Wilde Zeiten – Wie du deinen Sohn gelassen durch die Pubertät begleitest. - Katharina Meinhold - E-Book

Wilde Zeiten – Wie du deinen Sohn gelassen durch die Pubertät begleitest. E-Book

Katharina Meinhold

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  • Herausgeber: neobooks
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Die Pubertät kann für Eltern, Lehrer und Heranwachsende eine herausfordernde Zeit sein. Gerade Jungs gelten als gefährdet. Doch bietet die Pubertät auch Chancen? In diesem Buch geht es um die entscheidende Phase vor dem Erwachsensein. Die biologischen Hintergründe werden ebenso beleuchtet wie die Gefahren und der Umgang damit. Praxisnah bekommst du Tipps, wie sich das Verhältnis zu Schule & Co und der Familienalltag wandeln. Du erfährst, was es mit der ersten Liebe und der neuen Verortung in Jugendgruppen auf sich hat und wie mit neuen Medien und ihren speziellen Herausforderungen umzugehen ist. Vor allem solltest du eins nicht vergessen: So einzigartig wie dein Kind und seine Entwicklung ist auch die Pubertät. Sie kann völlig unbemerkt an euch vorbeiziehen oder sehr konfliktbelastet sein. In jedem Fall bietet sie die Chance, die Fähigkeiten für ein erfolgreiches, selbstständiges Leben im geschützten Rahmen zu erwerben, bevor das große Abenteuer des Erwachsenseins beginnt.

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Seitenzahl: 148

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Wilde Zeiten

Wie du deinen Sohn gelassen durch die Pubertät begleitest. So bleibt ihr in Kontakt, wenn sich alles verändert.

1. Auflage

Copyright © 2021 – Katharina Meinhold

Alle Rechte vorbehalten.

Die Rechte des hier verwendeten Textmaterials liegen ausdrücklich beim Verfasser. Eine Verbreitung oder Verwendung des Materials ist untersagt und bedarf in Ausnahmefällen der eindeutigen Zustimmung des Verfassers.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Ängste der Eltern vor der Pubertät

Erwartungen, Herausforderungen und Realität

Die eigene Geschichte

Kommunikation in der Familie

Vom Wandel

Achtsamkeit als Prinzip

Familienverhältnisse als Rahmen

Vertrauen auf dem Prüfstand

Erziehung ist keine Einbahnstraße

So schwer es auch manchmal fällt – positiv bleiben

Worauf zu achten ist

Pubertät – was ist das eigentlich?

Körperliche Veränderungen – geistiger Ausnahmezustand

Was läuft anders bei Jungs?

Wachstum als Problem

Vom zarten Flaum zum Bart

Breite Schultern oder lang und dünn?

Fettiges Haar und erste Pickel

Und plötzlich kippt die Stimme weg

Erster Samenerguss

Leben mit einem neuen Körper

Worauf zu achten ist

Gehirn im Ausnahmezustand

Umbau im Kopf

Verlust und Aufbau

Gray matter ade!

Ziel: Effizienz

Alles Amygdala: ständig auf Abwehr!

Empathie? Under Construction!

Raue Schale – sensible Phase

Starke Eindrücke mit prägender Wirkung

Höchstleistungen an Kreativität und Intelligenz

Worauf zu achten ist

Hormongesteuert? Zur psychosozialen Entwicklung

Testosteron im Überschuss und was es mit Jungen macht

Gefühlschaos – zwischen Sehnsucht und Aggression

Demontage der Eltern

Auf der Suche nach neuen Vorbildern

Sich neu (er)finden

Vom besten Freund bis zur Gang – Gruppendenken und Gefühle

Sexuelle Orientierung: Alles ist möglich!

Feste Freundin oder Frauenheld?

Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt …

Worauf zu achten ist

Schule – zwischen Bildungsnotstand und Versagensängsten

Zu hoher Druck oder anspruchslos?

Welche Schule ist die richtige?

Mut zur Alternative

Underachiever – vom Umgang mit Schulverweigerern

Motivation in der Pubertät

Rollenspiel mit Klassenclown, Anführer und Sonnyboy

Außenseiter?

Mobbing und Bullying

Kampf um den Abschluss – Noten mit System auf der Zielgeraden

Worauf zu achten ist

Perspektiven entwickeln

Berufswahl oder Berufung?

Praktika und Reisen

Erfahrungen sammeln

Nicht für die Schule, für das Leben …

Angstfrei und mit Vertrauen

Eigene Fähigkeiten entdecken

Studium? Ausbildung? Oder beides?

Ziele formulieren und korrigieren

Elternwunsch und Selbstständigkeit

Worauf zu achten ist

Schöne neue Medienwelt

Social Media

Jugendschutz im Netz

Permanent online

Stress durch Handy und PC

Zocken rund um die Uhr

Konditionierung oder Sucht?

Selbstständigkeit im Internet

Medienschule in der Pubertät

Nutzungsverhalten und Regeln

Worauf zu achten ist

(Sehn)Sucht nach Erfahrung

Diversität hat viele Seiten

Ausprobieren

Lust auf Neues

Die erste Zigarette – ein Must-have?

Partydroge Alkohol

Drogen: Ist Prävention möglich?

Alternativen entwickeln

Gesunder Lebensstil als Trend

Was tun? Von Rechtsfragen bis zu professioneller Hilfe

Worauf zu achten ist

Schlaf, Struktur und Ernährung

Wenn aus Lerchen Eulen werden

Was passiert im Schlaf?

Wunder Melatonin

Den eigenen Rhythmus finden

Tagesstrukturen neu definieren

Systemische Zusammenhänge begreifen

Gesunde Ernährung als Basis

Essstörungen bei Jungen?

Vorbildwirkung und Orientierung

Worauf zu achten ist

Verantwortung – für sich selbst und für andere

Zusammen-Leben neu gestalten

Aufgaben, Pflichten und Rechte

Gemeinsam Regeln definieren

Ab wann zu Club und Party?

Engagement und Risiko

Fairness und Teamgeist: Sport

Grenzen schrittweise erweitern

Ist Disziplin out?

Von einem, der auszog …

Worauf zu achten ist

Vielen Dank

Impressum

Vorwort

Die Pubertät gilt als schwierige Phase, sie stellt für Eltern, Lehrer und Kinder eine Herausforderung dar. Der Übergang vom Kind zum Erwachsenen ist eine der entscheidenden Phasen im Leben. Hier werden meist die Weichen gestellt, wird mit dem Ausbildungsweg die berufliche Laufbahn bestimmt. Gleichzeitig finden sexuelle Orientierung, die Übernahme von Verantwortung und ein gewaltiger Umbau statt. Gerade Jungen gelten als gefährdet. Sie neigen verstärkt zum Risiko, wirken oft aggressiv und angriffslustig.

Was zum einen biologisch bestimmt ist, trifft zum anderen auf eine Welt, die sich immer schneller dreht und immer rascher verändert. Die stets neue Orientierung fällt selbst Erwachsenen schwer, Jugendliche können noch schneller vom Strudel ergriffen werden und sich womöglich darin verlieren. Doch Angst ist ein schlechter Ratgeber. Zwar glaubt man, sein Kind nicht mehr zu kennen, wenn es einem plötzlich ablehnend, launisch oder sogar aggressiv gegenübertritt. Man verzweifelt womöglich, wenn im entscheidenden Moment vor den Bewerbungen die Zensuren zu wünschen übrig lassen und die Schule völlig zur Nebensache wird. Man kann nur schwer verstehen, warum ein Teenager plötzlich bis mittags schläft und abends einfach nicht zur Ruhe kommt oder Handy und PC ohne Pause im Einsatz sind.

Wie geht man um mit Neuen Medien, die einem selbst noch nicht in ihrem ganzen Ausmaß vertraut sind? Wie erkennt man Sucht und wie wirkt man ihr entgegen? Treten Probleme mit Alkohol oder gar Drogenkonsum auf, stellt sich bei vielen Eltern Verzweiflung ein. Scham und Wut sind Emotionen, die niemandem fremd sind, der es mit einem „Problemkind“ in den eigenen vier Wänden zu tun hat. Doch die Fokussierung auf das womöglich Problematische allein bringt niemanden weiter.

Jugendliche müssen ihren Weg finden und dieser führt oft durch abseitiges Gelände. Sie müssen lernen, das Maß zu finden, um Grenzen zu überwinden und Grenzen zu akzeptieren. Dieser Weg ist für alle nicht leicht. Wir Eltern sehen uns in dem Dilemma, das Beste für unser Kind zu wollen. Wir sehen Gefahren, die junge Menschen nicht erkennen, sondern als Herausforderung oder aus Neugier bewusst für sich annehmen. Es fällt schwer, in solchen Momenten das richtige Maß zwischen Toleranz und Verbot zu wählen.

Mit der Pubertät wandeln sich nicht nur Jugendliche, sondern auch Eltern. Die gesamte Familie befindet sich in einem Umbauprozess. Aus dem behüteten Kind wird ein Jugendlicher, der seinen Platz in der Welt finden will und muss. Das Elternhaus wird zur Basisstation, die dem jungen Mann die möglichst besten Startbedingungen bieten sollte und tatsächlich wie bei einer Expedition auf jeden Ernstfall eingerichtet sein muss, ohne ein Klima der Angst zu verbreiten.

Wer furchtsam verweigert und verbietet, kommt nicht weit. Das Leben an sich ist gefährlich und benötigt Vertrauen. Damit soll nicht der Waghalsigkeit das Wort geredet werden. Doch es wäre falsch, Jugendlichen aus Vorsicht das Jungsein austreiben zu wollen. Die Reaktion wird dann womöglich nur umso heftiger sein. Es hilft manchmal, sich an die eigene Jugend zu erinnern und eine ehrliche Biografie-Schau zu halten: Schnell stellt man fest, dass man auch (und oft immer wieder) mit Orientierungsphasen zu kämpfen hat, wobei gerade die Pubertät zu den größten im Leben zählt. Toleranz, Gelassenheit und Selbstbewusstsein sind entscheidend, wenn man sich der eigenen Verantwortung als Eltern bewusst ist und seinem Sohn den liebevollen Hintergrund geben will, den er benötigt, um aufzubrechen und seinen eigenen Weg zu gehen.

Dieses Buch bietet einen Überblick über die wichtigsten Fragen der Pubertät bei Jungen und hilft mit praktischen Tipps und kleinen Übungen, die neue Situation besser zu verstehen und Lösungswege für den individuellen Gebrauch zu finden. So findet ihr euch im Dschungel der Pubertät mit eurem Sohn besser zurecht und könnt euch vielleicht sogar auf die wilden Jahre freuen, wie auf ein großes neues Abenteuer.

Gender-Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsneutrale Unterscheidung verzichtet. Bei personenbezogenen Hauptwörtern sind selbstverständlich stets alle Geschlechter angesprochen.

Ängste der Eltern vor der Pubertät

Um die Pubertät wird viel gestritten: Sie gilt als eine Phase der Herausforderung auf allen Gebieten. Seit der Antike wird vor allem vor jungen Männern gewarnt, wird die Phase des Übergangs problematisiert. Eine Herausforderung ist sie zweifellos: vor allem für euren Jungen selbst, denn neben einem Wachstumsschub steht ein kompletter Umbau des Gehirns an.

Doch solltet ihr als Eltern nicht vorab in Panik verfallen, sondern Ruhe bewahren und eure individuelle Situation verantwortungsbewusst im Auge behalten. Vertraut auch auf das, was ihr bisher als Eltern geleistet habt, denn auch die Rahmenbedingungen zählen in dieser ereignisreichen Phase.

Erwartungen, Herausforderungen und Realität

In einer immer komplizierter werdenden Zeit erleben sich Eltern oft als überfordert. Sie stehen zwischen allen Fronten: Der Druck der Schule, die Angst vor der Zukunft, die täglich zunehmende Unsicherheit der eigenen Verhältnisse belasten sie, ihre Beziehung, das Verhältnis in der Familie. Diese Ängste übertragen sich auf die Kinder.

Die Pubertät wird dabei nicht selten zur Projektionsfläche. An sich ist sie keine Katastrophe. Es handelt sich um eine Übergangsphase, in der aus dem Mädchen eine Frau, aus dem Jungen ein Mann wird. Dabei spielen physiologische und psychologische Umbau- und Reifungsprozesse, die sich in einem bestimmten zeitlichen Rahmen vollziehen, eine Rolle. Wer in einem positiven Umfeld aufwächst und starke Erwachsene um sich hat, die gerne Mann und Frau sind und sich erfolgreich Herausforderungen stellen, der wird auch gerne teilhaben wollen und sich in dieser Phase auf das Erwachsenwerden vorbereiten. Wer in Verunsicherung lebt, wird es schwerer haben.

Doch letztlich ist die Pubertät immer ein individueller Prozess. Eltern mit mehreren Kindern kennen das bereits: Ein Kind pubertiert stark, während andere die Phase beinahe problemlos überstehen. Bei einem ist es kaum auszumachen, wann die Pubertät stattgefunden hat, bei anderen dehnt sich der Prozess über Jahre hinweg. Das Erwachsenwerden erscheint ihnen wenig attraktiv. Physische Wandlung und psychische driften auseinander.

Gerade Jungen werden schnell zur Zielscheibe von Vorurteilen. Sie gelten rasch als Rabauken, Unruhestifter, Schulversager. Diese Zuschreibungen haben nicht selten Folgen und ein Junge verhält sich exakt so oder zieht sich tief verletzt zurück. Das kann bis zur Depression gehen oder sich in Suchtverhalten äußern. Wichtig ist es, sich als Erwachsener angstfrei und ohne Vorurteile auf die eigene, spezifische Situation in der Familie einzustellen und so dem Sohn die Möglichkeit zu geben, seine Pubertät zu durchleben.

Die eigene Geschichte

Während des Zusammenlebens mit eurem Sohn sind euch sicher bereits zwei Dinge aufgefallen: 1. Nichts geht unbedingt nach Lehrbuch und 2. die eigenen Prägungen haben einen großen Einfluss auf unser Verhalten dem Kind gegenüber. Unsere eigene Geschichte bestimmt unsere Beziehungen in vielfältiger Weise. Sie hat Einfluss auf unsere Kommunikation, unsere Art zu streiten, Freude zu zeigen, Kritik und Liebe zu äußern. Sie hat auch immensen Einfluss auf unser Geschlechterbild und die Erwartungen, die wir an einen Heranwachsenden stellen.

Wer sich bereits intensiv mit sich selbst befasst hat, die eigenen Stärken und Schwächen kennt, wer mit seinem Partner im Austausch steht, der reflektiert und korrigiert sein Verhalten, ohne an Authentizität zu verlieren. Er ist sich bewusst, dass die eigene Wahrnehmung nur eine durch seine eigene Geschichte geprägte Sicht ist. Hat dieser Prozess der Achtsamkeit sich selbst gegenüber bereits vor der Pubertät des eigenen Kindes eingesetzt, wird Verletzungen und Missverständnissen vorgebaut. Der Erwachsene kann dann souveräner mit der Situation umgehen und sich verantwortungsbewusst verhalten.

Stammen beide Elternteile selbst aus einem sicheren, liebevollen Familienumfeld, haben sie es deutlich leichter. Sie wissen intuitiv, wie man mit Herausforderungen und Streit umgeht. War das eigene Heranwachsen jedoch belastet, können sich diese Belastungen wiederum einstellen. Das ist keine magische Wiederholung, sondern einfach das Agieren in den erlernten Parametern (Vorgaben). Hat eine Mutter unter einem sehr dominanten oder sogar jähzornigen Vater gelitten, kann es sein, dass sie selbst aufbrausend reagiert oder Verhaltensweisen, die einen solchen Ausbruch bei ihrem Sohn auslösen könnten, vermeidet. Dem Jungen fehlt damit ein ausgeglichenes Gegenüber. Er wird nun seinerseits entweder aufbrausend oder geduckt reagieren. Die erwachsene Orientierungsperspektive fehlt.

Durch eine intensive Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich können die individuelle Entwicklungsgeschichte begriffen und das eigene Verhalten korrigiert werden. Übermäßige Ängste, Aggressionen oder Ausweichhaltungen lassen sich dann rechtzeitig korrigieren.

Kommunikation in der Familie

Die eigenen Kindheitserfahrungen haben uns geprägt. Sie äußern sich vor allem auch in unserer Kommunikation. Was wir sagen und wie wir etwas verstehen, hängt auch davon ab, was wir sagen und wie wir etwas verstehen wollen. Wir hören und verstehen durch Filter. Dadurch kommt es immer wieder zu Missverständnissen. Diese treten allgemein im Leben, in der Paarbeziehung und in dem Verhältnis der Eltern zu ihrem Sohn auf.

Bemüht man sich in der Familie um eine liebevolle, zugewandte Atmosphäre, ist gewaltfreie Kommunikation (nach Marshall B. Rosenberg) ein Handlungskonzept, das über den rein verbalen Bereich hinausgeht und die Bindung in der Familie stärkt. Während Tadel, Zurechtweisungen und Beschimpfungen demütigen, Widerspruch hervorrufen oder nachhaltige Schäden hinterlassen, ermöglicht gewaltfreie Kommunikation Entwicklung, Öffnung und das sachliche Lösen von Konflikten, ohne dass Familienmitgliedern die Rolle von Gewinnern oder Verlierern zugewiesen wird.

Dabei sollte man jedoch nicht in pseudo-positive Setzungen verfallen. Eine nur scheinbar gewaltfreie Sprache, die zwar Beschimpfungen und Zuweisungen vermeidet, jedoch Verachtung und Zurechtweisung transportiert, wird von Jugendlichen schnell entlarvt und beschädigt das Vertrauen langfristig. Ärger lässt sich als Ärger äußern, wenn deutliche Ich-Botschaften gesandt werden. Damit zeigen wir, dass wir ein Problem haben und geben anderen die Möglichkeit, uns zu unterstützen und eine Lösung zu finden. Bei einer Du-Botschaft schieben wir dem anderen das Problem zu, identifizieren ihn vollkommen damit und lassen ihn mit der Herausforderung allein. Statt auf eine Problemlösung fokussieren wir auf eine Schuldzuweisung und bringen das Kind zwangsweise in die Situation, sich wegzuducken oder sich zu verteidigen. Ziel sollten immer ein lösungsorientiertes Handeln und ein respektvoller Umgang miteinander sein. Lebt ein Paar diese Art der Kommunikation vor, übernehmen Kinder die gewaltfreie Art zu kommunizieren und sind auch während der Pubertät mit den Kriterien einer achtungsvollen Auseinandersetzung vertraut.

Vom Wandel

Menschliche Beziehungen verändern sich. Sie sind nicht statisch verankert, sondern in Bewegung. In der Familie sollten diese Veränderungen auf Basis der Verbindlichkeit Raum zur freien Entfaltung bekommen. Verbindlich bleibt die Beziehung als Familie, die sich liebe- und vertrauensvoll zugewandt ist. Dennoch können sich auch die Beziehungen innerhalb der Familie wandeln.

Verschiedene Ebenen können dabei betrachtet werden:

Zum einen ist es die Beziehung des Paares zueinander. Ihr habt bereits erlebt, wie ihr aus einem auf sich bezogenen Paar zu Eltern wurdet und mit eurem Kind eine Familie gebildet habt. Ihr seid in diesem Prozess gewachsen.

Mit der Entwicklung des Kindes verändert sich auch die Beziehung zwischen Eltern und Kind.

Vielleicht sind vorab bereits Geschwister dazugekommen oder euer Sohn hat schon eine ältere Schwester. Auch in dieser Beziehung werdet ihr Wandel bemerken – mal sind sich die Geschwister näher, mal entfernen sie sich voneinander. Dabei spielen verschiedene Faktoren wie das Alter eine Rolle.

Wenn wir Familie als eine systemische Verbindung betrachten, die aus einem Geflecht von Beziehungen versteht, erkennen wir das Lebendige dieser Form, das sich dem Wandel gar nicht verschließen kann. Geht es einem Familienmitglied nicht gut, sind die anderen betroffen. Stehen die Eltern vor Herausforderungen, trifft es auch die Kinder. Ändert ein Familienmitglied seinen Status entscheidend, indem es in den Kindergarten, in die Schule oder eben in die Pubertät kommt, sind auch die anderen betroffen und werden in irgendeiner Form mit einbezogen.

Achtsamkeit als Prinzip

Die Pubertät kann mit extremen Stimmungsschwankungen verbunden sein. Ähnlich wie in der Schwangerschaft übernehmen zeitweise die Hormone die Regie. Eltern und Geschwister sehen sich auf eine harte Probe gestellt. Eigene Befindlichkeiten und Tagesform kommen hinzu. Nicht immer versteht die kleine Schwester, warum der große Bruder aufbraust oder der Vater fast die Nerven verliert. Nicht immer ist die Mutter ausgeglichen und gut gelaunt.

Ein achtsamer Umgang miteinander (wie ihn auch die gewaltfreie Kommunikation empfiehlt), ist hier wichtig. Damit das in der Familie klappt, muss man auch auf die eigenen Ressourcen achten. Dazu gehört es, regelmäßig Pausen zu machen und Auszeiten zu nehmen, für Entspannung und Ausgeglichenheit zu sorgen. Damit sendet ihr gleichzeitig Signale an euren Sohn und wirkt als Vorbild. Wenn er erlebt, wie ihr selbst regelmäßig Yoga praktiziert oder Achtsamkeitsmeditationen in euren Alltag einbaut, wie ihr selbst Stress durch Jogging oder Spaziergänge abbaut, kann er sich daran orientieren.

Der Umgang den, Eltern mit sich selbst pflegen, wirkt ebenfalls prägend. Das bedeutet nicht, zu einem Wellnessurlaub aufzubrechen, wenn zu Hause die Wände wackeln oder egoistisch auf einer Vorzugsbehandlung zu bestehen, sondern es zeigt, wie man die eigenen Kräfte einteilt und sich dadurch physisch und psychisch so fit hält, dass man für die anderen da sein kann. Eine Mutter, die hier alles geben will, kann das nur, wenn sie selbst gesund und ausgeruht ist. Ein Vater, der sich hier mit ganzer Kraft einsetzen will, schafft das nur, wenn er gelernt hat, sich auch zu entspannen und gut zu sich selbst zu sein.

Familienverhältnisse als Rahmen

Familien sind unterschiedlich – heute noch mehr als in früheren Zeiten. Es gibt die klassische Kleinfamilie mit oder ohne Trauschein, alleinerziehende Frauen und Männer mit einem oder mehreren Kindern, gleichgeschlechtliche Paare oder Großfamilien mit vielen Kindern und mehreren Generationen in der unmittelbaren Umgebung. Es gibt Stieffamilien, bei denen ein Verlust im Hintergrund steht und kunterbunte Patchwork-Formen. Familie muss nicht qua Geburt legitimiert sein, sondern kann auch in frei gewählter Form als langfristiger Verbund existieren.

Entscheidend für eine gute Ausgangsbasis ist die Stabilität. Diese kann im Alleinerziehenden-Haushalt ebenso gegeben sein wie im Mehrgenerationenverbund. Sie kann aber auch anfällig sein. Ein Jugendlicher kann sich in einem Öko-Dorf ebenso unverstanden fühlen wie in einer 1-1/2-Zimmer-Wohnung in einer Großstadt in prekären Verhältnissen.

Das Umfeld eines Jugendlichen sollte Stabilität vermitteln und Rückzugsraum bieten. Es sollte ebenjene Basisstation sein, die ein Bergsteiger benötigt, wenn er zu einer Expedition aufbricht. Der Jugendliche muss wissen, dass er nach Hause kommen kann und dort immer alles findet, was er braucht. Er muss wissen, dass er bedingungslos geliebt wird.

Das bedeutet nicht, dass es keine Regeln gibt und das er im rechtsfreien Raum schwebend tun und lassen kann, was er will. Regeln, Grenzen und Sanktionen sind Teil einer stabilen Familienbeziehung. Sie sind nicht mit einem Liebesentzug gleichzusetzen, sondern notwendig, um Beziehungen zu regeln und Familie zu erhalten.

Dennoch ist immer im Einzelfall zu schauen, welche Belastungen mit der Familienkonstellation zusammenhängen können. Wer als gut verdienende Ärztin allein lebt, kann sich Unterstützung organisieren. Wer prekär am Rande der Gesellschaft existiert und jeden Tag unter Druck steht, hat es schwerer, mit dem Entgelt seines Jobs Betreuung oder Freizeitangebote zu organisieren. Wer mit Unterstützung nur halbtags tätig ist, materiell ausgesorgt und viel Zeit hat, kann womöglich perfekt mit der Situation umgehen.

Doch auch das Materielle allein ist nicht entscheidend, wenn es um ein Zuhause mit einem Pubertierenden geht: Wichtig sind Verständnis, Zuneigung und Regeln, an denen sich ein Heranwachsender orientieren kann.

Vertrauen auf dem Prüfstand