Sarah auch für die netteste Frau überhaupt gehalten. Man konnte eben nicht immer ins Schwarze treffen.
„Dann streiche ich ihn wohl besser von der Liste möglicher Partner, was?“
„Das wäre mein Ratschlag, ja. Trotzdem brauchst du jemanden, der flüssig ist, und das schnell. Sonst wirst du die Nickel-Fabrik schließen müssen, vielleicht sogar die Mine selbst. Du kannst das nicht auf Dauer mit Verlust laufen lassen.“
„Das weiß ich auch“, knurrte er. „Warum stellst du nicht ein paar Nachforschungen an? Suchst jemanden, vielleicht hier in Australien … Ah Harvey, kommen Sie herein.“
Cleo zog sich zurück. Harveys Pokerface verriet absolut nichts. Harvey war ein Mittfünfziger, ein Schrank von einem Mann, mit kahlem Schädel, frostigen blauen Augen und einem unnachgiebigen Mund. Zwanzig Jahre hatte er im Polizeidienst gearbeitet und zehn Jahre als Privatdetektiv, bevor er Chef von Scotts Sicherheitsdienst geworden war. Mit seiner bulligen Erscheinung vom Typ Türsteher in Lederjacke, Jeans und Stiefeln war er der perfekte Leibwächter, den ein Minen-Magnat wie Scott manchmal durchaus brauchte. Aber Harvey hatte auch Kenntnisse als IT-Experte, die ihn unverzichtbar machten.
Scott schloss die Tür hinter seinem Mann und bot ihm einen Stuhl. „Also, was haben Sie herausgefunden?“, fragte er ohne Einleitung, und seine Laune setzte zum Sturzflug an, als er das Aufblitzen von Mitgefühl in den Augen des anderen sah. Er ließ sich in seinen Bürosessel fallen. „Ihrer Miene nach gehe ich davon aus, dass Sie keine guten Neuigkeiten für mich haben.“
„Nein.“ Harvey war kein Mann großer Worte.
Scott wappnete sich für das Schlimmste. „Schießen Sie los.“
Harvey legte Scotts Smartphone auf den Schreibtisch, lehnte sich dann in den Stuhl zurück. „Die Fotos wurden mit einem Wegwerf-Handy verschickt. Keine Chance, das zurückzuverfolgen.“
„Dachte ich mir schon“, meinte Scott. „Sind die Fotos echt?“
„Ja, an ihnen wurde nichts manipuliert.“
„Datum und Zeiten stimmen auch?“
„Alles echt. Und ich habe herausgefunden, dass es sich um das Regency handelt.“
Scotts Magen verkrampfte sich. Das Regency, ein Fünf-Sterne-Hotel, lag nur einen Steinwurf von der Kanzlei entfernt, in der Sarah arbeitete.
„Einer der Kellner in dem Restaurant erinnerte sich an Sarah.“
Natürlich, dachte Scott grimmig. Jeder Mann, der nicht blind war, erinnerte sich an sie. Mit dem langen blonden Haar, den großen blauen Augen und der traumhaften Figur konnte sie jeden Heiligen in Versuchung führen.
Scott würde den Moment nie vergessen, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Das war erst fünfzehn Monate her. Damals hatte er eine angeblich ausgeschürfte Diamantmine kaufen wollen. Er war zu früh zur Vertragsunterzeichnung bei Goldstein & Evans erschienen, der Kanzlei, die er bei Geschäftsverträgen immer nutzte. Sarah hatte ihn in Empfang genommen, mehr eine glorifizierte Hostess als die clevere Anwältin, als die sie sich später entpuppte. Scott hatte sich auf den ersten Blick in sie verliebt. Beim dritten Dinner hatte sie ihm gestanden, dass es ihr ebenso ergangen war, und drei Monate später war sie seine Frau geworden. Jetzt, ein Jahr später, sah es aus, als würde sie bald seine Exfrau werden.
Harvey räusperte sich. „Was wusste der Kellner sonst noch zu berichten?“
„Seiner Meinung nach gingen die beiden ziemlich vertraut miteinander um. Saßen in einer diskreten Nische und redeten, ohne viel zu konsumieren. Zirka eine Viertelstunde, dann sind sie gegangen.“
„Aha.“ Scott wusste so gut wie Harvey, wie es weitergegangen war. Der Typ hatte den Zimmerschlüssel an der Rezeption abgeholt, sie waren mit dem Aufzug nach oben gefahren und erst nach einer knappen Stunde wieder aus dem Zimmer gekommen.
„Nimmt man das Positive, so hat der Kellner sie vorher noch nie dort gesehen“, fügte Harvey an.
Positiv? Es gab unzählige Hotels im Geschäftsviertel.
„Und der Typ kam ihm bekannt vor, er war schon öfter dort, immer mit verschiedenen Frauen“, fuhr Harvey fort.
„Haben Sie herausgefunden, wer er ist?“
„Ein gewisser Philip Leighton, Mitte dreißig, seines Zeichens Anwalt.“
„Und arbeitet für Goldstein & Evans, richtig?“
„Richtig. Fachanwalt für Familienrecht, spezialisiert auf Scheidungen in der High Society. Alter Geldadel, Vater ist Senator. Wie gemunkelt wird, hat Mr. Leighton eine Karriere in der Politik im Auge. Der Mann ist ledig, ohne feste Beziehung. Laut seiner Kollegen ein Blaubart. Auch die Beschreibung ‚glattzüngiger Charmeur’ fiel.“
Scott versuchte nicht daran zu denken, wo diese glatte Zunge schon überall gewesen sein mochte. Dennoch hing die schwarze Wolke der Eifersucht über ihm. Er mochte es nicht, wenn man ihn zum Narren hielt. Und genau das hatte Sarah getan. Ihr Wutanfall am Samstagmorgen war reine Show gewesen, um von ihrem eigenen Vergehen abzulenken. Die brutale Wahrheit war, dass Sarah sich von einem schleimigen Schönling hatte verführen lassen.
Wenn du in letzter Zeit nicht so oft geschäftlich unterwegs gewesen wärst, wäre das alles vielleicht nicht passiert …
Gott, jetzt suche ich auch noch nach Entschuldigungen für sie!
Er setzte sich gerader auf, gab sich alle Mühe, gefasst und gelassen zu wirken. „Gibt es noch mehr, was ich über die Beziehung meiner Frau zu diesem Leighton wissen sollte?“
„Nun, sie ist nicht zu ihm gegangen, nachdem sie am Samstag die Wohnung verlassen hat. Er hat ein Haus an der Küste, aber sie ist dort nicht aufgetaucht.“
Sollte ihn das erleichtern? Er fühlte sich nicht erleichtert. „Wahrscheinlich ist sie bei Cory untergetaucht“, murmelte er. „Cory ist ihr bester Freund, noch aus Studientagen.“
Weiter ging Scott nicht darauf ein, schon allein weil er nichts Genaures über die Freundschaft seiner Frau mit dem Architekten wusste. Eigentlich, so stellte er in diesem Moment fest, wusste er generell wenig über Sarahs Vorleben. Während ihrer Wirbelwindromanze hatte sie ihm nur erzählt, dass ihre Mutter tot war und sie sich von ihrem Vater entfremdet hatte. Es gab noch einen älteren Bruder, der jedoch bei der schmutzigen Scheidung der Eltern zum Vater gehalten hatte, obwohl der Mann der Ehebrecher gewesen war. Scott hatte nicht weiter nachgehakt. Genauso wenig, wie er sie zu der Freundschaft genauer interviewt hatte, einfach weil er sich wegen Cory überhaupt keine Sorgen machte. Er mochte den Mann und war sicher, dass das auf Gegenseitigkeit beruhte.
Was sich vermutlich inzwischen geändert hat, dachte er grimmig. Sarah würde Cory alles brühwarm erzählen. Die beiden waren wie kichernde Teenager zusammen. Zu gern würde er einmal Mäuschen sein und die beiden belauschen …
Plötzlich wollte Scott allein sein, damit er selbst einige Nachforschungen anstellen konnte. Er stand auf, ging um den Tisch und streckte Harvey die Hand hin. „Danke, wie immer großartige Arbeit. Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar.“ Obwohl er im Grunde nicht viel mehr wusste. Liebt Sarah diesen Mann, diesen Leighton? Hat sie mich überhaupt je geliebt? Dafür hätte Scott sich die rechte Hand abschlagen lassen. Aber er hätte sich ja auch die Hand dafür abschlagen lassen, dass sie ihn niemals betrügen würde.
„Keine Ursache, Boss.“ Harvey erhob sich und schüttelte seinem Chef die Hand. „Tut mir leid, dass ich nichts Angenehmeres zu berichten hatte.“
„Ein weiser Mann hat mal gesagt, dass im Leben nichts einfach ist.“ Auch nicht in der Liebe. Denn er liebte seine untreue Ehefrau noch immer, mochte der Himmel wissen, warum!
Sobald Harvey außer Sicht- und Hörweite war, griff Scott nach seinem Smartphone und wählte Sarahs Büronummer. Als er erfuhr, dass sie sich für heute krankgemeldet hatte, wusste er nicht, was er davon halten sollte. Sarah feierte nie krank. Sie liebte ihren Job, vor allem jetzt, da sie zum Pro-bono-Team gehörte und bereits mehrere Fälle vor Gericht ausgefochten und gewonnen hatte. Ohne guten Grund würde sie nie einen Tag fehlen.
Sie musste also ziemlich durcheinander sein. Seinetwegen? Oder weil sie sich schuldig fühlte? Vielleicht bereute sie ja längst, was sie getan hatte? Vielleicht war sie deshalb letzten Freitag so impulsiv gewesen – um es wiedergutzumachen. Vielleicht war sie aber auch mit diesem Knilch, diesem Leighton, durchgebrannt!
Scott stürzte das Herz in die Kniekehlen. „Ist Mr. Leighton im Hause?“, zwang er sich zu fragen.
„Ja, Sir. Soll ich Sie zu ihm durchstellen?“, bot die nette Sekretärin am anderen Ende der Leitung an.
„Nein, im Moment nicht.“ Die Erleichterung ließ ihn kurz schwindeln. Aber bald würde er sich den Typen zur Brust nehmen. Nur musste er erst mit Sarah sprechen. Je nachdem, wie sie sich äußerte, käme dann Leighton an die Reihe. Zivilisiert würde es dabei wohl eher nicht zugehen. Allein, wenn er an den Typen dachte, schoss Wut in ihm auf wie Quecksilber. Scott zweifelte nicht daran, dass Leighton Sarah verführt hatte. Sarah war schlicht nicht der Typ untreue Frau.
Oder?
Ihm wurde immer klarer, wie wenig er über seine Frau wusste.
Kopfschüttelnd legte er auf, wählte ein weiteres Mal Sarahs Handynummer, ohne viel zu erwarten. Schließlich war ihr Handy das ganze Wochenende über abgestellt gewesen. Doch … das Besetztzeichen ertönte! Mit wem redete sie? Mit Cory? Oder mit ihrem widerlichen Lover? Vor allem … wo war sie?
Scott hatte keine Ruhe mehr. Er konnte nicht länger hier im Büro sitzen und grübeln. Er musste Sarah sprechen, musste wissen, wo er stand.
Er griff sich sein Jackett und eilte ins Vorzimmer, wo Cleo ihn mit großen Augen ansah.
„Ich bin eine Weile unterwegs, Cleo, muss was erledigen. Verschiebe alle Termine, und nimm dir den Rest des Tages frei.“
„Du wirst doch nichts Dummes anstellen, Scott, oder?“
„Nein, heute nicht. Das habe ich vor einem Jahr schon getan.“ Als er eine Frau geheiratet hatte, die er kaum gekannt hatte. Die in der heutigen Zeit ein Mysterium war.
Denn Sarah war noch Jungfrau gewesen, als er sie kennengelernt hatte.
Jetzt, da ihm die rosarote Brille nicht länger auf der Nase saß, musste er sich doch ernsthaft fragen, wie sie es geschafft hatte, Highschool, Uni und zwei Jahre als Rucksacktouristin um die Welt zu überstehen, ohne im Bett eines Mannes zu landen. Es sei denn natürlich, sie hatte von Anfang an darauf hingearbeitet, Geld zu heiraten, und sich ihre Jungfräulichkeit für den Tauschhandel mit dem richtigen Trottel bewahrt. Namentlich mit ihm.
Seit Scott sich einen Namen in der Schürfer-Welt gemacht hatte, waren Goldgräberinnen ihm nicht fremd. Aber keine von ihnen war noch Jungfrau gewesen.
Er hatte Sarahs Unerfahrenheit nie infrage gestellt, hatte ihre Erklärung, dass sie wegen des Beispiels ihres eigenen Vaters immer Misstrauen gegenüber dem anderen Geschlecht empfunden hatte, bedingungslos geschluckt. Und ihre Behauptung, dass sie vor ihm keinen Mann getroffen hatte, mit dem sie Sex hatte haben wollen, hatte ihm natürlich auch besonders geschmeichelt.
Das Wort Sex hatte sie natürlich nicht benutzt, sie hatte es „mit einem Mann schlafen wollen“ genannt. Nein, an Sarah war nichts grob oder unflätig, sie war ein Musterbeispiel an Femininität. Mit den großen blauen Augen, so klar und rein, schien sie jeglicher List, jeglichen Betrugs unfähig.
Tja, so konnte man sich irren, was? Liebe machte bekanntlich blind. Nun, jetzt kann ich wieder sehen, dachte Scott grimmig und rammte den ersten Gang in seinem Mercedes ein.
Er wollte Antworten. Und zwar auf sämtliche seiner Fragen!
„Bist du sicher, dass ich dich nicht doch besser begleiten soll, meine Liebe?“, fragte Cory. „Vielleicht brauchst du ja jemanden zum Tragen. Ich kann mir den Nachmittag problemlos freinehmen. Wir haben hier Gleitzeit.“
„Danke für das Angebot, Cory, aber ich möchte das lieber selbst erledigen.“
„Und bist du dir auch sicher, dass Brutus dir nicht über den Weg laufen wird?“
Sarah wand sich innerlich leicht. Cory hatte Scott diesen neuen Spitznamen verpasst, und in gewisser Hinsicht stimmte sie ihm sogar zu. Der Mann war schlicht ein brutaler Kerl! Was er da letzten Freitag mit ihr gemacht hatte … alles unter dem Deckmantel der Leidenschaft. Und sie hatte es ihm erlaubt. Nicht nur das, sie hatte es genossen. Das war überhaupt das Schlimmste daran. Ihre Augen begannen jedes Mal zu brennen, wenn sie nur daran dachte, welch erniedrigende Geräusche sie von sich gegeben hatte, wie sie ihn angefleht hatte, nicht aufzuhören! Als sie am nächsten Morgen hatte herausfinden müssen, dass er das alles nur aus Eifersucht und Rachedurst getan hatte, war ihre selige Benommenheit von einer Sekunde auf die andere in Rage umgeschlagen.
„Du glaubst doch nicht wirklich, dass irgendetwas diesen Mann davon abhält, in sein geliebtes Büro zu gehen“, meinte sie abfällig. „Da müsste schon ein Nuklearkrieg ausbrechen.“
„Am Samstag ist doch wohl eine kleine Atombombe explodiert, oder?“
Sarah verlor selten die Beherrschung, aber wenn, dann richtig! „Ich kann dir gar nicht sagen, wie wütend ich war.“
„Brauchst du auch nicht, ich habe dich ja gesehen, als du hier ankamst. Dir stiegen die Rauchwölkchen aus den Ohren … bis der Tränendamm brach. Ich dachte schon, ich bräuchte eine Schwimmweste.“
„Bring mich nicht zum Lachen, Cory, bitte. Der Mann hat mir das Herz gebrochen. Was er getan hat, ist unverzeihlich.“
„Warum? Weil er sich benommen hat, wie Männer sich eben benehmen? Als ich herausgefunden hatte, dass Felix mich betrügt, wollte ich ihn mehr denn je.“
„Erstens hast du Felix nicht wirklich geliebt, und zweitens habe ich Scott nicht betrogen!“
„Es sah aber so aus.“
Sarah stöhnte. „Ich weiß.“
„Ich denke, du solltest Scott anrufen und ihm erklären, weshalb du mit deinem Kollegen in dem Hotelrestaurant gesessen hast. Die Fotos sind ziemlich kompromittierend.“
„Und dann? Scott entschuldigt sich, und wir machen weiter, als wäre nie etwas passiert? Das glaube ich eher nicht.“
„Ah, ich vergaß, du bist ja Skorpion. Skorpione vergessen nicht und vergeben nicht. Hast du übrigens schon mal darüber nachgedacht, wer Scott diese Fotos geschickt haben könnte?“
Sarah seufzte schwer. „Ich überlege schon die ganze Zeit, aber mir fällt niemand Konkretes ein.“
„Muss jemand sein, der dich hasst. Oder eher Scott.“
„Könnte dieselbe Person sein, die die Gerüchte über Scott und Cleo in die Welt gesetzt hat“, mutmaßte sie.
„Du hast recht.“ Plötzlich kam Leben in Cory. „Ich habe doch von Anfang an gesagt, dass das irgendeine inszenierte Sache sein muss. Woher hätte derjenige denn sonst wissen können, wie er an solche Fotos von dir und Phil kommt? Es muss jemand sein, mit dem du arbeitest. Und wenn du zulässt, dass diese alberne Episode deine Ehe zerstört, dann hat diese Person gewonnen, wer immer es ist.“
„Scott hat unsere Ehe zerstört“, brauste Sarah auf. „Er vertraut mir nicht, und er liebt mich auch nicht. Er hat sofort die falschen Schlüsse gezogen und mir keine Möglichkeit zu einer Erklärung gelassen. Ihm ist gleich, wie ich mich fühle, weil ich ihm gleich bin. Für ihn bin ich nichts als eine Vorzeigeehefrau, das Anhängsel an seinem Arm, mit dem er sich in der Öffentlichkeit zeigen kann. Und da kommt natürlich noch der Bonus mit dem jederzeit abrufbaren Sex hinzu. Ich meine, wenn Scott denn zu Hause ist. Was in den letzten sechs Monaten immer seltener geworden ist. Deshalb war ich am Freitag ja auch so glücklich, ich dachte, er wäre früher zurückgekommen, damit wir unseren Hochzeitstag feiern können. Gott, wie dumm ich doch bin!“
„Wow! Du bist ja noch immer wütend auf ihn.“
„Das kannst du laut sagen! Hör zu, ich muss los. Die Putzfrau müsste inzwischen fertig sein, und ich will aus der Wohnung verschwunden sein, bevor Brutus nach Hause kommt.“
„Jetzt nennst du ihn also auch Brutus?“, fragte Cory trocken.
„Das genießt du doch, oder? Aber jetzt muss ich gehen. Wir sehen uns heute Abend, Cory.“
„Ich bring uns was vom Chinesen mit. Wein habe ich noch da.“
„Das ist so lieb von dir.“ Tränen brannten in Sarahs Augen. Cory war eine so gute Seele und ein noch besserer Freund. Und immer hilfsbereit. Was hätte sie an diesem Wochenende nur ohne ihn gemacht? So viele Freunde hatte Sarah nicht. Die aus der Schulzeit waren in alle vier Himmelsrichtungen verstreut, und die aus der Uni … Als ihre Mutter nach Sarahs erstem Jahr an der Universität gestorben war, hatte sie sich eine Auszeit genommen und war mit dem Rucksack um die Welt getrampt, um ihre Trauer zu verarbeiten. Lernen hätte sie so oder so nicht können. Und als sie dann nach zwei Jahren zurückgekehrt war, waren ihre einstigen Kommilitonen längst weitergezogen. Aber immerhin war sie nach dem zweiten Jahr, in dem sie durch Asien gereist war, aufgeschlossener für die Möglichkeit zu heiraten, eine Familie zu gründen und eigene Kinder zu haben, geworden. Zurück in Sydney war Sarah bereit gewesen, dem anderen Geschlecht eine Chance zu geben, auch wenn sie nicht gleich mit jedem ins Bett gehen wollte. Es war ein echter Glücksfall gewesen, dass sie Cory bei der Wiederaufnahme ihres Studiums getroffen hatte.
Sie hatte damals gedacht, Cory könnte der „Eine“ sein, der ihr über ihr Misstrauen gegenüber Männern und Sex hinweghelfen würde. Zwar war sie nicht verrückt nach dem blonden Cory mit den strahlend blauen Augen – damals hatte sie noch gar nicht gewusst, was „verrückt“ nach einem Mann bedeutete –, aber Cory war extrem sympathisch, voller Lebenslust und sah gut aus. Erst als sie den großen Sprung wagen wollte, eröffnete Cory ihr, dass er schwul sei. Vermutlich hatte er es sich bis dahin noch nicht einmal selbst eingestanden, aus Angst, seine Familie würde ihn verstoßen. Das hatte sie aber nicht, und Sarah und Cory waren gute Freunde geblieben. Cory lebte seine Sexualität mit Männern aus. Sarah dagegen hatte sich insgeheim damit abgefunden, dass sie ihrem Schöpfer nach ihrem Tod als Jungfrau gegenübertreten würde, denn sie würde mit keinem Mann ins Bett gehen, dem sie nicht wirklich vertraute und den sie nicht von ganzem Herzen liebte. Wenn sie sich diesen Mann vorstellte, war er eine heterosexuelle Ausgabe von Cory – sexy, intelligent, nett. Eines Tages würde sie den Richtigen treffen, sich Hals über Kopf verlieben und die perfekte Familie gründen.
Scott McAllister zu treffen, hatte sämtliche ihrer romantisch-verträumten Vorstellungen torpediert. Zum einen sah er sogar noch älter aus als Phil – obwohl die beiden Männer im gleichen Alter waren –, und wirklich umwerfend attraktiv war er auch nicht. Er konnte keine Universitätsausbildung vorweisen, hatte nicht einmal die Highschool besucht, sondern war damals mit seinem Schürfer-Vater in den Outback gezogen. Nichtsdestotrotz war der Mann extrem intelligent und hatte einen geschliffenen Geschäftssinn. Der Selfmade-Minen-Magnat hatte sicher mehr Geld als Manieren, er war eher der wortkarge, starke Typ mit dem Körper eines Preisboxers. Scott McAllister war ein Macho in jeder Hinsicht, der sich ohne jede Finesse in Sarahs Leben gedrängt hatte.
Den Moment, als sie sich getroffen hatten, würde sie nie vergessen. Mit seinen eisgrauen Augen hatte er sie von oben bis unten gemustert und ihren Körper damit in Brand gesteckt. Von dieser Sekunde an war sie die Seine gewesen, es war nur eine Frage der Zeit. Schon nach fünf Minuten hatte er sie zum Abendessen eingeladen, und sie hatte nur mit ja antworten können. Noch heute war es ihr ein Rätsel, wie sie tatsächlich drei Dinnerverabredungen überstanden hatte, ohne auf Scotts konstante Einladungen, anschließend mit zu ihm nach Hause zu kommen, einzugehen.
Natürlich war er überrascht gewesen, dass sie noch unberührt war, aber keineswegs unangenehm. Im Gegenteil, die Vorstellung schien ihn zu faszinieren, da er noch nie mit einer Jungfrau zusammen gewesen war. Schnell konnte sie nicht mehr genug von ihm bekommen. Sie liebte seine zärtliche, aufmerksame Leidenschaft, liebte es, wie geborgen sie sich in seinen starken Armen fühlte. Sie fühlte sich geliebt, wirklich geliebt. Und das war ihr ebenso wichtig, wenn nicht wichtiger als die körperlichen Freuden, die sie erfuhr.
Zumindest hatte sie das bis Freitagabend gedacht.
Denk nicht mehr an diese Nacht, Sarah, ermahnte sie sich streng, sonst wirst du noch verrückt.
Sie schüttelte sich leicht, nahm Handtasche und Autoschlüssel auf. Zehn Minuten später fuhr sie über die Hafenbrücke, ging in Gedanken durch, was sie aus dem Apartment mitnehmen wollte. Zuallererst Garderobe fürs Büro. Sie konnte sich schließlich nicht ewig krankmelden. Und ihre Kosmetik. Ihr Make-up. Etwas Freizeit-Garderobe. Der Rest konnte warten, den würde sie an einem anderen Tag einsammeln.
Und wenn es keinen anderen Tag mehr gab? Wenn Scott sie aussperrte und die Schlösser auswechselte? Das war durchaus möglich. Mit ihm war nicht gut Kirschen essen, wenn man sich gegen ihn stellte, schon gar nicht, wenn er sich einbildete, betrogen worden zu sein. Und so ungern sie es auch zugab … von den Fotos her könnte man wirklich vermuten, sie und Phil hätten eine Affäre.
Nein, sie nahm besser heute alles mit. Solange sie noch die Chance dazu hatte.
Doch je näher Sarah den Hafen-Apartments kam, desto mehr verlor sie von ihrem pragmatischen Tatendrang. Die Gegend hier war ihr Zuhause gewesen, ein ganzes Jahr lang. Ein glückliches Zuhause, hatte sie gedacht. Sicher, Scott war oft geschäftlich unterwegs gewesen, aber dafür hatte sie vollstes Verständnis gehabt. Sie verfolgte die Achterbahnfahrt an den Aktienmärkten mit, der gesamten Schürf- und Metallindustrie ging es nicht sonderlich gut. Natürlich hätte sie es vorgezogen, wenn er nicht so häufig weg gewesen wäre. Aber ihre Wochenenden waren immer mit Glück und trauter Zweisamkeit erfüllt gewesen. Gerade letzten Freitag hatte sie sich so auf ihn gefreut, nach allem, was sie an dem Tag hinter sich gehabt hatte. Und am Samstagmorgen war sie mit einem seligen kleinen Lächeln auf den Lippen aufgewacht.
Weil sie den wahren Grund für Scotts Unersättlichkeit da noch nicht gekannt hatte. Einerseits war sie schockiert über sich selbst, was sie alles zugelassen und mitgemacht, ja animiert hatte, andererseits war sie insgeheim aber auch begeistert, weil sie sich endlich aus der passiven Rolle befreit hatte. Und wenn sie ganz ehrlich war, empfand sie das sinnlich-erotische Liebesspiel mit ihrem Mann als äußerst aufregend und berauschend.
Deshalb hatte sie sich, als sie am nächsten Morgen nach Scott gesucht hatte, schon ausgemalt, wie sie das Wochenende zusammen verbringen würden … nur um dann eine kalte Dusche zu erhalten.
Sarah entschlüpfte ein frustriertes Stöhnen, als sie den Wagen in die zum Apartmentgebäude gehörige Tiefgarage lenkte. „Mistkerl“, murmelte sie.
Cory hatte ihr zwar überzeugt versichert, Scott wäre im Büro, aber erst als sie seinen Parkplatz leer vorfand, war sie beruhigt. Sie stellte ihren Wagen auf ihrem Platz ab und eilte zum Aufzug, der sie nach oben in die Luxuswohnung brachte, die Scott eine Woche vor der Hochzeit gekauft hatte. Ganz offensichtlich hatte er seine Braut beeindrucken wollen, und er hatte sein Ziel erreicht.
Ein richtiges Penthouse war es nicht, aber direkt unter dem Dach, dazu riesengroß und mit einem Balkon, der um die gesamte Wohnung herumlief. Die Aussicht von hier oben war schlicht überwältigend. Die mannshohe Glasfront im Wohnraum bot den Blick auf die Harbour Bridge und das Opernhaus. Dasselbe Panorama hatte man auch vom Schlafzimmer, nur von einem anderen Blickwinkel aus. Und wenn am Abend auch noch die Lichter der Stadt aufflammten, war es wie eine Märchenwelt.
Nachdem Sarah sich in die Wohnung eingelassen hatte, blieb sie lange in dem marmorgefliesten Foyer stehen und erinnerte sich daran, wie beeindruckt sie gewesen war, als sie zum ersten Mal hier gestanden hatte. Sie selbst war in einer gutbürgerlichen Mittelklassegegend aufgewachsen, also keineswegs arm. Doch die Größe, die erlesene Ausstattung und das teure Mobiliar hier hatten sie definitiv überwältigt. Sie hatte nie den Wunsch verspürt, irgendetwas an der Einrichtung zu ändern.
Sie ging den Korridor entlang zum Hauptschlafzimmer. Das war immer ihr Lieblingsraum in der Wohnung gewesen. Bemüht hielt sie den Blick von dem übergroßen Bett abgewandt, in dem sie am Samstagmorgen noch so glücklich aufgewacht war. Sie wollte nicht daran denken. Doch so sehr sie sich auch bemühte, es ließ sich nicht unterdrücken. Wie sehr es sie erregt hatte, als Scott ihr die Handgelenke mit dem blauen Seidenschal leicht am schwarz lackierten Kopfende festgebunden hatte … Wie er Bodylotion auf ihrem nackten Körper verteilt und ihr genau gezeigt hatte, wie viel er von den geheimen Fantasien einer Frau verstand … Und wie er sie dann losgebunden, umgedreht und mehr Lotion auf ihrem Rücken verteilt hatte …
Sie hatte ihn angefleht, nicht aufzuhören, und er … er hatte ihr den Gefallen getan.
Oh Gott.
Vergiss Freitagnacht. Sammle deine Sachen ein und geh wieder!
Sarah eilte über den dicken hellen Teppich zum begehbaren Schrank, zog die beiden Koffer vom Regal, mit denen sie nach Hawaii in die Flitterwochen geflogen waren. Sie und Scott … sie waren so glücklich gewesen.
Aber vielleicht war das alles nur Illusion. Vielleicht hatte Scott sich mit ihr im Bett gelangweilt. Sie nahm an, dass die meisten reichen Männer sich irgendwann mit ihren Vorzeigeehefrauen langweilten, weshalb sie sie ja auch schnell gegen neue Modelle austauschten. Oder sich Geliebte hielten. Frauen, die noch bizarrere Wünsche erfüllten als die, die sie Scott Freitagnacht erfüllt hatte. Und möglicherweise war an den Gerüchten um Scott und Cleo ja etwas dran.
Nein, sie weigerte sich, das zu glauben. Sie hatte es nicht geglaubt, als es aufgekommen war, und sie glaubte es auch jetzt nicht.
So? Und warum bist du dann auf die Toilette gerannt und hast dich übergeben, nachdem der Detektiv dir berichtet hat, dass es nicht den geringsten Hinweis auf eine Affäre zwischen Scott und Cleo gibt?
Wenn sie ehrlich war, musste sie zugeben, dass sie es geglaubt hatte. Natürlich hatte sie es geglaubt. Durch ihre Eltern war sie darauf programmiert zu denken, dass alle Ehemänner Betrüger waren, denen ihre dummen Ehefrauen zu oft verziehen. Noch immer dachte Sarah darüber nach, was sie wohl getan hätte, wenn der Detektiv ihr einen anderslautenden Bericht geliefert hätte. Hätte ich Scott zur Rede gestellt? Ihn verlassen? Verlasse ich Scott denn jetzt?
Die Frage, ob sie ihm vergeben würde, stellte sich erst gar nicht. Schließlich dachte ihr Mann, sie hätte ihn betrogen. Vermutlich würde er die Scheidung von ihr verlangen. Wenn Sarah etwas von ihrem Mann sicher wusste, dann, dass er in Schwarz und Weiß dachte. Seine Stärke … die gleichzeitig seine Schwäche war. Scotts Gradlinigkeit und Ehrlichkeit hatte sie immer bewundert, allerdings machten sie ihn auch uneinsichtig für mögliche andere Perspektiven. Verzeihen fiel Scott extrem schwer, wenn er der Überzeugung war, dass ihm Unrecht zugefügt worden war.
Sie verdrängte die aufreibenden Gedanken. Während Sarah Blusen und Kleider von den Bügeln zog, erhaschte sie einen Blick auf sich in dem hohen Spiegel. Großer Gott, sie sah grässlich aus. Ihr Haar … reines Stroh! Es brauchte dringend eine Wäsche mit ihrem eigenen Shampoo. Und es war nicht davon auszugehen, dass Scott in die Wohnung marschiert kommen und sie nackt unter der Dusche vorfinden würde. Ihr blieb noch ausreichend Zeit, bis er das Allerheiligste, sprich sein Büro, verlassen würde.
Trotzdem würde sie sich beeilen. Sie wollte so schnell wie möglich aus der Wohnung verschwinden.
Als Scott Sarahs Wagen in der Tiefgarage stehen sah, wuchs die Frustration, die ihn quälte, seit er Sarah nicht bei Cory angetroffen hatte, noch ein Stückchen. Sie war nicht krank, sie hatte sich in die Wohnung geschlichen, um ihre Sachen zu holen … und vermutlich alles, was sie sonst noch gebrauchen konnte. Er hatte davon gehört, dass Männer plötzlich in einer leer geräumten Wohnung standen.
Der Gedanke bohrte sich in seinen Kopf, vergiftete ihn auf der Fahrt mit dem Lift nach oben. Sein Ärger milderte sich jedoch sofort, kaum dass er die Apartmenttür aufschloss und alles genau so vorfand, wie er es verlassen hatte, einschließlich der Originalgemälde an den Wänden und dem ganzen teuren Deko-Schnickschnack.
Er rief nach Sarah, erhielt aber keine Antwort. Ob sie nur den Wagen hier abgestellt hatte – sein Weihnachtsgeschenk für sie – und mit einem Taxi wieder abgefahren war, ohne dass er sie je wiederfinden würde? Ihm wurde übel, wenn er sich vorstellte, dass sie ihn für immer verlassen hatte und er niemals die Wahrheit erfahren würde.
Plötzlich horchte er auf. Die Dusche im Bad neben dem Schlafzimmer war angestellt! Erleichterung durchströmte ihn, gleichzeitig verwirrte ihn das Geräusch. Sarah nahm eine Dusche. Hoffe ich etwa, dass sie gekommen ist, um sich mit mir zu versöhnen? Erwartet sie von mir, dass ich ihr verzeihe? Könnte ich das über mich bringen?
Dann sah er die offenen Türen des begehbaren Schranks, sah die beiden Koffer auf dem Boden liegen. Unwillkürlich ballte er die Hände zu Fäusten. Sie war also nicht wegen einer Versöhnung hier. Gut. Alles, was er von ihr wollte, war eine Erklärung.
Das ganze Wochenende hatte er sich Vorwürfe gemacht, ob er sie in letzter Zeit nicht zu oft allein gelassen und ihr nicht die Aufmerksamkeit geschenkt hatte, nach der sie sich offenbar sehnte. Letzten Freitag hatte sie ihm das auch bewiesen. In der Nacht war sie eine andere Frau in seinen Armen gewesen. Lasziv. Wild. Hemmungslos. Die Art Frau, die jeder Mann sich wünschte.
Er musste ein Stöhnen unterdrücken, wenn er sich vorstellte, dass sie dabei mit ihren Gedanken vielleicht bei einem anderen Mann gewesen war. Bei dem Kerl, mit dem sie beim Lunch zusammengesessen hatte. Bei dem Kerl, mit dem sie sich wahrscheinlich immer dann traf, wenn er auf Geschäftsreise war.
Seine Laune verdüsterte sich rapide … im selben Augenblick setzte das Wasserrauschen im Bad aus. Scott zog das Jackett aus, löste die Krawatte, kickte die Schuhe von den Füßen und streckte sich auf dem Ehebett aus. In seinem Magen brannte es wie Feuer, als er den Blick unverwandt auf die Badezimmertür gerichtet hielt und darauf wartete, dass seine untreue Ehefrau sie öffnete. Aber seine Gedanken waren kalt wie Eis.
Sarah trocknete sich eilig ab, drehte sich ein Handtuch ums Haar und schlüpfte in den rosa Seidenbademantel. Kein besonders verführerisches Teil, aber herrlich bequem und angenehm zu tragen. Den würde sie auf jeden Fall mitnehmen. Sie zog sich das Handtuch vom Kopf, bürstete ihr Haar und föhnte es. Ihr Föhn war viel besser als Corys. Und er schafft auch ein wesentlich besseres Resultat, dachte sie zufrieden, zupfte noch einige der langen Strähnen zurecht und öffnete die Badezimmertür.
Als sie Scott ausgestreckt auf dem Bett liegen sah, schnappte sie erschreckt nach Luft. Die Arme hatte er hinter dem Kopf verschränkt, die Fußknöchel übereinandergeschlagen. Er sah lässig und entspannt aus, doch sein grauer Blick ruhte eiskalt auf ihr.
„Ich nehme mal an, dass du nicht vorhast zu bleiben.“ Seine Stimme war ebenso frostig wie sein Blick.
Sarah hatte es die Sprache verschlagen. Ihr Herz hämmerte wild gegen ihre Rippen. Sie hatte nie Angst vor Scott gehabt, doch in diesem Moment verspürte sie zum ersten Mal so etwas wie Panik.
„Nein“, brachte sie schließlich krächzend hervor. „Ich wollte … wollte nur meine Sachen abholen.“
Abrupt setzte er sich auf. „Es besteht kein Grund zur Hysterie, Sarah. Du musst doch wissen, dass ich dir niemals wehtun würde.“
„Freitagnacht hast du mir wehgetan“, feuerte sie sofort zurück.
„Du weißt, dass das nicht stimmt“, knurrte er, stand auf und stellte sich vor sie. „Du hast jede Sekunde genossen. Füge jetzt nicht auch noch Lügen zum Ehebruch hinzu.“ Er fing ihre Hand mühelos ab, als sie zu einer Ohrfeige ausholte. „Komm schon, Sarah, warum benehmen wir uns nicht wie erwachsene Menschen?“
Für einen Moment dachte sie, er würde sie an sich ziehen. Das stand in seinen glitzernden Augen zu lesen. Ihr Puls schlug noch schneller. Als Scott sie endlich losließ, wusste sie nicht, ob sie enttäuscht oder erleichtert war.
Ein süffisantes Lächeln zuckte in seinen Mundwinkeln. „Ich schlage vor, du ziehst dich an, und wir verlegen dieses Gespräch auf … ungefährlicheres Terrain. Denn im Moment kann ich nur daran denken, wie sehr ich dich will … trotz allem.“
Bei seinem überraschenden Geständnis stand Sarah der Mund offen. Noch mehr schockierte sie allerdings, dass sie genauso fühlte. Das war doch nicht normal! Es erschütterte sie, wie stark ihr Bedürfnis war, den Abstand zwischen ihnen zu überbrücken und ihren Mund auf seine grimmig verzogenen Lippen zu pressen.
Mit zusammengekniffenen Augen musterte er fragend ihr Gesicht. Vielleicht hatte er erkannt, was sie dachte, denn er packte sie bei den Schultern und zog sie an seine Brust. Ihr schwindelte.
Natürlich hätte sie sich wehren können, aber damit hätte sie sich als ultimative Heuchlerin entlarvt. Und so tat sie es auch nicht, sondern schmiegte sich stattdessen an seine harte Brust und seufzte sehnsüchtig unter dem harten Kuss.
Völlig verrückt. Die ganze Sache war verrückt. Er glaubte, sie hätte ihn betrogen. Doch im Moment war ihr gleich, was er dachte, gerade zählte nur das Hier und Jetzt. Und dieses Hier und Jetzt erregte sie sogar noch mehr als die letzte Freitagnacht. Sie erwiderte seinen groben Kuss mit all dem wilden Verlangen, das in ihr tobte, sagte Scott ohne Worte, dass sie die Seine war, ganz gleich, was auch immer er glauben mochte.
Als er seine Lippen von ihren löste, entfuhr ihr ein Protestlaut. Mit verhangenen Augen schaute sie ihn an. Sarah stöhnte, und er küsste sie erneut, raubte ihr damit alle Fähigkeit zu klarem Denken. Ohne den Kuss zu unterbrechen, schob Scott ihr den Bademantel von den Schultern und schleuderte ihn achtlos zur Seite. Sarah bebte jetzt am ganzen Körper. Aber nicht, weil sie fror. Durch die Strähnen, die ihr ins Gesicht gefallen waren, sah sie in seine vor Lust glühenden Augen. Zu wissen, dass sie diese Wirkung auf ihn hatte, erregte sie. Schon versank sie wieder in der Welt, die er letzten Freitag erschaffen hatte – in der sinnlichen Welt erotischer Freuden, in der es keine Schranken gab, nur Lust, Leidenschaft und Ekstase. Mit einer Hand fasste er ihr Haar an ihrem Nacken zusammen, drückte ihren Kopf zurück und musterte ihr Gesicht.
„Bilde dir nicht ein, das hieße, ich hätte dir vergeben“, grollte er.
„Ich habe nichts getan, für das du mir vergeben müsstest!“, erwiderte sie vehement, doch er lächelte nur abfällig und küsste sie weiter, bis jeder Gedanke an Protest, geschweige denn Erklärungen sich auflöste. Als er sie hochhob und aufs Bett legte, beobachtete sie zitternd vor Ungeduld, wie er sich seiner Kleidung entledigte. Keine Sekunde später kam er zu ihr, und sie klammerte sich an ihn, als hinge ihr Leben davon ab. Sarah passte sich dem Rhythmus an, den Scott vorgab, stöhnte immer wieder seinen Namen und stieß einen jähen Schrei aus, als die Flutwelle der Lust sie mitriss. Es war so absolut unglaublich, so elektrisierend, so weltbewegend.
Als die Ekstase verebbte, kehrte die Vernunft zurück, und sie begriff, was sie gerade getan hatte.
„Oh Gott“, entfuhr es ihr. Wie hatte sie das zulassen können, obwohl er dachte … Und sie hatte es nicht nur zugelassen, sondern es genossen! Wie war das überhaupt möglich, wenn sie doch wusste, was er von ihr hielt? Letzten Freitag hatte sie zumindest weder von den Fotos geahnt noch von Scotts Unterstellung.
Großer Gott, was musste er jetzt von ihr denken! Wahrscheinlich hielt er sie für das Letzte, die unmöglichste Person auf dem gesamten Erdboden!
Für einen Moment huschte Verwirrung über Scotts Züge, dann wurde seine Miene wieder kalt. Er löste sich von ihr und vermied es, sie anzusehen, als er aufstand und sich seine Jeans anzog. Dann jedoch hob er ihren Bademantel vom Boden auf und warf ihn ausgebreitet über ihren nackten Körper.
„Ich setz Kaffee für uns auf. Komm in die Küche, wenn du etwas am Leib hast.“
Sarah krallte die Finger in den Bademantel und kniff die Augen zusammen. Was, um alles in der Welt, hatte sie sich nur dabei gedacht? Welcher Teufel hatte sie geritten und in Scotts Arme getrieben? Liebe war es auf jeden Fall nicht, sondern etwas viel Ursprünglicheres, etwas viel Primitiveres, das sich nicht verleugnen ließ. Irgendein Urinstinkt, mit dem Frauen seit Anbeginn der Zeit ihre Männer für sich beanspruchten.
Das zumindest ergab einen Hauch von Sinn. Trotzdem gefiel es ihr nicht, als sie sich, wieder in den Bademantel gehüllt und den Gürtel fest um die Taille geknotet, auf den Weg in die Küche machte. Denn es machte sie Scott gegenüber schwach und verwundbar. Er musste verstehen, dass sie nicht mit einem Ehemann zusammenleben konnte, der ihr nicht glaubte, wenn sie ihm etwas erzählte. Es war unerlässlich, dass er ihr vertraute.
In der Küchentür blieb sie stehen. Beim Anblick ihres Ehemannes mit dem nackten Oberkörper musste sie schlucken. Himmel, er war einfach fantastisch gebaut. Am Anfang ihrer Beziehung hatte seine Größe sie eher eingeschüchtert, bis er ihr bewiesen hatte, wie zärtlich und behutsam er sein konnte. Ab da hatte sie sich sicher und geborgen in seinen Armen gefühlt. Jetzt jedoch … das Gefühl von Sicherheit war nicht mehr vorhanden, stattdessen wuchs da eine prickelnde Furcht in ihr, die gefährlich aufregend war. Er war gefährlich aufregend. Sie fragte sich inzwischen, ob es das war, was ihre arme Mutter für ihren untreuen Ehemann verspürt hatte. Jetzt verstand sie, dass Verlangen eine Frau schwach machen konnte, in gewisser Hinsicht sogar noch schwächer, als es die Liebe schaffte. Eine erschreckende Tatsache. Insgeheim schwor sie einen heiligen Eid, sich mit aller Macht dagegen zu wehren.
Am besten begann sie damit, indem sie dieses unerwünschte Flattern in ihrem Unterleib ignorierte. „Warum bist du nicht im Büro?“, fragte sie brüsk, als sie sich auf einen Hocker an der Frühstücksbar setzte.
Mit zwei großen Bechern voll dampfendem Kaffee kam er an die Theke. „Ich konnte mich nicht auf die Arbeit konzentrieren, also habe ich nach dir gesucht. Und da du nicht bei Cory warst, bin ich hergekommen.“
Nein, sie würde sich nicht geschmeichelt fühlen, dass er sein Allerheiligstes verlassen hatte, um nach ihr zu suchen. „Du hättest mich auch einfach anrufen können.“
„Meinst, du, darauf wäre ich nicht selbst gekommen?“ Scott schnaubte. „Dein Handy war das ganze Wochenende über abgestellt. Und als ich es heute versucht habe, war besetzt.“
Sie blickte in die pechschwarze Flüssigkeit. „Wahrscheinlich habe ich mit Cory telefoniert.“
„Nicht mit Philip Leighton?“
Ihr Kopf schoss hoch, sie riss die Augen auf.
„Du musst nicht die Unschuld vom Lande spielen, Sarah. Ich weiß, wer der Mann auf den Fotos ist.“
Verwirrung und Ungläubigkeit schlugen in Zorn um. „Du hast einen Detektiv angeheuert, sobald du die Fotos gesehen hast.“
„Was hast du denn erwartet? Du hast mir ja keine Erklärung liefern wollen.“
„Ich hätte dir liebend gern alles erklärt, wenn du mir diese Fotos gleich gezeigt hättest. Aber das hast du ja nicht. Stattdessen musstest du erst deine billigen Rachegelüste befriedigen.“
„Vielleicht habe ich mich von deiner leidenschaftlichen Begrüßung ablenken lassen“, erwiderte er. „Und von der Unverfrorenheit deiner Lügen.“
„Meine Lügen?“ Das war die Höhe! „Welche Lügen?“
„Du sagtest, du wärst auf der Jagd nach einem Hochzeitsgeschenk für mich. Stattdessen hast du dich mit einem anderen Mann auf ein Schäferstündchen in einem Hotel verabredet.“
Ihre Wangen brannten vor Ärger wie Feuer. „Ich habe ein Geschenk für dich besorgt!“, schleuderte sie ihm hitzig entgegen. „In einer der Hotelboutiquen. Ich kann es dir zeigen. Ich habe nichts getan, für das ich mich schämen müsste.“
„Du willst mir das Geschenk zeigen? Dafür ist es wohl ein bisschen zu spät, meinst du nicht auch? So, wie ich das sehe, sind wir bereits auf dem Weg zum Scheidungsanwalt. Ich bin nur froh, dass wir den Kinderwunsch aufgeschoben haben. Dem Himmel sei Dank für die Erfindung der Pille, kann ich da nur sagen.“
Pille! Bei dem Wort erstarrte Sarah. Die Welt hörte auf sich zu drehen. Wann hatte sie zum letzten Mal die Pille genommen? Sie konnte sich nicht erinnern. Letzte Woche? Letzten Monat? Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht, als sie sich die möglichen Konsequenzen ausmalte. Entsetzt stöhnte sie auf.
Scott musterte sie durchdringend. „Was ist?“
Seit das Ganze begonnen hatte, lebte sie wie in einem wabernden Nebel. Doch das, was sie jetzt empfand, war purer Schock. In ihrem Leben war sie bisher ein- oder zweimal in Ohnmacht gefallen, und es war keine angenehme Erfahrung gewesen. Immerhin kannte sie die Warnzeichen – den Schwindel, den kalten Schweißfilm auf der Haut. Genau diese Zeichen meldeten sich jetzt an. Geistesgegenwärtig unternahm sie die nötigen Schritte, bevor es so weit war. Sie glitt von dem Hocker, setzte sich auf den Fliesenboden und hielt den Kopf zwischen die Knie.
„Was, zum Teufel, treibst du da?“, erreichte Scotts Stimme sie wie aus weiter Ferne. „Bist du krank?“ Er ging neben ihr in die Hocke. „Soll ich einen Arzt rufen?“
„Nein“, brachte sie matt heraus. Das war nur der Schock, außerdem hatte sie vermutlich zu wenig gegessen. Ihr Frühstück war heute ausgefallen, da Cory früh zur Arbeit gegangen war. Gestern hatte er sie bedient und verwöhnt, aber ohne ihn hatte sie sich selbst vernachlässigt.
„Nur eine Minute, gleich geht’s mir besser. Mir ist nur schwarz vor Augen geworden. Wenn du helfen willst, dann mach mir einen Toast. Mit viel Butter und Honig.“
„Toast.“ Scott klang total perplex. Aber er erhob sich, und Sarah sah seine Hosenbeine in Richtung Anrichte verschwinden. Irgendwann fühlte sie sich so kräftig, dass sie sich vom Boden aufrappelte. Schwindelig war ihr aber noch immer, und sie fühlte sich schlapp und kraftlos. Trotzdem schleppte sie sich zurück auf den Hocker und griff nach ihrem Kaffeebecher, hielt ihn mit beiden zitternden Händen umklammert. Dieses Zittern kam von innen heraus, denn wirklich verarbeitet hatte sie die Erkenntnis von vorhin noch nicht. Es hieß ja, das Schicksal sei grausam. Aber das hier hatte nichts mit Schicksal tun, das war allein ihrer eigenen Dummheit zuzuschreiben.
Sarah musste ein Stöhnen unterdrücken. Ihr Magen verkrampfte sich schmerzhaft. Es war durchaus möglich, dass sie Freitag ein Kind empfangen hatte. Eine entsetzliche Aussicht! Ein Baby sollte aus Liebe empfangen werden, nicht aus rachsüchtiger Eifersucht. Auch heute war es möglich. Viel besser war das nicht, allenfalls minimal besser. Heute hatte sie zumindest gewusst, auf was sie sich einließ.
Habe ich das? Stumm schüttelte sie den Kopf. Nein, nicht wirklich. Unter Scotts Händen schmolz sie jedes Mal wie Wachs in der Sonne.
Ihr Blick ging zu seinen Händen, die gerade Butter auf eine Toastscheibe strichen. Scott hatte große Hände, starke Hände. Mit Schwielen, noch aus der Zeit, als er lange Jahre harte körperliche Arbeit geleistet hatte. Schließlich war er nicht als Geschäftsmann im Anzug geboren worden.
„Geht’s dir besser?“, fragte er, als er den Teller mit dem Toast vor sie hinstellte.
„Ja, etwas, danke.“ Sie mied seinen fragenden Blick und konzentrierte sich stattdessen darauf, den Toast zu essen.
Eine gute Minute verging, bevor Scott wieder zu sprechen anhob. „Es ist an der Zeit, dass du mir genau erzählst, was da letzten Freitag in dem Hotel abgelaufen ist, Sarah. Ich will die Wahrheit hören.“
Sie stellte den Becher ab, holte tief Luft und sah in sein hartes, unnachgiebiges Gesicht auf. „Die Wahrheit.“ Sie klang viel gefasster, als sie es in Wirklichkeit war. Denn sie bezweifelte, dass er ihr überhaupt glauben würde. Vermutlich unterstellte er ihr, dass sie das alles nur erfunden hatte. Sollte dem so sein, würde sie ihn zu Phil schicken, der würde ihre Geschichte bestätigen.
Vor einer halben Stunde noch hätte sie Scott süffisant geantwortet, was er mit seiner Forderung nach der Wahrheit machen könne, jetzt jedoch lagen die Dinge anders. Die Möglichkeit, dass sie Scotts Baby unter dem Herzen trug, änderte alles.
Sie schluckte. „Ich bin mit Phil zusammen in das Hotel gegangen, um einen Privatdetektiv zu treffen, der vertrauliche Informationen über dich hatte.“
„Über mich?“
„Richtig. Phil kam am Freitagmorgen zu mir und meinte, er habe Grund zu der Annahme, dass du eine Affäre mit deiner Assistentin hast.“
„Was? Dir sollte klar sein, wie lächerlich das ist.“
Von seinem Ausbruch würde sie sich nicht einschüchtern lassen. „Ist es das? Cleo ist eine attraktive Frau. Und sie ist Witwe.“
Vor Zorn zog dunkles Rot auf seine Wangen. „Ich habe ganz bestimmt keine Affäre mit Cleo! Und wenn du schon ansprichst, dass sie Witwe ist, solltest du auch wissen, dass sie ihren verstorbenen Ehemann noch immer tief und innig liebt. Einen anderen würde sie nicht einmal ansehen, geschweige denn mit ihm intim werden.“
„Woher willst du das wissen?“
Scott stutzte. „Ich weiß es eben!“
„Du weißt es, weil du mit ihr redest. Mit deiner eigenen Ehefrau tust du das nicht.“
„Herrgott, natürlich reden wir – hauptsächlich über Geschäftliches, manchmal auch über Privates. Wir verbringen schließlich den Großteil des Tages miteinander.“
„Als ob ich das nicht wüsste“, merkte Sarah trocken an.
„Wir weichen vom Thema ab. Du wolltest mir erklären, wie diese Fotos entstehen konnten.“