Wildfire - Hannah Grace - E-Book
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Wildfire E-Book

Hannah Grace

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Beschreibung

Eine unvergessliche Nacht und ein Sommer, der alles verändert

Aurora Roberts will sich ändern. Sie will nicht länger als das selbstzerstörerische Partygirl gelten - und ein Sommer als Campbetreuerin im Honey Acres soll es ihr ermöglichen. Weit weg von Maple Hills, dem College und allem, was damit zu tun hat, versucht Aurora, sich selbst zu finden. Als sie am ersten Tag des Sommercamps jedoch plötzlich ausgerechnet Eishockeyspieler Russ Callaghan gegenübersteht, geraten ihre guten Vorsätze ins Wanken. Denn Russ und Aurora hatten vor Kurzem einen leidenschaftlichen One-Night-Stand, den beide nicht vergessen können. Doch im Camp sind Beziehungen zwischen den Betreuenden strengstens verboten! Können Russ und Aurora dem Feuer, das seit jener Nacht unaufhörlich zwischen ihnen lodert, wirklich widerstehen? Oder gehen sie das Risiko ein, sich zu verbrennen?

»Hannah Grace schreibt Bücher, die ein Feuer in meinem Herzen entfachen. Berührend, aufregend und zum Verlieben. Ich kann es nicht abwarten, nach Maple Hills zurückzukehren!« LEANDRA.TINKER

Band 2 der MAPLE-HILLS-Reihe von Hannah Grace

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Seitenzahl: 590

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INHALT

Titel

Zu diesem Buch

Leser:innenhinweis

Widmung

Playlist

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

Epilog

Danksagung

Die Autorin

Die Romane von Hannah Grace bei LYX

Impressum

Hannah Grace

Wildfire

Roman

Ins Deutsche übertragen von Richard Betzenbichler

ZU DIESEM BUCH

Ein Sommer als Campbetreuerin im Honey Acres soll Aurora Roberts wieder auf den richtigen Pfad bringen. Das Ferienlager irgendwo im Nirgendwo von Kalifornien, das Aurora selbst als Kind besucht und geliebt hat, bietet ihr die Chance, die Zeiten als selbstzerstörerisches Partygirl hinter sich zu lassen und ihr Leben umzukrempeln. Weit weg von Maple Hills hat Aurora endlich die Möglichkeit, sich selbst zu finden. Das dachte sie zumindest, bis sie am ersten Tag des Sommercamps ausgerechnet Russ Callaghan gegenübersteht. Den gleichermaßen attraktiven wie schüchternen Eishockeyspieler hat Aurora das letzte Mal auf einer Collegeparty der Maple Hills Titans gesehen – als sie sich nach einem leidenschaftlichen One-Night-Stand mit ihm kurzerhand aus dem Zimmer geschlichen hat. Ein Blick in seine saphirblauen Augen jedoch genügt und Aurora weiß, dass das Feuer seit jener Nacht weiter unaufhörlich zwischen ihnen lodert. Doch Beziehungen zwischen Betreuenden sind im Camp strengstens verboten und ein Regelbruch kommt für Russ nicht infrage! Sie müssen der Versuchung widerstehen – oder riskieren, sich zu verbrennen …

Liebe Leser:innen,

Wildfire enthält Elemente, die triggern können.

Deshalb findet ihr hier eine Triggerwarnung.

Wir wünschen uns für euch alle das bestmögliche Leseerlebnis.

Euer LYX-Verlag

Für mein jüngeres Ich,

das so gern seine erste Wahl gewesen wäre.

PLAYLIST

SPARKS FLY (TAYLOR’S VERSION) | TAYLOR SWIFT | 4:20

WILDFIRE | SEAFRET | 3:43

MOONLIGHT | ARIANA GRANDE | 3:22

ALONE WITH YOU | ALINA BARAZ | 3:45

CHRONICALLY CAUTIOUS | BRADEN BALES | 1:59

BEST PART (FEAT. H. E. R.) | DANIEL CAESAR | 3:29

SWEAT | ZAYN | 3:52

NAKED—BONUS TRACK | ELLA MAI | 3:17

LATE NIGHT TALKING | HARRY STYLES | 2:57

HARD TO LOVE | BLACKPINK | 2:42

PEACE | TAYLOR SWIFT | 3:53

YOU | MILEY CYRUS | 2:59

NONSENSE | SABRINA CARPENTER | 2:43

SLEEPING WITH MY FRIENDS | GAYLE | 2:48

PRETTY PLEASE | DUA LIPA | 3:14

DID YOU KNOW THAT THERE’S A TUNNEL UNDER OCEAN BLVD | LANA DEL REY | 4:44

WHILE WE’RE YOUNG | JHENÉ AIKO | 3:56

BIGGEST FAN | MADDIE ZAHM | 3:01

THE ONLY EXCEPTION | PARAMORE | 4:27

EVERYTHING | LABRINTH | 2:15

1. KAPITEL

Russ

Henrys Blick brennt sich vom anderen Ende des Wohnzimmers in mich hinein. »Dein Sommer wird beschissen werden!«

Zustimmendes Schnauben meiner Mannschaftskameraden, am lautesten von Mattie, Bobby und Kris, die mir alle etwas Vergleichbares gesagt hatten, als ich ihnen mitteilte, dass ich diesen Sommer nicht mit ihnen nach Miami komme.

»Starke Worte, Turner«, schnauze ich zurück, was meinen Mitbewohner allerdings kaltlässt. »Du solltest Motivationskurse geben.«

»Dir wird noch leidtun, dass du nicht auf mich gehört hast, wenn sie dir nächste Woche bei der Personalschulung körperliche Arbeit und Team-Building-Aktivitäten aufhalsen.« Henry blättert weiter durch den Prospekt von Honey Acres. Die Furchen auf seiner Stirn werden zunehmend tiefer. »Was ist denn Nachtdienst?«

»Ich muss zweimal pro Woche in einem Raum schlafen, der an die Blockhütte der Kinder angrenzt, falls jemand etwas braucht«, antworte ich betont lässig und beobachte, wie Henry entsetzt die Augen aufreißt. »Den Rest der Zeit schlafe ich in meiner eigenen Hütte.«

»Für mich wäre das nichts.« Henry wirft den Prospekt wieder auf den Beistelltisch. »Trotzdem, viel Glück.«

»Könnte schlimmer sein«, meldet sich nun Robbie. »Du hättest diesen Sommer ja auch nach Kanada ziehen müssen.«

Nate stöhnt laut auf, vergräbt das Gesicht im Haar seiner Freundin und versinkt noch tiefer in dem Liegesessel, den sich die beiden teilen. »Hör mir bloß mit dem verdammten Kanada auf!«

»Das hast du dir selbst zuzuschreiben«, sagt Stassie gerade so laut, dass wir es alle hören können. »Sei nicht so ein Baby. Du willst doch für Vancouver spielen.«

»Ich würde lieber nach Kanada ziehen als neun Wochen lang auf zwanzig Kinder aufpassen.« Der unverhohlene Ekel auf Henrys Gesicht könnte einen glauben lassen, ich würde in einem Schlachthof arbeiten, und nicht als Betreuer in einem Sommercamp. »Du hast das wirklich nicht richtig durchdacht, Callaghan.«

Habe ich sehr wohl.

Honey Acres’ Hauptklientel sind viel beschäftigte, reiche Eltern, die ihre Kinder den Sommer über gut aufgehoben wissen wollen, während sie arbeiten. Gott sei Dank sind die Gebühren horrend, was bedeutet, dass die Anlage in erheblich besserem Zustand ist als alle anderen, die ich mir angeschaut habe. Die Arbeit besteht darin, mehrere Kinder im Zaum zu halten. Der Job ist nicht nur sehr gut bezahlt, sondern man bekommt auch etliche Tage frei. Das ist reiner Luxus und alles andere als selbstverständlich bei den meisten anderen Sommercamps.

Kris und Bobby hatten vorgeschlagen, ich solle mich dort bewerben, nachdem ich ihr Urlaubsangebot mit der Begründung ausgeschlagen hatte, ich bräuchte einen Job. Sie hatten vor zehn Jahren einen Sommer in Honey Acres verbracht und geschworen, es sei das beste Sommercamp in Kalifornien. Und ich hätte mich für so gut wie alles beworben. Ich bin knapp bei Kasse, seit die Bar, in der ich gearbeitet hatte, von der Polizei dicht gemacht worden war. Unglücklicherweise hatte den Laden der Ruf eingeholt, man gehe dort verdächtigen Beschäftigungen nach und schenke Alkohol an Minderjährige aus. Und es sieht nicht danach aus, als würde die Bar in absehbarer Zeit wieder öffnen.

Und obwohl Henry an meinem Urteilsvermögen zweifelt, blieb mir als Alternative nur, ohne Job in Maple Hills herumzuhängen und von meiner Mom bedrängt zu werden, sie zu besuchen.

Da fiel mir die Wahl nicht schwer.

»Ich höre zwischen den Zeilen heraus, Hen, dass du nicht mitkommen willst?«, spotte ich.

»Danke, nein. Ich bleibe dabei. Aber falls du einen gefakten Notfall brauchst, um von dort wegzukommen, gib mir Bescheid, dann rufe ich an.«

JJ beugt sich auf der Couch näher zu Henry und stößt ihn mit der Schulter an. »Den einzigen Notfall, den du die nächsten zwei Jahre erleben wirst, Captain, ist, wenn du keine Kontrolle mehr über deinen S…«

»JJ!«, kreischt Stassie und bringt ihn schlagartig zum Schweigen.

»Was du schon wieder denkst«, weist er sie zurecht. »Ich wollte Schienbein sagen.«

Stassie verdreht die Augen und zeigt ihm den Mittelfinger, als er ihr einen Luftkuss zuhaucht. Dann wendet sie sich an mich und lächelt mich an. »Du wirst bestimmt viel Spaß haben. Ignorier Henry einfach. Uns wirst du aber fehlen.«

»Du wohnst nicht einmal mehr hier«, erinnert Mattie sie mit hochgezogenen Augenbrauen.

»Du hast noch nie hier gewohnt«, kontert sie. Dann fangen die beiden einen Streit an, wer von ihnen mehr Zeit in diesem Haus verbringt.

So froh ich um den Sommer-Job bin, es ist auch irgendwie scheiße, schon wieder wegzufahren, nachdem ich erst kürzlich bei Henry und Robbie eingezogen bin. Und bei unseren inoffiziellen Mitbewohnern Mattie, Bobby und Kris, die immer dann wie durch Zauberhand auf der Matte stehen, wenn von Essen die Rede ist.

Es ist komisch, ein eigenes Zimmer zu haben, nachdem ich mir im Gebäude der Studentenverbindung zwei Jahre lang eins teilen musste und noch davor mit meinem Bruder Ethan zusammengewohnt habe – aber mir gefällt es so sehr viel besser.

Abgesehen vom Offensichtlichen, wie mein eigenes Zimmer zu haben und mit Leuten zusammenzuwohnen, die ich mag, fühlt es sich auch gut an, nicht mehr planen zu müssen, wann ich mich befriedige oder, in ganz seltenen Fällen, Sex habe. Henry war so zuvorkommend, mich zu warnen, er könne nach den sechs Monaten, in denen Nate und Stassie hier wohnten, definitiv ausschließen, dass mein Zimmer schalldicht ist.

»Wollt ihr zwei noch den ganzen Nachmittag streiten, oder sollten wir uns nicht langsam für die Party zurechtmachen?«, schreit Robbie so laut, dass er Stassies und Matties Gekeife übertönt.

Heute Abend schmeißen wir eine Party, um uns von den Leuten zu verabschieden, die ihren Abschluss geschafft haben – oder, wie Robbie es ausgedrückt hat, wir schmeißen eine »Tschüss und verpisst euch«-Party. Er bleibt für sein weiterführendes Studium noch in Maple Hills und ist froh, seinen Titel als Partyplaner zu behalten.

Nichtsdestotrotz hielt sich die allgemeine Begeisterung in Grenzen, die Wohnung für eine Horde Maple-Hills-Studierende herrichten zu müssen, die in wenigen Stunden über uns herfallen werden. Ich weiß, für die Jungs fühlt es sich wie das Ende einer Ära an; vier Jahre, die man jeden Tag mit denselben Menschen verbringt, sind eine lange Zeit. Was Nate und Robbie betrifft, ist es sogar noch länger. Sie haben nie in unterschiedlichen Städten gelebt, geschweige denn in unterschiedlichen Ländern.

Für mich fühlt es sich an wie der Beginn einer Ära. Als ich zu studieren anfing, hatte ich mich einer Studentenverbindung angeschlossen, weil ich endlich eine Familie wollte, die mich nicht im Stich lassen würde, im Gegensatz zu meiner echten. Ich hatte gedacht, meine Verbindungsbrüder würden mit mir durch dick und dünn gehen. Dass ich Leute gefunden hätte, auf die ich mich verlassen könnte. Aber davon konnte keine Rede sein. Schon im ersten Semester schwante mir, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Ich hielt durch, weil ich annahm, es würde eben seine Zeit dauern, bis es sich wie eine Familie anfühlte. Als dann Anfang des Jahres der ganze Scheiß mit dem Eisstadion passierte, da wusste ich, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Die einzigen Menschen, die für mich da waren, befinden sich jetzt hier im Zimmer.

Es war die schwerste Zeit meines Lebens, und das heißt einiges. Ich habe überspielt, wie peinlich mir das alles war. Dann fragte mich Henry eines Tages, ob alles okay sei, und ich antwortete, mir fehle nichts. Ich nahm an, das sei das Ende der Unterhaltung, aber er meinte nur, er wisse, dass ich lüge, und wenn ich so weit war, darüber zu reden, stehe er bereit. Jede Woche hatten wir das gleiche Gespräch, bis ich ihn dann in den Winterferien zufällig traf.

Eigentlich hatte ich versucht, die Feiertage zu Hause zu verbringen, aber nach vierundzwanzig Stunden mit meinem Dad, der nach seiner üblichen Flaute im Casino mal wieder besoffen war und zusammenhangslosen Bullshit von sich gab, und meiner Mom, deren Unfähigkeit, ihn für sein Verhalten zur Verantwortung zu ziehen, schon fast an Professionalität grenzt, war ich wieder auf dem Weg zum Campus. Henry war unterwegs zum Eishockeyhaus, um seine Künstler-Utensilien zu holen. Als er mich sah, fragte er einmal mehr, ob alles in Ordnung sei, und diesmal, zum ersten Mal, antwortete ich mit Nein.

Nach all den Jahren, in denen ich mich zu sehr schämte oder zu wütend war, um jemandem von der Spielsucht meines Vaters zu erzählen, sprudelte nun alles aus mir heraus. Nicht einmal Coach Faulkner oder Nate wussten in vollem Umfang Bescheid, wie es bei mir zu Hause zuging, aber Henry erzählte ich wirklich alles.

Und Henry stand da, eine Leinwand unter dem Arm, und hörte mir zu.

Als ich fertig war, fühlte ich mich, als wäre eine zentnerschwere Last von meinen Schultern abgefallen. Er fragte mich, ob ich in der Pause mit ihm und mit den Chicken Wings von Kenny’s abhängen wolle. Er stellte mir keine Fragen, er hatte keine Ratschläge für mich parat, er urteilte nicht über mich. Und deshalb sagte ich sofort zu, als er mich fragte, ob ich bei ihm und Robbie einziehen wolle.

Mittlerweile ist im Wohnzimmer Chaos ausgebrochen, so wie es immer ist, wenn sich alle hier versammeln. Jede Menge Gespräche überlagern sich, eins lauter als das andere. Weil ich so still bin, glauben die Leute immer, ich sei schüchtern. Aber das bin ich nicht. Ich glaube nicht mal, dass ich so still bin, das liegt eher daran, dass die anderen so laut sind. Ich sitze lieber da und lausche, statt im Mittelpunkt zu stehen wie meine Mannschaftskameraden. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht man zu sehr unter Druck, macht man zu leicht Fehler. In meiner Rolle als Beobachter, als Zuschauer fühle ich mich wesentlich wohler.

Ich gehe in die Küche und hole mir aus dem Kühlschrank eine Flasche Mineralwasser, dann, als ich jemanden hinter mir spüre, eine zweite.

»Bist du bereit für deine erste offizielle Party?«, fragt mich JJ und nimmt mir die zweite Flasche dankbar ab.

Wir lehnen uns beide gegen den Küchentresen und starren ins Wohnzimmer. »Ich denke schon. Die einzige Regel lautet: Robbie nicht auf den Sack gehen, oder?«

JJ schnaubt verächtlich, während er den Verschluss seiner Wasserflasche aufschraubt. »Zufällig ist das meine Lieblingsbeschäftigung, aber es hängt davon ab, wie hart du nächste Saison gedrillt werden willst.«

»Ich glaube, ich lasse mir da lieber nichts zu Schulden kommen.«

»Und? Fühlst du dich hier schon wie zu Hause?« JJ trinkt einen Schluck Wasser.

Ich habe die vergangenen Wochen viel Zeit mit ihm verbracht und herausgefunden, dass hinter seiner Rolle als Witzbold eine brüderliche Seite in ihm steckt. Nachdem ich mir vor zwei Monaten von meinen Ersparnissen einen alten Pick-up angeschafft hatte, war ich zum offiziellen Umzugshelfer geworden und transportierte für alle Packkartons hin und her. Es war ganz schön, sich nützlich zu fühlen, deshalb störte mich das nicht weiter, bis schließlich Lola Bedenken hatte, ihr Zeug könnte versehentlich bei Nate in Vancouver landen, und sie auf alle Kartons, die nicht ihr oder Stassie gehörten, Schwänze gemalt hatte.

JJ und ich fuhren also mit einer Ladefläche voll dekorierter Kartons zu seiner neuen Wohnung nach San Jose, was uns den ganzen Tag seltsame Blicke von anderen Autofahrern einbrachte. Wenn man mit jemandem zehn Stunden am Stück in einem engen Raum verbringt, lernt man allerhand über diese Person. Ironischerweise meinte JJ, ich hätte nicht viel von mir preisgegeben.

»Es wird so langsam«, gebe ich zu. »Für mich ist das eine ziemliche Veränderung.«

»Vergiss nicht, du gehörst hierher. Sie wollen dich alle hier haben, hörst du?«, sagt er leise.

Ich habe den anderen Jungs nie von meiner Verunsicherung erzählt, aber JJ weiß irgendwie, dass ich mich gern aus allem Möglichen heraushalte. Ich habe ihn mal als einfühlsam bezeichnet, und er hat erwidert, das liege daran, dass er Skorpion sei. Was auch immer das heißt.

Ich bin ihm trotzdem dankbar, und das erste Mal seit langem fühle ich mich verstanden. Dieses Gefühl jedoch ist schwer zu akzeptieren, da ich mich die meiste Zeit selbst nicht verstehe.

»Ja, ich verstehe schon«, bestätige ich.

Er klopft mir auf die Schulter und geht zu seinem Platz im Wohnzimmer zurück. Langsam folge ich ihm und lasse mich auf den Stuhl neben Henry fallen.

Robbie klatscht einmal in die Hände, was uns allen Eishockey-Flashbacks beschert. Wie gut abgerichtete Hunde widmen wir ihm instinktiv unsere gesamte Aufmerksamkeit.

»Was für ein Mini-Faulkner«, murrt Nate leise und rutscht unruhig auf seinem Stuhl hin und her.

»Ihr wisst, dass ich bei Applaus immer zusammenzucke«, ergänzt Bobby. »Ich glaube, das ist eine regelrechte Traumareaktion.«

»Ich höre das Klatschen sogar, wenn ich allein bin«, sagt Mattie und nickt solidarisch.

»Von wegen allein«, widerspricht Joe. »Das ist Kris nebenan. Wenn er mal wieder Besuch hat. Da klatscht was ganz anderes aufeinander.«

Robbie murmelt etwas in seinen Bart, während Kris ein Kissen nach Joe wirft, der es fängt und zurückwirft, was erneutes Chaos zur Folge hat.

»Jetzt funktioniert auf einmal deine Verteidigung. Warum konntest du das nicht beim Eishockey?«, fragt Henry und lenkt Joe so gerade lange genug ab, dass ihn ein weiterer Kissenwurf von Kris voll ins Gesicht trifft.

»Um Himmels willen«, knurrt Robbie. »Die Party wird nicht stattfinden, wenn einer von euch Clowns sich eine Gehirnerschütterung einfängt. Ein letztes Mal: Reißt euch zusammen.«

Eine selbstverständliche Stille legt sich über den Raum, während alle widerwillig auf Robbies Anweisungen warten. Zwischendrin gibt es einen merkwürdigen Moment, in dem ich mich frage, ob wohl allen hier bewusst ist, dass es die letzte Party sein wird, die in diesem Haus von den hier Anwesenden gemeinsam geschmissen wird.

Ganz in Gedanken versunken, höre ich plötzlich JJ lachen und schreien. »Fünf Dollar! Jeder hier schuldet mir fünf Dollar!«

»Wie bitte?«

»Stas weint!« Er legt den Arm um sie und küsst sie auf die Schläfe. »Und das, bevor sie Alkohol intus hat. Ich habe gewonnen!«

Sie wischt sich mit den Handrücken die Tränen aus den Augen und schaut sich verwundert um. »Ihr habt auf mich gewettet?«

Die Jungs greifen nach ihren Portemonnaies und ziehen Scheine heraus. Mattie zuckt mit den Schultern, als er seinen in JJs ausgestreckte Hand knallt. »Technisch gesehen haben wir auf deine Tränen gewettet.«

»Ihr seid unmöglich. Nate, du hast davon doch nichts …« Sie dreht sich zu ihrem Freund, der heimlich einen Schein aus seiner Tasche zieht. »Du bist das Letzte! Ihr seid alle das Allerletzte!«

Nate reicht JJ seinen Fünf-Dollar-Schein, zieht seine Freundin dann eng an sich und küsst sie sanft auf die Schläfe. »Du hast gar nicht erst versucht, durchzuhalten. Mit dem Geld hätte ich dir auch Chicken Wings kaufen können.«

»Unglaublich. Das ist einfach nur traurig. Ihr geht bald alle getrennte Wege, und dann herrscht so eine Atmosphäre.«

»Wenn ich dir sage, dass sich Russ nicht an der Wette beteiligt hat, fühlst du dich dann besser?«

Sie richtet den Blick ihrer feucht schimmernden Augen auf mich und grinst mich an. »Danke, Muffin. Du kommst nicht auf meine schwarze Liste.«

Ich nicke ihr bestätigend zu und lasse sie in dem Glauben, ich hätte auf die Wette verzichtet, weil ich nicht dachte, dass sie weint – natürlich wusste ich, dass sie weinen würde. Tatsächlich wette ich grundsätzlich nicht.

»Entschuldige mal«, wirft Henry ein. »Ich habe ebenfalls nicht gewettet.«

Er wusste ebenfalls, dass sie weinen würde, hatte sich aber entschlossen, sich aus Solidarität auch nicht zu beteiligen. JJ zählt noch sein Geld, als Lola mit Tüten voller roter Becher anmarschiert kommt. Sie mustert einen nach dem anderen und verzieht das Gesicht. »Sie hat geweint, stimmt’s?«

»Yup«, bestätigen alle im Chor.

»Verdammt noch mal, Anastasia.« Lola lässt die Tüten in Robbies Schoß plumpsen, gibt ihm einen Kuss, schnappt sich dann ihre Handtasche und zieht einen Geldschein heraus. »Das ist das letzte Mal, dass du mein Geld bekommst, Johal.«

»Bis ich beim Eishockey scheitere und meiner wahren Berufung nachgehen kann«, erwidert JJ. »Als Stripper.«

»Ganz genau.«

»Nachdem jetzt alle Schulden beglichen sind, können wir dann endlich mit dieser Shit Show anfangen?«, stöhnt Robbie.

Erneut kehrt Stille ein. Derselbe Gedanke kommt all meinen Mannschaftskameraden in den Sinn, einem nach dem anderen. Nate räuspert sich und nickt. »Ein letztes Mal.«

Die merkwürdige Stimmung klärt sich schlagartig auf, als Lola in lautes Gelächter ausbricht. »Okay, Alexander Hamilton. Dabei heißt es immer, ich hätte einen Hang zum Drama. Ihr seid ein Haufen verdammter Dramaqueens.«

2. KAPITEL

Aurora

Ich dürfte jetzt eigentlich gar nicht hier sein, aber Basketballer haben etwas an sich, was meine Selbstbeherrschung beeinträchtigt.

Ich habe gesagt, ich würde nicht kommen, und Emilia wartet bereits am Eishockeyhaus auf mich, deshalb weiß ich nicht, warum ich auf diesen verfluchten Ryan Rothwell gehört und meine Pläne umgeschmissen habe. Was haben diese großen muskulösen Männer mit den geschickten Händen nur so an sich, dass ich bei ihnen schwach werde? Eines der großen Mysterien des Lebens. Und eines, das, dem Gedränge bei dieser Party nach zu urteilen, die Hälfte aller Frauen in Maple Hills gern begreifen würde.

Da mehrere der Spieler ihren Abschluss gemacht haben, schmeißen sie heute ihre Abschiedsparty. Ryan und ich haben uns letzte Woche bereits viermal voneinander verabschiedet, und wir beide wissen, dass er sich nicht mehr melden wird, auch wenn er ein großartiger Mensch ist. Nächsten Monat findet der NBA-Draft statt, und ich mache mir keinerlei Illusionen, dass ich in absehbarer Zeit eine Einladung zu einem Platz am Spielfeldrand bekomme. Aber das hinderte mich nicht daran, herzukommen, einfach nur, weil mich Ryan gefragt hatte. Was mehr über mich als über Ryan aussagt.

Ich hinterfrage alle meine Lebensentscheidungen und nippe an einem ruhigen Fleck in der Küche an meinem Drink, als jemand, von dem ich wünschte, er würde verschwinden, sich neben mich an den Küchentresen stellt. Instinktiv verdrehe ich die Augen, als Mason Wright den Mund öffnet, trotzdem hält es ihn nicht davon ab, mich zu belästigen.

Er reißt mir mein Glas aus der Hand – was ich, wie er genau weiß, verabscheue – und nimmt einen Schluck. »Hältst du Ausschau nach deinem nächsten Opfer, Roberts?«

Oh Gott, wie ich ihn hasse. »Gehörst du nicht allmählich ins Bett, Wright?«

»Ist das eine Einladung?« Sein Blick wandert über meinen Körper, und er grinst, sodass ich innerlich würgen muss.

Gott sei Dank habe ich bei diesem speziellen Basketballer kein Problem mit meiner Selbstbeherrschung. »Yep, eine Einladung, dich zu verpissen und mich in Ruhe zu lassen.«

Er kichert. Die Vorstellung, dass er sich amüsiert, egal über was, ärgert mich. Keine Ahnung, woher dieser Typ sein Selbstvertrauen nimmt, aber er sollte es in Flaschen abfüllen und verkaufen. Ich habe noch nie jemanden kennengelernt, schon gar keinen Freshman, der so arrogant war wie dieser Typ.

Er gibt mir meinen Drink zurück und wanzt sich noch näher an mich heran. »Du weißt schon, dass es mich anmacht, wenn du die Unnahbare spielst, oder?«

»Ich spiele nicht, Wright. Du kriegst mich nicht.«

»Und aus welchem Grund?«

»Abgesehen von der Tatsache, dass ich dich nicht ausstehen kann? Du bist ein Freshman.«

»Du bist vier Monate älter als ich.« Er kneift seine Augenbrauen vor Enttäuschung zusammen, weil, Gott bewahre, eine Frau in seiner Gegenwart nicht umgehend auf die Knie sinkt.

»Du. Bist. Ein. Freshman«, wiederhole ich.

Er wird niemals glauben, dass eine Frau nicht an ihm interessiert sein könnte. Zum Teil, weil er sehr gut aussieht, hauptsächlich aber, weil sein Selbstvertrauen grenzenlos ist. Er sieht eher aus wie der typische Rockstar als wie ein Basketballer. Groß, schwarzes Haar, stechend blaue Augen und eine blasse Haut, wobei seine Arme und sein Rücken mit sehr detailreichen Tattoos verziert sind.

Seufzend trinke ich mein Glas aus. »Ich mag keine Leute, die jünger sind als ich.«

»Pass auf, Prinzessin.« Mit einer Hand erstickt er ein Lachen, und ich verenge meine Augen. »Deine Daddy Issues machen sich bemerkbar.«

»Das Einzige, was sich bei mir bemerkbar macht, ist, wie ätzend ich dich finde.« Am liebsten würde ich ihn erwürgen, aber so wie ich Mason kenne, würde er das wahrscheinlich für das Vorspiel halten. »Apropos Vater. Wie geht es eigentlich Direktor Skinner?«

So arrogant mein Erzfeind auch ist, einen Schwachpunkt hat er: seinen Dad. Niemand weiß, dass sein Vater Leiter der Leichtathletik-Abteilung in Maple Hills ist. Und er will es auch dabei belassen, weshalb er den Geburtsnamen seiner Mutter angenommen hat. Man könnte vermuten, dass wir beide schnell einen Draht zueinander finden würden, weil wir beide Probleme mit unseren Vätern haben, aber Mason und ich waren von Anfang an nicht miteinander zurechtgekommen, und auch längerfristig wird sich daraus keine Freundschaft entwickeln. Ich kann mit Sicherheit behaupten, dass ich geduldig auf Masons Niedergang warte.

»Gut zu wissen, dass ich Thema von deinem und Ryans Bettgeflüster bin.« Sein charakteristisches Grinsen wandelt sich zu einem bösen Blick. Er greift zur nächsten Flasche Alkohol. »Ich ziehe in Rys Zimmer ein. Hat er dir das verraten? Ich ändere auch den Zugangscode nicht, damit du weißt, wie du zu mir reinkommst.«

Der Kerl weiß einfach nicht, wann er aufhören muss. »Du bist ein ganz Süßer. Aber ernsthaft, Mason, könntest du mir die Nummer von deinem Vater geben? Er ist so ein heißer Typ.« Ist er nicht. »Und ich will einen Platz im Basketball-Team bekommen.«

»Einen Scheiß kriegst du, Aurora.« Er knallt die Flasche wieder auf den Tresen und stampft ab in den Garten.

»Vorsicht, Prinzessin!«, rufe ich ihm nach. »Hast du etwa ein Problem mit deinen Daddy Issues?«

Von hinten schlingen sich Arme um meine Taille, und ich bin drauf und dran, um mich zu schlagen, als ich eine tiefe Stimme vernehme, die mir nur zu vertraut ist. »Ich zahle keine Kaution, um dich aus dem Knast zu holen, wenn du ihn umbringst.«

»Er sagt zu mir, ich hätte Daddy Issues.«

Ryan schaut mich verwirrt an, als ich mich in seinen Armen herumdrehe, um ihn anzusehen. So, als wäre er sich nicht ganz sicher, wohin sich diese Unterhaltung entwickeln würde.

»So etwas darf nur ich sagen.«

Endlich versteht er und nickt. »Kapiert. Und was hast du gesagt, dass er so sauer geworden ist?«

»Ich wollte die Telefonnummer seines Dads wissen, um mir eine Position im Basketball-Team zu sichern.«

»Rory …« Und er zieht das ry so in die Länge, dass ich weiß, es gibt Ärger. »Du weißt doch, dass das ein Geheimnis bleiben soll. Hinter der Fassade des düsteren Badboys steckt ein sensibler Junge.«

Es ist nicht meine Schuld, dass er ein schlechtes Verhältnis zu seinem Vater hat. Das macht ihn nicht zu einem besonderen Menschen, und das Wort Nepotismus habe ich nie benutzt. »Aha, aber wenn es ein Geheimnis ist, warum hast du es mir dann verraten?«

Ryan beugt sich vor und küsst mich zärtlich auf die Stirn. »Weil ich weiß, dass du ihn nicht ausstehen kannst, und weil ich dich ins Bett kriegen wollte.«

»Hm, ins Bett hättest du mich auch so gekriegt.«

Ryan Rothwell würde mich jeden Tag der Woche in sein Bett kriegen. An vielen Tagen der Woche war ich auch schon mit ihm im Bett gewesen. Ryan ist ein toller Typ, was vermutlich der Grund ist, weshalb ich beschloss, mir Emilias Zorn zuzuziehen, um ihn ein letztes Mal sehen zu können.

Meine Erwartungen, was Männer angeht, sind so niedrig, dass man sie quasi als nicht existent bezeichnen könnte. Aber Ryan ist einer von den Guten, und unsere Sexbeziehung die letzten paar Monate hindurch hat echt Spaß gemacht. Er hat so ein wenig den Ruf, für jeden Spaß zu haben zu sein, und ich bin der festen Überzeugung, das College sollte seine Verdienste im Beglücken von Frauen während der vier Jahre, die er hier verbracht hat, auf besondere Weise anerkennen.

Ja, man sollte ihm zu Ehren eine Statue errichten.

Vielleicht frage ich mal Masons Dad.

Mit seinem Finger stupst er mein Kinn an und reißt mich so aus meinen Gedanken. Ich hebe den Kopf.

»Du wirst mir fehlen, Roberts.«

Die Antwort bleibt mir im Hals stecken. Etwas wie »Du wirst mir auch fehlen« oder ein einfaches »Danke« würde reichen, aber ich bringe nichts heraus. Ich hasse es, dass ein paar Worte der Zuneigung, ein simples Zeichen der Freundschaft, eine Andeutung, dass die gemeinsam verbrachte Zeit ihm etwas bedeutet, mich ins Taumeln bringt.

Unsere Beziehung war immer rein körperlicher Natur gewesen. Natürlich hatte er versucht, mich zu überreden, dass ich nach dem Sex bei ihm übernachte. Aber zu hören, dass ich ihm fehlen werde, ist einfach schön, auch wenn es sicher noch ein halbes Dutzend anderer Frauen gibt, denen er das Gleiche zu sagen hat.

Er seufzt, fast als könne er meine rasenden Gedanken lesen. Er zieht mich an sich und vergräbt den Kopf in meinen Haaren. »Ich werde eifersüchtig auf den Kerl sein, der zu hören bekommt, was in dir vorgeht, wenn du dieses Gesicht aufsetzt. Bring ihn mal zu einem Spiel mit, damit ich ihm einen Ball an den Kopf werfen kann.«

»Ich glaube, darüber brauchen wir uns beide keine Sorgen zu machen.«

Er lacht, lässt mich aber nicht los. »Ich bin nur eine Übergangslösung. Der Typ, mit dem du schläfst, bevor du dem Mann deines Lebens begegnest.«

»Statistisch geschehen passiert das sowieso, wenn man mit so gut wie jedem schläft.«

»Glaube mir, Roberts. Du wirst noch dein Happy End bekommen.«

»Hör bloß auf, Ryan, sonst werde ich noch ganz sentimental, wenn ich auf die Eishockey-Party gehe. Du weißt doch, traurig sein macht mich an.«

Er lacht, und wir lösen uns widerwillig voneinander. Er rückt einen Schritt von mir ab. »Wenn du das noch zweimal sagst, dass dich traurig sein anmacht, erscheint Mason vor dir wie Beetlejuice.«

Ich verdrehe die Augen und halte Ausschau nach meinem Feind, der auf der anderen Seite des Zimmers und außer Hörweite jemandem lästig wird. »Kannst du ihn nicht mitnehmen? Ohne dich halte ich den nicht aus.«

Er streicht mir eine Haarsträhne hinter das Ohr. »Du hast mir doch gesagt, du willst dich diesen Sommer ändern. Vielleicht kommst du vom Camp zurück und kannst ihn plötzlich ertragen. Du hast dann mehr Erfahrung im Umgang mit Kindern.«

»Ich habe gesagt, ich möchte aus meinen toxischen, selbstzerstörerischen Gewohnheiten herauswachsen. Ich will mich nicht so sehr ändern, dass ich Mason nicht mehr hasse.«

»Vielleicht solltest du ein paar von deinen Liebesromanen gegen Selbsthilfe-Ratgeber eintauschen.«

Ich kneife die Augen zusammen. »Kaum hast du deinen Abschluss in Anglistik, fühlst du dich qualifiziert genug, mit Buchempfehlungen um dich zu schmeißen?«

»Du hast recht, Roberts. Ich sollte mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern.«

Der endgültige Abschied liegt in der Luft, aber ich kann mich nicht dazu durchringen, es laut auszusprechen. »Du gibst mir Bescheid, wie der Draft läuft, ja?«

Ryan küsst mich ein letztes Mal auf die Stirn und nickt. »Versprochen. Und du pass auf dich auf.«

»Das mache ich doch immer.«

»Das machst du nie.« Er lacht. »Das ist ja das Problem.«

Als ich aus dem Uber steige, empfängt mich Emilia mit diesem unbeeindruckt finsteren Blick, den ich kenne und liebe. »Du bist spät dran.«

Es ist schwer, sich von ihr eingeschüchtert zu fühlen, wenn sie wie ein Engel aussieht. Ihre braunen Locken hat sie zu einem Haarkranz geflochten, der an einen Heiligenschein erinnert, die Nasenspitze und die Wangen sind noch vom Sonnenbrand gerötet, den sie sich gestern geholt hat, als sie bei uns im Garten eingeschlafen ist. Der Rest ihrer Haut hat sich die übliche geisterhafte Blässe bewahrt. Wie sie geschafft hat, lediglich ihr Gesicht zu rösten, ist mir ein Rätsel. Darauf werde ich sie jetzt allerdings nicht ansprechen. »Würde es dich besänftigen, wenn ich dir sage, wie hübsch du bist?«

Es nützt nichts, und ich verliere sie in dem Moment, als wir das Eishockeyhaus betreten und an lebensgroßen Pappaufstellern des gesamten Eishockeyteams vorbeikommen.

Trotz deren Ruf am Campus halten wir uns von diesen Partys in der Regel eher fern, was an Emilias Vorliebe für Events liegt, die vor Mitternacht enden, und meiner Vorliebe für Basketball. Aber JJ, einer ihrer Freunde von der LGBTQIA+-Community hier am College, zieht als Profispieler in den Norden, und sie hat versprochen, sich von ihm zu verabschieden.

Natürlich habe ich zugesagt, sie zu begleiten, weil ich eine tolle Freundin bin, aber auch, weil sie mir später auf dem Nachhauseweg eine Veggie-Pizza versprochen hat. Ein paar Sorgen mache ich mir schon, da es vermutlich ziemlich spät wird, und das könnte ihre Bereitschaft, mir eine Pizza zu spendieren, vermindern.

Trotz der Horden von Leuten fühlt es sich recht gemütlich an für ein College-Haus, das von Eishockeyspielern bewohnt wird. An den Wänden hängen gerahmte Fotos, auf denen eine Gruppe von Jungs und zwei Frauen zu sehen sind. Ich entdecke Sofakissen, die nicht sowirken, als beherbergten sie genug Bazillen, um als Bio-Waffe eingesetzt zu werden. Und wenn mich nicht alles täuscht, hat hier jemand sogar Staub gewischt.

Liegt da ein Bierdeckel?

Ich kämpfe mich durch die Menge, immer noch erstaunt, dass meine Füße nicht am Boden kleben bleiben, und spüre, wie durstig ich bin. Deshalb marschiere ich zielstrebig zu meinem Lieblingsplatz bei jeder Party: die Küche. Die riesige Kücheninsel ist bereits zugepflastert mit halbleeren Alkohol- und Mineralwasserflaschen. Ich lasse meinen Blick über die Geschirrschränke wandern, um herauszufinden, in welchem am wahrscheinlichsten Gläser zu finden sind.

Party hin oder her, ich habe zu viele Dokumentarfilme über die Verschmutzung der Meere gesehen, um Plastikbecher zu benutzen. Ich werfe einen vorsichtigen Blick in einen der Hängeschränke, entdecke dort aber lediglich Shotgläser.

Buchstäblich. Im ganzen Hängeschrank nichts als Shotgläser.

Der zweite Schrank enthält Schüsseln, und als ich gerade herausfinden will, ob der dritte möglicherweise der richtige ist, und ich mir ein bisschen wie Goldlöckchen vorkomme, räuspert sich hinter mir jemand.

»Bist du eine Diebin?«

Ich spähe hinter der Tür des Hängeschranks hervor, wohl wissend, dass mein Gesicht definitiv die Farbe einer roten Ampel hat, und betrachte den Typ, der mich soeben in flagranti ertappt hat. Ich bin einen Meter siebzig groß, mit meinen Stilettos sogar noch größer, aber er überragt mich deutlich. Allerdings wirkt er nicht einschüchternd. Seine Bizepse kämpfen um mehr Freiraum gegen die Ärmel seines schwarzen T-Shirts, das sich straff um seine breite Brust spannt. Seine Miene hat jedoch etwas Sanftes, und an seinem Kinn ist lediglich ein Ansatz von Bartstoppeln zu erkennen; als würde sein zartes Gesicht nicht so ganz zum Rest des Körpers passen. Sein hellbraunes Haar ist aus dem Gesicht gekämmt, und als ich schließlich zu seinen saphirblauen Augen komme, starren die mich an. Ich fühle mich verunsichert, bade aber regelrecht in seinem Blick.

Das ist vermutlich die peinlichste Art und Weise, wie ich je einen scharfen Typen kennengelernt habe.

Ich lächele ihn unschuldig an. »Handelt es sich um Diebstahl, wenn die Beute das Grundstück nicht verlässt?«

»Ach, Mist, ich habe ja gewusst, ich hätte Jura studieren sollen.« Seine Mundwinkel zucken leicht, Grübchen bilden sich um seinen Mund, als er sich das Lachen verkneift. »Ich denke, Diebstahl ist, wenn man etwas nimmt, das einem nicht gehört.«

»Und wenn es der Besitzer nie herausfindet?«

»Na ja, in dem Fall wäre das sicherlich nur Fahrlässigkeit seinerseits.« Er reibt sich den Nacken. Ich bemühe mich, ihm weiterhin in die Augen zu schauen, nicht auf seine sich wölbenden Oberarme, aber ich bin schwach. »Was suchst du denn?«

Als er einen Schritt auf mich zukommt, umhüllt mich der starke Duft nach Sandelholz und Vanille. Er legt die Hand auf die Schranktür, an die ich mich noch immer klammere, und drückt sie vorsichtig zu.

Wonach ich suche? »Gläser.«

»Hier gibt es nur Plastikbecher, tut mir leid.«

»Hast du eine Ahnung, wie viel Plastik in den Ozeanen landet? Das wird wohl keiner der Bewohner hier wissen.« Das ist die längste Unterhaltung, die ich je zum Thema Gläser geführt habe. Wahrscheinlich die längste Unterhaltung, die überhaupt je zum Thema Gläser geführt wurde. Ich überlege schon, mit welchen Küchenutensilien ich noch anfangen könnte, um das Gespräch nicht abreißen zu lassen.

»Aha, das Verbrechen hast du also wegen der Haie begangen.«

»Nicht nur wegen der Haie. Fische, Schildkröten, Wale – für alle.«

Er schließt die Augen und unterdrückt kopfschüttelnd ein Lächeln.

»Vielleicht noch für ein oder zwei Tintenfische. Meine guten Taten diskriminieren niemanden.«

Er öffnet die Augen wieder. Seine Hand liegt noch einige Sekunden an der Schranktür, dann geht er um mich herum zu Hängeschrank Nummer sechs, öffnet ihn und präsentiert Regale voll kunterbunt zusammengewürfelter Gläser. »Bewirf niemanden damit, sonst kriegen wir beide Ärger.«

»Das ging ja schnell. Hast du auch schon mal hier eingebrochen?« Hör auf zu quasseln, Aurora.

Ich gehe auf die Zehenspitzen, schnappe mir ein Glas mit dem Maple-Hills-Emblem drauf, dazu eins für Emilia, auf dem steht: »Meine Freunde gingen zur LA-Pride, und alles, was ich bekam, war dieses Glas«, und stelle die Gläser auf den Küchentresen. Dann schnappe ich mir die erstbeste Flasche mit Alkohol und gieße deren Inhalt in das, was ich meine Siegergläser nenne.

Der hilfsbereite Unbekannte lacht, öffnet eine Flasche Limonade und schiebt sie zu mir herüber. Er wartet, bis ich mir davon ebenfalls etwas einschenke, bevor er mir antwortet. »Nein, ich wohne hier.«

Oh, Scheiße! Seine Worte erwischen mich auf dem falschen Fuß. Die Limoflasche verfehlt den Rand meines Glases, und sprudelnde, klebrige Flüssigkeit ergießt sich über den Tresen. Doppelt Scheiße! »Sorry, sorry, sorry!«

Bevor ich noch reagieren kann, wischt er bereits die Sauerei mit einem Spültuch auf.

»Entschu…«

»Keine Sorge«, sagt er mit sanfter Stimme, ehe ich mich erneut entschuldigen kann. »Ist bloß Limonade. Geh ein bisschen zur Seite, damit du nicht nass wirst.«

Ich tue wie geheißen und beobachte ihn, wie er ein Desinfektionsmittel hervorholt und den Tresen sauber putzt, während um ihn herum Betrunkene, die nichts von alledem mitkriegen, versuchen, sich Drinks einzugießen. Als er damit fertig ist, schnappt er sich die Limoflasche, füllt beide Gläser sorgfältig auf und reicht sie mir anschließend.

»Dann bist du wohl derjenige, der hier den Staub wischt«, sage ich leise.

»Wie bitte?«

»Ach nichts. Danke … und wie gesagt, es tut mir leid.«

Er lehnt sich an den Tresen. »Dir tut leid, dass du unsere Regel, sich von den Küchenschränken fernzuhalten, gebrochen und unsere Küche verwüstet hast?«

Ich verschränke die Arme vor der Brust und ziehe spielerisch eine Schnute. »Ich sehe hier nirgendwo ein Verbotsschild.«

Und jetzt lacht er richtig. Ein tiefes Grollen in seiner Brust, das aufrichtig zu sein scheint. Ich bemerke, wie er mich mustert. Diskret, aber von oben bis unten. Sein Interesse spüre ich im ganzen Körper. Ich möchte sofort mehr davon. »Du kommst mir nicht vor wie eine Frau, die sich von Schildern aufhalten lässt.«

»Und wieso das?« Eine gefährliche Frage. Ich weiß es. Er weiß es. Und die Typen – vermutlich seine Mannschaftskollegen –, die in der Nähe stehen und zu lauschen versuchen, wissen es auch. »Antworte vorsichtig. Wir haben Publikum.«

Er kneift die Augen zusammen und dreht sich um, weil er sehen will, was sich hinter seinem Rücken abspielt. Als er sich wieder mir zuwendet, sind seine Ohrläppchen rosa angelaufen. Unsere Zuschauer machen sich schleunigst aus dem Staub, es hat jedoch gereicht, um seine Selbstsicherheit zerbröseln zu lassen.

Ich finde seine plötzliche Schüchternheit liebenswert. Ich bin es gewohnt, angemacht zu werden, aber ich glaube, vor mir ist noch nie jemand rot geworden. Ich möchte herausfinden, was sein erster Eindruck von mir ist. Ich möchte, dass er mich wieder so wie vor dreißig Sekunden betrachtet. Ein wenig macht sich in mir der Wunsch breit, seine Freunde abzumurksen.

Ich stehe kurz davor, ihn direkt zu fragen, als sich eine warme Hand auf meinen Arm legt und von hinten Emilia zu mir tritt. »Ich hab so Durst.« Sie wirft einen Blick auf Mr Hilfreich und mich, dann grinst sie. »Hi, ich heiße Emilia.«

Er nickt ihr höflich zu. »Hi, freut mich, dich kennenzulernen. Ich heiße Russ.«

»Du bist Jadens Russ?«, fragt sie, schnappt sich ihr Glas und verdreht die Augen, als sie die Aufschrift liest.

Emilias Äußerung scheint ihn fast ein wenig verlegen zu machen. Wieso bist du nur so süß?

»Äh, ja. Ich denke schon. Ich glaube kaum, dass JJ noch jemanden kennt, der Russ heißt.« Erneut reibt er sich den Nacken, und der Saum seines T-Shirts gibt einen winzigen Streifen sonnengebräunter Haut frei. Sofort funktioniert mein Gehirn nicht mehr richtig.

»Ich heiße Aurora«, platzt mir grenzwertig aggressiv heraus.

Emilia schaut mich wegen meines Ausfalls mit einer Mischung aus Verwirrung und peinlichem Berührtsein an. Ich entscheide mich, es zu ignorieren, und schütte den Drink in mich hinein. Der herbe Geschmack des Wodkas dämpft das Stechen meiner Beschämung. Als ich mein Glas absetze, tauchen Russ’ Augen erneut in meinem Blickfeld auf, die immer noch auf mich gerichtet sind.

Seine Grübchen sind wieder zurück.

Emilia räuspert sich, weswegen ich mich zwinge, den Kopf ihr zuzuwenden. Sie glotzt mich an, und ihr Blick verrät mir, dass sie mich später garantiert für alles an dieser Situation aufziehen wird. »Ich wollte dir nur mitteilen, dass drüben im Gemeinschaftszimmer eine Partie Trink-Jenga startet, falls du mitspielen willst.«

»Trink-Jenga?«

»Bei ein paar von den Holzklötzchen muss man Mutproben absolvieren«, erläutert Russ. »Robbie und JJ machen die Dinge gern interessanter.«

Emilia schimpft gespielt: »Ich habe ja gewusst, dass er irgendwas damit zu tun hat. Weiß der Himmel, worum es bei diesen Mutproben geht. Rory, sehen wir uns dort?«

Ich nicke, und sie verschwindet wieder. Ich bleibe mit meinem neuen Freund zurück. »Wie interessant sind die Dinge denn?«, frage ich.

Seine Lippen zucken schon wieder, und, du meine Güte, es ist noch lange kein Grund, mit jemandem herumknutschen zu wollen, nur weil sich seine Mundwinkel nach oben bewegen, aber so wie er zwischen Selbstvertrauen und Unsicherheit hin- und herschwankt, macht etwas mit mir.

Russ trinkt einen großen Schluck von seinem Bier, während er über meine Frage nachdenkt, und ich warte. Ich sollte mich eigentlich mehr genieren, weil ich so an den Lippen dieses Mannes hänge, aber der hier ist heiß und ein bisschen unbeholfen, und meine Bedenken fühlen sich ein wenig an wie ein Thema für meine zukünftige Therapeutin.

»Warum kommst du nicht einfach mit und findest es selbst heraus?«

3. KAPITEL

Russ

»Warum kommst du nicht einfach mit und findest es selbst heraus?«

In meinem Kopf hat es so gut geklungen, aber jetzt, nachdem ich es laut ausgesprochen habe, zucke ich innerlich zusammen. Diese Frau ist viel zu sexy, als dass sie sich mit mir auch nur unterhalten würde, deshalb ist es mir ein Rätsel, wie ich in diese Lage geraten bin.

JJ hat mich erwischt, wie ich sie beim Herumschnüffeln in der Küche beobachtete. Er hielt mir eine oscarverdächtige Ansprache zum Thema »Erfolg bei Frauen« und schob mich dann in ihre Richtung mit dem Auftrag, ihr etwas zu trinken anzubieten.

Ich bin zwar kein kompletter Ausfall, was Frauen betrifft, aber ein Experte bin ich auch noch lange nicht. Was sich bestätigte, als sich meine erste Unterhaltung mit der attraktiven Fremden in meinem Haus um Diebstahl drehte. Normalerweise brauche ich ein wenig Zeit, um mich zu entspannen, ehe ich mich wohl fühle, was bei College-Partys nicht gerade ein Vorteil ist.

Manchmal überbrückt Alkohol die Lücke, bis ich es wage, eine Frau nach ihrer Telefonnummer zu fragen. Allerdings trinke ich nur selten, weshalb ich auch chronischer Single bin.

Und obwohl ich von meinem Getränk ein bisschen angeheitert bin, ist Aurora viel zu hübsch, wodurch mein Gehirn zwanghaft nach einem Gesprächsthema sucht. Als ich auf sie zukam, konnte ich ihr Gesicht noch nicht sehen, nur die langen Beine und ihre Kurven, die von einem winzigen Rock und einem T-Shirt verdeckt waren. Dann tauchte plötzlich ihr Kopf von hinter der Schranktür auf. Eine blonde Lockenpracht umrahmte ihr Gesicht, die Wangen leicht gerötet, smaragdgrüne Augen, die mich so unschuldig anschauten, als hätte ich sie soeben mit der Hand in der Keksdose erwischt.

Ich habe mir für diese Party fest vorgenommen, dass, wenn ich eine Person heiß finde, ich sie auch anspreche. Und das mache ich gerade, auch wenn sie kurz davor ist, mich höflich abzuwimmeln. Ich gebe mir große Mühe, das Selbstvertrauen, das mir mein Bier einflößt, zu kanalisieren und nicht unter ihrer inquisitorischen Miene zusammenzuklappen, mit der sie mein Angebot abwägt.

Sie hält mir die Hand hin, und ich kann vor Überraschung meine Augenbrauen gerade noch daran hindern, mit meinem Haaransatz zu verschmelzen. »Dann zeig mir den Weg.«

Ich verschränke die Finger mit ihren und geleite sie Richtung Gemeinschaftszimmer, während ich im Stillen dauernd »Fake it, till you make it« und »Du bist ein heißer Eishockeyspieler« und »Der Einzige, der weiß, dass du nicht selbstsicher bist, bist du« vor mich hinsage, wie es mir JJ aufgetragen hatte.

Ich hätte nie damit gerechnet, dass sein Ratschlag von Erfolg gekrönt sein könnte, aber als ich händchenhaltend mit Aurora zum Jenga marschiere, wirkt er keineswegs überrascht. Er schaut sogar leicht selbstgefällig drein. Ich halte sie dicht an mich gedrängt und passe auf, dass keine Betrunkenen gegen sie taumeln, bis wir am Esstisch angelangt sind.

»Bist du bereit?«, frage ich, nicht ganz sicher, ob ich mit ihr oder mir selbst rede.

Sie schaut mich an, freundlicher als zuvor, und drückt sanft meine Hand. »Wie viel Ärger kann eine Partie Jenga schon machen?«

»Mein Freund Joe wechselt zum Jurastudium an die Yale University, und sie haben ihn gefragt, was genau in Kalifornien alles unter eine Straftat fällt.«

Joe zeigte sich keineswegs überrascht. Nachdem er von seinem Handy eine Liste abgelesen hatte, weigerten sich Robbie und JJ kategorisch, jemanden lesen zu lassen, was sie auf die Spielsteine geschrieben hatten. Sie kicherten bloß die ganze Zeit wie kleine Schuljungen.

»Nichts passt besser zur Collegezeit, als eine Kaution zu blechen. Wir haben beide schon Schlimmeres getan, da bin ich mir sicher. Jetzt mach schon.«

Ohne meine Hand loszulassen, schiebt sie sich selbstsicher durch das Gedränge, den Kopf hocherhoben, und ihre Haare tanzen bei jedem Schritt um ihre nackten Schultern. Plötzlich bin ich es, der im Schlepptau mitgezogen wird, aber ich folge ihr zu einem freien Platz zwischen Stassie und Emilia.

Als Stassie mich erblickt, winkt sie begeistert und klopft auf den Tisch. »Ich habe dir einen Platz freigehalten, Muffin.«

Es ist deutlich, dass sie bereits betrunken ist – so wie sie auf den Tisch haut. Die Jenga-Steine und die Shotgläser wackeln.

»Okay, Godzilla«, faucht Lola sie von der anderen Tischseite her an. »Wirf den Turm nicht um, bevor alle nackt sind! Meine Güte!«

Stassie formt mit den Lippen ein stilles Hoppla und schenkt mir ein vom Alkohol getrübtes Lächeln, während sie sich gleichzeitig an Nate kuschelt. Sie bemerkt, dass Aurora und ich immer noch Händchen halten, und ihr klappt kurz die Kinnlade runter, bevor sie mir einen bemüht lässigen Daumen nach oben gibt.

Wie soll ich unter diesen Umständen vor Frauen Selbstvertrauen vortäuschen?

»Muffin?«, fragt Aurora, als wir uns auf den Platz zwischen unsere Freunde schieben. Dann lässt sie meine Hand los, um in ihrer Handtasche nach dem Handy zu suchen. Ich würde gern mit meinen Händen etwas anfangen, statt nur unbeholfen neben ihr zu stehen, aber mein Handy zu checken steht ganz unten auf der Liste meiner Lieblingsbeschäftigungen. Schließlich stecke ich die Hände in die Hosentaschen. Ich beobachte Aurora, wie sie über die Benachrichtigungen wischt, dann steckt sie das Handy leise schnaubend wieder weg und sieht zu mir her.

»Das ist eine gaaaanz lange Geschichte«, erkläre ich vage. Meine einstündige Pseudo-Beziehung mit Stassie scheint eine Million Jahre her zu sein, und ich weiß nicht so recht, wie ich unsere merkwürdige, aber irgendwie herzerwärmende Verbundenheit, die jetzt zwischen uns herrscht, beschreiben sollte. Und das, obwohl sie behauptet, meine armseligen Kommunikationsfähigkeiten bereiteten ihr regelmäßig Kopfschmerzen.

Sag irgendwas Interessantes, Callaghan.

Aurora hakt nicht weiter nach, sondern fängt ein Gespräch mit Emilia an, die auf der anderen Seite neben ihr steht. Erleichtert seufze ich und konzentriere mich nun auf meine Freunde. Die Jungs löchern Robbie mit Fragen, worüber er zunehmend wütend wird.

»Wo ist Hen?«, fragt er und schaut einen Mannschaftskollegen nach dem anderen an. »Das war seine Scheißidee.«

»Bin schon da«, schreit Henry und schiebt sich durch das Gedränge, dicht gefolgt von einer Frau mit zerzausten Haaren. »Tut mir leid, aber jetzt kann es losgehen.«

Wenn Henry wegen einer schnellen Nummer zu spät zum Eishockey käme, würde Robbie ihn fertigmachen. Partyspiele nimmt Robbie genauso ernst wie Hockey, er will aber unbedingt beweisen, dass er die Sache nicht ganz so eng sieht wie Faulkner, mit dem er ständig verglichen wird.

Becky, Henrys neueste Eroberung, flüstert ihm etwas ins Ohr, küsst ihn auf die Wange und verschwindet wieder im Partygetümmel. Henrys Grinsen stresst Robbie noch mehr, was für alle großartig ist, die insgeheim den Countdown zählen und warten, bis er in die Luft geht.

Robbie hört auf, jeden in Grund und Boden zu starren, und hebt ein wenig die Hände, als wolle er klatschen. Alles hält den Atem an, doch dann lässt er einen Arm sinken und den anderen legt er um Lolas Hüften. »Oka…«

»Kann ich noch schnell aufs Klo?«, fragt Kris plötzlich.

»Nein, kannst du nicht«, faucht Robbie. »Jetzt bleib verdammt noch mal da und hör dir die Spielregeln an, bevor ich den Verstand verliere.«

Allgemeines Gestöhne, und alle außer mir holen ihre Portemonnaies raus und legen Geldscheine in Kris’ flache Hand. Robbie wartet mit verschränkten Armen, und als das Geld dann eingesammelt ist, fängt er wieder an. »Der Nächste, der mich nervt, spielt kommende Saison nicht.« Alle warten schweigend und beißen sich auf die Lippen, um nicht lauthals loszulachen. »Einer zieht einen Jenga-Stein; steht nichts drauf, ist die nächste Person an der Reihe, und man legt ihn oben auf den Turm.«

»Also wie beim regulären Jenga.« JJ grinst.

Robbie ignoriert ihn, wahrscheinlich, weil er ihn nicht mehr auf die Ersatzbank verbannen kann. »Wenn man eine Herausforderung erwischt, führt man sie entweder aus oder nimmt die Strafe an, die auf der Rückseite steht. Wenn nicht, muss man zwei Shots trinken. Wer kein Neunzig-Kilo-Eishockeyspieler ist, muss nur einen Shot trinken aus Gründen der Chancengleichheit. Wer den Turm umschmeißt, läuft nackt die Maple Avenue hinunter. Lola, du fängst an.«

»Warte mal«, unterbricht Joe. »Was sollen die Shots, wenn auf der Rückseite schon eine Strafe festgelegt ist?«

Robbie wirft ihm einen Blick zu, dass es mir eiskalt den Rücken hinunterläuft. »Die Regeln bestimme ich, und ich sage, es gibt Strafe und Shot.«

Das Spiel beginnt, und, wie für die Titans üblich, bricht sofort Chaos aus. Mattie muss sein zuletzt geschossenes Foto an die Familien-Chatgruppe senden – er verrät uns nicht, was darauf zu sehen ist, aber kurz darauf entfernt er sich, um einen Anruf seiner Großmutter entgegenzunehmen. Henry und Bobby müssen ihre Klamotten tauschen. Joe erwischt einen Stein, auf dem steht: »Gib deine Unterwäsche der Person, die dir gegenübersitzt«, und Auroras Freundin Emilia streitet mit Kris, da sie der Meinung ist, dass nicht sie, sondern er Joes Gegenüber sei. Als das Spiel schließlich unsere Tischseite erreicht, trägt Kris Joes Boxershorts über seiner Hose, dann kippt er zwei Shots, um nicht mit Emilia rumknutschen zu müssen, die eine feste Freundin hat und droht, ihm eine runterzuhauen, sollte er irgendetwas versuchen. Emilia zieht einen leeren Stein, Aurora anschließend ebenso. Es ist schwer, ihre Enttäuschung zu übersehen.

Ich bin von ihrem Mund abgelenkt, den sie zu einer süßen Schnute verzieht, als mich einer der Jungs anschreit: »Beeil dich gefälligst, Muffin!« Vorsichtig ziehe ich einen Stein aus der Mitte.

ZEIG DIE LETZTE NACHRICHT, DIE DU BEKOMMEN HAST,

DER PERSON NEBEN DIR.

Ich versuche, den Block nicht fallen zu lassen, da meine Hände zu schwitzen beginnen, und drehe ihn um. Was auch immer die Strafe sein wird, schlimmer kann’s nicht kommen.

SCHICKE FAULKNER DIE NACHRICHT: ICH LIEBE DICH

Ich lag so falsch.

Die Leute fragen mich, was auf dem Stein steht, aber mein Verstand rotiert. Wie soll ich aus dieser Nummer herauskommen, ohne erklären zu müssen, wieso. Abgesehen davon, dass ich keine Lust habe, mich erneut beim Trainer unbeliebt zu machen, war die letzte Nachricht, die ich bekommen habe, von meinem Dad, der mich um Geld bat. Die hässliche Wahrheit, dass er es immer wieder schafft, sich in mein Leben einzuschleichen und alles zu verderben, schlägt sich mir schwer auf den Magen. Ich habe den Text nicht einmal zu Ende gelesen, ehe ich das Handy wegstecke. Er hat ohnehin immer die gleiche beschissene Ausrede parat.

Ich zahle es dir zurück. Ich zahle dir die doppelte Summe zurück. Ich kenne jemanden, der den Trainer kennt, und bei dem Rennen kann ich gar nicht verlieren.

Oder, als er einmal einen über den Durst getrunken hatte: Alles, was du hast, verdankst du nur mir. Du hast deine Familie im Stich gelassen. Willst nicht einmal deinem eigenen Fleisch und Blut helfen? Du bist nicht mehr mein Sohn. Du hältst dich für was Besseres, weil du auf so ein tolles College gehst, aber dort wirst du dir auch alles versauen.

Ungeduldig auf eine Antwort wartend, reißt mir Stassie den Spielstein aus der Hand und liest es laut vor, woraufhin alle Umstehenden in Gelächter ausbrechen. Ich würde auch lachen, wenn es einen anderen getroffen hätte. Entschlossen nehme ich in jede Hand einen Shot und kippe beide rasch hinunter.

»Wow! Du wolltest wirklich nicht, dass ich die Nacktfotos sehe«, sagt Aurora, während ich mir mit dem Handrücken den Mund abwische. »Schau nicht so ernst, war nur ein kleiner Scherz. Das ist doch gut.«

»Gut?«

Sie nickt. »Dass du deine privaten Dinge nicht überall hinausposaunst. Privatsphäre ist gut.«

Privatsphäre. Das ist eine meiner Stärken. Nur leider aus den falschen Gründen.

Das Spiel läuft weiter, eine Runde nach der anderen. Shots werden gekippt, Herausforderungen bewältigt, Beleidigungen in Richtung Robbie und JJ abgefeuert. Nate muss seiner Schwester Geld überweisen, weil er sich weigert, die Person links von ihm zu küssen: Robbie. Bobby schickt Faulkner eine »Du fehlst mir«-Nachricht, Henry muss eine Flasche Bier auf ex trinken, und ich wurde mein Hemd los, weil ich nicht die rothaarige Person küssen wollte, die mir am nächsten steht – welche zufällig Lola war. Die Freundin meines Mitbewohners und Trainers zu küssen schien mir nicht die beste Idee für die Zukunft meiner College-Karriere zu sein.

Emilia beugt sich zum Turm vor, der mittlerweile deutlich wackeliger aussieht. Grinsend liest sie vor, was auf ihrem Stein steht. »Bestimme zwei Leute, die sich küssen müssen. Was seid ihr doch kindisch, Leute«, murmelt sie vor sich hin, dann hält sie uns den Stein hin. Ihre Lippen verziehen sich zu einem schelmischen Grinsen. »Nun, da ich hier nur zwei Leute kenne … also … da muss ich dann wohl Aurora und Russ auswählen.«

»Und ich? Bin ich ein Geist?«, ruft JJ vom anderen Ende des Tischs herüber und wedelt wie wild mit den Armen. »Unsere Freundschaft ist für dich offenbar nur ein Witz.«

Ich höre, wie sie irgendetwas sagt, registriere die Erwähnung meines Namens aber erst, als ich spüre, wie Aurora mich ansieht. Oh mein Gott. Sie sieht wirklich umwerfend gut aus.

Der Einzige, der weiß, dass du nicht selbstsicher bist, bist du.

Ihre Wangen sind inzwischen stärker gerötet, ihre Augen schon etwas glasig.

»Bist du noch nüchtern genug, um wirklich einverstanden sein zu können?«, frage ich sie.

Sie nickt grinsend. »Und du?«

Sanft schiebe ich ihr die Hand unter die Haare, um ihren Nacken zu umfassen, reibe mit dem Daumen unterhalb ihrer Kinnpartie entlang und spüre ihren hämmernden Puls.

»Yep!« Als ich mich zu ihr vorbeuge, stellt sie sich auf die Zehenspitzen, ihre Hände legen sich mir um den Nacken, dann findet mein Mund ihren. Sanft erst, zögerlich, bis sie leise stöhnt, und eine Minute lang vergesse ich, dass wir Publikum haben.

Das Publikum vergisst uns allerdings nicht, und als ich sie näher an mich ziehe, jubeln alle und bringen uns beide rasch auf den Boden der Realität zurück. Sie macht einen Schritt zurück, legt die Hand an ihre Lippen, dreht sich zu Emilia und flüstert ihr etwas zu, das ihr ein Lächeln entlockt.

Fake it, till you make it.

Das Spiel geht weiter, leerer Stein folgt auf leeren Stein, und die Leute fragen schon, ob Robbie und JJ es aufgegeben hatten, noch weitere Aufgaben zu stellen, was die beiden als ungeheure Beleidigung zurückweisen. Als Aurora den nächsten leeren Stein zieht, erntet sie ein enttäuschtes Stöhnen von den Umstehenden.

»Dieser Turm hält sich besser aufrecht als ich«, grummelt Aurora und legt ihren Stein oben auf die wackelige Konstruktion.

Dann ziehe ich meinen und erkenne sofort Robbies schlampiges Gekritzel auf dem Holz.

RICHTUNG ÄNDERN

»Richtung ändern«, lese ich laut vor. »Das verstehe ich nicht.«

»Das heißt, dass ich jetzt wieder dran bin«, erklärt Aurora, und Robbie nickt.

Sie zieht einen Stein – und vom Standpunkt eines Ingenieurs aus gesehen so ziemlich den schlechtesten, wenn der Turm stehen bleiben soll. Mir kommt in den Sinn, dass sie ihn eigentlich gern einstürzen sehen möchte, aber dann fängt sie an zu lachen und reißt mich schlagartig aus meinen Gedanken. Und ihr Lachen ist einfach bezaubernd.

Sie dreht den Stein um, damit alle ihn lesen können.

GIB DEM NÄCHSTSTEHENDEN EISHOCKEYSPIELER

EINEN ZWEI MINUTEN LANGEN LAPDANCE

»Das habe ich geschrieben«, ruft Lola fröhlich. »Gern geschehen, Muffin.«

Wenn Blicke töten könnten, hätte ich jetzt das Zeitliche gesegnet. Die Jungs schauen mich maßlos eifersüchtig an, nachdem sie Aurora ein wenig zu lange begutachtet hatten. Ich räuspere mich vernehmlich, und sie kriegen sich wieder ein.

Oh Mann, ich werde vor all meinen Freunden einen Ständer kriegen.

Bobby rennt los, um einen der zuvor weggeräumten Stühle zu holen, Anastasia erkundigt sich bei Aurora nach ihren musikalischen Vorlieben. Ich weiß, das ist keine große Sache, unterschwellig fühlt es sich aber als solche an. Mein Gesicht ist bestimmt schon rot wie eine Tomate. Wie soll ich da noch Selbstsicherheit vortäuschen?

Ich beuge mich zu ihr hinunter und flüstere ihr ins Ohr, sodass nur sie mich hören kann: »Das brauchst du nicht zu machen. Lass dich nicht unter Druck setzen.«

»Es ist doch nur ein alberner Tanz.« Sie drückt meinen Arm. »Trotzdem danke. Aber wenn dir das nicht recht ist, trinke ich eben den Shot.«

»Mir ist es recht.« Und wie mir das recht ist!

»Irgendetwas, das ich lassen soll?«

»Du kannst tun, was du willst.«

Da ich ohnehin schon kein Hemd mehr anhabe, bekommt die Sache irgendwie etwas Intimeres. Aber Gott sei Dank verflüchtigt sich dieses Gefühl, wenn eine Menge Leute dich anglotzen, während du auf einem Esszimmerstuhl sitzt.

Nett zu wissen, woran ich das nächste Mal denke, wenn ich hier esse.

Aurora trinkt zwei Shots. »Ich gebe nicht auf«, sagt sie. »Ich muss mir nur Mut antrinken.«

Ich habe bereits das Gefühl, ich bräuchte Mut, dabei sitze ich nur hier und lasse eine Frau, die so weit außerhalb meiner Liga ist, dass wir nicht einmal dieselbe Sportart spielen, für mich tanzen. Die Musik wechselt von einer schnellen Charts-Nummer zu »Sweat« von Zayn. Lola hält ihr Handy mit eingestelltem Timer hoch.

Als Aurora lächelnd zu mir herüberkommt und sich hinter meinen Stuhl stellt, fällt es mir nicht schwer, das ganze Zimmer um mich herum zu vergessen. Beide Hände legen sich auf meine Schultern und gleiten über Brust und Bauch hinab, bis ihr Kopf gleichauf mit meinem ist. Sie küsst mich flüchtig auf die Wange und lacht leise. In dem Moment weiß ich, das ist die schönste Art von Folter, die ich mir vorstellen kann.

Sie geht um den Stuhl herum, stellt sich mit dem Rücken zu mir vor mich, ihre Hüften wiegen sich im Rhythmus der Musik. Sanft drückt sie meine Knie auseinander, schiebt sich dazwischen und lässt sich auf mir nieder.

Die dreißig Sekunden, die Aurora ihren Hintern an mir reibt, vergehen wie im Flug. Ihr Rücken lehnt an meiner nackten Brust, und als sie ihr Haar herumwirbeln lässt, dringt mir der Geruch von Pfirsich in die Nase. Im Geist zähle ich tote amerikanische Präsidenten auf, aber es nützt nichts. Ihre Hüften wechseln den Rhythmus, ihr Körper vibriert, und leise kichernd schaut sie mich an. Ja, sie kann definitiv meine Erregung an ihrem Hintern spüren.

Meine Knöchel sind ganz weiß, so fest klammere ich mich an die Armlehnen meines Stuhls. Offensichtlich brauche ich sie gar nicht zu berühren. Sie steht auf, aber ich brauche mir keine Sorgen zu machen, dass alle Welt meine Erektion zu Gesicht bekommt, weil sie sich sofort umdreht und direkt wieder auf meinem Schoß niederlässt.

Das ist schlimmer, so viel schlimmer.

Schlimmer, aber besser. Denn sie ist verdammt sexy, und jetzt kann ich ihr Gesicht sehen, da sie sich an mir reibt und eine große Selbstzufriedenheit ausstrahlt. »Du darfst mich ruhig anfassen«, flüstert sie mir zu, und ihre Augen funkeln dunkel.

George Washington, John Adams, Thomas Jefferson …

Ich packe ihre Hüften und lasse die Daumen sanft über einen schmalen Streifen Haut zwischen dem Rocksaum und dem T-Shirt gleiten. Ihre Hände versinken in meinem Haar, ihr Busen presst sich gegen meine Brust, ihr Gesicht nähert sich meinem …

Dann geht der Timer los, und zum ersten Mal in meinem Leben würde ich am liebsten einen Mord begehen.

Der Zauber verfliegt, und uns wird beiden schlagartig bewusst, dass wir nicht allein sind. Schwer atmend setzt sie sich auf. Gott sei Dank schlägt JJ vor, eine Pause zu machen, um neue Drinks zu holen und auf die Toilette zu gehen. Mir winkt er zu, als sich die nähere Umgebung langsam leert.

Ich habe die Hände noch immer an ihren Hüften, sie schaut mir noch immer in die Augen. Unter der Oberfläche ist irgendetwas, eine Art Unsicherheit, als würde sie auf etwas warten. Aber ich weiß nicht, worauf. »Äh, gut gemacht.«

Es wird klar, sie wartete auf ein Lob, denn als sie sich anschickt, aufzustehen, wird ihr Lächeln breiter. Ich packe sie fester und lasse sie nicht los. »Können wir kurz reden?«

Sie beißt sich auf die Lippen, um sich ein Lachen zu verkneifen, und nickt. »Sicher.«

James Madison, James Monroe, John Quincy Adams …

4. KAPITEL

Aurora

Auf dem Schoß eines Eishockeyspielers zu sitzen ist nicht das, was eine Frau tun sollte, die ihr Leben verändern will.

Ehrlich gesagt hatten meine Pläne für diesen Abend nicht beinhaltet, dass ich mich an der Erektion eines völlig Fremden rieb. Na ja, vielleicht schon, aber wenn, dann ohne Kleidung und vor allem ohne Zuschauer.

In der Sekunde, als ich dieses Haus betrat, vergaß ich all meine Vorsätze bezüglich der für den Sommer geplanten Selbstoptimierung, und dieses mangelnde Pflichtgefühl mir selbst gegenüber ist genau der Grund, weshalb ich Distanz zu den Versuchungen von Maple Hills brauche.