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Fünf kurze Erzählungen des berühmten Schriftstellers in einem Band: Auf Feuer habe acht! Die Kerze Wie viel Erde braucht der Mensch? Wovon die Menschen leben Wo die Liebe ist, da ist auch Gott. Sie handeln von Hass und Versöhnung, von Menschenliebe und zufriedenem Leben. Lassen Sie sich fesseln von Tolstois farbigen Schilderungen armer und reicher, guter und böser Menschen ...
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Seitenzahl: 139
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Leo Tolstoi
Erzählungen
Die Erzählungen dieses Buches sind entnommen aus:Leo N. Tolstoj, Sämtliche Erzählungen, Band 5, hrsg. v.Gisela Drohla, Insel Verlag, 1. Auflage der Ausgabe in achtBänden 1980, © Insel Verlag Frankfurt am Main 1961© der deutschen Übersetzung: Insel Verlag Frankfurt amMain und Leipzig 1961
Übersetzung ins Deutsche:Arthur Luther: Wo die Liebe ist, da ist auch Gott /Auf Feuer hab acht! / Die KerzeAlexander Eliasberg: Wovon die Menschen leben /Wie viel Erde braucht der Mensch?
8. Auflage 2020
© dieser Ausgabe: Brunnen Verlag Gießen 2007
www.brunnen-verlag.de
Umschlagfoto: shutterstock
Umschlaggestaltung: Daniela Sprenger
Satz: DTP Brunnen
ISBN E-Book 978-3-7655-1956-7
Wo die Liebe ist, da ist auch Gott
Auf Feuer habe acht!
Wie viel Erde braucht der Mensch?
Die Kerze
Wovon die Menschen leben
In einer Stadt lebte ein Schuhmacher namens Martin Awdejitsch. Er wohnte unten im Keller, in einem Stübchen mit nur einem Fenster. Dies Fenster führte auf die Straße. Und durch das Fenster konnte man die Leute sehen, die vorübergingen; und obgleich man von ihnen eigentlich nur die Füße sah, erkannte sie Martin Awdejitsch, und zwar an den Stiefeln. Denn Martin Awdejitsch wohnte schon lange an demselben Ort und hatte eine weitläufige Bekanntschaft. Es gab kaum ein Paar Stiefel in der ganzen Umgegend, das nicht schon ein- oder gar zweimal durch seine Hände gegangen wäre. Auf die einen hatte er Sohlen aufgenagelt, auf andere Flicken gesetzt, noch andere zusammengenäht oder auch neue Kappen gemacht. Und oft konnte er durch das Fenster seine eigene Arbeit wiedererkennen. Awdejitsch hatte viel Arbeit, denn er arbeitete dauerhaft, lieferte gutes Material, er war nicht zu teuer und hielt Wort. Wenn er etwas zum Termin fertig machen konnte, übernahm er es; wenn er es aber nicht konnte, so sagte er es sofort und betrog keinen. Man kannte Awdejitsch als gewissenhaft, und daher hatte er immer genug Arbeit.
Awdejitsch war stets ein guter Mensch gewesen, aber mit zunehmendem Alter fing er an, mehr und mehr an sein Seelenheil zu denken und sich mit Gott zu beschäftigen. Er hatte seine Frau verloren, als er noch als Geselle bei einem Meister arbeitete. Sie hatte ihm einen dreijährigen Knaben hinterlassen. Seine älteren Kinder waren alle schon früher gestorben. Erst wollte Martin sein Söhnchen zu seiner Schwester aufs Dorf schicken – dann tat es ihm leid, er dachte: ›Es wird meinem kleinen Kapiton schwer fallen, unter Fremden aufzuwachsen, ich will ihn bei mir behalten.‹
Und Awdejitsch gab seine Stelle beim Meister auf und machte eine eigene Werkstatt auf. Aber Gott ließ ihn wenig Glück an seinen Kindern erleben; kaum war der Junge herangewachsen und fing an, seinem Vater zur Hand zu gehen, so dass dieser seine Freude an ihm hatte, als Kapiton von einer Krankheit befallen wurde, sich niederlegte, eine Woche in Fieber glühte und dann starb. Martin bestattete sein Kind und gab sich ganz der Verzweiflung hin. Er war so verzweifelt, dass er anfing, gegen Gott zu murren. Und eine solche Schwermut überkam den Awdejitsch, dass er mehr als einmal Gott um den Tod bat, dass er Gott Vorwürfe dafür machte, weil er nicht ihn, den Greis, statt seines geliebten einzigen Sohnes zu sich genommen hatte. Schließlich hörte Awdejitsch ganz auf, zur Kirche zu gehen.
Da besuchte den Awdejitsch einmal ein greiser Landsmann, der von einer Wallfahrt vom Dreifaltigkeitskloster kam. Seit acht Jahren befand er sich nun schon auf der Pilgerfahrt. Mit dem sprach sich Awdejitsch aus und klagte ihm sein Leid.
»Ich habe keine Lust weiterzuleben, frommer Mann. Ich wünsche mir nur noch den Tod. Nur dies allein erflehe ich von Gott. Ich bin ein Mensch ohne jeden Wunsch und jede Hoffnung.«
Da sprach der Greis zu ihm: »Martin, du redest töricht, wir haben kein Recht, uns über Gottes Taten ein Urteil zu erlauben. Der Mensch denkt, und Gott lenkt. Deinem Sohn hat Gott bestimmt zu sterben – dir aber zu leben. Also muss es so richtig sein. Wenn du aber darum verzweifelt bist, so kommt das daher, weil du nur zu deiner eigenen Freude leben möchtest.«
»Ja, aber wozu sollte ich denn leben?«, fragte Martin.
Und der Alte erwiderte: »Für Gott müssen wir leben, Martin. Er ist es, der dir das Leben gegeben hat, ihm sollen wir es leben. Wenn du ihm lebst, wirst du dich um nichts mehr bekümmern, und alles wird dir leicht erscheinen.«
Da schwieg Martin erst und sprach dann: »Wie lebt man ›für Gott‹?«
Und der Alte antwortete: »Wie wir für Gott leben sollen, das hat uns Christus gelehrt. Kannst du lesen? Dann kaufe dir ein Evangelium und lies darin, so wirst du erfahren, wie man für Gott leben kann. Da ist alles gesagt.«
Diese Worte fielen in Awdejitschs Herz, und er ging noch am selben Tage hin und kaufte sich ein Neues Testament in großer Schrift und fing an, darin zu lesen.
Zuerst hatte Awdejitsch nur an Sonn- und Feiertagen drin lesen wollen, aber kaum hatte er angefangen zu lesen, als ihm so leicht und froh ums Herz wurde, dass er jeden Tag darin las.
Oft kam er so ins Lesen, dass er nicht aufhören konnte, bis alles Öl in der Lampe ausgebrannt war. Und so kam es, dass sich Awdejitsch jeden Abend ans Lesen setzte. Und je länger er las, desto verständlicher wurde ihm, was Gott von ihm wollte und wie man für Gott leben müsse; und immer freier und leichter wurde ihm ums Herz. Früher hatte er, wenn er sich zur Ruhe niederlegte, gestöhnt und geseufzt und um seinen kleinen Kapiton geklagt, jetzt aber sprach er stets: »Gelobt seist du, gelobt seist du, Herr Gott! Dein Wille geschehe!«
Seit dieser Zeit hatte sich das ganze Leben Awdejitschs verändert. Früher war er an Festtagen manchmal ins Wirtshaus gegangen, Tee zu trinken, hatte sich auch ein Schnäpschen einschenken lassen. Wenn er mit einem Bekannten bei der Flasche gesessen hatte, war er zwar nicht betrunken, ging aber doch etwas angeheitert aus dem Wirtshaus und redete dummes Zeug, schrie die Leute an und sprach schlecht von ihnen. Jetzt war dies alles ganz von ihm abgefallen. Sein Leben war still und freudevoll. Frühmorgens setzte er sich an die Arbeit, arbeitete seine bestimmte Zeit, nahm dann das Lämpchen von der Wand, stellte es auf den Tisch, holte das Buch vom Regal, schlug es auf und fing an zu lesen.
Und je mehr er las, desto mehr verstand er, und desto heller und froher wurde es in seinem Herzen.
Einmal geschah es, dass Martin bis spät in die Nacht gelesen hatte. Er las im Evangelium des heiligen Lukas, las das sechste Kapitel und kam an die Verse: »Und wer dich schlägt auf einen Backen, dem biete den anderen auch dar; und wer dir den Mantel nimmt, dem wehre nicht auch den Rock. Wer dich bittet, dem gib; und wer dir das Deine nimmt, da fordere es nicht wieder. Und wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, also tut ihnen gleich auch ihr.« Und weiter las er die Verse, in denen der Herr spricht: »Was heißt ihr mich aber Herr, Herr, und tut nicht, was ich euch sage? Wer zu mir kommt und hört meine Rede und tut sie, dem will ich auch zeigen, wem er gleich ist. Er ist gleich einem Menschen, der ein Haus baute und grub tief und legte den Grund auf den Fels. Da aber Gewässer kam, da riss der Strom zum Hause zu und konnte es nicht bewegen, denn es war auf den Fels gegründet. Wer aber hört und nicht tut, der ist gleich einem Menschen, der ein Haus baute auf die Erde ohne Grund; und der Strom riss zu ihm zu, und es fiel alsbald, und das Haus gewann einen großen Riss.«
Als Awdejitsch diese Worte gelesen hatte, wurde er froh in seinem Herzen. Er nahm die Brille ab, legte sie aufs Buch, stützte die Ellbogen auf den Tisch und versank in Nachdenken. Und er fing in Gedanken an, sein Leben mit diesen Worten der Schrift zu vergleichen. Und er dachte bei sich also: ›Wie ist mein Haus gebaut – auf Felsen oder auf Sand? Gut, wenn es auf Felsen gebaut ist. Es scheint so leicht: man sitzt allein und glaubt, man hätte alles getan, was Gott befiehlt – aber wie leicht lässt man sich zerstreuen und versündigt sich wieder. Ich will mich noch immer weiter bemühen. Es ist ja so schön! Hilf mir dazu, Herr Gott!‹
So dachte er und wollte zu Bett gehen, aber er konnte sich nicht von dem Buch losreißen. Und er fing noch das siebente Kapitel an zu lesen. Er las die Geschichte vom Hauptmann von Kapernaum, vom Sohn der Witwe zu Nain, von der Antwort, die den Jüngern des Johannes erteilt wurde, und kam an die Stelle, wo der reiche Pharisäer den Herrn zu sich zu Gast geladen hatte. Er las, wie die Sünderin dem Herrn die Füße salbte, sie mit ihren Tränen netzte und wie er ihr die Sünden vergab. So gelangte er bis zum vierundvierzigsten Vers und las:
»Und er wandte sich zu dem Weibe und sprach zu Simon: Siehest du dies Weib? Ich bin gekommen in dein Haus; du hast mir nicht Wasser gegeben zu meinen Füßen; diese aber hat meine Füße mit Tränen genetzt und sie mit den Haaren ihres Hauptes getrocknet. Du hast mir keinen Kuss gegeben, diese aber, nachdem sie hereingekommen ist, hat nicht abgelassen, meine Füße zu küssen. Du hast mein Haupt nicht mit Öl gesalbt; sie aber hat meine Füße mit Salbe gesalbt.«
Als er diese Verse gelesen hatte, dachte er bei sich: ›Wasser zu den Füßen hast du mir nicht gegeben, einen Kuss hast du mir nicht gegeben, das Haupt nicht mit Öl gesalbt …‹
Und wieder nahm Awdejitsch die Brille ab, legte sie aufs Buch und versank wieder in Nachdenken. ›Der Pharisäer war gewiss so wie ich … hat auch wie ich nur an sich selber gedacht. Wie er gemütlich seinen Tee trinken und warm und wohl sitzen könnte, ohne dabei viel an seinen Gast zu denken. Nur an sich selber hat er gedacht, nicht die geringste Mühe hat er sich mit seinem Gast gegeben. Wer aber war sein Gast? Der Herr Gott selber. Wenn er nun zu mir käme, würde ich es wohl auch so machen?‹ Und Awdejitsch stützte sich auf beide Ellbogen und saß da und merkte nicht, wie er einschlummerte.
»Martin«, flüsterte es plötzlich dicht an seinem Ohr. Er fuhr aus seinem Halbschlaf auf: »Wer ist da?« Er blickte um sich, sah nach der Tür – niemand. Da duselte er wieder ein. Plötzlich hörte er ganz deutlich: »Martin, he, Martin! Sieh morgen auf die Straße hinaus, ich will zu dir kommen.«
Awdejitsch wachte auf, erhob sich vom Stuhl, rieb sich die Augen. Und er wusste nicht, ob er diese Worte im Traum oder in Wirklichkeit gehört hatte. Da drehte er die Lampe aus und ging schlafen.
Am anderen Morgen vor Tagesanbruch erhob sich Awdejitsch, sprach sein Morgengebet, machte Feuer im Ofen, setzte die Krautsuppe und die Grütze auf, brachte den Samowar in Gang, band seine Schürze um und setzte sich ans Fenster an seine Arbeit.
Awdejitsch saß da und arbeitete und dachte dabei unablässig an das gestrige Erlebnis. Und er dachte zweierlei: einmal, dass er geträumt habe, und dann wieder, dass er die Stimme wirklich gehört habe. ›Warum nicht?‹, dachte er. ›So etwas ist ja schon vorgekommen.‹
So saß Awdejitsch am Fenster und schaute immer wieder hinaus. Und wenn jemand vorbeiging, der Schuhe anhatte, die er noch nicht kannte, dann reckte er sich und guckte aus dem Fenster, um nicht nur die Füße, sondern auch das Gesicht zu sehen. Der Hausknecht in neuen Filzstiefeln ging vorüber, dann der Wasserträger, dann ein alter Soldat aus Kaiser Nikolaus’ Armee in alten, geflickten Filzstiefeln mit einer Schaufel in der Hand. Awdejitsch erkannte ihn an den Filzstiefeln. Der Alte hieß Stepanytsch und wohnte nebenan beim Kaufmann, der ihn aus Gnade und Barmherzigkeit aufgenommen hatte. Er half dem Hausknecht bei seiner Arbeit. Nun fing Stepanytsch an, vor Awdejitschs Fenster den Schnee wegzuschaufeln. Awdejitsch sah ihm eine Zeit lang zu und machte sich dann wieder an seine Arbeit. »Ich bin wohl närrisch geworden auf meine alten Tage«, spottete er über sich selbst, »Stepanytsch schippt Schnee, und ich bilde mir ein, der Herr Christus käme zu mir. Bist ganz dumm geworden, alter Tropf!«
Aber kaum hatte Awdejitsch ein Dutzend Stiche gemacht, da zog es ihn wieder zum Fenster. Wieder schaute er hinaus und sah, dass Stepanytsch die Schaufel an die Mauer gestellt hatte und sich wärmte oder einfach ausruhte.
Er war ein alter, gebrechlicher Mann, und man sah es ihm an, dass das Schneeschippen über seine Kräfte ging. Da dachte Awdejitsch: ›Soll ich ihm vielleicht Tee geben? Mein Samowar kocht ja schon über!‹ Er steckte die Ahle ein, stand auf, stellte den Samowar auf den Tisch, brühte den Tee auf und klopfte mit den Fingern ans Fenster. Stepanytsch drehte sich um und trat zum Fenster. Awdejitsch winkte ihm und ging hinauf, ihm die Tür zu öffnen.
»Komm herein und wärme dich ein bisschen«, sagte er, »du frierst doch sicher.«
»Gott lohn’s dir, mir tun wahrhaftig alle Knochen weh«, sagte Stepanytsch und trat ein. Er schüttelte den Schnee ab, wischte sich die Füße, um den Fußboden nicht zu beschmutzen, und taumelte dabei.
»Bemüh dich nicht, ich will schon aufwischen. Bei uns ist das mal nicht anders. Komm nur herein, setz dich«, sagte Awdejitsch. »Da, trink Tee.«
Awdejitsch schenkte zwei Gläser ein, schob eins dem Gast hin, goss den Inhalt des seinen auf die Untertasse und pustete.
Stepanytsch trank sein Glas leer, drehte es um, legte den Zuckerrest drauf und bedankte sich. Man sah es ihm aber an, dass er gerne noch getrunken hätte.
»Trink nur noch«, sagte Awdejitsch und goss sich und dem Gast ein zweites Glas ein. Awdejitsch trank seinen Tee und guckte dabei immer wieder zum Fenster hinaus.
»Du erwartest wohl jemand?«, fragte der Gast.
»Ob ich jemand erwarte? Fast schäme ich mich zu sagen, wen ich erwarte. Ich warte nicht eigentlich, aber ein Wort hat mir ans Herz gegriffen. Siehst du wohl, mein Lieber, gestern habe ich im Evangelium unseres Herrn und Heilands gelesen, wie er litt und wie er auf Erden wandelte. Hast wohl auch davon gehört?«
»Freilich«, antwortete Stepanytsch, »aber wir sind ja ungebildete Leute, wir haben lesen nicht gelernt.«
»Na, und da las ich also, wie er auf Erden wandelte. Weißt du, ich las, wie er zu dem Pharisäer kam und wie der ihm keinen Empfang bereitete. Und siehst du, mein Lieber, wie ich das gestern so las, da dachte ich: ›Wie konnte er bloß dem Herrn und Heiland nicht alle Ehren erweisen? Wenn das mir oder sonst jemand widerfahren wäre‹, dachte ich, ›ich wüsste ja gar nicht, was ich alles tun sollte, um ihn würdig zu empfangen! Und der hat sich um gar nichts gekümmert!‹ So dachte ich und nickte darüber ein. Und so im Halbschlaf, mein Lieber, hörte ich mit einem Mal meinen Namen rufen. Ich fuhr auf, und da war mir’s, als flüsterte eine Stimme mir zu: ›Erwarte mich morgen, ich komme zu dir.‹ Zweimal hörte ich’s. Und nun, du magst mir glauben oder nicht, geht mir das immer im Kopf herum. Ich schelte mich selbst dafür, aber ich warte immer wieder auf den Heiland.«
Stepanytsch schüttelte den Kopf und sagte nichts. Er trank sein Glas leer, legte es seitlich hin, Awdejitsch hob es aber wieder auf und goss ihm wieder ein.
»Lass dir’s schmecken! Ich denke, als unser Heiland auf Erden wandelte, da hat er auch keinen verschmäht, hat sich auch mehr an die einfachen Leute gehalten. Immer hielt er sich zu ihnen, auch seine Jünger hat er sich aus unserem Stand geholt, Arbeitsleute waren sie wie wir Sünder. Wer sich selbst erhöht, sagt er, der wird erniedrigt werden, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden. Ihr nennt mich euren Herrn, sagt er, und ich werde euch die Füße waschen. Wer der Erste sein will, sagt er, der soll allen ein Diener sein. Denn, sagt er, selig sind die Armen, die Demütigen, die Sanftmütigen, die Barmherzigen.«
Stepanytsch hatte seinen Tee ganz vergessen. Er war ein alter, weichherziger Mann, saß da, hörte zu, und die Tränen flossen ihm übers Gesicht.
»Nun, noch ein Gläschen«, sagte Awdejitsch. Aber Stepanytsch bekreuzigte sich, dankte, schob das Glas zurück und stand auf.
»Ich danke dir, Martin Awdejitsch«, sagte er, »hast mich gut bewirtet, hast Leib und Seele gesättigt.«
»Komm nur wieder, du bist mir stets willkommen«, sagte Awdejitsch.