Wie viel verrückt ist noch normal? - Diana Fey - E-Book

Wie viel verrückt ist noch normal? E-Book

Diana Fey

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Beschreibung

Seit dem ersten Schultag fürchtet sich Diana vor Killer-Keimen im Klassenzimmer. Ihr Kopf erkennt: "Wer wäscht, gewinnt". Aus dem Waschen wird ein Zwang, dem weitere folgen: Diana berührt weder Türgriffe noch Pflasterfugen, brummt wie ein Bär und betet bis zum Morgengrauen. Dreißig Jahre später schafft sie es schließlich, den Teufelskreis der Ticks und obsessiven Gedanken zu durchbrechen. Humorvoll und selbstironisch führt uns dieses Buch vor Augen, dass es Normalität nicht gibt und das in jedem von uns etwas Verrücktheit schlummert.

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Seitenzahl: 359

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Diana Fey

Wie viel verrückt ist noch normal?

Mein Leben, meine Neurosen und ich

Zum Schutz von Personen wurden Namen, Biografien und Orte zum Teil verändert und Handlungen, Ereignisse und Situationen an manchen Stellen abgewandelt.

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2016

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: Designbüro Gestaltungssaal

Umschlagmotiv: © KITCHENKISS Photograph

E-Book-Konvertierung: Daniel Förster, Belgern

ISBN (E-Book) 978-3-451-80561-5

Inhalt

Vorwort
Kapitel I: Einsteigen
Zwanglos und Mann los
Großmutter, warum hast du solch ein großes Mundwerk?
Vom Waschwahn zum Gaga-Gang
Wie das Unterirdische zum Außerirdischen wurde
Ein kurzer Mädchentraum
Das Leben ist kein Ponyhof
Lieber lebendig?
Stille Nacht, gestörte Nacht
Die Zeit vergeht – Die Zwänge bleiben
Warum furzet Ihr nicht?
Wer nicht büßen will, der betet
Das Märchen vom Pärchen
Der leere Ernst des Lebens
Liebeslast
Der Schöne und das Beef
Wasch & weg
Psychotische Stille
Kapitel II: Absteigen
Neues Leben – Altes Laster
Crazy and the City
Heimische Hirngespinste
Vom Zwang der Gewohnheit
Einsteins Erkenntnis
Vom Zwang zum Zwerg
Wie die Angst, so der Zwang
Kapitel III: Aussteigen
Wer wird denn wieder zwängstlich werden?
Liebesleben
Alter Zwang – Neues Leben
Schneeweißchen ist Neurosen-tot
Mit der Zange an die Zwänge
Fisch & fertig
Die Freude vor dem Fall
Das Ende vom Anfang
Zwangsvollstreckung
Chaosqueen
Sinn der Sache
Danksagung
Über die Autorin

Vorwort

Ein bitterbös-humoriges Buch über mich und mein gestörtes Ich habe ich bereits geschrieben (wenn auch über mein essgestörtes Ich). Nun folgt Nummer Zwei und erzählt, wie mich meine Ängste in die Zwangsstörung trieben.

Ja, was soll das denn?, werden Sie sich vielleicht fragen, ist die Frau tatsächlich so verrückt, gleichzeitig essgestört und zwangsgestört zu sein? Die Antwort lautet: Ja.

Fakt ist, dass mich mein Kopf ein Vierteljahrhundert zu Dingen zwang, die ich nicht tun wollte und die auf Außenstehende ziemlich verrückt wirkten. Leider erkannte ich erst spät, dass meine sogenannte ÜberGebensstrategie mir mein (Über)-­Leben genauso wenig sichern konnte wie übersteigertes Waschen oder Wischen; dass mir Türgriffe, die ich ausschließlich mit dem ­Ellenbogen betätigte, ähnlich wenig brachten wie exzessives Beten oder Brummen.

»Wahrlich verrückt«, kann auch ich heute, nach dem regelmäßigen Besuch einer Therapie und nüchtern betrachtet, dazu sagen. Und doch gibt es sicherlich den ein oder anderen Zwang, den auch Sie, liebe Leser, aus ihrem eigenen Leben kennen. Wobei wir auch schon beim Thema wären: Wer oder was ist eigentlich normal? Mit einer Lebensgeschichte wie dieser entlarven wir die scheinbare Normalität, die es nicht gibt, nicht geben kann und auch niemals geben wird.

Ich wünsche Ihnen angenehme Lesestunden und hoffe, dass Sie nach der Lektüre nicht wie ferngesteuert zurück in die Küche eilen, um nach der ausgeschalteten Herdplatte zu sehen.

 

Diana Fey, im August 2016

Kapitel IEinsteigen

Zwanglos und Mann los

Es ist drei Uhr nachts. Ich bin zwangsgeheilt, stehe im rosafarbenen Schlafanzug vor der Haustür meiner Eltern und habe trotz wiederhergestellter Gesundheit allen Grund zum Heulen.

Links trage ich mein schlafendes Kind, rechts einen schlampig gepackten Koffer, aus dem die linke Hälfte meines BHs hängt. Um die Klingel zu drücken, benutze ich meinen Ellenbogen. Nicht wegen akuter Ängste, sondern mangels anderer Möglichkeiten.

Sofort flutet Licht aus allen Fenstern und der Lärmpegel steigt.

»Diana!«, ruft mein Vater über den verschlafenen Ort, während er mir die Tür öffnet. »Hat er dich jetzt rausgeworfen?«

Eine unnötige Frage. Die fünfhundert Kilometer in meine alte Heimat habe ich sicher nicht zum Spaß auf mich genommen. Mitten in der Nacht. Im Schlafanzug.

Ich lasse meine Tränen sprechen und drücke Papa mein schlafendes Kind in die Arme. Was für ein Bild: Mein Vater, mein Sohn und mein verwirrter Geist.

Schon verschwindet ersterer mit meinem Kind, so routiniert wie eine Säuglingsschwester. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn kleine Erdlinge gehören zum Fachgebiet meiner Eltern. Zum einen, weil sie selbst kaum die Einssiebzigmarke knacken, zum anderen, weil ihr Haus schon immer voller Kinder und Kleintiere war.

Und nun bin auch ich wieder hier. In dem kleinen, nordhessischen Nest, aus dem ich damals in die Großstadt flüchtete, nicht wissend, dass es vielmehr die Zwänge waren, die mich zur Flucht trieben.

Ich versuche, den nun aufkommenden Gedankenballast auszublenden, und atme erst einmal tief durch. Dann gehe ich zurück zum Auto und hole den Hund heraus. Schwanzwedelnd springt er durch die sperrangelweit offen stehende Haustür. Kaum, dass auch ich hindurchschreite, kommt mir mein rosafarbener Schlafanzug entgegen, mit dem Unterschied, dass meine Mutter darin steckt. Konsterniert schaue ich erst an ihr, dann an mir hinunter, während Mama gequält den Kopf schüttelt: »Er hat dich verlassen, weil du so querch bist, richtig?«

Querch ist dorf-deutsch und bedeutet gaga, gestört, nicht ganz richtig im Kopf. Und ja, Mama hat Recht. Auch wenn meine Sucht nach Zwangshandlungen Geschichte ist – genauso wie meine Ehe –, so fühle ich mich doch quercher denn je. Die Frau, die mir einst das Leben schenkte, scheint es ähnlich zu sehen: »Konntest du dich denn gar nicht mehr zusammenreißen? Mensch, das arme Kind braucht doch einen Vater.«

Ich bin kurz davor, im Sinne Edvard Munchs zu reagieren: Hände an die Ohren und laut losschreien. Das würde meine Querchheit allerdings nur unterstreichen, also zeige ich stattdessen auf Muttis Schlafanzug: »Das war wohl ein Sonderangebot, nicht wahr?«

Mit einem geseufzten »Ja« bestätigt sie mir ihre nicht überwundene Sucht nach Schnäppchen in der Textilbranche. Mit ihrem Klamotten-Konsum kompensiert meine Mutter klägliche Gefühle. KARSTADT & Co. erledigen bei ihr das, wofür bei mir zahlreiche Zwangshandlungen herhalten mussten. Jetzt, da ich endlich zu meinen schlechten Gefühlen stehe, weiß ich, wie schlimm es ist, wenn man das nicht kann. Meine arme, arme Mama …

»Mein armes, armes Kind«, schluchzt sie und drückt mich mit einer überwältigenden Herzlichkeit an sich. Klarer Fall: Zwei Querche, unzählige Gefühle, keine weiteren Worte. Meine Tränen durchtränken unsere Schlafanzüge. Kein Problem, denn wie ich die Kaufkraft meiner Mutter kenne, hat sie noch zwei weitere davon im Haus.

»Willst du etwas essen?«, fragt sie mich, weil mein Kinn wohl etwas zu fordernd an ihrer Brust haftet. Ich lasse von ihr ab und schüttle meinen Kopf, dessen Schmerzen eine klare Sprache sprechen. Das einzige, was ich jetzt wirklich benötige, ist Ruhe. Zugegeben, dafür habe ich mir den unmöglichsten Platz der Welt ausgesucht. Der Lärmpegel in meinem Elternhaus macht dem eines Presslufthammers Konkurrenz. Tag und Nacht. Seufzend greife ich nach meinem Koffer und schlurfe die Treppen hinauf.

»In dein Zimmer kannst du nicht, Schatz«, ruft Mama mir in gewohnt hoher Dezibelzahl hinterher.

»Warum?«, frage ich, während ich schon den Türgriff be­tätige (mit der Hand wohlgemerkt), »Hat Papa dort etwa den zehnten Kleiderschrank reingeschreinert?«

Irgendwo müssen Mamas Sonderangebote schließlich untergebracht werden und mein Vater muss ganz nebenbei seiner Sucht zu schreinern frönen.

»Nein, Diana, da drin …«, höre ich meine Mutter noch sagen, erahne, dass es auch irgendetwas mit meinem nicht minder querchen Cousin zu tun haben könnte, der sich einfach nicht vom Haus meiner Eltern lösen will, doch es ist bereits zu spät. Ich stehe in meinem ehemaligen Kinderzimmer und spüre einen heftigen Schmerz an meiner Ferse. Mein Blick fällt nach unten. Dort hängt ein kleiner Fellball, der den Schmerz mit hoher Wahrscheinlichkeit verursacht hat. Ich schreie wie am Spies, woraufhin das Knäuel von mir ablässt und im Korridor verschwindet.

»Keine Angst!«, beschwichtigt eine männliche Stimme. Es ist mein Cousin Holger, der in meinem alten Bett sitzt, eingerahmt von zwei kleinen Köpfchen, die mich anblicken, als sei ich der Weihnachtsschreck.

»Kim! Kira! Das ist die Diana«, ergänzt er in einem Ton, als stünden sie vor einem Affen im Zoo. Ein Köpfchen meint erschrocken: »Müssen wir jetzt zu der gehen?«

»Aber nein, schlaft bitte weiter«, entgegne ich bemüht zuvorkommend. »Ich gehe in ein anderes Zimmer.«

»Aber Klops fehlt doch noch«, protestiert das andere Köpfchen.

»Wer ist Klops?«, frage ich, während ich mich parallel frage, ob Kim und Kira noch ein Geschwisterchen namens Klops dazubekommen haben. Meinem Cousin wäre das durchaus zuzutrauen.

»Der Hund, Diana, der Hund«, stöhnt Holger, dann schiebt er sich aus dem Bett und brüllt ein ohrenbetäubendes »­Klops« durch das ganze Haus.

Ich husche in das nächstbeste Zimmer. Bis auf einen Kleider­berg in der hintersten Ecke, drei monströsen Schränken und einer mit Kleidungsstücken beladenen Ausziehcouch, die man aufgrund der Schränke nicht mehr ausziehen kann, ist dort niemand. Ich lasse meinen müden Körper auf die Klamotten sinken … ohne vorher mehrmals aus dem Zimmer hinaus und wieder hinein zu gehen, ohne Händewaschen, ohne Umziehen, ohne Brummen. Ja, ich sehe noch nicht einmal nach meiner schmerzenden ­Ferse.

Tatsache ist, ich bin geheilt. Geheilt von meinen Zwängen, die ohnehin nie meine waren. Und doch habe ich das Gefühl, kurz vorm Wahnsinn zu stehen.

Die Zimmertür öffnet sich und meine Eltern betreten den Raum. Mein noch immer schlafendes Kind liegt im Arm ­meines Vaters. Nichts in dieser Nacht konnte den kleinen Mann wecken. Nicht der lautstarke Streit seiner Eltern. Nicht das nächtliche Verfrachten ins Auto. Und auch nicht seine aufgewühlte Mama, die jetzt, nach fünf Stunden und fünfhundert Kilometern, fix und fertig auf dem Gipfel eines Klamottenberges sitzt. Ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nie so miserabel gefühlt, dabei versprach mir mein Therapeut: »Ohne Zwänge werden Sie so befreit und glücklich sein wie nie zuvor.« Dass ich mich mit den Zwängen auch von meinem Mann befreien könnte, erwähnte er nicht. Hätte ich das vorher gewusst, dann hätte ich die Zwänge verdammt noch mal behalten. Nun habe ich den Salat, sitze vor dem Scherbenhaufen meiner Ehe und sehe ein, dass neben Glücklich-Aussagen auch die Zeit relativ ist: Ich trage dreißig Lebensjahre auf dem Buckel. Davon vierundzwanzig zwangsgestörte, von denen die letzten sechs meine besten waren. Ein starkes Gefühl der Reue steigt in mir auf und ich sehne mich nach einem Beichtvater. Schon baut sich mein eigener Vater vor mir auf wie der Papst persönlich. Seine rechte Hand umfasst die Babyflasche wie einen Krummstab, die linke mein Kind wie einen Reichsapfel. Um dem ganzen noch einen Heiligenschein zu verpassen, verspricht er mir, dass ich immer auf ihn zählen könne, dass er immer für mich da wäre. Denn ich sei sein Kind, sein geliebtes Kind.

Das ist zu viel. Ich krame in meinem Koffer nach dem Fläschchen mit Bachblüten, das mir die esoterische Erika vor meiner Abfahrt in die Hand gedrückt hat.

»Sollen wir den Kleinen heute Nacht mit in unser Bett nehmen?«, fragt meine Mutter im lammfrommen Ton, während sie mir wohlwollend über den schmerzenden Kopf streichelt.

Anscheinend gibt es gar keine andere Möglichkeit. Für das Reisebettchen ist hier dank Muttis Textiltrophäen und Vatis Sucht nach Selbstgeschreinertem kein Platz. Und die nicht ausgezogene Couch ist für mich allein schon zu klein. Ich gebe einen lauten Seufzer der Verzweiflung von mir. Verdammt, ich will jetzt nicht auch noch auf mein Kind verzichten!

»Ach, wir schieben einfach einen Schrank in den Flur«, meint Papa aufmunternd.

»Danke«, stammle ich und weiß ja selbst, dass meine Eltern so viel mehr als Worte verdient haben, doch leider bin ich noch nicht einmal in der Lage, mit meinen Fingern ein kleines Bachblüten-Fläschchen zu öffnen. Ich versuche es mit den Zähnen. Fast zerbeiße ich das Glas, so sehr erschrecke ich, als mein Vater plötzlich in einer Lautstärke sondergleichen durch das ganze Haus krakeelt: »Holger, komm mal ­runter!«

Reflexartig nehme ich ihm mein Kind aus dem Arm. Es schläft noch immer. Woher nur nimmt es diese unerschütterliche Ruhe? Beeindruckt bette ich es in dem Berg Klamotten, der uns nun beide umgibt wie ein schützendes Nest. Und doch beschleunigt sich mein Herzschlag aufs Neue, als mein Cousin lauthals fluchend die Treppen hinuntergepoltert kommt und das ganze Haus zum Beben bringt. Ein Grund mehr, mich postwendend mit einer Überdosis Bachblüten ­ruhig zu stellen.

Alles, was folgt, bekomme ich nur noch am Rande mit. Zum einen, weil ich durch die vielen Tränen nichts erkennen kann. Zum anderen, weil ich mir mit dem Fläschchen Bachblüten auf Ex eine nicht gerade geringe Menge Alkohol einverleibt habe. Und ich vertrage überhaupt keinen Alkohol.

Ein paar Satzbruchteile finden dennoch den Weg in mein Gehör: »Scheiß Schränke!«, »Ich will schlafen!«, »Klops!« – untermalt von einem sirenenartigen »Ruhe!«.

 

Gut, dass ich mich selbst sediert habe und mir weder Chaos noch Lautstärke etwas ausmachen. Wohlige Wärme und angenehme Schwere entspannen meinen Körper … bis unerwartet eine längst verdrängte Erinnerung in meinem entleerten Hirn erscheint. Ich sehe mich als sechsjähriges Mädchen, an meinem ersten Schultag. Und es ist der Tag, an dem …

»Ruhe!«, kreischt es neben mir und eine Hand greift nach meinem Kind. Entgeistert blicke ich auf. »Wir nehmen den Kleinen mit in unser Schlafzimmer. Und du ruhst dich aus«, sagt Papa und verschwindet mitsamt meinem Kind im Korridor.

Bevor ich etwas erwidern kann, schließt sich die Tür. Dunkelheit und Stille erfüllen den Raum. Ich möchte meinen Eltern gerade hinterherlaufen, als die Erinnerung erneut nach meinem gedanklichen Ärmel greift und mich zurück in die Zeit entführt, als ich ein kleines Mädchen war. Ein kleines Mädchen, das sich sehr fehl am Platz fühlte. Damals, zu der Zeit als das mit den Zwängen begann …

Großmutter, warum hast du solch ein großes Mundwerk?

Die Geschichte meiner Zwänge begann im Sommer 1986. Ich war sechs Jahre alt, scheinbar normal und schaute zu meinem großen Bruder Horst auf.

»Jetzt kümmere ich mich um dich«, sagte dieser im gefühlvollen Ton. Leider nicht zu mir, sondern zu einer Tafel Luftschokolade, die er ungefragt aus meiner Zuckertüte entwendet hatte. Bevor ich protestieren konnte, hatte Horst die Tafel auch schon vertilgt und rülpste mir nur noch ihre molekularen Überreste in die Nase. Ich machte ein trauriges Gesicht.

»War doch nur heiße Luft!«, rief Mama daraufhin. Ich dachte, sie meinte meine Schokolade, doch dann fiel mein Blick auf den blanken Babypopo, den sie dabei fixierte. Der wiederum gehörte meinem neuen Bruder, der trotz seiner Winzigkeit von einer Wichtigkeit umgeben war, die sogar seine Fürze erwähnenswert machte. Ich seufzte laut.

»So, mein bestes Stück, jetzt bist du an der Reihe«, sprach Oma. Schön, dass sie mich mit ihrer Aufmerksamkeit bedachte. Schade, dass ihre aufmunternden Worte gar nicht mir, sondern ihrer Brille galten, die sie infolgedessen putzte.

Als ich gerade überlegte, durch lautstarkes Losheulen auf meinen angeblich so aparten neuen Lebensabschnitt aufmerksam zu machen, übernahm auch das ein anderer. Sirenenartiges Geheul drang aus dem Keller zu uns herauf. Es stammte von einer Säge, mit der sich mein Vater just in dem Moment austobte. An und für sich keine ungewöhnliche Familiensituation, hätte meine Familie nicht vorab behauptet, dass dieser Tag ein ganz besonderer für mein zukünftiges Leben sei. Es war mein erster Schultag, und er hatte in der Tat ganz vielversprechend begonnen.

Ein paar Stunden zuvor strahlte die Sonne mit meiner Lehrerin um die Wette, und ich startete meine ersten zaghaften Annäherungsversuche beim gleichen Geschlecht. Mädchen waren für mich absolutes Neuland. Bislang fristete ich ein Dasein als Anhängsel meines großen Bruders. Der ganze Sinn meines Lebens bestand darin, Horsts Latzhosen auf- und ihm seine Autos hinterherzutragen, während mein großer Bruder wiederum viel lieber einen kleinen Bruder gehabt hätte. Vor ein paar Monaten wurde sein Wunsch dann Wirklichkeit. Billy kam. Mit einem gewaltigen Knall.

»Mama, bitte nicht noch ein Junge«, schluchzte ich, während Horst vor Freude hüpfte. Es hatte vier Tage gedauert, bis wir unser neues Familienmitglied zum ersten Mal begutachten konnten. Billy wurde zeitgleich mit radioaktiven Strahlen in unsere Welt gesetzt, weshalb mein Vater ihn in Tscherno-Billy umtaufte. Nun, da sich die Männer unseres Hauses über ihre Verstärkung freuten, strahlte Mama wie ein kleiner Kernreaktor. »Mutterglück« nannte sie das und ergänzte: »Du kannst dich glücklich schätzen, einen großen Bruder zu haben«. Auch wenn ihre Worte nicht mir, sondern Billy galten, konnte ich diese so nicht bestätigen. Mit meinem eineinhalb Jahre älteren Bruder Horst fühlte ich mich nämlich alles andere als gesegnet. Nicht nur, weil er mich regelmäßig unterdrückte und mir meine Süßigkeiten stibitzte, sondern auch, weil all die wichtigen Lebensetappen bei ihm berauschende Premiere feierten, während mir bloß die abgespeckte Ein-Jahr-darauf-Version vergönnt war. So auch jetzt. Als Horst eingeschult wurde, waren mindestens vierzig Gäste um den reich gedeckten Tisch versammelt. Am Tag meiner Einschulung saß meine übermüdete Mutter neben unserem einzigen Gast: Oma.

Ich blickte auf die viereinhalbköpfige Runde und dann auf den mit Babyartikeln überladenen Tisch, in dessen Mitte ein paar ölige Nussecken noch immer aus der Bäckerstüte lugten, in der sie Oma mitgebracht hatte. Anstatt nach Nuss­ecken griff Horst zum wiederholten Male in meine Zuckertüte, Oma widmete sich abermals ihren Brillengläsern und Mama dem neu in unsere Familie gekommenen und bestimmt auch deshalb so laut protestierenden Billy.

Ich beschloss, die letzten Stunden noch einmal Revue passieren zu lassen, und dachte an die Mädchen. Die langhaarigen, lebenslustigen, liebenswürdigen Mädchen, die meinen ersten Schultag allein durch ihre Anwesenheit zu etwas Besonderem gemacht hatten. Meine Zukunft an ihrer Seite sah wahrhaft rosig aus. Bald schon würde mein Leben nicht mehr nur aus Horst und seinem Männerkram bestehen. Nein, mit meinen neuen Freundinnen würde ich richtige Mädchensachen tun, ohne als verweichlichter Schlappschwanz abgestempelt zu werden. Ich könnte verletzlich und rosarot sein, ohne mich ausgeschlossen und verspottet zu fühlen. Und das Beste: Ich müsste mich nicht mehr länger verstellen, um dazuzugehören. In dieser Erwartung freute ich mich wie ein Honigkuchenpferd, dachte an Flechtfrisuren, frische Blumen und Ponyhöfe, als Oma mich urplötzlich aus meiner kitschigen Träumerei riss. Die Brille ruhte wieder auf ihrer Nase und ihr Blick nun auf mir: »Kind, wir müssen reden!«

Na also. Voller Vorfreude strahlte ich sie an. Und dann versiegte die Vorfreude, da ich lediglich von den Schattenseiten der Schule erfahren sollte. Eigentlich wollte ich solche Dinge gar nicht wissen, schließlich begann meine Welt endlich und zum ersten Mal rosarot zu werden. Und doch hörte ich Oma zu, und das aus zweierlei Gründen: Zum einen waren meine Gesprächspartner rar. Papa sprach meist nur mit ehemaligen Bäumen. Horst sprach nur über Horst. Und Mama war nur noch die Mama meines Minibruders, der wiederum noch nicht einmal sprechen konnte. Zum anderen tat man lieber das, was Oma wollte. Trotz ihres Alters war sie nämlich so willensstark und durchsetzungsfähig, dass man den Eindruck bekommen könnte, sie regiere unser Land. Oma legte auch gleich los. Für sie war die Schule ein Hort des Drecks. Das irritierte mich nun doch, denn so schmutzig kam es mir dort gar nicht vor. Ich meinte mich sogar an eine Putzfrau samt Putzwagen zu erinnern, die einen künstlichen Zitronenduft hinter sich herzogen.

»Papperlapapp! Das Klassenzimmer ist voller Krankheitserreger. Viren, Bakterien, Keime. Klitzekleine Tierchen, die du nicht sehen kannst. Und die dich trotzdem umbringen.«

Mit kleinen Tieren hatte ich keine Probleme, denn die schleppte Horst Zeit seines Lebens in unser Haus. Mit dem Tod hingegen konnte ich so ganz und gar nicht. Wenn dieses Thema aufkam, wurde mir ganz schwindelig und ich versuchte krampfhaft, an etwas anderes – möglichst etwas Lebendiges – zu denken.

Just da zählte Oma jene Seuchen auf, die einen dahinsiechen ließen. Ich erfuhr von abfallenden Körperteilen (Lepra), einer sich auflösenden Luftröhre (Tuberkulose), sich erst schwarz färbender und dann verschwindender Haut (Pest) sowie vom langsamen Sterben an einem simplen Husten (Aids). Tatsächlich war meine Oma ein wandelndes Krankheitslexikon. Kaum ein Wehwehchen, das sie nicht kannte. Zu ihrer Ehrenrettung muss ich jedoch sagen, dass sie sich auch bestens mit Gegenmitteln auskannte, allerdings nur solchen aus dem Mittelalter.

»Übrigens sehen die meisten Kranken nicht einmal krank aus. Und doch tragen sie todbringende Bakterien in sich, die sofort auf dich überspringen.«

Sofort sprang mein besorgter Blick zu meiner Mutter, die aber nur selig vor sich hinlächelte, ihre Brust auspackte und das Billy-Baby anstöpselte. Omas Wissen war noch lange nicht erschöpft: »Kennst du die Tollwut? Die macht dein Hirn kaputt, dann wirst du ganz bösartig. Manche Menschen werden durch diese Krankheit sogar zu Mördern. Und wo verbreitet sich die Tollwut? Na? In der Schule natürlich. Erst letzte Woche stand in der BILD, dass ein Schüler seinen Lehrer verprügelt hatte. Schwarz auf weiß.«

Jetzt bekam ich wirklich Angst. Anders als Mama, die leise vor sich hin kicherte, sodass ihre Brust aus dem Säuglingsmund flog, der sich daraufhin sofort in eine Sirene verwandelte.

»Oma, wie merke ich denn, dass ich Tollwut habe?«

»Du hast Schaum vorm Mund. Unkontrolliertes Sabbern. Dann ist es aber schon fast zu spät.«

Mein Blick fiel auf Tscherno-Billy, für den wohl schon jetzt jede Hilfe zu spät käme. Zum Glück war er noch zu klein, um meine Mutter zu verprügeln. Letztere erkannte den Ernst der Lage irgendwie nicht. Im Gegenteil. Sie kicherte noch immer. Wohl auch deshalb, weil sie die Schule längst überlebt und keine Angst mehr vorm Sterben haben musste. Ich dagegen besaß weder Schulerfahrung noch eine eigene Meinung. Tatsächlich nahm ich all das für bare Münze, was mir dominant zu Ohren getragen wurde. Und überzeugend konnte Oma wie kein anderer sein. Zumindest in meiner Familie, in der neben meinem großen Bruder und meiner Großmutter niemand mit Durchsetzungskraft glänzte. Mama war mit einem milden Gemüt gesegnet, immerzu freundlich und gegenüber Fremden stets verhalten. Generell nahm sie sich zurück, selten erlebte ich sie in Rage. Und das bei drei kleinen Kindern.

So stoisch wie sie war mein Vater schon aufgrund seines lauten Sprechorganes nicht. Letzteres zu nutzen, um anderen die Meinung zu geigen, lag ihm allerdings auch fern. Papa litt offensichtlich unter Harmoniesucht, die oftmals zu einem selbstlosen Helfersyndrom ausartete. Zur Freude von Verwandten und Nachbarn baute er Küchen ein, richtete Gartenzäune auf oder bewältigte komplette Umzüge. Zu Hause kompensierte er Frust und Kummer mit seinem »Holzventil«, schnitzte kleine Spielzeuge oder schreinerte ganze Schränke. An meinem ersten Schultag entstand im Keller ein mittelgroßes Regal, während Oma mich einschneidend über alle Seuchengefahren der Schule aufklärte.

Mittlerweile waren wir bei der Blutvergiftung angekommen: »Wenn die schwarze Linie dein Herz erreicht, ist es aus!« Meine Oberarme sofort auf schwarze Linien kontrollierend, fragte ich mich einmal mehr, warum Eltern ihre Kinder guten Gewissens solchen Gefahren aussetzten. Konnte ich »Schulseuche« als Grund für dauerhaftes Schwänzen ab dem zweiten Schultag angeben? Da kam Oma auch schon zu den Vorkehrungsmaßnahmen. Es bestand also noch Hoffnung.

»Wasch dich, Kind!«

Hatte ich richtig gehört? Mit ihren Händen wie eine Wahrsagerin vor der Kugel herumfuchtelnd ergänzte sie: »Die ganzen Krankheitserreger kannst du einfach so abwaschen. Dann passiert dir nichts.«

»Einfach so abwaschen, Oma?«

»Ja. Wasserhahn auf, Hände darunter, einseifen, alles abwaschen, fertig – und sicher!«

Ich konnte es kaum glauben. Das einzige, was ich gegen all die schlimmen Seuchen und das Sterben tun konnte, war, mir ganz simpel die Hände zu waschen? Oma nickte.

»Nach dem Klo und vor dem Essen. Aber auch vor dem Klo und nach dem Essen. Immer. Jederzeit. Lieber fünfmal zu viel als einmal zu wenig.«

Gesagt, getan.

Ich ging ins Bad. Oma begleitete mich und sah mir neugierig über die Schulter, während ich das klare Wasser über meine Hände laufen ließ, sie kräftig einseifte und alles abwusch. Irgendwie machte diese Prozedur sogar Spaß, sodass ich fast den Ernst dahinter vergessen hätte. Just in dem Moment bemerkte Oma: »Denk immer daran: Mit jedem richtigen Händewaschen ersparst du dir eine furchtbare Krankheit.«

Bevor ich sie fragen konnte, was sie denn unter richtigem Händewaschen verstand, meldete sich in meinem Kopf ein Kerl zu Wort, der darauf eine Antwort wusste: Mach diesen »Spaß« fünfmal hintereinander, sonst passiert etwas Furchtbares. Schnell! Fünfmal auf den Seifenspender drücken, fünfmal verreiben, Wasserhahn auf, Hände darunter und bis fünf zählen. Gleiches Spiel noch einmal. Dann noch einmal, noch einmal und noch einmal. Fertig. Und dann … ja, dann hast du nichts mehr zu befürchten.

Auch wenn ich es befremdlich fand (warum ausgerechnet fünfmal?), tat ich dennoch, was der Typ von mir verlangte, denn er klang nicht minder dominant als Oma, welche gerade wieder dabei war, das Badezimmer zu verlassen. Ich blieb noch ein Weilchen, wusch meine Hände … und wusch … und wusch. Kaum hatte ich den fünften Waschgang hinter mich gebracht, fühlte ich mich zu meiner vollkommenen Verblüffung nicht nur sauber und rein, sondern auch erleichtert und erlöst. Dass harmloses Händewaschen dermaßen viel bewirken konnte, nicht nur Krankheiten, sondern auch klägliche Gefühle in die Kanalisation spülte, hätte ich niemals für möglich gehalten. Ebenso wenig hätte ich gedacht, dass diese unscheinbare, gut duftende Sache der Beginn meiner Zwangsstörung war. Eine Sache, deren Ausmaße niemand vorhersehen konnte. Die Anlagen dafür besaß ich von Anfang an. Sie mussten nur aktiviert werden. Hätte es nicht mit Omas Worten begonnen, dann mit jenen meines Lehrers oder Arztes. Zwangsneurosen suchen sich einen bestimmten Typus Mensch, meist Ängstliche mit geringem Selbstwertgefühl und einem großen Maß sozialer Klebrigkeit.

In dieses Schema passte ich, denn in meinem Innern brodelten die Gefühle, und darüber stand die Angst vor der Ausgrenzung, die mich daran hinderte, meine Gefühle zu offenbaren. In dieser neuen Situation jedoch, mit einem Waschzwang im Gepäck, konnte ich jeglichen Gefühlsballast allzeit in den Gulli befördern. Ein Abwasch, und Keime plus Kummer waren Geschichte. Wie praktisch.

Nachdem Oma verstummte – allerdings nur, weil Papa sie nach Hause fuhr –, dachte ich noch lange über ihre Worte nach. Ich müsste mir fortan nach jeder Unterrichtsstunde die Hände waschen, fünfmal hintereinander. Ja, so würde es gehen.

Nein, so geht es nicht, ließ der Kerl in meinem Kopf verlauten, die Schulseife ist ebenfalls verseucht. Dir bleibt nur eines übrig: Spring nach der Schule ins heimelige Badezimmer und spüle die Seuche von dannen.

Ich verstand. Dann griff ich, einem Geistesblitz folgend, nach meiner Zuckertüte und nahm den Inhalt heraus, den ich bereits mit ungewaschenen Schulfingern berührt hatte. Prompt tauchten die schmutzigen Horst-Hände wie Tentakeln aus der ­Untiefe auf.

»Halt!!!«, kreischte ich meinem großen Bruder voller Panik entgegen, »Diese Süßigkeiten sind verseucht. Daran kannst du sterben!«

»Lecker«, erwiderte Horst, bevor er mit dem kontaminierten Süßkram das Weite suchte. Ich sah ihm und seiner schäbigen Schlammhose nach und schlussfolgerte, dass ihm die Schulseuche wohl nichts mehr anhaben konnte. Schließlich kämpfte sein Körper schon seit einem Schuljahr dagegen an. Du hingegen bist ein zerbrechliches Mädchen! Innerlich vielleicht. Äußerlich war ich eher stämmig.

Schnell steckte ich die wenigen »reinen« Süßigkeiten in einen sauberen Gefrierbeutel und brachte sie auf mein Zimmer. Danach landete die mehr mit Bakterien als mit Bienchen verzierte Zuckertüte im Container.

»Warum wirfst du denn deine schöne Zuckertüte weg?«, fragte Mama irritiert, während sie Billy in ihren Armen sanft hin und her wog. Ich wollte gerade mit einer Gegenfrage antworten, von ihr eine Erklärung verlangen, warum sie ihr einziges Töchterchen ohne schlechtes Gewissen zur Seuchen-Schule schickte, als Klein Billy mal wieder das Wort ergriff, Mama sofort ihre Brust und ich die Flucht – an den Wasserhahn.

Während ich mutterseelenallein vorm Waschbecken stand und das Wasser die Seife von meinen Händen schwemmte, genoss ich zum ersten Mal meine Einsamkeit. Die kaum auszuhaltende Angst vor all den todbringenden Krankheiten verging und meine Enttäuschung über Nur-noch-Billy-Mama verblasste. Was für einen tollen Effekt das Händewaschen doch hatte. Und wie gut, dass ich nicht in die Zukunft sehen ­konnte.

Vom Waschwahn zum Gaga-Gang

Der anfänglich eher unscheinbare Kerl in meinem Kopf wuchs schnell zu etwas Mächtigem heran. Während er mich anfangs noch freundlich ans Waschen erinnerte, nötigte er mich kurz darauf penetrant dazu, und zwar so dominant, dass ich ihn kurzerhand»Kopf-Guru« taufte.

Auf so einen kranken Kram muss ein Kopf erst einmal kommen. Meiner tat es, und ich als sein Sklave wusch mich fortan wie eine Wahnsinnige. Das schien jedoch nicht ausreichend zu sein: Belass es nicht nur beim Händewaschen. Reiß dir nach der Schule alle Kleider vom Leib, spring unter die Dusche und zieh dir danach frisch gewaschene Klamotten an. Nichts, was Kontakt zur Schule hatte, darf in dein Zimmer. Nur so bleibt es ein seuchenfreier Ort.

Natürlich fiel mein eigenartiges Verhalten irgendwann auf. Ich war dauernervös, lief immer wieder gestresst ins Bad, meine bazillenbehangenen Kleidungsstücke stapelten sich im Flur und meine Hausaufgaben verrichtete ich grundsätzlich im ohne­hin schon kontaminierten Wohnzimmer.

»Sag mal, Diana, wofür habe ich dir eigentlich einen Schreibtisch in dein Zimmer geschreinert, wenn du deine Hausaufgaben doch immer im Wohnzimmer erledigst?«, fragte mein Vater.

Das fragte ich mich auch. Ich hatte mir den Schreibtisch lange vor meiner Einschulung gewünscht. Unter den neuen, bakteriellen Umständen konnte ich ihn nicht mehr benutzen. Zumindest nicht in meinem keimfreien Kinderzimmer. Für einen Umzug des Schreibtisches ins Wohnzimmer hätte ich Papa bestimmt nicht begeistern können. Ich wollte ihn auch nicht traurig machen, also kaufte ich zwei sterile Scheinhefte und drapierte diese ordentlich auf der Schreibtischablage. Meinem Vater reichte, was ihm seine Augen vorlogen. Ebenso die Aussage, dass ich meine Hausaufgaben zum Teil im Wohnzimmer und zum Teil in meinem Zimmer machte, was zwangsweise dazu führte, dass ich sie immer in Rekordzeit erledigen musste. Mama war noch immer viel zu sehr mit Tscherno-Billy beschäftigt und Horst hatte zum Glück noch nichts von meinem Kopf-Guru mitbekommen. Noch nicht.

Irgendwann stand er im Flur, als ich mich gerade komplett auszog: »Warum ziehst du dich nicht in deinem Zimmer um?«

»Das verstehst du nicht.«

»Erklär es mir. Ist was mit deinen Klamotten? Hast du da reingepinkelt?«

»Nein, Horst. Sie dürfen nur erst wieder in mein Zimmer, wenn Mama sie gewaschen hat.«

Wie blöd war ich eigentlich? Ich sprach gerade mit Horst, den seine Freunde nicht grundlos »Horror-Horst« nannten.

Schwupps – landete meine verseuchte Schulhose mitten in meinem Zimmer. Während mir die Schockstarre ins Gesicht geschrieben stand, sah mich mein Bruder voller Spannung an und fragte: »Und jetzt? Was passiert jetzt?«

Das wusste ich auch noch nicht. Ich wartete ab, was Kopf-Guru zu sagen hatte. Er meldete sich prompt: Nimm die Hose und bring sie sofort in die Waschküche. Auf dem Weg zurück holst du Lappen und Flüssigreiniger aus dem Putzschrank und bringst den verseuchten Boden wieder ins Reine. Und danach: Händewaschen! Fünfmal hintereinander!

Ich tat, wie mir befohlen. Nicht ohne Horst als »Blödes Arschloch« zu betiteln, der daraufhin anerkennend nickte, während Papa aus dem Keller »Was hab’ ich da gerade gehört?«, hinaufrief und meine Mutter wiederum aus dem Badezimmer antwortete: »Dass er Durchfall hat.«

Als ich gerade mit dem Putzen anfing, stand mein Bruder schon wieder im Türrahmen. »Nee, oder?«, und kringelte sich vor Lachen. Ich wurde wütend. In dem Moment sprach Guru:Wir geben der Wut keine Chance. Los, geh sofort aus deinem Zimmer und dann wieder hinein, dann wieder hinaus und dann wieder hinein … insgesamt fünfmal. Los jetzt!

Wie bitte? Putzen, schön und gut. Hände waschen, schön und gut. Aber was bitte sollte denn der Scheiß jetzt?

Tu es! Oder die Bakterien auf dem Boden und die Wut in deinem Bauch verseuchen das ganze Haus und ihr müsst alle sterben. Also tu es! Sofort!, hallte es durch meinen Kopf wie wohl sonst nur durch deutsche Kasernen.

Ich fügte mich, ging seufzend aus meinem Zimmer und sofort wieder hinein. Das ganze wiederholte ich viermal, dann lag mein Bruder lachend auf dem Boden, und bei mir stellte sich ein ähnliches Erleichterungsgefühl wie nach dem Händewaschen ein. Zu gerne hätte ich gewusst, wie simples Hin-und-Hergehen etwas Derartiges bewirken konnte und Guru erklärte: Wenn du stets tust, was ich dir sage, und auch so oft, wie ich es dir befehle, dann geht es dir gut. Nie wird dich Wut, Kummer oder sonst etwas quälen. Dafür aber musst du immer auf mich hören und alle meine Anweisungen genauestens befolgen.

Unglaublich, dachte ich.

»Unglaublich!«, grölte Horst. »Unglaublich bescheuert bist du!«

Dann nahm er meine restlichen Kleidungsstücke aus dem Flur und drapierte sie auf meinem Bett, das ich daraufhin sofort neu beziehen musste – nicht ohne vorher meine Zimmertür abzuschließen.

»Lass mich rein«, brüllte mein Bruder, gefolgt von: »Papa, die Diana macht ganz komische Sachen, ich komm gleich runter und erzähl dir alles.«

Soll er doch, dachte ich mir. Kaum, dass ich ihn die Treppen hinunterlaufen hörte, schlich ich ins Bad, wusch meine Hände fünfmal hintereinander und ging dann vollends erleichtert in fünfmaliger Rein-und-Raus-Folge in mein seuchenfreies Zimmer.

Wie das Unterirdische zum Außerirdischen wurde

Von nun an wurden die Dinge, die ich tun musste, um nicht wütend, traurig oder sonst etwas zu werden, zunehmend skurril. Und kurz darauf musste ich sie auch tun, obwohl ich gar nicht wütend, traurig oder sonst etwas war.

Kaum, dass ich das Lesen lernte, verging mir auch schon die Lust daran. Guru befahl, jeden Satz fünfzehnmal hintereinander zu lesen, bevor ich zum Nächsten wechseln durfte. Da es überhaupt keinen (Gefühls-)Grund für eine solch offensichtlich verrückte Aktion gab, ignorierte ich seine Anweisung. Daraufhin zählte Guru unfassbare Katastrophenszenarien auf, die in naher Zukunft eintreten würden. Ein großer Sack mit Radio­aktivität würde direkt über unserem Haus ausgeschüttet. Daraufhin würde Tscherno-Billy nicht mehr wachsen, was hieße, meine Mutter wäre auf ewig und einzig die Seinige. Aber das Fieseste war, dass ich auf der Stelle verstrahlt, verseucht und tot sein würde. Da waren wir mal wieder bei dem Thema, mit dem ich so ganz und gar nicht konnte. Guru wusste das und drohte mir besonders oft mit dem Sterben. Und da ich weder in die Zukunft sehen noch mich dominanten Stimmen widersetzen konnte, musste ich seine Anweisungen schließlich doch noch befolgen, ganz egal wie bekloppt sie auch waren. Mein einziger Lichtblick war, dass ich all das lediglich bei uns daheim tun musste und mich in der – hoffnungslos verkeimten – Schule wie ein ganz normales Mädchen verhalten konnte. Zu Hause hingegen wurde es zunehmend verrückt.

Als mir meine Tante bei einem ihrer Besuche mein erstes Buch schenkte, empfand ich das überhaupt nicht als Geschenk. Sie hatte es zu allem Überfluss auch noch selbst gelesen und fragte mich nun immer wieder dazu aus. Leider konnte ich all ihre Fragen nicht beantworten, denn ich hatte das mit mehr Bildern als Text versehene Werk nicht zu Ende lesen können. Meiner Tante reichte das, um mich als unbelesenes Dummerchen abzustempeln. Ich schwieg, denn welchen Stempel hätte mir erst die Argumentation eingebracht, dass mich fünfzehnmal wiederholte Sätze nur mühsam vorankommen ließen und es mir bei all den Wiederholungen zudem schwer fiel, mich auf die eigentliche Geschichte zu konzentrieren?

Schlussendlich gab ich das Lesen auf und widmete mich stattdessen dem Malen. Hier ließ mich Guru paradoxerweise gewähren. Und so malte ich Pferde, die aussahen wie Schweinchen, aber mit viel Fantasie noch als pausbäckige Ponys durchgehen konnten. Kaum, dass ich eine ordentliche Bildersammlung zusammen hatte, überlegte ich – warum auch immer –, eines davon in meinem Zimmer aufzuhängen. Das veranlasste Guru zur »Aktion mit den Fensterbildern«. Ich sollte alle meine vierundzwanzig Werke um siebzehn Uhr an mein Fenster hängen, und morgens um fünf wieder entfernen. Das machte es natürlich unumgänglich, die Uhr zu beherrschen, einen Wecker zu stellen und ein exaktes Zeitgefühl zu entwickeln.

Zwölf Stunden lang müssen die Ponys am Fenster kleben. Keine Minute kürzer und auch keine Minute länger. Sonst schlägt ein Komet ein und sämtliche Menschen und Ponys sterben aus!

Und als ob das nicht schon bescheuert genug wäre, erteilte mir Guru kurz darauf auch noch den Befehl, nach jedem ab- beziehungsweise aufgehangenem Bild fünfmal aus meinem Zimmer zu gehen. Es war nicht nur gestört, es sah nicht nur vollkommen verrückt aus, nein, es war zudem unmöglich innerhalb einer Minute umsetzbar. Und obwohl mir das selbst einleuchtete, konnte ich mich nicht zur Wehr setzen. Guru war einfach stärker als mein Verstand. Und so fügte ich mich erneut, rannte hektisch hin und her, während ich im Wechsel panisch von der Uhr zum Fenster schaute, in der Hoffnung, der Komet habe ein ähnlich schlechtes Zeitgefühl wie mein innerer Kommandant.

»Faxen, die macht Faxen«, lachte Horst, als mein Vater eigentlich mich fragte, was ich da gerade in aller Herrgottsfrühe veranstalte.

»Was sind Faxen?«, fragte mein Vater, als hätte Horst eine Ahnung gehabt.

Ich wollte gerade antworten, als Horst auch das übernahm.

»Außerirdische. Die sind vor ein paar Wochen hier gelandet. So kleine Grüne mit langen Fingern und ’nem großen Raumschiff. Die haben Diana zu ihrer Sklavin gemacht. Seitdem muss sie diese Faxen hier machen: Doof in ihrem Zimmer herumhüpfen, sich im Flur nackig ausziehen, andauernd ihre Hände waschen …«

All das nahm mein Vater als völlig normal hin. Bis auf die Sache mit dem Waschen. Ein Jahr zuvor hatten meine Eltern nämlich eine sündhaft teure Entkalkungsanlage gekauft.

»Für das Geld hätten wir einen Luxusurlaub machen können«, erklärte Papa damals und Mama machte ein trauriges Gesicht. Ein Luxusurlaub wäre ihr lieber gewesen als entkalktes Wasser. Zu spät. Dafür verwandelte sich unser Wasser nun in ein Luxusgut, das nicht mehr verschwendet werden durfte. Darauf wiederum nahm Guru keine Rücksicht.

»Diana, du weißt, was unser Wasser wert ist. Wenn ich dich auch nur einmal beim grundlosen Waschen erwische, kannst du was erleben!«, drohte mein Vater in einem Ton, als seien Außerirdische und mein frühmorgendliches Hin- und Hergehüpfe völlig normal. Dann marschierte er in seine Werkstatt. Ich lief ihm hinterher.

»Papa, ich kann aber nicht anders, weil …«

»Das interessiert mich nicht!«

Wütend griff er nach seiner Holzfeile und wandte sich dem Schraubstock zu, in den er ein wehrloses Stück Holz gespannt hatte.

»Aber Papa, ich kann wirklich nicht anders. Ich …«

»Diana, hüpf wieder in dein Zimmer! Du siehst doch, dass ich zu tun habe.«

Musste er jetzt wirklich wie blöd an einem Stück Holz herumfeilen, während ich kurz davor war, ihm die wahren Gründe für mein Waschen anzuvertrauen? Ungelogen klang es, als würde das Holz weinen.

»Ich muss den Schraubstock ölen«, meinte Papa und wühlte in der Werkzeugkiste.

»Und ich muss meine Hände waschen. Sonst sterbe ich. Oma hat mir das erklärt«, sagte ich so schnell, dass er mich nicht unterbrechen konnte. Leider zu schnell, denn Papa schnappte bloß »Oma« auf.

»Diana, Oma weiß nicht, was unser Wasser wert ist. Ich sage es dir noch einmal: Du wäschst deine Hände maximal dreimal am Tag. Wenn du es öfter tust, dann gibt es Ärger. Großen Ärger. Ich arbeite sicherlich nicht für deine außerirdischen ­Faxen!«

»Aber …«

»Kein Aber!«, schrie er, während seine Faust auf den Tisch zielte, jedoch auf der Kante des Holzblocks landete, der daraufhin aus seiner Quetschpresse flog. Das Holz blieb zwar ganz, Papas Gesicht sah allerdings aus, als würde es gleich in tausend Scherben zerspringen.

Ich ergriff umgehend die Flucht und eilte zu meiner Mutter, die gerade damit beschäftigt war, Tscherno-Billy zu ­wickeln.

»Mama, du warst doch dabei, als Oma von den Bakterien gesprochen hat. Und von den Viren …«

»Würmer«, korrigierte Mama.

»Nein, von Würmern sprach sie nicht«, stammelte ich, den Tränen nah.

Mama sagte gar nichts mehr, schaute stattdessen wie paralysiert auf den blanken Po meines kleinen Bruders. Ich folgte ihrem Blick. Und tatsächlich: Weiße Würmchen schlängelten sich von Pobacke zu Pobacke.

»Mama, warum kriechen ihm Würmer aus dem Hintern?«, fragte ich schockiert.

»Ich habe ihm vor ein paar Tagen püriertes Obst gegeben. Da waren wohl Wurmeier drin.«

»Welches Obst???«, schrien Guru und ich gleichzeitig.

»Pfirsiche.«

Vorsicht vorm Pfirsich!, warnte Guru und befahl, ab sofort keine Pfirsiche mehr zu berühren und auch nicht jenes Obst, das mit ihnen in Berührung gekommen sei.

So also gingen die Faxen auch noch auf das Essen über.

Ein kurzer Mädchentraum

Zu meinem Glück musste ich in der verseuchten Schule keine Faxen machen. Zu meinem Pech ließen die ersehnten Mädchenfreundschaften ebenso auf sich warten: erstens, weil ich mir mit meiner Schüchternheit selbst im Weg stand. Zweitens, weil sämtliche Mädchen meiner Klasse bereits neben ihrer besten Freundin aus dem Kindergarten saßen, den ich blöderweise ein Jahr zuvor zusammen mit meinem großen Bruder verlassen hatte, und sich ewige Treue schworen, bis dass die Uni sie scheide. Und drittens, weil ich notgedrungen Abstand zu den verwurmten Pfirsichen halten musste, die meine Klassenkameradinnen mit Vorliebe verzehrten, wenn sie nicht gerade skeptisch auf die einstige Latzhose meines großen Bruders starrten, in der ich verängstigt vor ihnen stand.

Notdürftig platzierte mich die Lehrerin neben einen stämmigen und schweigsamen Jungen mit rosigen Wangen, roten Locken und noch roteren Sommersprossen. Das einzige, was ich von ihm erfuhr, war, dass er ein »Zeuge Hier-Hof-Was« war. Das schien eine schlimme Sache zu sein, denn er durfte weder seinen Geburtstag noch Weihnachten feiern. Dafür hatte er eine Freistunde, wenn wir anderen im Religionsunterricht waren. Er tat mir irgendwie leid, und nur zu gerne hätte ich mich mit ihm unterhalten, doch er beachtete mich nicht. Nein, er sah mich noch nicht einmal an und schließlich verschwand er ganz, um kurz darauf auf dem freien Platz neben dem einzigen Alleinsitzer wieder aufzutauchen. Damit war der Platz neben mir frei, und sollte es auch bleiben. Ich saß allein an meinem Tisch und fühlte mich wie das fünfte, pfirsichverängstigte Wagenrad der Klasse.

Um nicht vollends zu vereinsamen, rannte ich in den Schulpausen aufs Neue meinem großen Bruder hinterher, der sichtlich genervt von seiner kleinen Gaga-Schwester war. Ich selbst wäre ja am liebsten zu meiner bakterienfreien Oma geflohen, denn die schien das einzige Mädchen zu sein, das mich verstand. Ganz besonders an dem Tag, als meine Eltern dem Testosteronwahnsinn noch einen Gipfel aufsetzten, der auf den Namen Holger hörte: »Euer Cousin bleibt jetzt erst einmal bei uns. Er geht sowieso mit Horst in eine Klasse und wir haben doch noch ein Zimmer frei«, verkündete Mama an dem Tag, als sie Billy abstillte und wahrscheinlich unter Hormonschwankungen litt. »Auf ein Mäulchen mehr oder weniger kommt es doch nicht an.«

Natürlich nicht. Und deshalb wäre ich auch am liebsten aus dem Fenster gesprungen (wenn ich nicht solche Todesangst gehabt hätte), aber dann wäre ich auf Horst gelandet, der sich unten auf der Terrasse wie ein Schneekönig über seinen gleichgeschlechtlichen und gleich schlechten Mitbewohner freute. Stattdessen stand ich hilflos vor meinem Cousin, der mir als erstes den Kinderriegel aus der Hand klaute.

»Mama, ich mag Holger nicht«, jammerte ich.

»Schön, Kind, Holger mag dich auch.« Mama nahm Billy in den Arm und gab mir einen Keks in die Hand, der zwei Sekunden darauf in Holgers Mund landete.

Kurz darauf folgte die Krönung und meine Eltern adoptierten Holger offiziell. Etwas Schlimmeres hätte mir wohl kaum passieren können. Nun musste ich mich nicht mehr nur gegen Horror-Horst behaupten, sondern auch noch gegen Höllen-Holger, der es sich gleich in der ersten Woche zur Aufgabe machte, sämtliche Kung-Fu-Tritte an mir auszuprobieren.

»Kann Holger nicht wieder zu seinen Eltern ziehen?«, flehte ich meine Mutter an, und diese eröffnete mir daraufhin, dass Holgers Eltern leider keine Zeit mehr für ihren einzigen Sohn hätten.

Ich konterte, dass meine Eltern leider auch keine Zeit mehr für ihre einzige Tochter hätten, und da lachte Mama und sprach: »Ja, aber wir sind wenigstens hier. Holgers Eltern sind weg. Weit weg. Nicht einmal mehr in Deutschland.«

Tja, und ab diesem Tag hatte ich drei Brüder und wurde zum einsamsten Mädchen unseres Hauses. Und zeitgleich auch noch das einsamste Mädchen unserer Schule, denn in den folgenden Wochen saß ich nicht nur allein auf der Schulbank, sondern auch noch allein auf dem Schulhof – es sei denn, ich hatte Lust, mich von Holger verkloppen zu lassen.

Als ich gerade so richtig schön in Selbstmitleid zerfließen wollte, meldete sich Guru wieder: Keine Chance den schlechten Gefühlen! Wenn du nachher heimgehst, dann machst du etwas ganz Neues.

Na, da war ich ja mal gespannt, was für einen Blödsinn er sich jetzt wieder für mich einfallen ließ. Kaum, dass mich das Klingeln aus dem Schulgebäude beförderte, befahl mein innerer Diktator, einen Blick auf die gepflasterte Straße zu werfen.

Siehst du die Fugen zwischen den einzelnen Steinen?

Ja klar. Ich war ja weder blind noch blöd.

Gut, ab sofort ist jede Rille tabu für dich!

Das konnte unmöglich Gurus Ernst sein.

Das ist mein voller Ernst. Ab sofort dürfen deine Füße keine Fugen mehr berühren. Ansonsten sitzt du nicht nur allein – du stirbst auch allein!

Ich konnte es nicht fassen. Jetzt sollte ich mich auch noch draußen, in aller Öffentlichkeit, zum Hampelmann machen? Ich wusste nicht, was schlimmer war, derartiges Bloßstellen oder baldiges Sterben.

Okay, okay, lenkte Guru ein,