"Wir schaffen das" - Benjamin Webster - E-Book

"Wir schaffen das" E-Book

Benjamin Webster

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Beschreibung

In diesem Roman geht es um soziale Missstände in Deutschland. Schonungslos werden einzelne Schicksale aufgezeigt, die stellvertretend für viele Menschen sind. Es geht um Armut, Obdachlosigkeit, Hartz IV, Mietwucher, Kitaplätze und andere Dinge, die bei uns soziale Gerechtigkeit genannt werden. Zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Um ihnen die Missstände zu verdeutlichen, erzähle ich ihnen ein paar Geschichten, die tatsächlich so geschehen sind. Geschichten aus dem Leben, ungeschönt aber wahr. Als Kulisse dafür habe ich mir in Berlin, eine fiktive Strasse und ein frei erfundenes Stadtviertel ausgedacht. Es ist das Frankfurter Viertel mit der Warschauer Strasse. Falls es tatsächlich in Berlin ein solches Viertel oder eine gleichnamige Strasse geben sollte, haben diese nichts mit meinem Roman zu tun.

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„Wir schaffen das“

Ein sozialkritischer Roman von Benjamin Webster

Vorwort

In diesem Roman geht es um soziale Missstände in Deutschland. Schonungslos werden einzelne Schicksale aufgezeigt, die stellvertretend für viele Menschen sind. Es geht um Armut, Obdachlosigkeit, Hartz IV, Mietwucher, Kitaplätze und andere Dinge, die bei uns soziale Gerechtigkeit genannt werden. Zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel. Fast 25 % aller Deutschen, leben in Armut oder an der Armutsgrenze. Der Abstand zur sogenannten Mittelschicht, wird geringer. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Um ihnen die Missstände zu verdeutlichen, erzähle ich ihnen ein paar Geschichten, die tatsächlich so geschehen sind. Geschichten aus dem Leben, ungeschönt aber wahr. Als Kulisse dafür habe ich mir in Berlin, eine fiktive Strasse und ein frei erfundenes Stadtviertel ausgedacht. Es ist das Frankfurter Viertel mit der Warschauer Strasse. Falls es tatsächlich in Berlin ein solches Viertel oder eine gleichnamige Strasse geben sollte, haben diese nichts mit meinem Roman zu tun. Die Menschen und deren Schicksale, habe ich so verfremdet, dass man sie nicht wieder erkennen kann. Falls es doch mit Lebenden oder bereits verstorbenen Personen Übereinstimmungen geben sollte, wäre das rein zufällig und nicht wissentlich gewollt. Frei erfunden hingegen, sind das Gemeindezentrum und das geplante Asylantenheim. Soziale Gerechtigkeit gibt es schon lange nicht mehr. Über Jahrzehnte hinweg, wurden systematisch Sozialleistungen gestrichen oder gekürzt und alles zum Wohle der Wirtschaftskraft in Deutschland. „Sozial ist, was Arbeit schafft“, hatte einmal ein Politiker lauthals propagiert. Andere haben diesen Satz aufgegriffen und später einen Billiglohnsektor geschaffen, auf den sie sogar noch stolz sind. Und die Folgen sind, Aufstocker, Leiharbeit, Zeitverträge und Hartz IV. Von der zu erwartenden Altersarmut, möchte ich erst gar nicht reden, denn wenn man wenig verdient, kann keine üppige Rente dabei herauskommen. Unsere Regierung subventioniert somit die Gewinne von Firmen. Schon die Regierung Kohl hatte sich seiner Zeit aus dem sozialen Wohnungsbau verabschiedet. Und die Folgen kennen sie alle. Es gibt noch kaum bezahlbare Wohnungen für Geringverdiener oder sozial Schwache. Aber auch der Ottonormalverbraucher, hat Probleme günstigen Wohnraum zu finden. Die Mietpreisbremse, ein Gesetz das den Namen nicht verdient. Das sind nur einige Missstände, die ich in meinem Roman aufgreife. Ich nenne ihnen Ross und Reiter, ohne Rücksicht auf Personen und Parteien. Einigen von ihnen, werde ich gehörig auf den Schlips treten, aber das ist mir egal. Es muss sich einiges in Deutschland ändern. Wenn nicht, wird eines Tages das Kapital regieren und die Politiker sind nur noch Marionetten. Lesen sie und urteilen sie selbst. Ihr Autor Benjamin Webster

www.benjamin-webster.de

Kapitel 1 –  Die Warschauer Strasse

Wolfgang Richter stand am Fenster und blickte in den gegenüberliegenden Hausflur von Nummer 71. Dort richteten sich gerade drei Obdachlose ihr Nachtlager her. Mit Isomatten, Schlafsäcken, Kartons und Decken, versuchten sie der Kälte zu trotzen. Wolfgang schaute ihnen schon drei Tage zu und meinte zu seiner Frau Renate: „Das sind arme Schweine. Wir haben zwar auch nicht viel mehr wie die Berber da draußen, aber wir haben wenigstens ein Dach über dem Kopf und müssen nicht frieren.“ Renate ging zu ihm und sah nun auch aus dem Fenster. Sie antwortete: „Da hast du Recht. Für alles ist Geld da, nur nicht für Schlafplätze von Obdachlosen. Jeder Araber der zu uns kommt bekommt Geld, Essen und ein Bett. Es ist eine Schande wie unser Staat seine Leute behandelt.“ Wolfgang: „Sie werden schon ihre Quittung dafür bekommen, unsere Herren da oben. Lange schaut sich das Volk dies nicht mehr an. Irgendwann kommen die Rechten ans Ruder und dann wird der Saustall erst einmal richtig ausgemistet. So ein kleiner Adolf müsste Mal wieder her und wenn es nur für ein Jahr wäre.“ Renate: „Und was machen die dann? Glaubst du, da würde sich etwas ändern?“ Wolfgang: „Zumindest würden die wenigstens keinen Moslem ins Land lassen, das wäre doch schon einmal ein Anfang.“ Renate: „Da hast du Recht, mein Schatz. Aber trotzdem sind mir die Turnschuhträger lieber, als Springerstiefel. Wir wissen doch alle was die damals angerichtet haben. Einen Weltkrieg angezettelt, Millionen von Menschen in Gaskammern geschickt und die hatten nicht einmal ein schlechtes Gewissen dabei. Skrupellos waren die. Und sowas will ich nicht erleben.“ Wolfgang: „Das wird nicht wieder passieren. Die Moslems rotten sich schon selbst aus, dazu brauchen sie keine Ungläubigen Christen.“ Renate: „Stimmt, die sprengen sich selbst in die Luft und finden das noch toll. Solche Idioten.“ Wolfgang: „Und warum tun sie das? Nur wegen den 72 Jungfrauen, die sie angeblich im Himmel erwarten.“ Renate: „Ich sag doch, Idioten. Glaubst du etwa, unser Herrgott macht ein Puff aus dem Paradies? Wenn die wo hinkommen, dann in die Hölle. Wer unschuldige Menschen tötet, ist immer noch ein Mörder und kein Märtyrer. Und Mörder kommen nun einmal nicht in den Himmel, sondern in die Hölle.“ Wolfgang: „Dann wird sich Luzifer aber freuen und alle Hände voll zu tun haben.“ Renate: „Warum das denn? Ich dachte immer die sitzen rund ums Fegefeuer und werden langsam gegrillt.“ Wolfgang: „Das ist vielleicht auch so, aber überlege doch einmal wer alles in der Hölle sitzt. Da ist zum Beispiel Adolf und seine Schergen, Bin Laden und seine Gesellen. Glaubst du, dass die da unten friedlich sind, zumal die Moslems gemerkt haben, nix Paradies und nix Jungfrauen. Da herrscht Frust pur. Und wenn sie da unten ankommen, steht Adolf, Himmler und Dr. Mengele da und sortieren erst einmal aus. Rechts, rechts, links, rechts, und noch einmal links. Die rechten kommen ins Fegefeuer und die linken müssen bedienen. Und was Adolf mit den Moslems macht, dürfte wohl klar sein.“ Renate: „Deine Fantasie möchte ich nicht haben. Du redest schon wie ein kleiner Nazi.“ Wolfgang fing zuerst an zu lachen und dann zu husten. Renate: „Leg dich lieber wieder hin und höre auf dich aufzuregen, sonst wirst du nie gesund. Hast du schon deine Tabletten genommen?“ Wolfgang brummte so etwas wie: „Die helfen ja doch nicht. Dieser Quacksalber von Arzt hat mich ja nicht einmal richtig untersucht. Morgen gehe ich wieder Flaschen sammeln, frische Luft hat noch niemanden geschadet.“ Renate: „Von wegen, du bleibst mit deinem Hintern zu Hause und kurierst dich richtig aus. Erst wenn du Beschwerdefrei bist, lass ich dich wieder auf die Strasse. Auch wenn es dir nicht paßt, drehe ich jetzt wieder die Heizung hoch, 15°ist einfach zu wenig.“ Widerwillig nahm er seine Tablette und legte sich auf die Couch. Renate packte ihn mit einer Decke ein und meinte: „Du schläft jetzt ein wenig und ich richte das Essen. Bis in einer Stunde bin ich fertig und dann gibt es ein Hühnersüppchen. Danach gehe ich noch einmal für zwei Stunden Flaschen sammeln.“ Wolfgang: „Bist du sicher, dass ich nicht mitgehen soll? Es ist doch bald Weihnachten und da brauchen wir doch jeden Cent, wenn wir uns ein Festtagsmenü über die Tage gönnen wollen.“ Renate: „Mach dir keinen Kopf, wir schaffen das.“ Wolfgang: „Wenn du meinst, meine Liebe. Ausgerechnet jetzt muss ich krank werden, es ist doch zum kotzen.“ Renate: „Wie sagt der Kölner: Es küt, wie es küt. Und nun schlaf ein wenig.“ Wolfgang fügte sich in sein Schicksal und schloss die Augen. Renate und Wolfgang waren immerhin schon 35 Jahre verheiratet. Kinder hatten sie keine, weil es nie passte. Immer stand die Arbeit im Vordergrund. Und, was hat es genützt? Beide waren seid Jahren arbeitslos und Hartz IV Bezieher. Sie waren noch zu jung, um in Frührente zu gehen. Wolfgang war 62 und seine holde Gattin 61 Jahre alt. Er würde nächstes Jahr vom Amt auch Zwangsverrentet und sie ein Jahr später, was nichts anderes bedeutet, dass die Rente der beiden um einiges weniger ausfallen wird. Trotzdem würde es mehr sein als Hartz IV, was schon einmal positiv war. Aber fast 30 % weniger Rente ist schon ein Hammer und das nur, weil Vater Staat beschlossen hat, Hartz IV-ler die 35 Jahre Rentenanwartschaft voll haben, einfach in Rente zu schicken. So schönt man Statistiken und spart obendrein noch viel Geld. Der Bürger wird nicht gefragt, er ist quasi entmündigt. Eines von vielen Gesetzen die sehr zweifelhaft sind und eventuell gegen die Verfassung verstoßen. Das die zwei arbeitslos wurden, war nicht einmal ihr verschulden. Da Wolfgang über 40 Jahre als Gipser auf dem Bau gearbeitet hatte, machten irgendwann seine Knie nicht mehr mit. So wurde er mehrfach an seinen Menisken operiert, was zur Folge hatte, dass er seinen Beruf nicht mehr ausüben konnte. Nach 13 Monaten Krankheit, wurde er schließlich von seinem Betrieb ausgemustert. Und Renate traf es genauso hart. Zwar hatte sie keine körperlichen Gebrechen, aber das nütze ihr nichts, weil ihr Betrieb von heute auf morgen Pleite ging. Pech gehabt. Renate bereitete das Essen zu und Wolfgang schlief noch ein wenig, sofern ihn nicht wieder Hustenanfälle aus dem Schlaf rissen. Heimlich maß er Fieber und musste feststellen, dass er 38,5° Temperatur hatte. Seine Lunge fühlte sich nicht gut an, schmerzen im Rücken plagten ihn und ein rasseln beim atmen war zu hören. Das Fieber konnte er vor Renate noch verschweigen, aber das rasseln nicht. Wie Renate von dem Flaschen sammeln zurückkam, merkte sie sofort, dass mit Wolfgang etwas nicht stimmte. Das rasseln der Lunge und das Fieber veranlasste sie, sofort ihren Arzt anzurufen, der auch wenig später kam. Seine Diagnose wahr eindeutig, Lungenentzündung. Wolfgang musste sofort ins Krankenhaus. Obwohl er das nicht wollte, setzte sich Renate durch. Und so kam es, dass Wolfgang Weihnachten im Krankenhaus verbringen musste. Erst kurz vor Sylvester wurde er wieder entlassen. Mit dem Bus fuhr er nach Hause, wo ihn schon Renate erwartete. Sie war natürlich heilfroh, dass ihr Göttergatte wieder gesund war. Extra für ihn hatte sie die Heizung auf stattliche 22° hochgedreht. Wolfgang: „Bin ich froh, dass ich das Krankenhaus nicht mehr sehen muss, überall riecht es nach Desinfektionsmittel. Aber das Schlimmste war das Essen. Grauenhaft, Renate. Von wegen Weihnachtsganz, Haferschleim und Süppchen hat es über die Feiertage gegeben. Und dafür muss ich jetzt noch 10.- Euro pro Tag selbst bezahlen. Es tut mir leid, dass ich mit 120.- Euro ein Loch in unsere Kasse reiße, dafür gehe ich morgen gleich wieder Flaschen sammeln.“ Renate nahm ihren Mann in den Arm und sagte leise: „Das ist lieb von dir, aber nicht nötig. Du wirst erst einmal ganz gesund. Dieses Jahr gehst du mir nicht mehr auf die Strasse und wenn, dann nur wenn du dich sehr warm anziehst. War das Essen wirklich so scheußlich?“ Wolfgang: „Scheußlich wäre noch geprahlt. Aber das liegt auch wahrscheinlich daran, dass du so gut kochst.“ Sie führte ihn zur Couch, die sie schon für ihn gerichtet hatte. Renate: „Setz dich erst einmal hin, denn ich habe noch eine Überraschung für dich.“ Sie lief zum Wohnzimmerschrank und holte etwas aus einer Schublade und streckte es Wolfgang hin. Renate: „Ein nachträgliches Weihnachtsgeschenk für dich.“ Wolfgang: „Du beschämst mich, denn ich habe nichts für dich.“ Renate: „Das du wieder hier bist und mich nicht alleine gelassen hast, ist Geschenk genug. Verlasse mich ja nicht, hörst du? Ich würde noch gerne einige Jahre mit dir verbringen, wenn es geht, sehr viele. Und wenn wir sterben, dann nur zusammen. Uns gibt es nur im Doppelpack.“ Wolfgangs Augen waren feucht. Er nahm Renate in den Arm und gab ihr einen Kuss. Dann meinte er: „Nur im Doppelpack, meine Liebe. Aber bis dahin ist noch viel Zeit.“ Er nahm den weihnachtlichen Umschlag und öffnete ihn. Darin lagen verschiedene Geldscheine. Er dachte er sieht nicht Recht und fragte ungläubig: „Wo haste den die her? Das sind doch mindestens 100.- Euro.“ Renate: „145.- Euro, um genau zu sein. Während du im Krankenhaus warst, habe ich Doppelschichten, bei den Stadien und an den Kirchen gemacht.“ Wolfgang: „Du hast an den Kirchen Flaschen gesammelt? Da gibt es doch so gut wie keine.“ Renate: „Nicht gesammelt, sondern gebettelt.“ Wolfgang: „Wir hatten doch ausgemacht, betteln ist tabu.“ Renate: „Mein lieber Schatz, ich würde noch ganz andere Dinge tun, um nicht hungern oder frieren zu müssen. Was ist schon dabei, wenn ich jemanden um einen oder zwei Euro Bitte, damit wir über die Runden kommen. Schau uns doch an, wie weit wir es gebracht haben. Ein Leben lang gearbeitet und was ist der Dank dafür? Hartz IV, zum leben zu wenig und zum sterben zu viel. Die Herren da oben machen es sich einfach, sie beschließen irgendeinen Mist und wir müssen es ausbaden. Denen ist es doch egal wie lange du den Staat mitfinanziert hast, wenn du alt bist und nicht mehr kannst, dann schieben sie dich in die Ecke. Wo bleibt denn da die Menschenwürde? Nein Wolfgang, uns hilft keiner, wenn wir es nicht selbst tun. Und ich werde in Zukunft wieder betteln, soll die feine Gesellschaft doch sehen, was sie mit ihren schwachsinnigen Gesetzen angerichtet haben. Sie sollen alle merken, was die Politik angerichtet hat.“Wolfgang sah sie entsetzt an und antwortete: „Aber Renatchen, seid wann bist du unter die Revoluzzer gegangen? So kenne ich dich überhaupt nicht.“ Ihre Antwort kam postwendend: „Seid dem du im Krankenhaus warst. Ich habe mir bei den Behörden und der Krankenkasse die Hacken wund gelaufen, um zu versuchen, dass wir die Zuzahlung für das Krankenhaus nicht bezahlen müssen. Aber die Herren waren auf diesem Ohr alle taub. Die haben doch glatt gemeint, wenn du nicht zu Hause bist, bräuchten wir weniger Strom, weniger Essen, Heizung und andere Sachen. Und wenn ich das ersparte zusammen reche, dann wäre das Geld wieder locker drin. Du glaubst nicht, was für ein Hals ich hatte, als ich das gehört habe. Und da habe ich beschlossen, betteln zu gehen, um so einen kleinen Ausgleich für unsere Demütigung zu bekommen. Eine Schande ist das, wie man mit uns umgeht.“ Renate war jetzt in Rage. Wolfgang kannte sie und versuchte sie zu beruhigen: „Ist ja gut, meine Liebe, ist ja gut. Dann gehen wir neben dem Flaschensammeln, eben noch betteln. Aber bitte nicht in unserem Viertel, es muss ja nicht jeder mitbekommen.“ Er nahm sie in den Arm und tröstete sie. Nach fünf Minuten antwortete sie: „Natürlich nicht hier im Viertel, die haben doch auch kein Geld. Möchtest du nicht wissen was es zu essen gibt?“ Wolfgang: „Lass mich überlegen. Eintopf oder Pellkartoffeln?“ Renate: „Nein, mein Schatz, es gibt heute das Weihnachtsmenü.“ Wolfgang: „Ja, hast du dir das nicht schon zu Weihnachten gemacht?“ Renate: „Ohne dich? Ich dachte, wenn du wieder zu Hause bist, dann schmeckt der Schweinebraten doppelt so gut. Was ist denn das für ein Lärm da draußen?“ Wolfgang stand auf und lief zum Fenster. Dort sah er wie Herr Lehmann von gegenüber wild gestikulierend, sich mit den drei Obdachlosen angelegt hatte. Sie verstanden nur Wortfetzen, wie: „Faules Pack, geht arbeiten, dann könnt ihr euch auch eine Wohnung leisten.“ Oder: „Alles verlottert, beim Adolf hätte es das nicht gegeben. Bei uns fehlt es eben an Zucht und Ordnung.“ Renate stand nun neben ihm und beide schüttelten abwechselnd mit ihren Köpfen. Wolfgang meinte zum Schluss: „Dieser Beamtenarsch. Der hat jahrelang nur in der Verwaltung gesessen, Bleistifte gespitzt und Bescheide verschickt. Jetzt macht er einen auf Blockwart.“ Renate: „Und dafür bekommt er auch noch eine dicke Rente.“ Wolfgang: „Pension, meine Liebe. Das gemeine Volk bekommt Rente und die Herren Beamten bekommen Pension. Wenn wir genauso lange in einer Firma gearbeitet hätten, wie die in ihrem Amt, dann bekämen wir trotzdem, weniger Rente wie ein Beamter.“ Renate: „Augen auf, bei der Berufswahl. Was ich nicht verstehe, warum müssen alle die beim Staat in der Verwaltung arbeiten, Beamte sein? Oder Lehrer?“ Wolfgang: „Damit alles reibungslos funktioniert. Bedenke, die müssen immer arbeiten und dürfen nicht streiken.“ Renate: „Das machen Angestellte bestimmt auch, da braucht man keine Beamte. Zahlen keinen Cent in die Rentenkasse ein und kassieren die fette Pension. Wo bleibt da die soziale Gerechtigkeit? Und du legst dich noch ein wenig hin und ich bereite derweil das Festtagsmenü zu.“ Wolfgang: „Kommt gar nicht in Frage. Ich bin über eine Woche im Bett gelegen, es wird Zeit, dass ich wieder etwas tue. Ich helfe dir in der Küche und keine Widerrede.“ Renate: „Wenn du meinst du schaffst das, meinetwegen. Aber nicht das du mir beim Essen vor Erschöpfung einschläfst.“ Wolfgang: „Keine Angst, der Hunger hält mich wach.“

Gegenüber in der Nummer 71 war wieder Ruhe eingekehrt. Die drei „Berber“, wie das Volk Obdachlose nennt, packten sich in ihre Schlafsäcke. Sie unterhielten sich noch ein wenig, bevor sie einschliefen. Keine zwei Stunden später wurden sie unsanft geweckt. Zwei Polizeibeamte standen vor ihnen und einer meinte: „Guten Abend meine Herren, allgemeine Personenkontrolle. Wenn ich um ihre Ausweise bitten dürfte.“ Einer nach dem anderen schälte sich aus seinem Schlafsack und kramte in den Taschen nach dem Personalausweis. Einer der drei fragte: „Warum werden wir kontrolliert, wir haben niemanden etwas getan?“ Ein Beamter sammelte die Ausweise ein und ging zum Streifenwagen, der andere antwortete: „Ein Mieter im Haus hat sich darüber beschwert, dass sie ohne Genehmigung, hier im Hausflur nächtigen. Deshalb müssen wir sie auffordern, den Hausflur zu verlassen. Kommen sie der Aufforderung nicht nach, müssen sie mit einer Anzeige wegen Hausfriedensbruch rechnen. Also meine Herren, wenn ich sie nun bitten dürfte, den Hausflur zu verlassen.“ Frank, so hieß einer der Obdachlosen, fragte den Beamten: „Und wo sollen wir jetzt hin? Wir finden doch um diese Uhrzeit keinen Schlafplatz mehr. Morgen früh räumen wir geräuschlos das Feld, versprochen. Und wenn das nicht geht, werden sie mich wohl für eine Nacht in die Ausnüchterung sperren müssen.“ Der andere Beamte kam zurück und gab die Ausweise zurück. Es lag nichts gegen die drei vor. Der erste Polizist meinte: „Ich kann sie nicht auf die Wache mitnehmen, dass wissen sie ganz genau, wir sind schließlich kein Obdachlosenheim. Probieren sie es in der Gerberstrasse, das ist doch gleich um die Ecke. Fragen sie Herrn Seibold, vielleicht hat der noch etwas frei. Bitte räumen sie die Hofeinfahrt, sonst bekommen sie nur Ärger. Wir kommen in einer Stunde wieder vorbei und überprüfen das.“ Frank: „Bei Seibold waren wir schon, der hatte aber kein Bett mehr frei. Genauso wie in der Leipziger- und der Herrmannstrasse. Warum stellt die Stadt im Winter keine Container für uns zur Verfügung? Jeder Asylant hat einen warmen Arsch, nur für uns Deutsche ist kein Platz.“ Polizist: „Sagen sie das den Politikern und nicht mir. Ich kann auch nichts dafür, dass es so ist. Wir machen nur unseren Job. In einer Stunde sind sie weg. Probieren sie es doch einmal in der alten Fabrik, da steht immer eine seitliche Tür auf.“ Frank verstand den Hinweis und sagte zu seinen Kumpels: „Komm wir räumen das Feld, sonst haben wir eine Anzeige an der Backe und das kostet uns gleich wieder einige hundert Euro.“ Paul und Zecke maulten zwar noch ein wenig, fingen aber an ihre sieben Sachen in die Taschen und Einkaufswagen zu räumen. Zwanzig Minuten später hatten sie die Hofeinfahrt verlassen und begaben sich auf den Weg zur alten Fabrik. Nach einer Stunde Fußmarsch erreichten sie ihr Ziel. Und wie der Polizist sagte, war tatsächlich eine Seitentür nicht verschlossen. Nun hatten sie eine Bleibe, die trocken und Wetterfest war. Nur die Heizung fehlte noch, dann wären es fast paradiesische Zustände für die drei gewesen. Am nächsten Morgen inspizierten sie die Fabrik. Sie interessierten sich nicht für die großen Hallen, sondern eher die kleinen Büroräume. In einer von ihnen stand noch ein alter Werkstattofen, der sogar noch funktionstüchtig war. Und an Brennmaterial mangelte es in dem alten Gemäuer nicht. Überall lagen alte Holzpaletten, Balken und andere Dinge herum, die sich wunderbar zum einheizen eigneten. Unter tags brauchte ja nicht geheizt werden, weil sie da unterwegs waren um Geld zu verdienen. Ja, sie haben richtig gehört. Alle drei bemühten sich jeden morgen in aller früh, an der Jobbörse um Arbeit. Die Jobbörse vermittelt jeden Tag für Interessierte, kurze Jobs, die gleich nach getaner Arbeit entlohnt wurden. So verdienten sie in der Woche zwischen 100.- und 150.- Euro, was zu leben nicht reicht. Vom Amt bekamen sie deswegen noch einmal 75.- Euro die Woche, die sie selbst abholen mussten. So wie den dreien geht es rund 375.000 Menschen in Deutschland. Ich schätze, dass die Zahl noch wesentlich höher liegt, weil viele Obdachlose den Weg zum Amt scheuen. Teils aus Scham oder weil sie bei Verwandten oder Freunden gemeldet sind. Und das sind nicht nur Erwachsene, sondern auch um die 20.000 Jugendliche. Gehen wir einmal grob geschätzt von einer halben Million Obdachlose in Deutschland aus. Und die sind nicht obdachlos, nur weil es so romantisch oder ein Männerding ist, nein der Grund ist schlicht und einfach, weil sie aus ihrer alten Wohnung geflogen sind und leider keine neue, bezahlbare gefunden haben. Rechnet man noch Familien und Einzelpersonen dazu, die auch eine Wohnung suchen, so kommen wir auf eine Zahl von 5,5 bis 7 Millionen Wohnungen die in Deutschland fehlen. Und das nicht erst seid ein paar Monaten, sondern schon seid vielen Jahren. Die Politik hat diesen Sektor schon lange vernachlässigt. Erst jetzt, da so viele Asylsuchende und Flüchtlinge gekommen sind, sehen es die Politiker ein, dass Wohnraum dringend gebaut werden muss. Und wie das in der freien Marktwirtschaft so ist, schnellen dann die Mieten in die Höhe. Und was macht die Politik? Sie schaut seelenruhig zu, ach nein, sie bringt in aller Regelmäßigkeit neue Mietgesetze heraus, die im Endeffekt doch nicht greifen und für den Arsch sind, wie ein Nachbar immer zu sagen pflegt. Der ist nämlich auch schon seid zwei Jahren auf Wohnungssuche, findet aber keine. Entweder sind sie viel zu teuer, oder es sind die letzten Bruchbuden. Das wollte ich nur am Rande erwähnen.

Renate und Wolfgang machten sich an den Abwasch. Er trocknete ab und fragte sie dabei: „Gibt es etwas Neues im Viertel, schließlich war ich fast zwei Wochen nicht hier?“ Renate: „Eigentlich nicht. Das heißt doch. Im alten Laden von Frau Huber, kommt ein Gemeindezentrum herein. Es sollen sich drei Sozialarbeiter, um die Belange der Einwohner des Viertels kümmern.“ Wolfgang: „Du meinst den Lebensmittelladen, der schon drei Jahre leer steht?“ Sie nickte und antwortete: „Genau der.“ Er fragte weiter: „Und um was kümmern die sich dann? Muss man jetzt bei denen den Hartz IV Antrag ausfüllen und abgeben?“ Renate: „Keine Ahnung, aber im Flur habe ich noch den Flyer liegen, den mir einer der Sozialarbeiter in die Hand gedrückt hat.“ Wolfgang: „Wurde auch Zeit, dass die vom Rathaus etwas unternehmen, schließlich sind wir wie Neukölln und Kreuzberg auch ein Problemviertel. Ich glaube aber nicht, dass die Sozial fuzzis was erreichen. Die haben schon einmal vor Jahren das Gleiche versucht und sechs Monate später, war der Spuk vorbei. Wie viele haben sie dieses Mal abgestellt?“ Renate: „Es waren zwei Männer und eine Frau, alle so um die Mitte dreißig. Aber ich muss sagen, sie waren sehr freundlich. Mitte Januar eröffnen sie das Gemeindezentrum offiziell. Wenn du aber etwas wissen willst, kannst jetzt schon telefonisch nachfragen. Das steht aber alles auf dem Flyer.“ Wolfgang: „Gibt es bei der Eröffnung auch was zu futtern?“ Renate: „Du denkst auch nur ans essen, frag lieber einmal nach, wer die 120.- Euro Zuzahlung fürs Krankenhaus übernimmt.“ Wolfgang: „Ich dachte du warst schon beim Amt und bei der Kasse?“ Renate: „Versuch es einfach, vielleicht kennen die eine Möglichkeit, dass wir nicht bezahlen müssen. Probieren geht bekanntlich über studieren.“ An der Haustür klingelte es. Wolfgang fragte: „Erwartest du noch jemand?“ Renate: „Ich habe keinen eingeladen. Das wird bestimmt wieder Inge sein. Sie geht jeden Tag einkaufen, aber immer vergisst sie etwas.“ Wolfgang legte das Geschirrhandtuch beiseite und ging zur Haustür. Wie er öffnete, riefen auf einmal vier Nachbarn ganz laut: „Überraschung.“ Jeder streckte ihm etwas entgegen. Es waren Wein, Sekt und einen selbstgebackenen Kuchen. Inge hatte noch Kaffee mitgebracht und meinte: „Schön, das du wieder zu Hause bist. Was ist, sollen wir da draußen in der Kälte Wurzeln schlagen? Oder glaubst du, du könntest mit Renate zusammen, alles allein futtern und trinken?“ Wolfgang antwortete: „Ich weiß jetzt gar nicht was ich sagen soll, am Besten, ihr kommt erst einmal herein.“Wie alle im Wohnzimmer standen, kam Renate aus der Küche und Inge sagte zu ihr: „Wir haben uns gedacht, wir überraschen Wolfgang mit einer Überraschungsparty.“ Renate: „Und aus welchem Grund, er hat weder Geburts- noch Namenstag?“ Inge: „Na, weil er wieder gesund und munter unter uns weilt. Gott sei Dank war es nicht so schlimm. Bringst du bitte Tassen und Teller, den Kuchen habe ich selbst gebacken.“An diesem Abend gab es reichlich Kaffee, Kuchen und Sekt. Und die Freude darüber, dass Wolfgang wieder gesund aus der Klinik entlassen wurde, war echt und nicht gespielt. So einfach geht Mitgefühl und Nachbarschaft, wenn man es will. Aber viele Mitmenschen können gar keine Gefühle mehr zeigen. Teils liegt es daran, weil sie schon zu oft enttäuscht wurden, oder schlicht und einfach abgestumpft sind. In unserer Zeit ist das schon fast Normalität geworden. Jeder für sich, die anderen sind mir egal. Hauptsache ich und davon viel und reichlich. Geld regiert die Welt, da stören Gefühle nur. Oft bleibt da, die Ehrlich- und Menschlichkeit auf der Strecke.Renate hielt Wort. Sie ließ Wolfgang erst eine Woche später wieder auf die Strasse. Irgendwann am Nachmittag trennten sich ihre Wege. Wolfgang brache die gesammelten Flaschen zu verschiedenen Discountern und löste diese ein, während sich Renate vor ein renommiertes Bankhaus setzte, ihr Schild und einen Pappbecher auspackte. Still saß sie da und harrte der Dinge. Das brauchte sie auch, weil auf dem Schild stand: „Ich bin ein Opfer des Systems. Ich suche verzweifelt nach Arbeit, aber niemand stellt mich ein.“ Viele die aus der Bank kamen, nahmen nicht einmal Notiz von ihr. Hier und da blieb ein Kunde stehen und warf ihr ein paar Cent in den Becher. Nach drei Stunden packte sie alles zusammen und zog Bilanz. 10,45 Euro hatte sie erbettelt, was immerhin mehr war, als sie beim Flaschensammeln bekommen hätte. Am Abend kamen noch einmal 6,75 Euro von Wolfgang dazu. So hatten die beiden 17,20 Euro verdient, Geld das sie gut gebrauchen konnten, wie viele in der Warschauer Strasse. Zum Beispiel Familie Schröder, die nur drei Häuser weiter wohnte. Es ist eine vierköpfige Familie. Vater Karsten, 49 Jahre, Mutter Ute, 47 Jahre, sowie die beiden Kinder Uwe und Stefan mit 14 und 16 Jahren. Sie wohnten bereits seid 10 Jahren hier und hatten auch schon bessere Zeiten erlebt. Denn Vater Schröder, war inzwischen seid 13 Monaten arbeitslos und erhielt somit die Grundversorgung, sprich Hartz IV Leistungen vom Vater Staat. Vorher hatte er einen guten Job als Filialleiter einer Supermarktkette. Er verlor seinen Job, weil die Filiale wegrationalisiert wurde. Zu wenig Umsatz, besser gesagt, zu wenig Gewinn. So fielen dieser Maßnahme fünf weitere Arbeitsplätze zum Opfer. Nur die beiden Azubis kamen in einer anderen Filiale unter. War ja auch klar, erstens sind Azubis arbeitsrechtlich besonders geschützt und zweitens, sind es billige Arbeitskräfte. Trotz vieler Bewerbungen, bekam Karsten keine neue Arbeit. Und Ute ging es nicht besser. Sie hatte zuletzt vor 16 Jahren gearbeitet, aber wie ihre ältester Sohn Uwe auf die Welt kam und kurz danach Stefan, war an arbeiten nicht mehr zu denken. Mutter Ute führte den Haushalt und Papa Karsten schaffte die Kohle ran. Diese Rollenverteilung passte auch in Kartens politische Einstellung, war er doch stockkonservativ eingestellt und ein leidenschaftlicher Fan der Kanzlerin. Nur in letzter Zeit verstand er die Welt nicht mehr. Seine geliebte Kanzlerin tat etwas, was seine Grundfeste erschütterte. Sie ließ, aus welchen Gründen auch immer, in kürzester Zeit, eine Million Flüchtlinge ins Land. Und nicht nur das, es waren fast alle Moslems. Das hatte in seinen Augen, nichts mehr mit seiner Weltanschauung zu tun. Seiner Meinung nach, hatte seine Kanzlerin gegen geltende Gesetze verstoßen. Denn nach Artikel 16 Absatz 2, durften die Flüchtlinge gar nicht in Deutschland einreisen, weil sie aus sicheren Drittstaaten kamen. Aber egal wen er darauf aufmerksam machte, keiner wollte es hören. Bis auf ein einige Leute, die dem rechten Flügel angehörten. Sie waren durchweg derselben Meinung und schimpften bei jeder Gelegenheit, über die Kanzlerin. Markus spielte sogar mit dem Gedanken, der Kanzlerin bei der nächsten Wahl, die Stimme zu verweigern. Aber das alles, löste nicht das Problem mit seiner Arbeitslosigkeit. Der Frust saß tief. Lästern und schimpfen über die Politik der Regierung, wurde zur Manie. Das ging solange, bis er von der Arbeitsagentur, ein Stellenangebot bekam. Er sollte sich schnellstmöglich, bei einer Firma Scholz vorstellen, die suchten für diverse Baustellen in Berlin noch dringend Bauhelfer. Markus hatte alles andere als Fachwissen. Er konnte zwar einen Hammer von einer Zange unterscheiden, aber das war es dann schon. Aber in der Not frisst der Teufel Fliegen und bei klammer Kasse, war er für jeden Job zu haben. Beim Vorstellungsgespräch, sagte er dies auch wahrheitsgemäß, wies aber daraufhin, dass er die Arbeit dringend brauchte und er lernwillig ist. Herr Scholz hatte ein einsehen mit seiner Lage und stellte ihn als Bauhelfer ein. Aber nicht zum tariflichen Mindestlohn von 11,30 Euro, sondern zum gesetzlichen Mindestlohn, von 8,80 Euro. Und für den Fall, dass eine Kontrolle vom Zoll käme, sollte er sagen, er wäre der Fahrer und würde nur aushelfen für diesen einen Tag. Markus sollte gleich am nächsten Tag anfangen. Wie er mit der freudigen Nachricht nach Hause kam, rechnete seine Frau Ute einmal nach, wieviel Markus verdienen würde. Die Bilanz war mehr als enttäuschend. Mit den Normalstunden würde er gerade einmal um die 1000.- Euro Netto verdienen, also weniger, wie mit Hartz IV. Würde er den Baumindestlohn bekommen, wären das immerhin fast 400.- Euro Netto mehr. Aber das würde immer noch nicht reichen, um seine Familie zu ernähren und die Fixkosten zu bestreiten. Die Fixkosten, Miete, Strom Heizung, Telefon und Versicherungen, betrugen alleine 1200.- Euro. Er müsste auf jeden Fall aufstocken und das bei einer Vollzeitstelle auf dem Bau. Ute und Markus führten an diesem Abend noch ein sehr langes Gespräch. Ute: „Dieser feine Herr Scholz, will dich von der ersten Minute an ausbeuten. Er betrügt dich um Mindestens 400.- Euro im Monat. Geld, das wir wieder auf dem Amt beantragen müssen. Wir kommen nicht darum herum, aufzustocken. Selbst wenn er den regulären Lohn bezahlen würde, müssen wir das, weil unsere Fixkosten zu hoch sind. Ich würde ja gerne auch arbeiten, aber wer will schon eine 47 jährige, die seid 16 Jahren nicht mehr gearbeitet hat. Nicht einmal bei Leihfirmen habe ich eine Chance. Nein, mein lieber Mann, wir müssen diesem Scholz dazu bringen, dass er dir den gesetzlichen Tariflohn bezahlt. Tut er das nicht, werden wir vor Gericht gehen, dort werden wir schon Recht bekommen.“ Karsten: „Dann wirft er mich hinaus und ich habe wieder keinen Job.“ Ute: „Besser keinen Job, als betrogen zu werden. Willst du vielleicht bis zur Rente, unter Wert arbeiten? Was glaubst du, wie dann deine Rente aussieht?“ Karsten: „Und wie soll ich das anstellen, dass ich den gerechten Lohn bekomme? Soll ich etwa zu ihm hingehen und mehr Lohn einfordern?“ Ute: „Nein, das brauchst du doch nicht. Lies was in deinem Arbeitsvertrag steht.“ Sie zeigte auf eine Stelle, wo „Entlohnung“ stand. Dann fuhr sie fort: „Du änderst einfach die Zahlen und trägst den tariflichen Mindestlohn ein und nur den unterschreibst du. Wenn er nicht damit einverstanden ist, gehen wir vor das Arbeitsgericht mit ihm. Sag ihm das morgen früh vor Arbeitsbeginn. Ist er damit einverstanden, gehst du zu deiner Arbeit, wenn nicht, gleich aufs Gericht. Aber lass dir auf keinen Fall den Arbeitsvertrag wegnehmen, dass ist nämlich der einzige Beweis dafür, dass er dich bescheißen wollte.“

Da waren sie wieder, die Ritter. Zuerst waren sie ganz klein und galoppierten aus der Steckdose neben dem Fernseher, danach wurden sie immer größer. Es sind immer drei Stück, zwei unscheinbare, mit grauglänzenden Metallrüstungen. Und einer, der war eine Lichtgestalt. Dieser war ganz weiß und ritt auf einem schwarzen Rappen. In der linken Hand hielt er die Zügel und in der anderen, eine lange, imposante weiße Lanze. Langsam wuchsen die drei und wurden immer größer. Oskar sah diese Gestalten in letzter Zeit immer öfter und entsprechend wuchs seine Angst in ihm. Wie sie in voller Größe erschienen, ritten sie direkt auf Oskar zu. Er sah, dass die Lanze des weißen Ritters, vorne voll Blut war, welches förmlich herunter tropfte. Das klappern der Hufe wurde immer lauter und die Ritter kamen immer näher. Oskar ergab sich in sein Schicksal. Zitternd hob er seine Hände schützend vor seinen Körper. Er erwartete jedem Moment das eindringen der Lanze in seinen Körper, aber die Ritter sprangen einfach durch ihn hindurch und verschwanden genau so schnell wieder, wie sie gekommen waren. Jedes Mal wenn dies geschah, lag Oskar zitternd am Boden. Sein ganzer Körper schmerzte. Es fühlte sich an, als wenn seine Organe mit einem glühenden Eisen durchbohrt wurden. Oskar kannte dieses Gefühl und wusste sofort, was jetzt nur noch half. Bier, Schnaps oder Wein, Hauptsache Alkohol. Was Oskar da ereilt hatte, würde man im Volksmund mit „Affen“ bezeichnen. Er war schlicht und einfach unter seinem üblichen Alkoholspiegel gekommen, denn er war Spiegeltrinker. Wenn er über einen längeren Zeitraum keinen Alkohol bekam, hatte er diesen Tremor. Oskar kroch zum Kühlschrank und holte eine Flasche billigen Korn heraus. Zitternd schraube er den Verschluss herunter und setzte die Flasche mit beiden Händen an. Er trank dann jedes Mal die halbe Flasche aus und fühlte sich nach zehn Minuten wieder besser und trank nach und nach die ganze Flasche leer. Nun hatte er wieder etwa acht Stunden Ruhe, bevor das gleiche Spiel wieder von vorne losging. Er wusste, dass dies nicht mehr lange gut gehen würde, denn irgendwann würde seine Leber oder sein Herz versagen. Dabei hat er fast sein ganzes Leben keinen Alkohol angerührt. Aber das hat er in den letzten drei Jahren gründlich nachgeholt. Die Sucht fing ganz harmlos an. Ein Bierchen nach Feierabend, dann einen Schnaps dazu. Zu Hause einen Absacker und beim Abendessen einen Wein. Es gab ja niemanden, der ihn kontrollierte. Oskar war nie verheiratet und hatte auch keine Kinder. Bis auf einige Liebschaften, die kurzfristig bei ihm einzogen, war er sein Lebtag alleine. Dann verlor er seinen Job in der Spedition, dass war vor zwei Jahren. Und als 58 jähriger Speditionskaufmann, findet man in dieser Republik, keinen Job mehr. Inzwischen war er 60 geworden und dem Tod näher, als je zuvor in seinem Leben. Seine ehemaligen Stammtischbrüder haben ihn noch ab und zu besucht und ihn gewarnt, wenn er nicht die Finger vom Alkohol ließe, dann würde es noch ein böses Erwachen geben. Und heute schien es so, als wenn es soweit wäre. Die Körperschmerzen ließen zwar nach, aber das Stechen in der Brust hörte nicht auf. Im Gegenteil, es wurde von Stunde zu Stunde heftiger. Mit letzter Kraft schleppte er sich ins Treppenhaus, wo er leblos zusammenbrach. Ein Nachbarskind fand ihn am späten Nachmittag und die Rettung brachte ihn ins Krankenhaus. Erst eine Bypass- Operation brachte ihn wieder ins Leben zurück. In der Warschauer Strasse wurde dies zwar zur Kenntnis genommen, war aber schon am nächsten Tag kein Gesprächsthema mehr. So ist eben unsere Gesellschaft von heute. Immer schneller, weiter und höher, würde man im Sport sagen, aber es gibt nichts Schlimmeres, als Nachrichten von gestern. Wen interessiert es schon, wenn ein Säufer einen Herzinfarkt bekommt? Hat eben Pech gehabt und hätte nicht soviel saufen sollen. Aber so einfach ist das nicht. Hinter jedem Schicksal steckt nun einmal eine Geschichte die da lautet, warum. Warum hat derjenige dies oder das getan? Warum ist es soweit gekommen? Hätte man es verhindern können? Wer hat Schuld? Fragen, die die Gesellschaft nur mit einem Schulterzucken beantwortet und dann wieder zur Tagesordnung übergeht. Gleichgültigkeit und Ignoranz sind die Ursachen, gepaart mit einem Spritzer Egoismus und Narzissmus. Es trifft einen ja nicht persönlich. Können sie sich noch erinnern wie ein gewisser Gerhard Schröder, Helmut Kohl als Kanzler abgelöst hat? Die ganze Nation war voller Hoffnung und Vertrauen in die neue Regierung. SPD und ÖKO Partei, was soll da schon schiefgehen? Die Folgen dieser Regierung sind heute noch zu spüren. Sozialer Kahlschlag wurde gemacht und keiner der Herren Politiker unternahm oder unternimmt etwas dagegen. Mit der Agenda 2010 wurde ein Instrument geschaffen, das sozialen Abbau schaffte. Hartz IV und Rentenkürzungen sind nur einige Beispiele unter der wir heute noch zu leiden haben. Ganz zu schweigen von den Billiglohn Jobs und der Zeitarbeit. Schröder war eben der Genosse der Bosse. Kein Kanzler hat den Reichen und Mächtigen mehr Geschenke gemacht, wie er. Und ganz nebenbei, hat er die Grundlage dafür geschaffen, dass es zu den verheerenden Folgen in Deutschland, beim Finanz Crash 2008 gekommen ist. Dies nur ganz nebenbei, damit sie auch verstehen, warum wir heute so viele Arme und so viele Reiche in Deutschland haben, wie nie zuvor. Die Schere zwischen arm und reich geht immer weiter auseinander und keine Regierung der letzten Jahre unternimmt etwas dagegen, auch wenn das einige anders sehen. Das sind meist Lobbyisten, die eine bestimmte Interessengruppe vertreten. Und die sorgen dann, oder versuchen es zumindest, dass alles so bleibt wie es ist, nur damit die Gewinne auch weiterhin kräftig sprudeln. Sie interessiert es herzlich wenig, wenn 12,5 Millionen Menschen und davon 2,5 Millionen Kinder in Armut aufwachen. Auch das es 7 Millionen Hartz IV Empfänger gibt, ist ihnen vollkommen piepegal. Sie sind es aber auch, die dann über den Fachkräftemangel klagen. Ich bin davon überzeugt, dass wir eine Million Arbeitskräfte aus dem Heer der Hartz IV Empfänger und der 2,8 Millionen Arbeitslosen haben, um diese angebliche Lücke stopfen zu können. Aber wo kein Wille ist, da ist bekanntlich auch kein Weg. In Wirklichkeit will man nur billige Arbeitskräfte haben, die weit unter dem Tariflohn arbeiten, um die Wertschöpfung zu maximieren. Gewinne um jeden Preis, schließlich muss man ja die Aktionäre zufrieden stellen. Und was ist mit den fälligen Steuern? Da finden die Herren immer wieder Steuerspar-Modelle und Gesetzeslücken, um Geld zu sparen. Ich finde das einfach asozial und kriminell. Und ich stehe mit dieser Meinung nicht alleine da. 65 % der Deutschen denken ähnlich. Aber das nur am Rande. Renate und Wolfgang hatten den Jahreswechsel mit einigen Nachbarn gebührend mit Bowle und Punsch gefeiert. Man legte zusammen und feierte bei den beiden. Wolfgang durfte erst wieder zum Flaschensammeln, als er wieder ganz fit war. Insgesamt vier Wochen war er nicht mehr im Einsatz. Renate hatte ihm extra eine gebrauchte Winterjacke, von der Kleiderkammer vom Roten Kreuz geholt. Sie war zwar nicht mehr die modernste, aber dafür war sie warm und hatte keine Löcher oder Risse. Sie fuhren wie gewohnt, ihre Stammplätze ab und sammelten eifrig Pfandflaschen. Bei einem Supermarkt, der auf ihrer Strecke lag, lösten sie die Flaschen ein. Und das ging so sechs Stunden, weil das Wetter mit knapp 12° mitspielte. Renate verabschiedete sich in Richtung Fußgängerzone, wollte sie doch noch ein paar Euro zusammenschnorren. Wie sie vor an einer Bank Platz nahm und ihr Schild und den Becher aufstellte sah sie, dass auf der gegenüberliegenden Seite ein junges Mädchen auch bettelte. Renate wusste, dass es nicht lange ging, bis das Ordnungsamt oder die Polizei einschreiten würde. Denn laut Verordnung des Senates in Berlin, ist es seid dem 23. Juni 2015, Kindern oder Erwachsenen mit Kinder, das Betteln untersagt, also verboten. Es wird sogar mit bis zu 500.- Euro bestraft. Sie überlegte schon, ob sie die Lokalität wechseln sollte, da beobachtete sie, wie ein Mann mittleren Alters, das Geld von dem Mädchen einsammelte und in seine Tasche steckte. Dies ging so schnell, dass man es fast nicht sah. Der Mann lief 50 Meter weiter, wo ein weiteres Mädchen saß und auch bettelte. Dort tat er das Gleiche, leerer Becher hinstellen und den vollen mit dem Geld mitnehmen. Renates Vermutung war, dass hier eine ganze Bande am Werk ist. Sie stand auf und folgte ihm mit gebührendem Abstand. Fast eine Stunde tat sie dies, bis er dann in einen PKW stieg und wegfuhr. Insgesamt hatte er neun Kinder, fünf Mädchen und vier Jungs, um ihr Geld erleichtert. Renate tat aus ihrer Warte das einzige Richtige. Sie notierte sich die Nummer des Wagens und rief die Polizei. Da sie anonym bleiben wollte, sagte sie ihren Namen nicht und gab dem Beamten nur die Fakten durch. Sie wartete noch eine halbe Stunde und sah, wie Männer und Frauen in Zivil, die Kinder einsammelte und in zwei Transportern verfrachtete. Sie war sichtlich erleichtert, wie die Kinder weg waren. Erstens, weil skrupellose Erwachsene die Kinder nur für ihren Zweck ausbeuteten und zweitens, war die lästige Konkurrenz weg. Nun konnte sie in aller Ruhe sich den besten Platz aussuchen, um ihrem „Geschäft“, dem betteln nachzugehen. Mitleid mit der Bande hatte sie nicht, denn wie sich später herausstellte, war es eine Bande aus Bulgarien, die quer durch Deutschland reiste, um die jugendlichen gezielt zum betteln einzusetzen. Da sie viel Zeit verloren hatte, war das Ergebnis auch entsprechend mager. Ganze 14,30 Euro hatte sie eingenommen, aber mit den Flaschen zusammen, waren es trotzdem an diesem Tag 26,70 Euro von Wolfgang und ihr. Abends saßen sie beim Abendessen, es gab Bohneneintopf. Sie hatte ihm gerade von der Bettlerbande und ihrem Anruf bei der Polizei berichtet. Wolfgang: „Glaubst du, dass es richtig war, die Polizei zu holen? Immerhin sind das arme Kinder oder Jugendliche, die im Endeffekt noch weniger haben wie wir.“ Renate: „Auf welchem Planeten lebst denn du eigentlich? Von wegen, die haben weniger wie wir. Die Banden betteln sich innerhalb kürzester Zeit ein Vermögen zusammen und dass noch Steuerfrei. Erst letzend kam ein Bericht im Fernsehen, wie das bei diesen Banden läuft. Da sammelt einer alle Kinder aus einem Dorf zusammen und fährt hier nach Deutschland. Dort stellt er sich irgendwo zwei alte Wohnwagen hin, wo die Jugendlichen dann wohnen. Jeden Morgen karrt er sie dann in die Innenstadt und dort müssen sie dann bis zu 12 Stunden betteln und das bei jedem Wetter. Und da kommt schon einiges zusammen. Bis zu 200.- Euro am Tag und das pro Kind. Und wenn du das auf den Monat umlegst, bei 10 Kindern, da kommen da locker 50- 60.000 Euro im Monat zusammen. Rechnet man die Unkosten ab, bleiben immer noch 40.000 Euro übrig. Und das ist ja nicht nur eine Bande, sondern gleich mehrere. Die einen betteln und die anderen begehen Taschendiebstahl oder verticken Drogen. Wir haben selbst genug Gauner und Spitzbuben, da brauchen wir nicht noch welche aus dem Ausland.“ Wolfgang: „Macht das denn einen Unterschied, ob ich jetzt von einem Ausländer beklaut werde, oder von einem Deutschen?“ Renate: „Im Prinzip ist es egal, aber wenn ein Ausländer dich beklaut, dann ist alles, mit ziemlicher Sicherheit weg. Und einen Deutschen, kann man auf Schadensersatz und Widergutmachung verklagen. Der Ausländer sitzt, wenn überhaupt kurz ein und wird dann abgeschoben. Wir haben ja auch nicht viel, aber klauen wir deswegen? Oder setzen wir Kinder zum Flaschensammeln und betteln ein?“ Wolfgang überlegte kurz und meinte dann: „Na ja, irgendwie hast du Recht. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass es in anderen Ländern der EU auch Not und Elend gibt. Und dafür sollte man auch Verständnis haben.“ Renate: „Mir geht die EU und der Rest der Welt am Hintern vorbei. Wir in Deutschland haben genug soziale Probleme. Um die sollten sich die Herren Politiker erst einmal kümmern, bevor man der halben Welt Asyl gibt und Milliarden hinterher wirft. Alle leben sie auf unsere Kosten und wenn wir etwas haben wollen, sind die EU und der Rest der Welt dagegen. Nein Wolfgang, bei uns liegt es sozial schon lange im Argen. Seid dieser Medienkanzler mit seinen Ökospinnern dran war, ist alles viel Schlimmer geworden. Ich kann mich noch daran erinnern, wie er auf einer Aussichtsplattform gestanden ist und sagte: Das ist die Politik der ruhigen Hand. Da habe ich gleich gedacht, na klar, wenn man die Hände in die Tasche steckt, kann man nichts bewegen. Ein Blender war er, sonst nichts. Er hat uns am Nasenring durch die Manege geführt.“ Wolfgang: „Aber es war nicht alles schlecht, was er gemacht hat. Er ist zum Beispiel nicht mit den Amis in den Krieg, gegen den Irak gegangen.“ Renate: „Hätte er auch nicht gekonnt, weil das laut unserer Verfassung gar nicht erlaubt ist. Wir dürfen uns nur verteidigen und in keinem Angriffskrieg mitmachen.“ Ihm gingen so langsam die Argumente aus. Er kannte seine bessere Hälfte und wusste, dass er in politischen Themen, keine gute Figur machte. Wolfgang stand auf und schnitt sich noch ein Stück Brot herunter, welches er zum Eintopf aß. Renate kratzte aus dem Topf den letzten Rest der Bohnen und fragte dabei: „Und wie ist deine neue Jacke? Ist sie warm genug?“ Wolfgang: „Sie ist soweit in Ordnung. Aber erst wenn es richtig kalt ist, kann ich dir sagen, ob sie auch warm hält. Für morgen haben sie Regen angesagt, da bleiben wir zu Hause und legen die Füße hoch.“ Renate: „Dann kannst du ja ins neue Gemeindezentrum gehen und das mit der Zuzahlung regeln. Mal sehen, was die neuen Sozialarbeiter so drauf haben.“ Wolfgang: „Aber wir haben doch schon alles bezahlt, was soll ich da noch regeln?“ Renate: „Ist ja gut, ich gehe mit dir mit, sonst wird das nichts.“

Am Ende der Warschauer Strasse in Nummer 142, hatten sich die die sogenannten „Intellektuellen “ einquartiert. Dort hausten seit Jahren mehre Wohngemeinschaften mit ehemaligen Studenten. Es waren insgesamt drei WGs, mit je vier Bewohnern und im Erdgeschoss wohnte Harald Koslowski, mit Gattin Johanna. Harald war alles andere als entzückt über die Wohngemeinschaften. Für ihn waren es nur abgewrackte Hippies und Gammler, deren Eltern ihnen kein Anstand und Disziplin beigebracht hatten. Er ließ kein gutes Haar an ihnen und brachte das auch immer, lautstark zum Ausdruck. Nach Alfred Tetzlaffs Manier nannte er sie immer „die Sozis“ oder „linke Zecken“, während seine politische Heimat sehr braun ist. Und nun können sie sich ja vorstellen, was täglich in diesem ehrenwerten Haus los war. Schräg gegenüber, in der Nummer 139 wohnten vier Familien, die noch reguläre Arbeit hatten. Sie hatten ein gutes Einkommen, was man auch an ihren Autos sah. Gehobene Mittelklassewagen standen abends vor der Haustür, natürlich mit Anwohnerparkplatz. Das war in Haus Nummer 135 ganz anders. Hier wohnten Familien, die teilweise drei Jobs hatten, nur um über die Runden zu kommen, aber trotz allem noch Mietzuschuss beantragen mussten. Eine verrückte Welt ist das. Da hat man Arbeit und kann nicht davon leben. Das war vor zwanzig oder dreißig Jahren noch anders. Da konnte ein Familienvater mit zwei Kindern, seine Familie als Alleinverdiener ernähren. Kein Wunder. Sie brauchen doch nur einmal die Mieten und die Strompreise von damals, mit denen von heute vergleichen. Über Gas, Wasser und Benzin will ich erst gar nicht reden, sonst bekomme ich noch einen dicken Hals. Und dann steht unsere herzallerliebste Kanzlerin auf dem Podium und erklärt uns, dass jeder Deutsche im Schnitt 3.000.- Euro Netto verdient. Da frage ich mich doch, wer hat dieser Frau, diesen Schwachsinn erzählt? Aber wie heißt es doch so schön, traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. Glauben sie mir, ich habe einen sehr großen Bekanntenkreis, aber kein Normalo von ihnen verdient diese 3.000.- Netto. Da liegt das Einkommen im Schnitt zwischen 1.800.- und 2.300.- Euro Netto. Von denen die weit mehr verdient haben, sind viele zum Hartz IV Empfänger geworden. Aber zurück zur Warschauer Strasse. Es ist sehr bunt hier. Insgesamt wohnen hier Menschen aus 16 Nationen und das nicht nur erst seid ein oder zwei Jahren. Viele von ihnen sind schon zehn, fünfzehn und mehr Jahre hier. Drei Generationen sind häufig unter einem Dach vereint. Da stellt sich nun die Frage, wie klappt das mit der Verständigung, wie redet man miteinander. Deutsch sprach fast keiner von ihnen und wenn dann nur gebrochen. Die Lernwilligkeit hält sich in Grenzen. Man lernt eben nur das, was einem von Nutzen ist, ansonsten wurstelt man sich durch. Irgendeiner wird sich schon bereit erklären, das Formular auszufüllen, den Weg zeigen oder zum Arzt zu bringen. Die Behörden sind ja meistens mit Dolmetscher ausgestattet, so dass es nicht nötig ist, weiter die fremde Sprache zu lernen. In Kanada, Australien oder Amerika ist das anders. Wer die Sprache nicht spricht oder lernt, muss eben wieder gehen oder darf erst gar nicht ins Land. So einfach gestalten andere Länder ihre Einwanderungspolitik. Entsprechend sieht es dann auch mit der Integration aus. Aber darauf möchte ich jetzt nicht eingehen, schließlich geht es in diesem Buch um soziale Missstände. Es wohnen auch viele alte Menschen in der Strasse, so auch in der Nummer 65, Erna Wittemeyer. Sie ist stolze 80 Jahre alt und für ihr Alter noch sehr rüstig. Nur vergisst sie manchmal Dinge, die sie noch tun oder besorgen wollte. Fürsorglich ist sie deshalb zu ihrem Hausarzt gegangen und hat sich untersuchen lassen. Der meinte aber nur, dass dies in ihrem Alter normal ist und sie sich keine Sorgen machen sollte. Über ihr wohnte Ilona Gerber, eine ehemalige Krankenschwester. Sie war 65 Jahre und seid ein paar Monaten in Rente. Ilona war froh darüber, hatte sie doch nur mit sehr viel Mühe noch ihren Dienst im Krankenhaus geschafft. Ihre Hüfte war das Problem. Sie hätte schon vor einem Jahr eine Hüftprothese implantiert bekommen sollen, aber sie weigerte sich strikt dagegen, weil sie Angst vor einer Frühverrentung hatte. Ilona kümmerte sich um Erna, wann immer es ihr zeitlich möglich war. Sie war es auch, die sie zur Untersuchung zum Hausarzt geschickt hatte. Die beiden saßen nun jeden Tag beisammen. Entweder kochten sie, oder tranken Kaffee miteinander. Unten im Erdgeschoss war vor kurzem ein junges Pärchen eingezogen. Sie hieß Ellen Kramer war 26 Jahre alt und arbeitete für 1200.- Euro Netto, als Auffüllkraft in einem großen Kaufhaus. Ihr Mann Jonas, 27 Jahre, war auf dem Bau als Zimmermann beschäftigt. Sein Verdienst lag bei knapp 1900.- Euro Netto. Sie gehörten somit zu den Spitzenverdienern in der Strasse. Sie hatten zwei Autos, fuhren einmal im Jahr in Urlaub und hatten eine komfortable Wohnungseinrichtung. Eigentlich alles was man sich wünscht. Nicht ganz. Ellen hatte seid geraumer Zeit darüber nachgedacht, ob sie nicht ein Kind bekommen sollte. Als sie ihren Wunsch Jonas gegenüber äußerte, war dieser alles andere als erfreut. Jonas: „Ich dachte, wir sind uns einig, dass wir erst in ein paar Jahren ein Kind wollen. Woher kommt bei dir der plötzliche Sinneswandel?“ Ellen: „Ich werde nicht jünger und meine biologische Uhr tickt. Noch bin ich jung und ein Kind braucht nun einmal eine junge und gesunde Mutter. Zudem haben alle meine Freundinnen schon ein oder zwei Kinder.“ Jonas: „Nur weil andere Frauen Kinder haben, müssen wir noch lange nicht welche zeugen. Ich dachte immer, wir schaffen uns erst eine eigene Wohnung oder ein Häuschen an. Viele meiner Freunde haben gebaut, oder eine Eigentumswohnung. Ich bin der Meinung, wir sollten noch mindestens fünf Jahre mit dem Kind warten. Wir haben dann bis dahin genug gespart, dass wir uns zumindest eine Wohnung kaufen können.“ Ellen: „In fünf Jahren bin ich über dreißig, wer garantiert mir, dass ich dann noch Kinder bekommen kann? Nein, das ist mir zu gefährlich. Und wenn es doch klappt, ist die Gefahr ein behindertes Kind zu bekommen, doch um einiges größer.“Jonas: „Hast du dir auch einmal über die finanziellen Seite Gedanken gemacht? Weißt du, auf was wir alles verzichten müssen, wenn ein Kind da ist? Wir hätten nur noch ein Einkommen und bei den heutigen Preisen von Strom, Gas, Miete und Sprit, wird dieses Geld gerade reichen, um nicht in Armut zu versinken.“ Ellen: „Jetzt übertreibe Mal nicht. Wir bekämen immerhin auch Kindergeld und steuerliche Entlastungen.“ Jonas: „Diese Entlastungen würden wir auch bekommen, wenn wir bauen. Und ganz ehrlich, ist mir eine Eigentumswohnung oder ein Haus lieber, als ein schreiendes Kind.“ Ellen: „Ach, daher weht der Wind, du kannst Kinder nicht leiden, sag das doch gleich.“ Jonas: „Das habe ich doch überhaupt nicht gesagt. Ich wollte einfach nur zum Ausdruck bringen, dass ein Kind uns finanziell sehr einschränken würde. Überlege doch einmal ganz sachlich wie unser Kind aufwächst. Wir haben im Augenblick 3100.- Euro zur Verfügung. Mit allen Fixkosten wie Miete, Versicherungen, Handy, Strom, Nebenkosten und Sparvertrag, bleiben uns noch 1000.- Euro übrig. Also weniger, wie du verdienst. Und wenn ein Kind da ist, kannst du zumindest im ersten Jahr nicht mehr arbeiten. So, und nach einem Jahr brauchen wir einen Kitaplatz. Die aktuelle Wartezeit dafür beträgt aber zwei Jahre, für einen freien Platz, das heißt wir müssten unser Kind jetzt schon anmelden, obwohl es noch nicht gezeugt und geboren ist. Da das nicht geht, verlieren wir ein weiteres Jahr. Und da die Kita Kleinkinder nur bis 14:00 Uhr beaufsichtigt, käme nur ein Halbtagsjob für dich in Frage.“ Ellen: „Kinder plant man nicht nach dem Geldbeutel, sondern sind ein Produkt der Liebe.“ Jonas: „Wir haben uns bisher auch ohne Kind geliebt, ich sehe nicht ein, warum wir das ändern sollen. Und wie geht es danach weiter? Wir bräuchten eine größere Wohnung, was bei der derzeitigen Wohnungslage sowieso sehr schwierig ist. Wenn wir mit viel Glück eine bezahlbare finden, dann wird es nur außerhalb von Berlin sein. Dies bedeutet, dass einer von uns auf seinen Wagen verzichten müsste, weil unser Einkommen nicht reicht.“ Ellen: „Und in fünf Jahren ist das alles anders?“ Jonas: „Dann bräuchten wir wenigstens keine Miete mehr bezahlen.“ Und diese Diskussion ging bis tief in die Nacht. Als Ellen dann noch sagte, dass sie am liebsten ganz zu Hause bleiben würde, um sich um die Kinder und den Haushalt zu kümmern, war für Jonas Schicht im Schacht. Jonas: „Habe ich das gerade richtig verstanden, Kinder und Haushalt? Bist du irre? Zuerst nur ein Kind und nun gleich zwei? Du glaubst doch nicht, dass ich zehn bis fünfzehn Jahre lang auf Hartz IV Niveau lebe, nur weil es dir in den Kram paßt. Liebe ist ja schön und gut, aber so nicht, meine Liebe Ellen. Sag mir einen vernünftigen Grund, warum ich mir das antun soll?“ Ellen: „Vielleicht, weil wir uns lieben?“ Jonas wusste nur eine passende Antwort für sich, aus dem Schlafzimmer ausziehen um auf der Couch zu schlafen. Damit hing für Wochen, der Haussegen schief. Aber so, oder so ähnlich, geht es vielen Paaren in Deutschland. Sie stehen im Konflikt, entweder Kinder oder vernünftig leben. Das ist auch ein Grund dafür, warum immer weniger Deutsche Ehepaare sich für Kinder entscheiden. Und warum ist das so? Betrachten sie sich doch einmal nur die Mieten, Nebenkosten, so wie Strom, Gas und so weiter. Während die Löhne in den letzten 15 Jahren nur gering stiegen, kletterten die Preise für Mieten und Strom bis zu 60% in die Höhe. Allein die Mieten, rissen ein großes Loch in die Haushaltskasse. Hier ein Beispiel. Mein direkter Nachbar bezahlte noch vor 25 Jahren 400.- DM, für eine 78 m² Wohnung. Heute muss sein Nachmieter 600.- Euro dafür berappen. Wären die Löhne auch so gestiegen, dann müsste mein Nachbar von anfänglichen 15.- DM, heute 22,50.- Euro verdienen, er hat aber nur 16.- Euro Stundenlohn. Und bei den Strompreisen ist es ähnlich. So kostete ein Kilowatt 1990 noch 0,30 DM und heute etwa 0,30 Euro. Und so lässt sich die Liste beliebig erweitern mit Gas, Wasser, Benzin und anderen Heizmitteln. Für einen Ster Holz bezahlte man vor zehn Jahren 38.- Euro und inzwischen liegt er bei 76.- bis 120.- Euro. Das ist auch ein Grund mit dafür, warum Paare auf ein Kind verzichten. Mit einem Kind könnte man sich noch arrangieren, aber mit zwei Kindern geht das nicht mehr. Und das hat zur Folge, dass Deutschland seit Jahren schrumpft, wir werden immer weniger. Da liegt der Hase im Pfeffer. Während wir immer weniger werden, leben wir auch noch länger. Wie gemein ist das denn. Dies hat zur Folge, dass immer weniger Beitragszahler für unsere Rente aufkommen müssen. Und wie löst man das Problem? Beiträge erhöhen? Nein das kommt gar nicht in Frage, weil das Millionen von Arbeitsplätzen kosten würde. Also setzt man das Renteneintrittsalter von 65 auf 67 Jahren hoch und senkt gleichzeitig das Rentenniveau auf 46% ab. Wow, dass ist eine politische Spitzenleistung. Da ist doch schon eine Welle von Altersarmut programmiert. Wann wachen unsere Politiker endlich auf. Mit Mindestlöhnen zwischen 6,50 und 8,85 Euro ist kaum eine hohe Rente zu erwarten, da ist Altersarmut schon programmiert. Mit so geringen Löhnen, subventionieren wir indirekt die hohen Gewinne der Arbeitgeber und das langfristig. Und die andere Alternative ist, man holt jedes Jahr zwischen 300- und 400.000 Facharbeiter aus dem Ausland nach Deutschland. Na ja, es müssen ja nicht alle Fachkräfte sein, da könnte man doch auch Flüchtlinge und Asylanten einsetzen. Das würde Kosten senken und die hätten wenigstens eine Beschäftigung, oder nicht? Meine Damen und Herren aus Berlin, ihr habt den Knall auch nicht gehört. Billige Löhne, heißt auch weniger Beiträge zur Rentenversicherung. Damit stopft man keine Löcher, sondern verschärft die Lage der Rentenkasse nur noch mehr.