Wilhelm Tell - Friedrich Schiller - E-Book

Wilhelm Tell E-Book

Friedrich Schiller

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

 Neuausgabe 2025: Werktext seiten- und zeilengleich mit der Ausgabe Reclam XL – Text und Kontext 16168 Der Schul-Klassiker in gut lesbarer Neuausstattung Das 1804 erschienene und in Weimar unter der Regie von Goethe uraufgeführte Blankvers-Drama Wilhelm Tell war Friedrich Schillers letztes und lange Zeit erfolgreichstes Stück. Das Geschichtsdrama spielt um 1300 in der Schweiz und behandelt den Freiheitskampf der Urkantone. Der überzeugte Einzelkämpfer Wilhelm Tell wird – wider Willen, aber im eigenen Interesse – zum Tyrannenmörder, Volkshelden und Mitbegründer einer freien Gesellschaftsordnung. Als National- oder Freiheitsdrama erlebte Wilhelm Tell eine bewegte Aufführungsgeschichte bis zum Verbot durch die Nationalsozialisten im Jahr 1941. Das Schweizer National-Drama in behutsam modernisierter Ausgabe und besser lesbarem Neusatz. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden. 

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 164

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Friedrich Schiller

Wilhelm Tell

Schauspiel

Anmerkungen von Josef Schmidt

Reclam

Zu diesem Text gibt es eine Interpretationshilfe: Friedrich Schiller, Wilhelm Tell. Lektüreschlüssel XL (Nr. 15520)

 

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist ausgeschlossen.

 

RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK Nr. 962387

1969, 2025 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Cornelia Feyll, Friedrich Forssman

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2025

RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Marken der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN978-3-15-962387-0

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-014700-9

www.reclam.de | [email protected]

Inhalt

Personen

Erster Aufzug

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

Zweiter Aufzug

Erste Szene

Zweite Szene

Dritter Aufzug

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierter Aufzug

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Fünfter Aufzug

Erste Szene

Zweite Szene

Letzten Szene

Zu dieser Ausgabe

Anmerkungen

[5]Personen

HERRMANN GESSLER, Reichsvogt in Schwyz und Uri

WERNER, FREIHERR VON ATTINGHAUSEN, Bannerherr

ULRICH VON RUDENZ, sein Neffe

Landleute aus Schwyz:

WERNER STAUFFACHER

KONRAD HUNN

ITEL REDING

HANS AUF DER MAUER

JÖRG IM HOFE

ULRICH DER SCHMIDT

JOST VON WEILER

aus Uri:

WALTHER FÜRST

WILHELM TELL

RÖSSELMANN DER PFARRER

PETERMANN DER SIGRIST

KUONI DER HIRTE

WERNI DER JÄGER

RUODI DER FISCHER

aus Unterwalden:

ARNOLD VOM MELCHTHAL

KONRAD BAUMGARTEN

MEIER VON SARNEN

STRUTH VON WINKELRIED

KLAUS VON DER FLÜE

BURKHARDT AM BÜHEL

ARNOLD VON SEWA

PFEIFFER VON LUZERN

KUNZ VON GERSAU

JENNY, Fischerknabe

SEPPI, Hirtenknabe

GERTRUD, Stauffachers Gattin

[6]HEDWIG, Tells Gattin, Fürsts Tochter

BERTHA VON BRUNECK, eine reiche Erbin

Bäuerinnen:

ARMGART

MECHTHILD

ELSBETH

HILDEGARD

Tells Knaben:

WALTHER

WILHELM

Söldner:

FRIESSHARDT

LEUTHOLD

RUDOLPH DER HARRAS, Geßlers Stallmeister

JOHANNES PARRICIDA, Herzog von Schwaben

STÜSSI DER FLURSCHÜTZ

DER STIER VON URI

EIN REICHSBOTE

FRONVOGT

MEISTER STEINMETZ, GESELLEN und HANDLANGER

ÖFFENTLICHE AUSRUFER

BARMHERZIGE BRÜDER

GESSLERISCHE und LANDENBERGISCHE REITER

VIELE LANDLEUTE, MÄNNER und WEIBER aus den Waldstätten

[7]Erster Aufzug

Erste Szene

Hohes Felsenufer desVierwaldstättensees, Schwyz gegenüber.

Der See macht eine Bucht ins Land, eine Hütte ist unweit dem Ufer, Fischerknabe fährt sich in einem Kahn. Über den See hinweg sieht man die grünenMatten, Dörfer und Höfe von Schwyz im hellen Sonnenschein liegen. Zur Linken des Zuschauers zeigen sich die Spitzen desHaken, mit Wolken umgeben; zur Rechten im fernen Hintergrund sieht man die Eisgebirge. Noch ehe der Vorhang aufgeht, hört man denKuhreihenund das harmonische Geläut der Herdenglocken, welches sich auch bei eröffneter Szene noch eine Zeitlang fortsetzt.

FISCHERKNABE(singt im Kahn).

 (Melodie des Kuhreihens)

 Es lächelt der See, er ladet zum Bade,

 Der Knabe schlief ein am grünen Gestade,

Da hört er ein Klingen,

Wie Flöten so süß,

Wie Stimmen der Engel5

Im Paradies.

 Und wie er erwachet in seliger Lust,

 Da spülen die Wasser ihm um die Brust,

Und es ruft aus den Tiefen:

Lieb Knabe, bist mein!10

Ich locke den Schläfer,

Ich zieh ihn herein.

[8]HIRTE(auf dem Berge).

 (Variation des Kuhreihens)

 Ihr Matten lebt wohl,

 Ihr sonnigen Weiden!

 Der Senne muss scheiden,

 Der Sommer ist hin.

Wir fahren zu Berg, wir kommen wieder,

Wenn der Kuckuck ruft, wenn erwachen die Lieder,

Wenn mit Blumen die Erde sich kleidet neu,

Wenn die Brünnlein fließen im lieblichen Mai.20

 Ihr Matten lebt wohl,

 Ihr sonnigen Weiden!

 Der Senne muss scheiden,

 Der Sommer ist hin.

ALPENJÄGER(erscheint gegenüber auf der Höhe des Felsen).

 (Zweite Variation)

 Es donnern die Höhen, es zittert der Steg,

 Nicht grauet dem Schützen auf schwindlichtem Weg,

Er schreitet verwegen

Auf Feldern von Eis,

Da pranget kein Frühling,

Da grünet kein Reis;30

 Und unter den Füßen ein neblichtes Meer,

 Erkennt er die Städte der Menschen nicht mehr,

Durch den Riss nur der Wolken

Erblickt er die Welt,

Tief unter den Wassern35

Das grünende Feld.

 Die Landschaft verändert sich, man hört ein dumpfes Krachen von den Bergen, Schatten von Wolken laufen über die Gegend. Ruodi der Fischer kommt aus der Hütte, Werni der Jäger steigt vom Felsen, Kuoni der Hirte kommt, mit dem Melknapf auf der Schulter. Seppi, sein Handbube, folgt ihm.

RUODI. Mach hurtig Jenny. Zieh die Naue ein.

 Der graue Talvogt kommt, dumpf brüllt der Firn,

 Der Mythenstein zieht seine Haube an,

 Und kalt her bläst es aus dem Wetterloch,

 Der Sturm, ich mein, wird da sein, eh wir’s denken.

KUONI. ’s kommt Regen, Fährmann. Meine Schafe fressen

 Mit Begierde Gras, und Wächter scharrt die Erde.

WERNI. Die Fische springen, und das Wasserhuhn

 Taucht unter. Ein Gewitter ist im Anzug.

KUONI(zum Buben).

 Lug Seppi, ob das Vieh sich nicht verlaufen.

SEPPI. Die braune Lisel kenn ich am Geläut.

KUONI. So fehlt uns keine mehr, die geht am weitsten.

RUODI. Ihr habt ein schön Geläute, Meister Hirt.

WERNI.

 Und schmuckes Vieh – Ist’s Euer eignes, Landsmann?

KUONI. Bin nit so reich – ’s ist meines gnäd’gen Herrn,

 Des Attinghäusers, und mir zugezählt.

RUODI. Wie schön der Kuh das Band zu Halse steht!

KUONI. Das weiß sie auch, dass sie den Reihen führt,

 Und nähm ich ihr’s, sie hörte auf zu fressen.

RUODI. Ihr seid nicht klug! Ein unvernünft’ges Vieh –

WERNI. Ist bald gesagt. Das Tier hat auch Vernunft,

 Das wissen wir, die wir die Gämsen jagen,

 [10]Die stellen klug, wo sie zur Weide gehn,

 ’ne Vorhut aus, die spitzt das Ohr und warnet

 Mit heller Pfeife, wenn der Jäger naht.

RUODI(zum Hirten).

 Treibt Ihr jetzt heim?

KUONI.Die Alp ist abgeweidet.

WERNI. Glücksel’ge Heimkehr, Senn!

KUONI.Die wünsch ich Euch,

 Von Eurer Fahrt kehrt sich’s nicht immer wieder.

RUODI. Dort kommt ein Mann in voller Hast gelaufen.

WERNI. Ich kenn ihn, ’s ist der Baumgart von Alzellen.

 Konrad Baumgarten atemlos hereinstürzend.

BAUMGARTEN.

 Um Gottes willen, Fährmann, Euren Kahn!

RUODI. Nun, nun, was gibt’s so eilig?

BAUMGARTEN.Bindet los!

 Ihr rettet mich vom Tode! Setzt mich über!

KUONI. Landsmann, was habt Ihr?

WERNI.Wer verfolgt Euch denn?

BAUMGARTEN(zum Fischer).

 Eilt, eilt, sie sind mir dicht schon an den Fersen!

 Des Landvogts Reiter kommen hinter mir,

 Ich bin ein Mann des Tods, wenn sie mich greifen.

RUODI. Warum verfolgen Euch die Reisigen?

BAUMGARTEN.

 Erst rettet mich, und dann steh ich Euch Rede.

WERNI. Ihr seid mit Blut befleckt, was hat’s gegeben?

BAUMGARTEN.

 Des Kaisers Burgvogt, der auf Roßberg saß –

[11]KUONI. Der Wolfenschießen! Lässt Euch der verfolgen?

BAUMGARTEN.

 Der schadet nicht mehr, ich hab ihn erschlagen.

ALLE(fahren zurück).

 Gott sei Euch gnädig! Was habt Ihr getan?

BAUMGARTEN. Was jeder freie Mann an meinem Platz!

 Mein gutes Hausrecht hab ich ausgeübt

 Am Schänder meiner Ehr und meines Weibes.

KUONI. Hat Euch der Burgvogt an der Ehr geschädigt?

BAUMGARTEN.

 Dass er sein bös Gelüsten nicht vollbracht,

 Hat Gott und meine gute Axt verhütet.

WERNI. Ihr habt ihm mit der Axt den Kopf zerspalten?

KUONI. O lasst uns alles hören, Ihr habt Zeit,

 Bis er den Kahn vom Ufer losgebunden.

BAUMGARTEN.

 Ich hatte Holz gefällt im Wald, da kommt

 Mein Weib gelaufen in der Angst des Todes.

 »Der Burgvogt lieg’ in meinem Haus, er hab’

 Ihr anbefohlen, ihm ein Bad zu rüsten.

 Drauf hab’ er Ungebührliches von ihr

 Verlangt, sie sei entsprungen mich zu suchen.«

 Da lief ich frisch hinzu, so wie ich war,

 Und mit der Axt hab ich ihm ’s Bad gesegnet.

WERNI.

 Ihr tatet wohl, kein Mensch kann Euch drum schelten.

KUONI. Der Wüterich! Der hat nun seinen Lohn!

 Hat’s lang verdient ums Volk von Unterwalden.

BAUMGARTEN.

 Die Tat ward ruchtbar, mir wird nachgesetzt –

 Indem wir sprechen – Gott – verrinnt die Zeit –

 (Es fängt an zu donnern.)

KUONI.

 Frisch Fährmann – Schaff den Biedermann hinüber.

RUODI. Geht nicht. Ein schweres Ungewitter ist

 Im Anzug. Ihr müsst warten.

BAUMGARTEN.Heil’ger Gott!

 Ich kann nicht warten. Jeder Aufschub tödet –

KUONI(zum Fischer).

 Greif an mit Gott, dem Nächsten muss man helfen,

 Es kann uns allen Gleiches ja begegnen.

 (Brausen und Donnern.)

RUODI. Der Föhn ist los, Ihr seht wie hoch der See geht,

 Ich kann nicht steuern gegen Sturm und Wellen.

BAUMGARTEN(umfasst seine Knie).

 So helf Euch Gott, wie Ihr Euch mein erbarmet –

WERNI. Es geht ums Leben, sei barmherzig, Fährmann.

KUONI. ’s ist ein Hausvater, und hat Weib und Kinder!

 (Wiederholte Donnerschläge.)

RUODI. Was? Ich hab auch ein Leben zu verlieren,

 Hab Weib und Kind daheim, wie er – Seht hin

 Wie’s brandet, wie es wogt und Wirbel zieht,

 Und alle Wasser aufrührt in der Tiefe.

 – Ich wollte gern den Biedermann erretten,

 Doch es ist rein unmöglich, Ihr seht selbst.

BAUMGARTEN(noch auf den Knien).

 So muss ich fallen in des Feindes Hand,

 Das nahe Rettungsufer im Gesichte!

 – Dort liegt’s! Ich kann’s erreichen mit den Augen,

 Hinüberdringen kann der Stimme Schall,

 Da ist der Kahn, der mich hinübertrüge,

 Und muss hier liegen, hülflos, und verzagen!

[13]KUONI. Seht wer da kommt!

WERNI.Es ist der Tell aus Bürglen.

 Tell mit der Armbrust.

TELL. Wer ist der Mann, der hier um Hülfe fleht?

KUONI. ’s ist ein Alzeller Mann, er hat sein’ Ehr

 Verteidigt, und den Wolfenschieß erschlagen,

 Des Königs Burgvogt, der auf Roßberg saß –

 Des Landvogts Reiter sind ihm auf den Fersen,

 Er fleht den Schiffer um die Überfahrt,

 Der fürcht’t sich vor dem Sturm und will nicht fahren.

RUODI. Da ist der Tell, er führt das Ruder auch,

 Der soll mir’s zeugen, ob die Fahrt zu wagen.

TELL. Wo’s nottut, Fährmann, lässt sich alles wagen.

 (Heftige Donnerschläge, der See rauscht auf.)

RUODI. Ich soll mich in den Höllenrachen stürzen?

 Das täte keiner, der bei Sinnen ist.

TELL. Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt,

 Vertrau auf Gott und rette den Bedrängten.

RUODI. Vom sichern Port lässt sich’s gemächlich raten,

 Da ist der Kahn und dort der See! Versucht’s!

TELL. Der See kann sich, der Landvogt nicht erbarmen,

 Versuch es Fährmann!

HIRTEN und JÄGER.Rett ihn! Rett ihn! Rett ihn!

RUODI.  Und wär’s mein Bruder und mein leiblich Kind,

 Es kann nicht sein, ’s ist heut Simons und Judä,

 Da rast der See und will sein Opfer haben.

TELL. Mit eitler Rede wird hier nichts geschafft,

 Die Stunde dringt, dem Mann muss Hülfe werden.

 Sprich, Fährmann, willst du fahren?

[14]RUODI.Nein, nicht ich!

TELL. In Gottes Namen denn! Gib her den Kahn,

 Ich will’s mit meiner schwachen Kraft versuchen.

KUONI. Ha wackrer Tell!

WERNI.Das gleicht dem Waidgesellen!

BAUMGARTEN. Mein Retter seid Ihr und mein Engel, Tell!

TELL. Wohl aus des Vogts Gewalt errett ich Euch,

 Aus Sturmes Nöten muss ein Andrer helfen.

 Doch besser ist’s, Ihr fallt in Gottes Hand,

 Als in der Menschen!

 (Zu dem Hirten.)Landsmann, tröstet Ihr

 Mein Weib, wenn mir was Menschliches begegnet,

 Ich hab getan, was ich nicht lassen konnte.

 (Er springt in den Kahn.)

KUONI(zum Fischer).

 Ihr seid ein Meister Steuermann. Was sich

 Der Tell getraut, das konntet Ihr nicht wagen?

RUODI. Wohl bessre Männer tun’s dem Tell nicht nach,

 Es gibt nicht zwei, wie der ist, im Gebirge.

WERNI(ist auf den Fels gestiegen).

 Er stößt schon ab. Gott helf dir, braver Schwimmer!

 Sieh, wie das Schifflein auf den Wellen schwankt!

KUONI(am Ufer).

 Die Flut geht drüber weg – Ich seh’s nicht mehr.

 Doch halt, da ist es wieder! Kräftiglich

 Arbeitet sich der Wackre durch die Brandung.

SEPPI. Des Landvogts Reiter kommen angesprengt.

KUONI. Weiß Gott, sie sind’s! das war Hülf in der Not.

 Ein TruppLandenbergischer Reiter.

[15]ERSTER REITER.

 Den Mörder gebt heraus, den ihr verborgen.

ZWEITER.

 Des Wegs kam er, umsonst verhehlt ihr ihn.

KUONI und RUODI.

 Wen meint ihr, Reiter?

ERSTER REITER(entdeckt den Nachen).

 Ha, was seh ich! Teufel!

WERNI(oben).

 Ist’s der im Nachen, den ihr sucht? – Reit’ zu!

 Wenn ihr frisch beilegt, holt ihr ihn noch ein.

ZWEITER. Verwünscht! Er ist entwischt.

ERSTER(zum Hirten und Fischer).

 Ihr habt ihm fortgeholfen,

 Ihr sollt uns büßen – Fallt in ihre Herde!

 Die Hütte reißet ein, brennt und schlagt nieder!

 (Eilen fort.)

SEPPI(stürzt nach).

 O meine Lämmer!

KUONI(folgt). Weh mir! Meine Herde!

WERNI. Die Wüt’riche!

RUODI(ringt die Hände). Gerechtigkeit des Himmels,

 Wann wird der Retter kommen diesem Lande?

 (Folgt ihnen.)

[16]Zweite Szene

ZuSteinenin Schwyz.

Eine Linde vor des Stauffachers Hause an der Landstraße, nächst der Brücke.

Werner Stauffacher. Pfeiffer von Luzern kommen im Gespräch.

PFEIFFER. Ja, ja Herr Stauffacher, wie ich Euch sagte.

 Schwört nicht zu Östreich, wenn Ihr’s könnt vermeiden.

 Haltet fest am Reich und wacker wie bisher,

 Gott schirme Euch bei Eurer alten Freiheit!

 (Drückt ihm herzlich die Hand und will gehen.)

STAUFFACHER.

 Bleibt doch, bis meine Wirtin kommt – Ihr seid

 Mein Gast zu Schwyz, ich in Luzern der Eure.

PFEIFFER. Viel Dank! Muss heute Gersau noch erreichen.

 – Was ihr auch Schweres mögt zu leiden haben

 Von eurer Vögte Geiz und Übermut,

 Tragt’s in Geduld! Es kann sich ändern, schnell,

 Ein andrer Kaiser kann ans Reich gelangen.

 Seid ihr erst Österreichs, seid ihr’s auf immer.

 Er geht ab. Stauffacher setzt sich kummervoll auf eine Bank unter der Linde. So findet ihn Gertrud, seine Frau, die sich neben ihn stellt, und ihn eine Zeitlang schweigend betrachtet.

GERTRUD.

 So ernst, mein Freund? Ich kenne dich nicht mehr.

 Schon viele Tage seh ich’s schweigend an,

 [17]Wie finstrer Trübsinn deine Stirne furcht.

 Auf deinem Herzen drückt ein still Gebresten,

 Vertrau es mir, ich bin dein treues Weib,

 Und meine Hälfte fodr’ ich deines Grams.

 (Stauffacher reicht ihr die Hand und schweigt.)

 Was kann dein Herz beklemmen, sag es mir.

 Gesegnet ist dein Fleiß, dein Glücksstand blüht,

 Voll sind die Scheunen, und der Rinder Scharen,

 Der glatten Pferde wohl genährte Zucht

 Ist von den Bergen glücklich heimgebracht

 Zur Winterung in den bequemen Ställen.

 – Da steht dein Haus, reich, wie ein Edelsitz,

 Von schönem Stammholz ist es neu gezimmert

 Und nach dem Richtmaß ordentlich gefügt,

 Von vielen Fenstern glänzt es wohnlich, hell,

 Mit bunten Wappenschildern ist’s bemalt,

 Und weisen Sprüchen, die der Wandersmann

 Verweilend liest und ihren Sinn bewundert.

STAUFFACHER.

Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt,

 Doch ach – es wankt der Grund, auf den wir bauten.

GERTRUD. Mein Werner sage, wie verstehst du das?

STAUFFACHER.

 Vor dieser Linde saß ich jüngst wie heut,

 Das schön vollbrachte freudig überdenkend,

 Da kam daher von Küßnacht, seiner Burg,

 Der Vogt mit seinen Reisigen geritten.

 Vor diesem Hause hielt er wundernd an,

 Doch ich erhub mich schnell, und unterwürfig

 Wie sich’s gebührt, trat ich dem Herrn entgegen,

 Der uns des Kaisers richterliche Macht

 [18]Vorstellt im Lande. »Wessen ist dies Haus?«,

 Fragt’ er bösmeinend, denn er wusst es wohl.

 Doch schnell besonnen ich entgegn’ ihm so:

 »Dies Haus, Herr Vogt, ist meines Herrn des Kaisers,

 Und Eures und mein Lehen« – da versetzt er:

 »Ich bin Regent im Land an Kaisers statt,

 Und will nicht, dass der Bauer Häuser baue

 Auf seine eigne Hand, und also frei

 Hinleb’, als ob er Herr wär in dem Lande,

 Ich werd mich unterstehn, Euch das zu wehren.«

 Dies sagend ritt er trutziglich von dannen,

 Ich aber blieb mit kummervoller Seele,

 Das Wort bedenkend, das der Böse sprach.

GERTRUD.

 Mein lieber Herr und Ehewirt! Magst du

 Ein redlich Wort von deinem Weib vernehmen?

 Des edeln Ibergs Tochter rühm ich mich,

 Des viel erfahrnen Manns. Wir Schwestern saßen,

 Die Wolle spinnend, in den langen Nächten,

 Wenn bei dem Vater sich des Volkes Häupter

 Versammelten, die Pergamente lasen

 Der alten Kaiser, und des Landes Wohl

 Bedachten in vernünftigem Gespräch.

 Aufmerkend hört ich da manch kluges Wort,

 Was der Verständ’ge denkt, der Gute wünscht,

 Und still im Herzen hab ich mir’s bewahrt.

 So höre denn und acht auf meine Rede,

 Denn was dich presste, sieh das wusst ich längst.

 – Dir grollt der Landvogt, möchte gern dir schaden,

 Denn du bist ihm ein Hindernis, dass sich

 Der Schwyzer nicht dem neuen Fürstenhaus

 [19]Will unterwerfen, sondern treu und fest

 Beim Reich beharren, wie die würdigen

 Altvordern es gehalten und getan. –

 Ist’s nicht so Werner? Sag es, wenn ich lüge!

STAUFFACHER.

So ist’s, das ist des Geßlers Groll auf mich.

GERTRUD.

 Er ist dir neidisch, weil du glücklich wohnst,

 Ein freier Mann auf deinem eignen Erb

 – Denn Er hat keins. Vom Kaiser selbst und Reich

 Trägst du dies Haus zu Lehn, du darfst es zeigen,

 So gut der Reichsfürst seine Länder zeigt,

 Denn über dir erkennst du keinen Herrn

 Als nur den Höchsten in der Christenheit –

 Er ist ein jüngrer Sohn nur seines Hauses,

 Nichts nennt er sein als seinen Rittermantel,

 Drum sieht er jedes Biedermannes Glück

 Mit scheelen Augen gift’ger Missgunst an,

 Dir hat er längst den Untergang geschworen –

 Noch stehst du unversehrt – Willst du erwarten,

 Bis er die böse Lust an dir gebüßt?

 Der kluge Mann baut vor.

STAUFFACHER.Was ist zu tun!

GERTRUD(tritt näher).

 So höre meinen Rat! Du weißt, wie hier

 Zu Schwyz sich alle Redlichen beklagen

 Ob dieses Landvogts Geiz und Wüterei.

 So zweifle nicht, dass sie dort drüben auch

 In Unterwalden und im Urner Land

 Des Dranges müd sind und des harten Jochs –

 Denn wie der Geßler hier, so schafft es frech

 [20]Der Landenberger drüben überm See –

 Es kommt kein Fischerkahn zu uns herüber,

 Der nicht ein neues Unheil und Gewalt-

 Beginnen von den Vögten uns verkündet.

 Drum tät es gut, dass eurer etliche,

 Die’s redlich meinen, still zu Rate gingen,

 Wie man des Drucks sich möcht erledigen,

 So acht ich wohl, Gott würd euch nicht verlassen,

 Und der gerechten Sache gnädig sein –

 Hast du in Uri keinen Gastfreund, sprich,

 Dem du dein Herz magst redlich offenbaren?

STAUFFACHER. Der wackern Männer kenn ich viele dort,

 Und angesehen große Herrenleute,

 Die mir geheim sind und gar wohl vertraut.

 (Er steht auf.)

 Frau, welchen Sturm gefährlicher Gedanken

 Weckst du mir in der stillen Brust! Mein Innerstes

 Kehrst du ans Licht des Tages mir entgegen,

 Und was ich mir zu denken still verbot,

 Du sprichst’s mit leichter Zunge kecklich aus.

 – Hast du auch wohl bedacht, was du mir rätst?

 Die wilde Zwietracht und den Klang der Waffen

 Rufst du in dieses friedgewohnte Tal –

 Wir wagten es, ein schwaches Volk der Hirten,

 In Kampf zu gehen mit dem Herrn der Welt?

 Der gute Schein nur ist’s, worauf sie warten,

 Um loszulassen auf dies arme Land

 Die wilden Horden ihrer Kriegesmacht,

 Darin zu schalten mit des Siegers Rechten,

 Und unterm Schein gerechter Züchtigung

 Die alten Freiheitsbriefe zu vertilgen.

[21]GERTRUD. Ihr seid auch Männer, wisset eure Axt

 Zu führen, und dem Mutigen hilft Gott!

STAUFFACHER.

 O Weib! Ein furchtbar wütend Schrecknis ist

 Der Krieg, die Herde schlägt er und den Hirten.

GERTRUD.

 Ertragen muss man, was der Himmel sendet,

 Unbilliges erträgt kein edles Herz.

STAUFFACHER.

 Dies Haus erfreut dich, das wir neu erbauten.

 Der Krieg, der ungeheure, brennt es nieder.

GERTRUD.

 Wüsst ich mein Herz an zeitlich Gut gefesselt,

 Den Brand wärf ich hinein mit eigner Hand.

STAUFFACHER.

 Du glaubst an Menschlichkeit! Es schont der Krieg

 Auch nicht das zarte Kindlein in der Wiege.

GERTRUD.

 Die Unschuld hat im Himmel einen Freund!

 – Sieh vorwärts, Werner, und nicht hinter dich.

STAUFFACHER.

Wir Männer können tapfer fechtend sterben,

 Welch Schicksal aber wird das eure sein?

GERTRUD.

 Die letzte Wahl steht auch dem Schwächsten offen,

 Ein Sprung von dieser Brücke macht mich frei.

STAUFFACHER(stürzt in ihre Arme).