Wolfsstadt (eBook) - Bernd Ohm - E-Book

Wolfsstadt (eBook) E-Book

Bernd Ohm

4,5

  • Herausgeber: ars vivendi
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2015
Beschreibung

München, 1948. Als Labyrinth der Gewalt hat die einstige "Hauptstadt der Bewegung", die nun in Schutt und Asche liegt, den Kriminaler Fritz Lehmann fest in ihren Klauen. Dabei könnte eigentlich alles perfekt sein, denn seitdem Lehmann in den Vereinigten Staaten Englisch gelernt und Gefallen an Jazz und Demokratie gefunden hat, fühlt er sich wie ausgewechselt. Endlich muss er nicht mehr ständig daran denken, dass er 1942 als Mitglied der OrPo an einer Massenerschießung im ukrainischen Sarny beteiligt war, woraufhin er kollabierte, als "nicht ostfähig" heimgeschickt wurde - und einen Mantel des Schweigens über seine Vergangenheit legte. Doch als der Mord an der Gelegenheitsprostituierten Irina Stepaschkin die Löwengrube erschüttert, hat Lehmann ein Problem, denn die Ermittlungen führen ihn zu jüdischen Überlebenden des Holocaust. Obendrein bekommt er eine Vorladung der Alliierten, die nach deutschen Kriegsverbrechern fahnden. Ehe er sich's versieht, hat die Vergangenheit Lehmann wieder fest im Griff. Ein Mörder sucht einen Mörder, der Jäger wird zum Gejagten. Für Lehmann ist klar: Nichts ist in diesen Zeiten wichtiger als das Vergessen - und nichts so gefährlich ... Ein historischer Kriminalroman in der Tradition des Noir, der nicht nur souverän eine mitreißende Geschichte erzählt, sondern auch ein kulturelles Kaleidoskop Nachkriegsdeutschlands entwirft.

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Seitenzahl: 866

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Dieses Buch wurde vermittelt von der Literaturagentur erzähl:perspektive, München (www.erzaehlperspektive.de)

 

 

Vollständige eBook-Ausgabe der im ars vivendi verlag erschienenen Originalausgabe (1. Auflage April 2015)

© 2015 by ars vivendi verlag GmbH & Co. KG, Cadolzburg

Alle Rechte vorbehalten

www.arsvivendi.com

 

Lektorat: Stefan Imhof

Umschlaggestaltung: Philipp Starke, Hamburg

unter Verwendung eines Fotos von © Jill Battaglia/Trevillion Images

Datenkonvertierung eBook: ars vivendi verlag

 

eISBN 978-3-86913-564-9

 

 

BERND OHM

WOLFSSTADT

Eine Geschichte aus der Nachkriegszeit

 

 

 

KRIMINALROMAN

 

 

 

ars vivendi

 

Inhalt

Erster Teil

29. APRIL

30. APRIL

1. UND 2. MAI

3. UND 4. MAI

5. MAI

6. MAI

7. MAI

8. MAI

9. BIS 23. MAI

24. MAI

25. MAI

26. MAI

27. MAI

28. MAI, TAGSÜBER

28. MAI, ABENDS

29. MAI

 

Zweiter Teil

22. JULI

23. JULI

24. UND 25. JULI

26. UND 27. JULI

28. JULI

29. JULI

30. JULI

31. JULI

1. AUGUST

2. UND 3. AUGUST

 

DANKSAGUNG

 

Der Autor

 

Erster Teil

29. APRIL

Lehmann hat einen unanständigen Hunger. Der Magen rumpelt ihm wie ein altes polnisches Pferdefuhrwerk, und sein Zeigefinger, der ihm den mühsamen Weg durch das Buchstabendickicht vor ihm weisen soll, weicht immer wieder vom geraden und rechten Pfad der Tugend ab und muss mit dem Absatz von vorn beginnen, Paragraf 257, Begünstigung: Wer einen anderen, der eine rechtswidrige Tat begangen hat … ein paar Stullen zum Mitnehmen heute Morgen, das wär’s gewesen, aber nach dem Aufstehen hat er nie Hunger, weil er jeden Tag aus Träumen aufwacht, nach denen ein normaler Mensch keinen Hunger hat, und eine Frau, die für ihn mitdenken würde, gibt es nicht. Jetzt ist es jedenfalls zu spät, die Kantine hat zu, und von den Amis kann er sich nichts holen, weil bei denen heute Abend ein Doktor vom Medical Service der Militärregierung über Geschlechtskrankheiten spricht: woher sie kommen, wie man sie behandelt, wie man sich davor schützen kann – weiß Lehmann alles, interessiert ihn aber nicht … Ob beim K4 schon wieder was zu holen ist? Der gute Doktor Salkind müsste bald wieder aus der Möhlstraße geliefert bekommen, und dann im Sommer die Laufbahnprüfung, das interessiert ihn.

Sein Zeigefinger ist außerdem eine Spur zu schnell für seinen pommerschen Bauernverstand, und die Sätze sind eine Spur zu lang und verdreht für einen armen Dorfjungen, der lieber Flußpiraten und Buffalo Bill als den Kleinen Katechismus gelesen hat, und deshalb geht in seinem Kopf auch immer wieder der altböse Feind um und führt ihn in eine Versuchung, die da heißt Kartoffel: Bratkartoffeln, Pellkartoffeln, Backkartoffeln, Kartoffelbrei, Kartoffelsalat, Kartoffelpuffer, Kartoffelsuppe, Kartoffelkroketten … ganze Berge könnte er jetzt … durchfressen könnte er sich, durch Kartoffelgebirge, so hoch wie die Alpen – Mensch! Lehmann! –, schön eingelegten Hering und Zwiebeln dazu oder süßsaure Eier in Senfsoße oder gespickte Gänsebrust mit Weißkohl oder sogar gestopfte Gans, das war so ein herrliches Feiertagsgericht zu Hause in Mahlow, Kreis Belgard-Schivelbein, das bekam man, wenn das Jesuskind auf die Erde kam, vom Himmel hoch, oder wenn es wieder ging, o Haupt voll Blut und Wunden – die Katholischen hier in Bayern haben ihre Fastenzeit, da essen sie nur Fisch oder trinken Bier, aber selbst das ist jetzt Mangelware … oder bloß einfache Salzkartoffeln in Butter geschwenkt, vielleicht so n kleenet bissken frisch jeschnittene Petersilie drüberjestreut und nen klitzekleenen Hering doch noch mit auf den Teller, und denn Butter, aber von der guten selbst jemachten, das ist das Paradies auf Erden, die pommersche Kartoffel, oder besser gesagt, das war das Paradies auf Erden, denn die Militärregierung gibt’s und Bayern gibt’s auch, samt den Alpen gibt’s das, sogar Fisch und Bier gibt’s manchmal, wenn auch bloß Thunfisch in Dosen und Dünnbier, aber die pommersche Kartoffel, die gibt’s nicht mehr, und Pommern gleich dazu nicht – Mensch! Lehmann! –, Paragraf 258, Strafvereitelung … wenn er bloß daran denkt, wie es da zugehen muss, jetzt, wo die Polacken das Haus … wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, dass ein anderer dem Strafgesetz … dreinschlagen könnte man, und darf doch nicht … ebenso wird bestraft, wer absichtlich oder wissentlich die Vollstreckung –.

Da rutscht ihm mit einem Mal der Zeigefinger auf die Tischplatte und trommelt einen Swingrhythmus auf das Holz, Somewhere there’s music, How faint the tune, und gleich setzt es einen strafenden Blick von Kriminalhauptkommissar Hölzl, der gegenübersitzt, den Merkur von gestern durchblättert und mit Lehmann zusammen die Zeit totschlägt, solange das draußen in der Stadt München keiner mit den Menschen macht. Hölzl trägt einen Schnauzbart sowie eine Ahnung von einem Kugelbauch und steht außerdem im Rang höher als ein Kriminalkommissär auf Probe, der dazu noch Zugereister ist oder besser gesagt: Zugeworfener, also hört Lehmann mit dem Trommeln gleich wieder auf und schaut weg, bloß im Kopf geht’s noch weiter, Somewhere there’s heaven, How high the moooon …! Hölzl ist für seinen Dienstgrad ein bisschen kurz geraten, hätte sicher einen anständigen Oberfeldwebel in der polnischen Etappe abgegeben und redet mit Leuten, die nicht in Bayern geboren sind, nur, wenn er unbedingt muss.

Na, und wenn. Lehmann, der Zugeworfene, sieht zum hundertsten Mal in das Strafgesetzbuch, das auf dem dunkelgrün-fleckigen Linoleum vor ihm aufgeschlagen liegt, und zum hundertsten Mal wieder weg. Der Doppelschreibtisch, an dem sie sich gegenübersitzen, hat samt Anspitzmaschine und Locher irgendwie den Bombenkrieg überlebt, nur die Schreibmaschine ist eine in Ilion im Bundesstaate New York, Vereinigte Staaten von Amerika, hergestellte Remington, und auf dem damit geschriebenen Dienstplan steht Hölzls Name in der Spalte »Kriminalbereitschaft 16.30 Uhr bis 06.00 Uhr« als H-O-E-L-Z-L, weil die Remington natürlich nur das englische Alphabet kennt, und wenn man das als »HO ELZL« liest, klingt es wie ein seltsames, ausgestorbenes Tier oder der Pferdeknecht von Attila, dem Hunnen. Manche Leute haben ja von Haus aus seltsame Namen, zum Beispiel »Salkind«, das Kind des Saales, aber der gute Herr Doktor ist nun mal einer von denjenigen welchen, die meist schwarze Locken tragen, und wenn er mal nur an die Sachen aus der Möhlstraße gedacht hat, soll er heißen, wie er will … letztes Mal haben sie ihm richtigen französischen Käse mitgeschickt und geräucherten Schinken dazu, irgendwo bei Straßburg über die Grenze gebracht, und dann noch mal aus der Franzosenzone hierher in das Reich der US-Militärregierung und von Jack Lossowitschs Ringverein, da hockt an jeder Grenze einer, der seinen Schnitt machen will – illegaler Zonenübertritt und Schmuggel, das kostet seine Dollars, »Sawbucks« nennen sie die Zehner, also kostet das einen Haufen Sawbucks, aber Lehmann braucht nicht zu zahlen, Lehmann kriegt das gratis … ist nicht mehr viel los mit Salkind: guter Herr Doktor, schlechte Angewohnheiten, die machen ihn fertig, aber was soll’s, den haben vorher schon ganz andere fertiggemacht, die trugen Doppelblitze auf schwarzer Mütze und waren die Edelsten ihrer Rasse … Kognak ist auch mal mit dabei gewesen, V.S.O.P., und richtiger, echter französischer Rotwein, der aber bitter und irgendwie komisch geschmeckt hat, Lehmann weiß nicht so richtig, wie er das für sich ausdrücken soll – vor dem Krieg hat er ja schon mal französischen Rotwein getrunken, bei Timm in Stettin, als er mit Mimi Wes­tendorp den ersten Heimaturlaub feiern war, lange bevor die Sache mit dem Fliegerfeldwebel anfing und überhaupt der ganze Rest, der Wein hat aber damals besser geschmeckt, nicht so nach Holz und Herbstlaub und Katzendreck, so kann man das vielleicht ausdrücken, jedenfalls sollen ihm die Schwarzgelockten demnächst mal lieber einen anständigen deutschen Mosel mitschicken.

Der Anruf kommt gegen Viertel nach sechs.

Wie die Sache aussieht, brauchen sie Gräf vom Erkennungsdienst. Gräf hat aber wegen seiner lungenkranken Frau ausnahmsweise nach Hause gedurft, also greift Hölzl zum Telefonhörer, um ihn dort anzuläuten, und Lehmann nimmt rasch seinen zerbeulten Filzhut von der Garderobe, knöpft das abgewetzte Jackett zu, das er sich ’46 vom Roten Kreuz geholt hat, und läuft in den Innenhof des Polizeipräsidiums hinunter, um beim Fahrdienstleiter einen sofortigen Bedarf anzumelden und sich Schlüssel und Papiere für den Gauleiter aushändigen zu lassen. Der Gauleiter ist ein alter Horch Achtzylinder, groß wie ein Schiff und solide wie eine ostpreußische Gutsbesitzerwitwe, der bis April ’45 der Dienstwagen der örtlichen Parteileitung war, jetzt aber wegen des allgemeinen Mangels an funktionsfähigen Kraftfahrzeugen im Auftrag des Kommissariats 1, Verbrechen wider das Leben, auf Ganovenjagd geht. Lehmann ist für die heutige Nachtbereitschaft als Fahrer vorgesehen, weil der eigentlich diensthabende Hölzl einen schlimmen Fuß hat und nicht bremsen und Gas geben kann – da könnte er natürlich auch zu Hause in der guten Stube bleiben, sollte man meinen, aber der Mann hat Pflichtgefühl, und einen erfahrenen Polizisten, der seit über zwanzig Jahren tadellos seinen Dienst verrichtet und vor allem nicht in den Krieg gemusst hat und sich in der Heimat zum Kriminalen hochbilden durfte, den kann man im Moment nicht einfach so entbehren und stellt ihm lieber einen Kollegen als Fahrer zur Seite, und zwar einen, der sich sozusagen noch in der Ausbildung befindet … Lehmann hat den Führerschein schon mit siebzehn auf der Landwirtschaftsschule in Schivelbein gemacht, außerdem wird seine Zeit als German Liaison Officer bald abgelaufen sein, und danach, das hat der Kripochef gesagt, soll er auf eine freie Stelle beim K1 kommen, da ist es doch gut, wenn S’ dem Kollegen Hölzl schon mal a bisserl über die Schulter schauen können, gell, Herr Lehmann? – Sicher, Herr Oberinspektor.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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