Wir sind die Freeses - Andreas Altenburg - E-Book

Wir sind die Freeses E-Book

Andreas Altenburg

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Beschreibung

Das Kultbuch zum erfolgreichen Comedy-Format "Die Freeses" bei NDR2! Hier finden die Fans die lustigsten Dialoge, die besten Sprüche, die größten Weisheiten der Familie Freese. Zur Familie gehören Oma Rosi, die ein eigenes Taxiunternehmen führt, die alleinerziehende Mutter Bianca und der zwölfjährige Svenni, der manches Mal als einziger den Durchblick hat. Und nicht zu vergessen: Untermieter Heiko. In ihren Gesprächen am heimischen Küchentisch oder in ihrer Lieblingskneipe "Zur Eule" geht es um Strategien der Alltagsbewältigung, tagesaktuelles Geschehen und philosophische Extrempositionen - hier tobt sich Allzumenschliches aufs Komischste aus.

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Seitenzahl: 204

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Andreas Altenburg

Wir sind die Freeses.

Das Fanbuch. Mit alles

Mit Illustrationen von Michael Marklowsky

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Seit über eintausend Folgen streiten, triezen und lieben sich die vergnügungssüchtige Oma Rosi, Helikopter-Mama Bianca, Liebling Svenni sowie Labertasche Heiko im durchgeknallten Mehrgenerationenhaushalt der Familie Freese. In Diskussionen und philosophischen Extrempositionen über Familienalltag, aktuelles Weltgeschehen und Zeitgeist wird die Wahrheit bis auf den Kern freigeschält. Die Erkenntnisse daraus werden hier als Lebenshilfe und Familienratgeber weitergegeben. Darüber hinaus werden Fans und Neueinsteiger in dieser Sammlung mit allen Sprüchen, Fakten und Geheimnissen rund um den Freese-Kosmos versorgt. Da kann man das Handy schon mal wechlegen …

 

 

Die Radio-Comedy «Wir sind die Freeses» ging im September 2014 an den Start. Seitdem ist sie jeden Morgen um 7.17 Uhr auf NDR 2 zu hören und wurde 2016 und 2017 für den Deutschen Radiopreis nominiert. Seit Herbst 2015 läuft Oma Rosis Videoblog «Freese 1 an alle» immer freitags im Internet.

Über Andreas Altenburg

Andreas Altenburg, 1969 in Bayern geboren, ist seit 1993 als Redakteur, Autor und Sprecher mit Schwerpunkt Comedy bei NDR 2 tätig. Zu den von ihm entwickelten Formaten gehören neben der legendären Erfolgsreihe «Frühstück bei Stefanie» u.a. «Detzer & Nelling» sowie «Wer piept denn da?».

Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

gestern erst hat mich beim Bäcker wieder ein Fremder angesprochen: «Sind Sie nicht Oma Rosi?»

Nach beinahe eintausend Folgen von «Wir sind die Freeses» häufen sich solche Situationen, und so wunderte es mich auch nicht, dass der Mann mir gleich darauf unverzüglich zuraunt, seine Frau würde auch immer alte und neue Batterien in ein und derselben Schublade lagern, wie neulich in einer Folge, und das würde ihn genauso wahnsinnig machen wie mich, wenn meine Tochter Bianca das tue.

«Er ist doch die Tochter», schaltet sich die Bäckerin in diesem Moment ein und fragt mich, warum ich eigentlich Angst vor Silberzwiebeln habe, das hätte sie damals in dieser einen Folge nicht verstanden. «Sie müssen mal deutlicher sprechen.»

Bestätigendes Kopfnicken in der Bäckerei. Während ich noch grübele, schaltet sich eine betagte Dame vom Ende der Schlange ein und behauptet, dass «er» (ich, die Tochter) Angst davor habe, dass die Silberzwiebeln beim Raclette auf dem heißen Stein aufsteigende feuchte Dämpfe entwickeln, die in der darüber hängenden Lampe einen Kurzschluss verursachen, der wiederum das ganze Haus abfackeln könne.

Ein kleiner Blick in unsere Datenbank später im Studio bestätigte dann: Die Dame hatte recht!

Sind Sie, liebe Fans der Serie, mittlerweile tatsächlich mehr «Freese», als ich es mir jemals hätte vorstellen können? Um das einschlägig überprüfen zu können, haben wir Ihnen neben Erziehungstipps, Lebensweisheiten und philosophischen Extrempositionen der Familie Freese sämtliche Fakten aus unserem Archiv in diesem Buch zusammengefasst und schließen jedes Kapitel mit einem Selbsttest ab.

Mit etwas Glück könnten Sie am Ende dieser Lektüre ohne Flunkern behaupten: «Ich bin ein/e Freese.»

In diesem Sinne.

 

Herzlichst

Andreas Altenburg

* Eine dickflüssige Flüssigkeit fließt unter gleichen Bedingungen langsamer als eine dünnflüssige. In der Physik wird dies mit dem Begriff der Viskosität beschrieben. Wer schon mal versucht hat (womöglich unter Alkoholeinfluss), eine Tube Remoulade leer zu saugen, weiß, wie schwer das im Vergleich zu einer Tüte Caprisonne ist.

Und ja: Wasser hat eine durchschnittliche Viskosität von etwa 1 Millipascal, die des Blutes beträgt im Durchschnitt 4,5. Blut ist – rein physikalisch – also dicker als Wasser. Sie machen aber auch nichts falsch, wenn Sie behaupten:

Kapitel 1:Die Familie

Alle Freeses haben immer:

Mofaführerscheine

Autoscooter-Zauberschlüssel

Das Freese-Gebiss, auch angeheiratet

Hunde namens UWE

 

Alle Freeses sind immer:

Spiegelei, niemals Rührei

Familie Freese – der Besuch im Whirlpool

Nach beinahe fünf Jahren Zusammenarbeit treffen wir uns mit der Familie Freese. Es ist so etwas wie Freundschaft entstanden zwischen den Familienmitgliedern und den Leuten vom Rundfunk. Man geht professionell miteinander um. Man respektiert sich. Man kennt jeweils die Vorlieben und Schwächen der anderen – und gerade deshalb beschleicht uns ein mulmiges Gefühl, als wir uns in Bademantel und Gummischlappen auf den Weg in die kleine Wellness-Ecke des Bades begeben, die wahrlich auch schon bessere Tage erlebt hat.

Der Alarm ist ausgelöst worden. «Wieder mal …!», stöhnt eine junge Bademeisterin, die in rotem T-Shirt und weißen Shorts an uns vorbeispurtet. Uns ist sofort klar, dass es sich beim Verursacher um Sven Freese handeln muss, der schon vor wenigen Minuten am Eingang arge Probleme hatte, mit seinem großen Schulrucksack und einer prall gefüllten Plastiktüte voller Schwimmsachen durch das Drehkreuz zu gelangen. Steckengeblieben. Wieder mal.

Das Blubbern der zwei Whirlpools setzt sich in unseren Köpfen fest wie ein unangenehmer Vorbote auf das, was uns gleich erwartet. In dem ersten Becken tummeln sich unzählige Menschen auf engstem Raum, wie bei einer «Forellen-Ernte» in einem immer enger werdenden Kunst-Teich. Eine dreiköpfige Rentnergruppe macht eingeschüchtert vor einem Teenager-Paar Platz, das in der Mitte des Beckens kichernd Zungenküsse austauscht. Jeremy Fischer, ein Halbstarker aus Sven Freeses Schule. Kein Unbekannter bei den Bademeistern. Dahinter zwei Erstklässler, die unaufhörlich mit der flachen Hand aufs Wasser schlagen, und ein Vierjähriger, der vom Vater über den Teil des Wasserstrudels gehalten wird, den Fischer und seine Gespielin den anderen übrig lassen. Die Mutter kann aus Platzmangel nur ihre Füße ins Wasser strecken.

«Herr Altenbuich!», krächzt es jetzt aus dem dahinter liegenden Becken herüber. Da liegt sie also. Ganz alleine mit ausgebreiteten Armen. Ihre lackierten Füßchen spielen schwebend über dem Wasserstrudel. Sie trägt eine voluminöse Badekappe statt ihrer üblichen Perücke, und zu unserem Erstaunen fällt uns das erst viel später auf. Ihr Bikini-Oberteil klebt feucht am Körper und gibt mehr frei, als es verhüllt. Mit einem Fingerzeig lockt uns Rosemarie Freese in «ihren» Whirlpool. Unter ihren neugierigen Blicken streife ich meinen Bademantel ab. Als wüsste ich nicht selbst von meiner kleinen Pocke über dem Hosenbund, bestraft sie mich sofort mit einem süffisanten «Jaja», als ihr Blick daran hängenbleibt. Wir arbeiten nun schon so lange zusammen, und man kann nicht leugnen, dass sie bereits mehrfach meine Kollegen und mich angebaggert hat – wenn wir die Zeichen richtig gedeutet haben. Umso unbehaglicher ist das Gefühl, mich neben sie in das warme Becken gleiten zu lassen. Wir sind alleine.

Altenburg: Moin Frau Freese, wo sind denn die anderen?

Rosi: Die machen sich noch fertig, mein Süßen. Ich bin ja so schon hergefahren.

Altenburg: Aha.

Rosi: Von dem her.

Altenburg: Warum hier im Whirlpool und nicht zu Hause?

Irgendetwas hat mich unter Wasser in den Po gekniffen – oder war es doch nur die harte Düse des Pools? Bevor ich mich umdrehen kann, hält sie meinen Arm fest und schaut mir in die Augen. Sie hat etwas Lippenstift an den Zähnen und atmet durch den Mund.

Rosi: Heut ist mein Wellness-Tag, aber in meine Sauna können wir gar nicht gehen.

Altenburg: Das möcht ich auch nicht.

Rosi: Ja, können wir ja auch nicht. Da stehen die Winterreifen und die Mayonnaise-Eimer mit dem Münzgeld. Das wissen Sie ja nu.

Altenburg: Frau Freese, wie hat sich Ihr Familienleben in den vergangenen fünf Jahren verändert?

Rosi: Ja. Es ist ja ’ne Menge passiert. Damals kam Svenni grad von der Grundschule aufs Gymnasium. Wir wohnten noch zu dritt in meinem Haus. Es ist ja mein Haus.

Altenburg: Ja.

Rosi: Isses, ja.

Altenburg: Jaha. Svenni ist ja ein aufgeweckter Junge. Welchen Anteil an seiner Schulkarriere würden Sie sich geben? Oder war das alles die Mama?

Rosi: Ich hab damals zu Svenni gesagt (sie spricht es «Zwenni» aus): Wenn du in der Vorschule nur Quatsch machst, denn sortieren se dich in der Grundschule weg, und dann droht später Altersarmut und denn kannst du dir kein Entertain mehr leisten, wenn du selber mal Entertain in Fernseher gucken willst. Das sind diese kleinen motivierenden Spitzen von mir. Erst Schule. Dann Taxi. So hab ich das bei meiner Tochter auch gehalten.

Altenburg: Sie hat Abitur. Und studiert.

Rosi: Ja, aber zwischendurch ist sie noch Taxi gefahren für mich. Dann hat sie studiert, irgendwas mit Afrika. Denn wurde sie schwanger. Denn mit dem Kind zu mir nach Hause.

Altenburg: Sie waren bei der Geburt dabei.

Rosi: Ja ich hatte das auf VHS gefilmt. Viertel vor eins waren wir da, Viertel vor vier waren wir wieder auf dem Zimmer. Hat Hassan uns Hähnchen gebracht.

Altenburg: Hassan ist ja überhaupt so ein Thema.

Rosi: Kein Kommentar. Ich bin eine zupackende Frau.

Sie gurrt förmlich. Und wieder habe ich das Gefühl, als würde sich die Wasserdüse an meinem Gesäß zu schaffen machen.

Altenburg: Svenni kam per Kaiserschnitt. Wirklich nicht wegen dem großen Kopf?

Rosi: Nein, wegen dem Sternzeichen. Bianca hat ihn ja 14 Tage früher holen lassen. Weil, so war er noch Skorpion geworden. Das passt besser zu Fische als Schütze. Und sie selber ist ja Fische. Sie sind Schütze, nech, Herr Altenbuich?

Altenburg: Ja …

Rosi: Ich bin ja Zwilling …

Sie lässt die Worte wirken und streckt ihre Arme hinter ihrem Kopf entspannt aus. Da, wo bei Menschen ihres Schlages normalerweise weiße Inseln zu erkennen sind, die der Turbobräuner des Solariums nicht erreicht hat, ist bei ihr alles nahtlos braun. Sie verfolgt meinen Blick.

Rosi: Da kommt er normalerweise nicht hin. Weil, von der Natur her werden Hähnchen und Menschen unter den Achseln nicht braun. Aber der Mensch kann sich auf’n Rücken entsprechend rekeln, und daher ist er dem Brathuhn von der Anatomie überlegen.

Altenburg: Okay.

Rosi: Ein Huhn kann das nicht! Sie gucken so.

Altenburg: Nee, gar nicht.

Rosi: Ich bin gerne braun. Und das mag ich auch an Männern: ’ne gute Hautfarbe! Wenn ich Smackdown gucke und die Wrestler seh’ oder Tim Wiese im Speziellen … Denn bekomm ich richtig Hunger auf’n halbes Hähnchen … dieses ölige Paprika-Rotbraun.

Altenburg: Sind das diese echten Kerle, von denen Sie manchmal sprechen?

Rosi: Eher so Typen: leicht breitbeiniger Stand, Zigarette mit’m Daumen halten – wo hast du das heute noch? Gibt’s sonst eigentlich nur noch am Autoscooter. Nicht solche mit so neumodischen Tattoos, nee …

Sie winkt ab. Dann setzt sie sich auf und beginnt zu schwärmen.

Rosi: Mal klassisch. Mit so’m schönen Panther auf’m haarigen Unterarm. In diesem schönen alten Blau, wie so ’n Schweinestempel.

Sie verzieht ihr Gesicht und stülpt ihre Lippen eigenartig nach vorne.

Altenburg: Aha.

Rosi: So hol ich mir die Kerle. Müder Blick und dann den Entenschnabel, das wirkt geheimnisvoll.

Sie wartet offensichtlich auf eine Reaktion.

Rosi: Wie bei Simone Thomalla. Bei Männern sieht das allerdings aus wie Donald Trump.

Altenburg: Und dennoch sind Sie in den vergangenen Jahren solo geblieben.

Rosi: Ich hatte Mike.

Altenburg: Eine recht kurze Beziehung.

Rosi: Er war Berufskraftfahrer wie ich. Aber hing zu sehr an seiner Mutter.

Altenburg: Sie erwarten auch einiges von Ihrer Tochter.

Rosi: Was?

Sie lacht künstlich und schlägt mit der flachen Hand aufs Wasser. Für einen kurzen Moment schiebt sich ihre Zahn-Teilprothese ein Stück weit nach vorne.

Rosi: Ga-ga-ga-gaaarnich! Ich muss mich nur um mein Kind kümmern. Sonst kriegt sie ja überhaupt nix auf die Reihe.

Altenburg: Aber jetzt hat sie ja einen Job. Ist im Betriebsrat. Hat eine Nebentätigkeit als freischaffende Trageberaterin.

Rosi Freese winkt verächtlich ab.

Altenburg (verschmitzt): Hat einen Partner …

Rosi: Also den Job bei Menk & Bode hab ICH ihr besorgt. Weil ICH ja mit Heinzi Menk zweimal verheiratet war. Und mit Bernhard hab ICH sie zusammengebracht. Quasi. Weil ICH den Urlaub bezahlt hab, wo sie ihn kennengelernt hat, weil ICH die Kreuzfahrt bezahlt hab, wo er sie gefragt hat, ob sie mit ihm verlobt sein möchte.

Altenburg: Hätten Sie so was auch gerne?

Rosi: Ich hatte so was.

Altenburg: Dieter.

Rosi: Mein Dieter. Der konnte Mücken mit der Faust tot boxen.

Altenburg: Ich weiß. Wir alle wissen das.

Rosi: Als er damals starb, sagte er mir auf dem Sterbebett noch …

Altenburg: … geh wieder tanzen.

Rosi: Geh wieder tanzen, Rosi. Ganz genau. Triff dich mit anderen Männern.

Altenburg: Ihre Tochter und auch einige unserer Hörer bezweifeln, dass er das gesagt hat.

Rosi: Die Wahrheit ist in meinem Herzen.

Wir sitzen eine Weile schweigend im Whirlpool. Meine Haut wird langsam schrumpelig. Ein junges Paar schlendert auf unseren Whirlpool zu und kann sein Glück kaum fassen, dass noch einige Plätze frei sind. Dann erkennen sie Rosi Freese und machen auf dem Absatz kehrt. Mehr als eine hochgezogene Augenbraue hat das die Grand Dame des Hallenbades nicht gekostet.

«Moinsen!!!»

Eine allseits bekannte Männerstimme schallt durch die Halle, und Heiko Postel lässt sich unaufgefordert in den Whirlpool gleiten.

Rosi: Moin Snäcki!

Postel: Moin Rosi.

Er mustert mich kurz von der Seite.

Postel: Habt ihr noch Ed-Sheeran-Karten? Oder Aufkleber?

Altenburg: Hallo Herr Postel! Sie sind ja – mal wieder! – ohne Einladung hier aufgetaucht.

Postel: Aha.

Altenburg: Viele Menschen fragen sich, warum Sie in den vergangenen Jahren beinahe täglich ebenso unaufgefordert bei der Aufzeichnung im Freese-Haushalt aufgetaucht sind, obwohl Sie doch eigentlich weltweit in der Containerverplombung tätig sind.

Heiko: Ja, ich habe ein weltweites Netzwerk aufgebaut. Außerdem hab ich Devin.

Altenburg: Der Azubi?

Heiko: Ja, der hat ja bei uns gelernt. Also bei mir. Und jetzt muss er eben auch mal ran. Er hat mir jetzt zu Hause ’n Flachbild-Fernseher angeschraubt. Hat er gut gemacht. Von dem her …

Altenburg: Ja, aber was verplomben Sie da?

Heiko: Ja, viel Asien. Neulich auch erst wieder 27 Tonnen Bügel-BHs für den südostasiatischen Raum. Da ist Koala (sic) Lumpur ’ne feste Größe international. Sechs, sieben so dicke Fische im Jahr und man hat sein Auskommen. Ich fliege, höre!, nach Jakarta und verplombe dort vor Ort einen 45-Fuß-Brühwürfel. Dat sind 86 Kubik.

Rosi: Der ist denn ja aber noch wo drin, Heiko.

Heiko: Nee, der wird in Stahl gezogen, wie wir sagen. Und denn mach ich die Schotten dicht.

Altenburg: Ja, und äh …

Heiko: Das ist ja mit ’ner halben Stunde nicht getan.

Altenburg: Nee, ich dacht grad schon.

Heiko: Da sind ja An- und Abreise noch nicht mit drin. Und der Asiate als solcher. Er will ja made in Germany.

Altenburg: Ja.

Heiko: Nee, bin ich ja.

Altenburg: Ja, überhaupt. Über Ihre eigene Familie wissen wir wenig.

Heiko: Ich hab ja noch ’ne Mutter.

Altenburg: Ja nee, okay, das weiß ich.

Oma: Mit der war er Muttertag auf Bali.

Heiko: XXL-Wochenende. Mit alles. Denn hab ich ja noch meinen Bruder Harpo, nech? Und die ganze Familie kriegt denn Weihnachten meine aktuellen Amazon-Zugangsdaten geschickt. Denn können die sich bestellen, wat se wollen.

Altenburg: Na ja, praktisch ist das.

Heiko: WAS SIE WOLLEN!

Rosi: Unsen Heiko ist ein ganz sensibler Mann, der nichts anderes sucht als eine kleine Portion Liebe und Anerkennung.

Heiko: Gar nicht. Rosi, bist du … bist du … also …

Rosi: Is’ doch so. Er ist tief in sich drin ’n Romantiker.

Postel springt auf. Jetzt erkenne ich die aufgenähten Schwimmabzeichen auf seiner Badehose. Er reckt beide Arme in die Höhe und brüllt das Scooter-Zitat «How much is the fish?». Dann setzt er sich wieder. Offensichtlich eine Übersprunghandlung. Ich nehme den Faden wieder auf.

Altenburg: Sie hatten immerhin mal eine Freundin, «weil sie nach Neuwagen gerochen hat», wie Sie es beschreiben.

Heiko: Ja. Diese Frau roch, wenn sie ihre Lederjacke anhatte, wie die genähte Mittelkonsole von meinem 5er BMW. Das macht was mit mir.

Altenburg: Das ist doch was.

Er glotzt mich an.

Altenburg: … Romantisches. Sie waren ja zuletzt in einer On-off-Beziehung mit Yvette.

Heiko: Nee, und denn ja wieder on. Also aktuell.

Altenburg: Ja. Die ist ja deutlich jünger als Sie und ein Model. Ist das der Typ Frau, von dem Sie träumen?

Heiko: Weiß nicht. Das ändert sich ja nach Tagesform. Höre! Wenn ich selber jetzt ’ne Lesbe wär, denn würde ich auf Beatrix von Storch stehen. So einfach ist das.

Altenburg: Okay. Aber eine eigene Familie zu gründen … Könnten Sie sich das vorstellen?

Heiko: Sichi. ’türlich. Endgeil.

Altenburg: Ja.

Heiko: Ich habe ja was zu geben. Was weiterzugeben. Gewisse Dinge. Dem Jungen jetzt ja auch.

Altenburg: Svenni? Können Sie mit ihm diese klassischen Vater-Sohn-Sachen machen, für die Oma, Mutter und deren Lebensgefährten nicht zur Verfügung stehen?

Heiko: Normal.

Altenburg: Also so was wie Angeln …

Rosi: Fische ausnehmen. So was.

Heiko: Ja. Du. Ich hab ja immer so zwei Schlemmerfilets in der Truhe. Bordolese. Ist bekannt?

Altenburg: Ja.

Heiko: Wie man die denn nachher so mit dem Spatel aus der Aluschale heil auf den Teller kriegt, höre, weil das ist kein selbstverständliches Unterfangen, dass das nicht alles auseinanderbröselt, aber das sagt dir keiner, und denn ist die schöne Kruste unterm Fisch und oder du isst das direkt aus der Schale, aber denn musst dieses Subschige ablaufen lassen und am Ende fällt dir doch noch der ganze Scheiß auf’n Teller, und so was könnte ich ja mit dem Jungen, da steh ich ja sofort zur Verfügung, und denn versuche ich gerne, die Defizite der andern dabei auszugleichen. Das sind diese Dinge.

Rosi: Ich hab ihm beigebracht, wie man sich rasiert und wie man mit einem Teelöffel ein Auto starten kann.

Altenburg: Oh!

Rosi: Ich musste neben meiner Rolle als Großmutter und Mutter auch immer Opa und Vater für meine Familie sein.

Ein kurzer Moment betretenden Schweigens.

Rosi: Wie man mit einem harten Meerrettich ’ne Bierflasche aufkriegt.

Altenburg: Wie?

Rosi: Hab ich ihm auch beigebracht.

Heiko: Nein, also wie gesagt, ich bin auch gerne bereit, diese Dinge zu tun.

Altenburg: Also sind die Freeses auch für Sie so etwas wie Familie. Oder?

Er überlegt lange.

Heiko: Ja. Das. Also. Von dem her. Kann man … also … – ja!

Altenburg: Und wenn Bianca jetzt nicht mit Bernhard zusammen wär …

Er glotzt mich an.

Altenburg: Könnten Sie sich vorstellen, dass Sie an seine Stelle treten und mit Bianca …?

Rosi: Also, sagen Sie mal!!!

Altenburg: Einige Hörer beschäftigt das.

Heiko: Bi-anca???? Loide!!! Ehrlich jetzt!

Postel springt auf. Er reckt beide Arme in die Höhe und brüllt erneut «How much is the fish?». Dann setzt er sich wieder. Nach einer Weile.

Altenburg: Noch mal zur Familiengründung. Eventuell dann ja mit Yvette? Ist das überhaupt noch möglich?

Heiko: Wie jetzt?

Altenburg: Sie hatten 2003 einen urologischen Eingriff, heißt es.

Heiko: Ja, aber das war was rein Ästhetisches.

Altenburg: Oh!

Rosi: Man gönnt sich ja sonst nix!

Altenburg: Ja. Ein gewisses Selbstbewusstsein strahlen Sie schon aus, Herr Postel. Sie würden gerne Ihr Leben verfilmen lassen, sagten Sie einst.

Heiko: Ja, mit Taylor Swift als Yvette und Dolph Lundgren als ich. Meine Meinung.

Ich traue mich für einige Momente nicht mehr, weitere Fragen zu stellen. Etwa zehn Minuten lassen wir schweigend unsere ausgestreckten Beine über dem starken Wasserstrudel schweben, und mich durchfährt es jedes Mal wie ein unangenehmer Blitz, wenn sich meine Füße mit denen Rosemarie Freeses kreuzen. Ich möchte wieder in eine aufrechte Sitzhaltung, aber sie reißt mich am Arm herunter.

Altenburg: Wir sind jetzt schon ganz schön lange im Whirlpool …

Rosi: Ja, denn stehen Sie doch auf, da vorne lauern schon die Geier.

Mehrere Menschen haben unseren Whirlpool fest im Blick, halten aber nach wie vor respektvoll Abstand. Nur ein Mann, offenbar zum ersten Mal in diesem Hallenbad, wird von seiner Frau in unsere Richtung geschubst, nachdem sie bemerkt hat, dass unsere Unterhaltung ihnen galt.

Mann: Wollen Sie raus?

Seine Frau kommt hinterhergestakst.

Frau: Wir würden nämlich auch gerne mal …

Rosi: Komm, zisch ab! Geh rutschen!!

Altenburg: Darf man hier so lang drin bleiben, wie man will?

Rosi: Natürlich darf ich hier so lange drinbleiben, wie ich will. Ich mach alle 45 Minuten die Beißprobe.

Heiko: Oh, lass das bitte.

Rosi: Herr Altenbuich, wenn ich mit voller Kraft in meinen Daumen beiße und die Zähne mehr wehtun als dat Fleisch –

Altenburg: Oha ja …

Rosi: Denn hab ich noch ’n Viertelstündchen!

Heiko: Wenn du kommst, sagst du ja auch, die Leute sollen mal aufstehen.

Rosi: Meistens muss ich das nicht mal sagen, ich hab mir jetzt in den letzten 17 Jahren einen gewissen Status in diesem Whirlpool aufgebaut. Schon bei der Eröffnung …

Altenburg: Frau Freese, ich kenne die Geschichte …

Rosi: Schon bei der Eröffnung saß ich hier mit dem Bürgermeister und Patrick Bach.

Altenburg: Ich weiß.

Rosi: Das ist ein Schauspieler.

Altenburg: Ich weiß.

Rosi: Saß ich hier. Fürs Wochenblatt. Und seitdem strahl ich diese natürliche Autorität aus, diesen Anspruch auf Whirlpool Dei Gratia, von Gottes …

Ein weiterer Mann traut sich heran. Was ist denn los?

Altenburg: Von Gottes Gnaden.

Mann 2: Ist neben Ihnen noch frei?

Sie bellt ihn an. Kurz und explosiv.

Rosi: Bitte???

Mann 2: Nee. Ist schon gut.

Rosi: Das ist wie mit dem Daddelautomaten beim Supermarktbäcker, da sitzen auch immer nur die gleichen Typen und kein anderer traut sich.

Heiko: Oder der Billardtisch im Jugendzentrum damals.

Altenburg: Ja. Wollen wir nicht doch noch mal woanders hin, ins Schwimmer? Vielleicht sind Sven und seine Mutter auch da, und wir haben uns missverstanden.

Herr Postel und Rosemarie Freese prusten lachend los.

Rosi: Der Junge kann sich mit Müh und Not über Wasser halten. Also wenn er nicht muss, dann meidet er dat Schwimmerbecken. Und, Herr Altenbuich, wenn wir jetzt den warmen Whirlpool verlassen, ist alles andere wie Eisbaden in der Elbe.

Altenburg: Okay.

Im Hintergrund findet offenbar eine hitzige Diskussion statt. Sven Freese unterhält sich wild gestikulierend mit dem Bademeister. Wütend stampft er mit dem Fuß auf und rutscht dabei beinahe aus. Vorsichtig läuft er schließlich in unsere Richtung. Hinter ihm folgt Bianca Freese, die eine große Gummiflosse unter dem Arm trägt.

Rosi: Wie wenn du beim Brunchen mit Lachs anfängst oder der Räucherfischplatte. Denn gehst du ja auch nicht noch hinterher an die Marmelade ran.

Altenburg: Verstehe.

Rosi: Wenn ich in der Eule erst mal bei Jäggi-Cola bin, denn kehr ich ja auch nicht noch mal zum Alster zurück.

Altenburg: Sicher.

Oma: Dat ist wie Rumküssen nach’m Sex.

Altenburg: Ich habe es verstanden!!!

Sven: Käcks??? Käckväkä!!!

Sven Freese steht tropfend hinter mir. Sven möchte auch etwas sagen, doch es gelingt ihm nur ein kleines Grunzen, durch das er mehrere Gummi-Würmer freilegt, die er sich offensichtlich unmittelbar zuvor in den Mund gestopft hat.

Heiko: Was hat er denn?

Bianca: Er durfte nicht sein Naschi mit in den Schwimmbereich nehmen.

Sven: Sexverkehr!

Er muss beim Lachen husten und eine Popelglocke bläht sich unter dem Nasenloch auf.

Altenburg: Hallo Svenni.

Rosi: Warum hast du diese Schwimmflosse schon wieder mit, Bianca?

Bianca: Das weißt du ganz genau, Mutti, ich möcht nachher noch ’n paar Runden als Meerjungfrau drehen. Akzeptier das doch mal.

Altenburg: Ach, dann haben Sie Ihren Workshop damals erfolgreich abgeschlossen?

Bianca: Ja. Ich habe gelernt, zu schwimmen wie eine Meerjungfrau und zu sein wie eine Meerjungfrau.

Sven: Aber dann mach das bitte erst, wenn ich schon weg bin. Das macht mich peinlich.

Bianca: Hören Sie das, Herr Altenbuich, das ist das, wie meine Familie mich bei meinen Träumen unterstützt.

Sie klopft sich zart mit den Fingerkuppen auf die Wangenknochen, um Tränen zu verhindern.

Bianca: Bernhard findet das toll. Er sagt ja sogar, dass er das selber mal erfahren möchte, als Meerjungfrau durchs Wasser zu gleiten und sich spielerisch anmutig zu drehen. Und zu den leichten Schlägen der Monoflosse zu schweben.

Heiko: Ja, und da fängt ja die Verarschung an.

Bianca: Ham wir diese Diskussion nicht schon mal geführt?

Altenburg: Wieso, Herr Postel?

Heiko: Ja, der Glaube, dass Meerjungfrauen die Schwanzflosse waagerecht haben.

Sven: Das kommt von Disney. Meerjungfrauen haben eine Fluke, das ist die waagerechte Schwanzflosse eines Wals, Fische hingegen tragen die Flosse senkrecht.

Heiko: Oder hast du schon mal ’ne Makrele Rückenschwimmen sehen?

Bianca: Vielleicht stammt ja die Meerjungfrau vom Wal ab.

Heiko: Leute, die Meerjungfrau ist fischartig. Sie hat’n Schwanz mit Schuppen, sie hat Kiemenatmung.

Bianca: Meerjungfrauen ham doch keine Kiemen!!!

Heiko: Die können ja sogar singen unter Wasser!

Rosi: Bianca, da hat er recht. Sonst dreh die Flosse um 90 Grad, dann schwimmst du eben wie eine Makrele, aber das ist denn wenigstens nicht so aufgesetzt.

Bianca: Aber die Anmut …

Heiko: Du kannst doch auch ’n Guppy sein. Das ist viel farbenfroher …

Sven: Nur die Guppy-Männchen, die Weibchen sind hässlich.

Bianca: Können wir nicht einmal wie ’ne normale Familie sein? Ich sitz hier gerade mal zwei Minuten!!

Es entsteht eine Gesprächspause. Svenni wringt verlegen die Luftbeulen aus, die sich durch den Sprudel in seiner übergroßen Badehose gebildet haben.

Altenburg: Frau Freese. Sind es Momente wie diese, in denen Sie sich in andere Familien wegträumen?

Bianca: Wie meinen Sie das denn?

Altenburg: Sie haben sich beispielsweise eine zweite Identität auf Facebook gegeben.

Bianca: Na ja, das sind Spielereien.

Altenburg: Sie nennen sich dort Bibi van Bergen.

Bianca: Und da habe ich meine ganz eigene neue Chronik. Und keiner quatscht mir rein.

Rosi: Ja.

Bianca: Ich bin eine starke Frau und lebe mit meinem Mann auf einem Gutshof am Stadtrand, wo ich meine eigene Yoga-Farm betreibe.

Heiko: Bianca, nu warte mal.

Bianca: Nee. Ich fahre auf dem Liegerad dem Sonnenuntergang entgegen und segele am Wochenende auf unserem Familien-Holzboot in Masuren, und mit meinen drei zauberhaften Mädchen flechte ich einen Zopf in die Mähne unseres Ponys, das heißt Bigelow.

Sven: Aber Mama …

Rosi: