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Unsere Persönlichkeit entwickelt sich anders als gedacht
Kinder, Karriere, Krisen – was prägt unsere Persönlichkeit wirklich? Die Forschung weiß, dass persönliches Wachstum in jedem Lebensabschnitt und bis ins hohe Alter möglich ist. Doch was genau treibt diese Entwicklung an? Wie wirken sich wichtige Lebensereignisse in Ausbildung und Beruf, Partnerschaft und Familie, Krankheit und Gesundheit auf einzelne Facetten unserer Persönlichkeit aus? Und lässt sich die Persönlichkeit vielleicht sogar gezielt verändern? Die Persönlichkeitspsychologin Prof. Dr. Eva Asselmann stellt anschaulich und humorvoll die neuesten Studien auf diesem Gebiet vor und liefert überraschende Erkenntnisse: Beispielsweise lässt uns die Geburt eines Kindes weit weniger reifen als unser erster richtiger Beruf. Derartige Erkenntnisse sind für uns alle nützlich: Welche Erfahrungen haben die meiste Schubkraft, und wie beeinflussen sie unser Wohlbefinden? Und wie hilft uns dieses Wissen, um an neuen Situationen und Herausforderungen zu wachsen?
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Seitenzahl: 276
Buch
Erfreulicherweise wird unsere Persönlichkeit nicht nur durch unsere Gene, sondern auch durch die Umwelt, in der wir leben geprägt. Persönliches Wachstum ist daher in jedem Lebensabschnitt und bis ins hohe Alter möglich. Doch was genau treibt diese Entwicklung an? Wie wirken sich wichtige Lebensereignisse in Ausbildung und Beruf, Partnerschaft und Familie, Krankheit und Gesundheit auf einzelne Facetten unserer Persönlichkeit aus? Und ist es möglich und ratsam, die Persönlichkeit gezielt zu verändern? Die Persönlichkeitsspsychologin Prof. Dr. Eva Asselmann stellt anschaulich und humorvoll die neuesten Studien auf diesem Gebiet vor und liefert überraschenden Erkenntnisse: Beispielsweise lässt uns die Geburt eines Kindes weit weniger reifen, als unser erster richtiger Beruf. Derartige Erkenntnisse sind für uns alle nützlich: Welche Erfahrungen haben die meiste Schubkraft, und wie beeinflussen sie unser Wohlbefinden? Und wie hilft uns dieses Wissen, um an neuen Situationen und Herausforderungen zu wachsen?
Autorin
Prof. Dr. rer. nat. habil. Eva Asselmann, Jahrgang 1989, ist Professorin für Differentielle und Persönlichkeitspsychologie an der HMU Health and Medical University in Potsdam. Sie forscht zu den Themen Persönlichkeitsentwicklung, Gesundheitsförderung und Prävention und beschäftigt sich mit diesen Fragen: Wie verändert sich unsere Persönlichkeit im Laufe des Lebens? Wie wirken sich einschneidende Ereignisse auf unsere Persönlichkeit, unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit aus? Was können wir tun, um Krisen zu bewältigen und an Herausforderungen zu wachsen? Sie leitet diverse Forschungsprojekte und ist Autorin zahlreicher Studien. Anknüpfend daran entwickelt sie gezielte Coachings und Trainings zu den Themen Persönlichkeitsentwicklung, Resilienz, Stressmanagement und Entspannung und hat langjährige Praxiserfahrung. Sie ist zertifiziert im Systemischen Coaching, im Change Management und in der Akzeptanz- und Commitment-Therapie. Für Vorträge und als Expertin in den Medien wird sie regelmäßig angefragt.
Martina Pahr, Jahrgang 1968, ist Magistra der Literaturwissenschaft, Journalistin und freiberufliche Autorin, u.a. von humorvoller Ratgeberliteratur.
Eva Asselmann
Woran
wir
wachsen
Welche Lebensereignisse unsere
Persönlichkeit prägen und was uns
wirklich weiterbringt
Die neuesten Erkenntnisse aus der Persönlichkeitspsychologie
In Zusammenarbeit mit Martina Pahr
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Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter www.dnb.de abrufbar.
© 2022 Ariston Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München
Alle Rechte vorbehalten
Redaktion: Caroline Kaum
Covergestaltung: wilhelm typo grafisch
Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering
ISBN 978-3-641-29570-7V006
Einleitung: Wir sind, wer wir sind. Müssen es aber nicht bleiben
Du bist, was du erlebst. Und du erlebst, was du bist
Gibt es den Resilienzmuskel?
Kapitel 1: Was uns ausmacht – und von anderen unterscheidet
Persönlichkeit: Was ist das eigentlich?
Persönlichkeitspsychologie auf den Punkt gebracht
Kann man Persönlichkeit »messen«? Kann man!
Bunt is beautiful: Wie Persönlichkeit unser Leben bereichert
Kapitel 2: Die Big Five – das Who is Who der Persönlichkeitsmerkmale
Was bisher geschah
OCEAN’s Five: das Fundament
Was zu einer Persönlichkeit noch dazugehört
Kapitel 3: Wie Persönlichkeit unser Leben prägt
Mentale und körperliche Gesundheit
Soziale Beziehungen
Ausbildung und Beruf
The Good, the Bad and the Ugly: »gute« und »schlechte« Persönlichkeiten?
Begrüßenswerte Merkmale jenseits der Big Five: je höher, desto besser
Kapitel 4: Persönlichkeit wächst mit uns mit!
Die Wurzeln der Kindheit – und was daraus werden kann
Sturm und Drang: Wie viel passiert in der Jugend wirklich mit uns?
Von der Bar ans Babybett: Was uns als junge und mittlere Erwachsene reifen lässt
Von wegen abgeklärt: hohes Alter
Kapitel 5: Was Persönlichkeit, Berufswahl und Jobglück miteinander zu tun haben
Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln: Berufseinstieg und Renteneintritt
Ticket for Success: Der passende Job macht’s
Für die Chefetage geboren?
Was Jobkrisen mit uns machen (können)
Kapitel 6: How sweet it is to be loved by you – Persönlichkeit und Liebe
Verliebt, verlobt, verheiratet, getrennt: Beziehungsereignisse und Persönlichkeit
Achterbahnfahrt der Gefühle: Beziehungsereignisse und Wohlbefinden
Kapitel 7: Kindersegen – Wie segensreich ist er für unsere Persönlichkeit?
Reifeprüfung: Lässt uns ein Baby »wachsen«?
Junge Eltern, ältere Eltern: Gibt’s hier Unterschiede?
Mutter oder Vater: bei wem passiert was?
Wann werden wir endlich reifer?
Wellbeing-Faktor Kind: Macht ein Baby glücklich?
Kapitel 8: Was Stress, Krankheit und Verlust mit unserer Persönlichkeit machen
Die Dosis macht das Gift: Stress
Hauptsache gesund: Krankheit
Jenseits von Trauer: Wie wir mit dem Tod umgehen
Wieder allein: Verlust durch Tod und Trennung
Kapitel 9: Wie wir eine resiliente Persönlichkeit entwickeln (können)
Was uns nicht umbringt, macht uns stärker?
Wie alles begann: die Wurzeln der Resilienzforschung
Komplexes Konstrukt: Aspekte von Resilienz
Never surrender? Resilienz nach stressreichen Ereignissen
Können wir Resilienz trainieren?
Kapitel 10: Ausnahmezustand – Pandemie
Corona: als Bier Top, als Virus Flop
Resigniert bis rebellisch: Persönlichkeit und Pandemie
Ängstlich und einsam: psychische Gesundheit und Pandemie
Kontaktlos glücklich?
Warnung: Doomscrolling gefährdet deine Gesundheit!
Kapitel 11: Big-Five-Stars – Können wir unsere Persönlichkeit »tunen«?
Profis am Start: psychologisch fundiert
Warum überhaupt: die Frage nach der Notwendigkeit
Deine Entscheidung für Veränderung ist gefallen
Kapitel 12: Aus der Forschungswerkstatt
Bastelstunde: Wie man psychologische Fragebögen konstruiert
Rätselraten: Wie man Test-Scores interpretiert
Methodisch geschickt: Persönlichkeitsentwicklung messen
Mach den Test: Hier kommt dein Big-Five-Fragebogen
Referenzen und Literaturtipps
»Denn unser Lebenslauf ist keineswegs schlechthin unser eigenes Werk, sondern das Produkt zweier Faktoren, nämlich der Reihe der Begebenheiten und der Reihe unserer Entschlüsse, welche stets ineinandergreifen und sich gegenseitig modifizieren.«
Arthur Schopenhauer
Fallen wir doch gleich mit einer guten Nachricht ins Haus: Es sind nicht nur die Gene, die beeinflussen, wie wir uns entwickeln (und ob wir in die Höhe, Breite oder – charakterliche – Tiefe wachsen). Auch unsere Umwelt trägt maßgeblich dazu bei, und sie lässt sich erfreulicherweise in einem gewissen Rahmen von uns mitgestalten. Unsere Persönlichkeit ist dementsprechend nicht statisch, sondern verändert sich ein Leben lang, wie die Wissenschaft schon vor einigen Jahren zeigen konnte.
So weit, so gut. Doch was genau treibt diese Entwicklung an, und wie wirken sich einschneidende Lebensereignisse auf unsere Persönlichkeit aus? Wie verändern wir uns, wenn wir frisch verliebt zusammenziehen, heiraten oder eine Familie gründen? Was passiert, wenn wir ins Berufsleben einsteigen oder befördert werden? Sind wir nach dem Renteneintritt entspannter als davor? Lässt uns ein Kind reifen, oder ist es die Arbeit, die uns »erwachsen« macht? Sind Persönlichkeitsveränderungen durch Jobverlust, Trennung oder Trauer nur vorübergehend oder anhaltend, sodass man sie auch Jahre später noch beobachten kann?
All dies habe ich in den vergangenen Jahren erforscht und dafür Daten von Tausenden von Menschen ausgewertet. Die gewonnenen Erkenntnisse bestätigen manchmal Vorannahmen, manchmal jedoch fallen sie völlig überraschend aus – auf jeden Fall aber sind sie immer spannend: Um sie geht es in diesem Buch.
Du bist, was du erlebst. Und du erlebst, was du bist
Was uns widerfährt, beeinflusst unsere Persönlichkeit. Gleichzeitig beeinflusst unsere Persönlichkeit, wie wir mit dem Erlebten umgehen. Das bedeutet auch: Von unserer Persönlichkeit hängt ab, ob wir gewisse Dinge in unserem Leben überhaupt erfahren oder nicht. Wer offen ist, macht sich am exotischen Urlaubsort eher auf, um Land und Leute kennenzulernen, als derjenige, der ein gewohntes Umfeld schätzt. Ganz abgesehen davon, dass Letzterer sich wahrscheinlich ohnehin ein vertrauteres Reiseziel suchen würde. Wer Harmonie schätzt, verhält sich freundlich und kompromissbereit, wodurch das Risiko für Konflikte, Trennungen und Rechtsstreitigkeiten sinkt. Wer dominant ist, übernimmt ohne Zögern Führungsaufgaben und steigt somit leichter in die Chefetage auf.
Das Ganze ist ein Wechselspiel: Unsere Umwelt prägt uns, und wir prägen sie – durch unser Denken, Fühlen und Verhalten. Nicht selten »selektieren« wir uns so in eine »Nische«: ein Umfeld, das unserer Wesensart entspricht und diese noch weiter verstärkt. Denken wir beispielsweise an die Arbeit: Wer kreativ ist, ergreift einen künstlerischen Beruf und wird dadurch noch kreativer. Wer sich für Wissenschaft interessiert, geht in die Forschung, wodurch sein Interesse daran (hoffentlich!) weiterwächst. Wer das Risiko nicht scheut, gründet ein Start-up und kann (bzw. muss) dadurch immer öfter Mut beweisen. Solche Effekte treffen neben der Arbeit auch auf andere Lebensbereiche zu.
Wir alle kennen Herrn Hinz, der ständig »zwischen zwei Jobs« schwebt, oder Frau Kunz, die von einem Beziehungsdrama ins nächste schlittert. Herrn Meier, bei dem Schlamassel an der Tagesordnung ist, und Frau Müller, bei der alles glatt zu laufen scheint. Durch welche Persönlichkeitsmerkmale lassen sich solche Unterschiede erklären? Welche Eigenschaften wirken in einzelnen Lebensbereichen besonders prägend? Gibt es »gute« oder »schlechte« Persönlichkeiten und solche, die uns zu traurigen Pechvögeln oder rundum gesunden, glücklichen, allseits beliebten und beruflich erfolgreichen Sonnenkindern machen?
Nun können Lebensereignisse nicht nur unser Wesen beeinflussen – selbstverständlich lassen sie uns auch gefühlsmäßig nicht kalt. Wir kennen es alle aus eigener Erfahrung: frisch verliebt in der Oase der Glückseligen, am Boden zerstört nach Trennung oder Scheidung, überglücklich nach der Geburt eines Kindes, gestresst bei Problemen im Job oder tief verzweifelt nach dem Verlust eines geliebten Menschen. Doch wie stark sind diese Effekte, und wie lange halten sie an? Macht beruflicher Erfolg langfristig glücklich oder doch eher ein Kind? Lässt sich durch ein Baby womöglich sogar die Beziehung retten? Werden wir nach schweren Schicksalsschlägen jemals wieder so fröhlich und unbeschwert wie zuvor? Zu all diesen spannenden Fragen habe ich geforscht – die Antworten findest du in diesem Buch.
Gibt es den Resilienzmuskel?
Nicht jeder Mensch entwickelt sich durch einschneidende Lebensereignisse auf dieselbe Art und Weise. Nicht jeder erlebt durch sie gleich starke Veränderungen in seinem Wohlbefinden. Wir alle unterscheiden uns dadurch, wie wir bestimmte Ereignisse erleben, bewerten und verarbeiten. Das gilt insbesondere für stressreiche Erfahrungen: Während einige Menschen äußerst sensibel auf Stress reagieren, kommen andere selbst mit schweren Schicksalsschlägen und traumatischen Erfahrungen zurecht. Von welchen Faktoren hängt unsere psychische Widerstandsfähigkeit also ab? Können wir nicht nur unsere Muskeln, sondern auch unsere mentale Stärke gezielt trainieren? Eine Fragestellung, die sich angesichts der vielen globalen Herausforderungen in jüngster Zeit als aktueller denn je erweist. Deswegen findest du sowohl zum Thema Resilienz als auch zum Umgang mit kollektiven Krisen ein jeweils eigenes Kapitel in diesem Buch.
Empirische Forschung zu den oben genannten Fragen verrät uns, wann wir uns wie verändern und auf welche äußeren Einflüsse wir besonders sensibel reagieren. Forschungserkenntnisse dienen jedoch nicht dem wissenschaftlichen Fortschritt allein. Als Gesellschaft können wir mit ihrer Hilfe (künftig) Betroffene optimal auf zentrale Ereignisse vorbereiten: werdende Eltern auf das Familienleben, Uniabsolvierende auf den (passenden) Job oder Menschen am Ende des Arbeitslebens auf den sanften Übergang in den Ruhestand. Mehr noch: Gefährdete Gruppen erfahren durch eine gezielte Begleitung in Krisenzeiten entscheidenden Support mit dem Ziel, schwerwiegenden psychischen Problemen frühzeitig vorzubeugen, etwa durch Trainings für Stressgeplagte und frisch Getrennte sowie therapeutische Hilfestellung für Trauernde oder Opfer von Krieg und Gewalt.
Entscheidend ist dabei, nicht nur Betroffene selbst, sondern auch ihr Umfeld zu sensibilisieren. Bei Heranwachsenden kann es beispielsweise sinnvoll sein, Eltern, Lehrende und Ausbildungsbetriebe zu informieren, welche Rolle die erste große Liebe, das Studium oder der Berufseinstieg für die persönliche Entwicklung spielen, und wie sie ihre Schützlinge auf diesem Weg entsprechend unterstützen können. Auch im Sinne der »Selbstbefähigung« lassen sich die Ergebnisse der Forschung nutzen: Indem man Kindern und Jugendlichen in Schule und Unterricht psychologisches Know-how und Strategien an die Hand gibt, die sie auf das Leben vorbereiten und ihnen helfen, mit Unsicherheiten, Ängsten, Leistungsdruck, Prüfungsstress, Liebeskummer oder Trauer umzugehen.
Doch selbst wenn du aktuell nicht in einer tiefgreifenden Lebenskrise steckst, können brandneue Erkenntnisse zur Persönlichkeitsentwicklung für jede und jeden von uns ein Gewinn sein – genau deswegen liest du vermutlich dieses Buch: Wie kannst du dich selbst verändern und diesen Prozess bewusst in eine bestimmte Richtung lenken? Ist das überhaupt ratsam? Was kannst du tun, um Herausforderungen erfolgreich zu meistern und aus Krisen gestärkt hervorzugehen? Wie kannst du deinen Resilienzmuskel effektiv trainieren?
In diesem Buch findest du nicht nur Antworten auf all diese Fragen, sondern darüber hinaus Fragebögen, Anregungen und praktische Übungen für deinen individuellen Weg. Sie werden dir dabei helfen, zu bestimmen, in welchem Maße einzelne Persönlichkeitsmerkmale bei dir ausgeprägt sind und ob dein Selbstbild sich mit dem Bild deckt, das andere von dir haben. Du wirst entdecken, wo deine Stärken liegen, aus welchen Ressourcen du schöpfen kannst und welche Bedürfnisse und Werte dir wichtig sind. Und schließlich erprobte Techniken kennenlernen, mit denen du Stress im Job verringern, Konflikte zu Hause geschickt lösen, achtsam und entspannt sein, im Hier und Jetzt leben und zukünftige Ziele so stecken kannst, dass sie dich wirklich weiterbringen.
In diesem Sinne wünsche ich dir eine unterhaltsame und bereichernde Lektüre und selbstverständlich viel Freude und Entdeckergeist auf dem Pfad deiner ganz persönlichen Weiterentwicklung!
»Eigentlich wollte ich persönlich hier erscheinen, aber nun kam ich selbst.«
Heinz Erhardt
Auf der Party des Lebens darf sie nicht fehlen: Die Diva, die, kaum dass sie den Raum betritt, allen anderen die Show stiehlt. Hinter ihr in der Ecke steht der Muffel, der stumm vor sich hinstarrt und so viel Charisma versprüht wie ein Sack Kartoffeln. Zwischen diesen beiden Extremen erstreckt sich die gesamte Bandbreite des Menschseins in seinen vielfältigen und faszinierenden Ausprägungen: Wir alle stecken in unserer individuellen Haut, aus der wir schon fahren müssten, um über unseren eigenen Schatten zu springen und uns anders zu verhalten, als es uns entspricht. Wir nehmen Dinge persönlich, können persönlich werden, haben persönliche Vorlieben und eine ganz persönliche Note. Sehr gern haben wir auch eine persönliche Meinung über die Persönlichkeiten anderer Menschen, die wir nach einem flüchtigen Blick in ihrer Gesamtheit zu erfassen glauben. (Was oft mehr über uns verrät als über die anderen.)
Man sollte meinen, dass wir uns selbst von Grund auf und in jeder Hinsicht kennen. Doch wenn es persönlich wird und darum geht, was uns ausmacht und welche individuellen Stärken und Schwächen wir haben, geraten wir oft ins Stammeln. (Außer bei Vorstellungsgesprächen, wo wir vielleicht nicht ganz ehrlich, aber in der Regel wenigstens gut vorbereitet sind.) Der Griff zum Psychoquiz im Magazin soll uns verraten, wie selbstbewusst wir sind, wie es um unsere soziale Kompetenz bestellt ist oder welcher Disney-Prinzessin wir am ähnlichsten sind. Wir ziehen den tibetischen Persönlichkeitstest, die Analyse unserer Handschrift oder die Sitzung beim kartenlegenden Medium zu Rate, um zu erfahren, wann wir mit Ruhm und Reichtum zu rechnen haben, ob wir lieber Malerin oder Buchhalter werden sollten und warum die große Liebe so lange auf sich warten lässt. Jetzt aber lassen wir Küchenpsychologie einmal Küchenpsychologie sein, so unterhaltsam sie auch sein mag, um uns wirklich auf den Grund zu gehen. Du wirst sehen, ein hoch spannender Prozess! Und er beginnt mit der harmlos wirkenden Frage: Was macht uns eigentlich aus und prägt uns auf dem Weg zu der Persönlichkeit, die wir sind?
Persönlichkeit: Was ist das eigentlich?
In der Wissenschaft versteht man unter Persönlichkeit Merkmale im Denken, Fühlen und Verhalten, in denen sich Menschen voneinander unterscheiden. Diese sogenannten Merkmale sieht man den anderen aber nicht immer gleich an der Nasenspitze an: Wir meinen zwar, dass der Kartoffelsackmuffel in der Ecke ungesellig, miesepetrig und langweilig ist. Dabei können wir nicht wissen, ob er gerade beim Zahnarzt war, sich mit seiner Freundin gezofft hat oder einfach nur hundemüde ist, weil er letzte Nacht ein halbes Dutzend Welpen aus einem brennenden Haus gerettet hat. Genauso wenig wissen wir, dass er aufblüht, wenn er über sein Hobby referiert (vielleicht Farne, vielleicht Briefmarken, vielleicht die Herstellung von Schrumpfköpfen nach alter Amazonasrezeptur). Auch die Diva haben wir nicht dabei erlebt, wie sie sich stundenlang auf ihren strahlenden Auftritt vorbereitet, dabei vielleicht ihren Friseur angeblafft und zu guter Letzt ein wenig Koks geschnupft hat. Auf den ersten Blick bleibt uns verborgen, dass sie mit ihrer exaltierten Art ihre Unsicherheit kompensieren will und unter heftigen Selbstzweifeln leidet. Mit anderen Worten: Der erste Eindruck, den wir von einem anderen Menschen haben, soll zwar nach der alten Redensart derjenige sein, der zählt. Wer kennt den Leitspruch nicht: Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance. Doch genau dieser erste Eindruck, bei dem wir einen Menschen »aus dem Kontext gerissen« in nur einer einzigen Situation erleben, kann merklich trügen. Blender mögen davon profitieren, während Menschen mit Hang zum Understatement gern unterschätzt werden.
Seien wir doch mal ehrlich: Wir alle haben ab und zu einen schlechten Tag, ob mit oder ohne Anlass, und wenn es arg kommt, auch eine durch und durch miese Woche. In anderen Phasen läuft alles wie geschmiert und geht uns leicht von der Hand. Unser Denken, Fühlen und Handeln kann also erheblich schwanken. Deshalb ist es wichtig, einen Menschen zu unterschiedlichen Zeitpunkten in vielen verschiedenen Situationen zu erleben, um seine Persönlichkeit wirklich erfassen zu können. Einzelne Beobachtungen lassen nur bedingt Rückschlüsse zu: Wenn unsere Nachbarin bei einer Beerdigung oder am Montagmorgen auf dem Weg zur Arbeit in der U-Bahn mit niemandem plaudern möchte, heißt das noch lange nicht, dass sie ungesellig ist. Wenn unser neuer Partner beim Sonntagskaffee mit den Schwiegereltern in spe schweigend seinen Kuchen mümmelt, lässt sich daraus ebenfalls nicht auf eine geringe Geselligkeit schließen. Vielleicht ist er unter anderen, für ihn »normalen« Umständen tatsächlich aufgeschlossen und gesprächig – aber eben nicht unter diesen. Sitzt er auch in der Kantine, beim Feierabendbierchen und auf Geburtstagsfeiern im Freundeskreis abseits (sofern er überhaupt dort auftaucht), spricht das schon eher dafür, dass Geselligkeit nicht sein Ding ist. Von einem Persönlichkeitsmerkmal spricht man in der Psychologie erst, wenn sich eine Person über viele Zeitpunkte in verschiedenen Situationen hinweg auf ähnliche Art und Weise verhält.
Doch wie immer ist das Leben fließend: Auch wenn unsere Persönlichkeit mittelfristig stabil ist, kann sie sich über längere Zeiträume sehr wohl verändern. Es kann sein, dass wir heute geselliger sind als noch vor drei Jahren oder sogar geselliger als alle um uns herum. Und umgekehrt kann es passieren, dass wir im Vergleich zum legendären Party Animal, das wir einmal waren, heute wie ein schüchternes Mauerblümchen wirken.
Denkanstöße: In welchen Situationen agierst du wie? Wo und wann bist du am meisten »du selbst«? Wo bist du heute anders als früher?
Persönlichkeitspsychologie auf den Punkt gebracht
Wie unterscheiden sich Menschen in dem, was und wie sie denken, fühlen und handeln? Wie lassen sich diese Unterschiede systematisch beschreiben, erklären, vorhersagen und – das ist vor allem für uns »Normalsterbliche« spannend – beeinflussen? Mit diesen Kernfragen beschäftigt sich die Persönlichkeitspsychologie. Ihr Anliegen ist zum einen, den einzelnen Menschen in seiner komplexen Individualität zu verstehen und im Hinblick auf all seine Persönlichkeitsmerkmale zu beschreiben; und zum anderen, viele Menschen hinsichtlich dieser einzelnen Merkmale miteinander zu vergleichen: Wie unterscheiden sich Tausende von Personen beispielsweise in ihrer Extraversion, d. h.: Wie gesellig sind sie, wie aufgeschlossen gehen sie auf andere zu und wie kreativ sind sie verglichen mit Gleichaltrigen?
Wichtig ist dabei ein zweifacher Blickwinkel: Die einzelnen Persönlichkeitsmerkmale werden sowohl aus der Innen- als auch der Außenperspektive betrachtet. Wie nehmen wir uns selbst wahr? Würden wir uns als vorsichtig und überlegt beschreiben? Oder doch als spontan und risikobereit? Erleben wir uns als zuversichtlich und optimistisch? Oder überwiegen die Worst-Case-Szenarien in unserem Kopf? Die Außenperspektive bezieht sich darauf, wie wir nach außen wirken. Wie nehmen uns andere im Alltag wahr, und was verrät unser Verhalten über unsere Persönlichkeit? Innen- und Außenperspektive müssen übrigens nicht zwingend übereinstimmen: Wir können uns selbst durchaus als sensibel und unsicher empfinden, während wir auf andere Menschen einen robusten und selbstbewussten Eindruck machen.
Schließlich geht die Persönlichkeitspsychologie der spannenden Frage auf den Grund, ob unser Verhalten durch unsere Persönlichkeit bestimmt wird oder durch die Situation, in der wir uns befinden. Oder eben durch beide Faktoren in Kombination. Eine sonst extravertierte Person kann sich in der Zahnarztpraxis beispielsweise in ein klägliches Häuflein Elend verwandeln, das den Mund nicht aufkriegt. Eine noch so introvertierte Mutter kann zur Löwin werden, wenn jemand ihrem Kind zu nahe kommt. Wenn wir vom Verhalten einer Person auf ihre Persönlichkeit schließen und dabei nicht die jeweilige Situation mit einbeziehen, sind Fehldeutungen vorprogrammiert.
Kann man Persönlichkeit »messen«? Kann man!
Die Wissenschaft leuchtet die Innenperspektive meist mittels Fragebögen oder Interviews aus. Selbstauskünfte sind vor allem dann wertvoll, wenn es um Dinge geht, die man von außen nicht oder nur indirekt erfassen kann, nämlich Gedanken und Gefühle (und natürlich immer dann, wenn es arg intim wird, wie etwa beim Sex oder auf dem stillen Örtchen). Wenn eine Person weint, erkennen wir zwar, dass sie traurig ist, und wenn sie brüllt, nachdem wir ihr an der Ampel hinten draufgefahren sind, kommen wir schnell auf die Idee, dass sie wütend sein könnte. Wenn sie uns direkt ins Gesicht sagt, was sie von uns hält (unter Umständen weniger als erwartet), dann wissen wir auch, was sie über uns denkt. Doch oft können wir allein anhand von Gestik, Mimik und Verhalten nicht darauf schließen, was nun genau im anderen vorgeht. Deswegen sind (anonyme!) Befragungen unverzichtbar, um Daten zur Persönlichkeit zu sammeln und auszuwerten. Gleichzeitig öffnen sie aber auch Tür und Tor für Fehler: Nicht immer wollen oder können wir stimmige Informationen über uns preisgeben: Zum Beispiel, weil wir vieles schon vergessen haben, uns falsch erinnern, uns selbst verzerrt wahrnehmen oder uns bewusst besser darstellen wollen, als wir sind. Deswegen ist es hilfreich, ergänzend weitere Methoden einzusetzen, um die Persönlichkeit des Menschen aus vielen unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten.
Von außen können uns natürlich diejenigen am besten einschätzen, die uns nahestehen und besonders gut kennen. Deswegen werden in wissenschaftlichen Untersuchungen nicht nur Selbstauskünfte, sondern auch Einschätzungen von Eltern, Lehrer:innen, Partner:innen, dem Freundeskreis oder dem beruflichen Umfeld eingeholt. Simine Vazire, Professorin für Psychologie, Ethik und Wohlbefinden an der Universität Melbourne, hat erforscht, bei welchem Persönlichkeitsmerkmal welche Informationsquelle die Nase vorn hat.1 Ihrer Studie zufolge liefern Selbstauskünfte die besten Ergebnisse, wenn es um Selbstzuschreibungen und emotionale Zustände geht, etwa um unser Selbstwertgefühl oder um Angst. Urteile von Freund:innen sind am zutreffendsten, wenn es sich um bewertbare Leistungsmerkmale handelt, wie zum Beispiel Intelligenz und Kreativität. Bei Merkmalen, die sich eins zu eins im Verhalten widerspiegeln, wie Gesprächigkeit und Dominanz, erweisen sich verschiedene Informationsquellen als ungefähr gleich aussagekräftig. Fremde geben in diesem Fall sogar noch präzisere Urteile als Freund:innen ab, die möglicherweise voreingenommen sind und dadurch eine verfälschte Wahrnehmung haben.
Empirische Beobachtungen wiederum eignen sich besonders gut, um Verhaltensweisen systematisch »von außen« zu erfassen. Ihr Manko: Sie sind vergleichsweise aufwendig und fangen nicht zwangsläufig repräsentative Verhaltensschnipsel ein, denn wir geben uns gern anders, sobald wir im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Wer würde sich in diesem Fall schon ganz bewusst danebenbenehmen? Und wer (außer den Kardashians) würde überhaupt bei einer Studie mitmachen, um auf Schritt und Tritt begleitet und beobachtet zu werden? (Und selbst diese berühmt-berüchtigte Influencer-Sippe, so wird gemunkelt, verfälscht das Bild, das sie in ihrer Reality-Show von sich zeichnet. Schocker!)
Technik sei Dank gibt es inzwischen neue und vielversprechende Ansätze, die es möglich machen, Persönlichkeitsmerkmale direkt im Alltag zu untersuchen. Mit dem Smartphone können wir einfach und unkompliziert mehrmals am Tag Fragen dazu beantworten, wo wir sind, was wir gerade tun und wie es uns geht. Solche Echtzeitbefragungen verhindern, dass es zu nennenswerten Gedächtnislücken oder verzerrten Erinnerungen kommt. Außerdem verraten sie, ob unser Befinden in Abhängigkeit von Zeit und Situation systematischen Schwankungen unterliegt. Sind wir morgens mies drauf und laufen abends zur Höchstform auf, und ist es am Wochenende erstaunlicherweise genau andersrum? Geht es uns besser, wenn wir allein daheim auf dem Sofa lümmeln, oder wenn wir beim Konzert auf die Bühne stürmen und einen Stagedive vom Feinsten hinlegen, um wortwörtlich in der Menge zu baden? Sind Extravertierte häufiger glücklich als Introvertierte?
Mit dem passenden Zubehör lassen sich zudem jederzeit Fotos, Videos und Tonaufnahmen machen. Auch von solchen visuellen und auditiven »Verhaltensschnipseln« lässt sich auf die Persönlichkeit schließen: Türmt sich in der Küche der Abwasch? Sind die Strümpfe in der Sockenschublade farblich sortiert und die Schreibutensilien symmetrisch zur Tischkante ausgerichtet? Wie viel reden wir, und was verraten Lautstärke, Stimmlage, Intonation und Wortwahl über unseren Umgang mit anderen? Schätzen wir die Stille, oder lassen wir uns von der Multimediabox dauerbeschallen? Lässt sich anhand unseres Musikgeschmacks sagen, ob wir eher experimentell oder konservativ unterwegs sind?
Mehr noch: Smartwatch und Fitnesstracker erlauben im Alltag eine nahezu kontinuierliche »Vermessung«. Ob das im Einzelfall immer hilfreich, nötig und datenschutztechnisch unbedenklich ist, mag umstritten sein. Doch GPS-Daten, zurückgelegte Distanzen, Schritte und physiologische Messwerte wie Herzfrequenz, Puls und Blutdruck liefern wertvolle Informationen, um persönlichkeitspsychologische Fragen zu beantworten – insbesondere, wenn man sie mit Befragungsdaten verknüpft: Unterscheiden sich die Bewegungsprofile zwischen offenen und verschlossenen oder introvertierten und extravertierten Personen? Verändert sich unser Wohlbefinden, wenn wir uns viel oder wenig bewegen? Verraten unsere Körperdaten, ob wir gerade gestresst oder entspannt sind?
Kommen wir zu guter Letzt zu Fähigkeiten wie Intelligenz, Konzentrationsfähigkeit und Kreativität. Diese lassen sich am besten mit Leistungstests messen, die man – im Gegensatz zu Persönlichkeitstests – objektiv bewerten kann. Hier ergibt sich »besser« oder »schlechter« daraus, wie viele Testaufgaben jemand eindeutig »richtig« oder »falsch« löst. Studien zeigen, dass subjektive Selbst- und Fremdauskünfte sowie objektive Leistungsergebnisse oft nur dürftig übereinstimmen. Nicht allein Selbst- und Fremdratings zur Attraktivität korrelieren nur mäßig. (Schönheit liegt eben im Auge des Betrachters – und in Extremfällen auch in der Hand der Schönheitschirurgie.) Auch die selbst eingeschätzte Leistungsfähigkeit weicht mitunter deutlich vom knallharten Testergebnis ab.
Wie stark diese Abweichung ist, variiert wiederum systematisch. Die US-amerikanischen Psychologen David Dunning und Justin Kruger haben herausgefunden, dass leistungsstarke Menschen ihre Leistung eher unterschätzen, während leistungsschwache Menschen zur Selbstüberschätzung neigen.2 Möglicherweise fehlen Personen mit geringerer Leistungsfähigkeit die Fähigkeiten, um quasi aus der Vogelperspektive ihre Defizite adäquat einzuschätzen. Ihnen fällt es tendenziell schwerer, den qualitativen Unterschied zwischen ihrer und einer besseren Leistung zu erkennen und zu quantifizieren. Ob Schlaufuchs ja oder nein: Der Dunning-Kruger-Effekt zeigt, wie groß unsere persönlichen blinden Flecke manchmal sind, wenn es um die eigenen Fähigkeiten geht. Bevor wir uns also über die Verfehlungen unserer Mitmenschen echauffieren und in Entrüstung suhlen (»Ihr IQ liegt unter der Raumtemperatur!«), halten wir doch für einen kurzen (oder auch längeren) Moment inne und machen uns klar: Auch wir haben Macken, die uns selbst – nicht aber den anderen – verborgen bleiben. Garantiert! Gleiches gilt allerdings auch für unsere Talente, die wir nur allzu oft als banal ansehen, die andere aber wiederum vom Hocker hauen. Wer um sich selbst und die eigene Außenwirkung weiß, ist also klar im Vorteil.
MEHRAUSDERWISSENSCHAFT
Fragebögen – kleines How-To
Fragebögen sind bei den meisten Studien das Instrument der Wahl, wenn es darum geht, die Ausprägungen eines bestimmten Persönlichkeitsmerkmals zu erfassen. Die Vorteile sind dabei klar ersichtlich: Mit ihrer Hilfe kann man ohne großen Aufwand einfangen, wie jemand sich selbst oder andere sieht. Es liegt auf der Hand, dass man mit herkömmlichen Wald- und Wiesenpsychotests, wie wir sie aus Magazinen kennen, dabei nicht weit kommt. Wenn du mehr wissen willst, schau bei unserer Bastelstunde im Anhang vorbei: »Wie man psychologische Fragebögen konstruiert«. Beim Rätselraten, ebenfalls im Anhang, erfährst du, wie man die Test-Scores, die man mit Fragebögen erzielt, sinnvoll interpretiert.
#read more: Kapitel 12 »Aus der Forschungswerkstatt«.
Bunt is beautiful: Wie Persönlichkeit unser Leben bereichert
Persönlichkeitspsychologische Themen sind nicht nur im Alltag relevant: bei Psychotests (»Haben Sie das Potenzial zur Religionsgründung?« oder »Woran Sie merken, dass Ihre Schwiegereltern Mordgedanken Ihnen gegenüber hegen«), in WG-Diskussionen und auf Elternabenden, wo Eltern ihre Sprösslinge ganz anders einschätzen als die Klassenlehrerin (»Wunderkind« versus »Tintenkillerschnüffler«).
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Persönlichkeitspsychologie kommen in erstaunlich vielen und vielfältigen Bereichen zur Anwendung: natürlich in der Psychotherapie und Beratung, wo Menschen bei emotionalen Problemen, Paare bei Ehekrisen, Jugendliche bei der Berufswahl und Best-Ager in der Late-Life-Crisis Unterstützung finden. Sie ist in der Schule, bei der Erziehung und im Unterricht wichtig, etwa wenn es darum geht, Hochbegabung oder Lernschwächen festzustellen, spezifische Interessen zu identifizieren und Kinder individuell zu fördern. Sie kommt in der Wirtschaft bei Personalauswahl und -entwicklung zum Einsatz, beispielsweise im Assessment Center oder beim Coaching von Führungskräften. Im Marketing spielt die Persönlichkeitspsychologie eine entscheidende Rolle, um mit Werbeinhalten gezielt individuelle Interessen und Bedürfnisse anzusprechen. (Auch wenn wir uns spätestens beim Erwerb der dritten identischen Kuchenform oder dem x-ten Artikel für einen Balkon, den wir gar nicht haben, wünschen, sie würde das bleiben lassen.) Bei der Partnervermittlung nützen Persönlichkeitsprofile, um Charaktere auf der Suche nach der großen Liebe miteinander abzugleichen. Bei Gericht kommt sie in Form von Gutachten zu Fahrtauglichkeit oder Schuldfähigkeit ins Spiel. Nicht zuletzt sind neueste Erkenntnisse aus der persönlichkeitspsychologischen Forschung auch dann interessant, wenn wir uns gezielt in unsere Wunschpersönlichkeit verwandeln wollen oder zumindest wissen möchten, wie das geht.
#read more: Kapitel 11 »Big-Five-Stars – Können wir unsere Persönlichkeit ›tunen‹?«.
Was du jetzt davon hast?!
Viel zu bieten hat die Persönlichkeitspsychologie auch für unser Miteinander im Alltag: Wir unterscheiden uns nämlich nicht nur in unserer Verpackung hinsichtlich Größe, Farbe und Form, sondern auch inhaltlich. »Jede Jeck is’ anders«, wie man es in Köln so schön auf den Punkt bringt. Anders, aber nicht besser oder schlechter. »Was dem einen sin Uhl, ist dem andern sin Nachtigall.« (Was dem einen seine Eule, ist dem anderen sein Plüschkaninchen), weiß ein Sprichwort aus dem Plattdeutschen. Das zu leben, fällt uns oft schwer, weil wir das Anderssein der anderen nicht immer nachvollziehen können. Die Persönlichkeitspsychologie führt uns eindrucksvoll vor Augen, in wie vielen verschiedenen Versionen wir unterwegs sind – und auch, warum das so ist.
Introvertierte sind zum Beispiel schnell überfordert und ausgelaugt vom überschwänglichen Temperament ihrer extravertierten Zeitgenossen. Sie fragen sich, wie man bloß so laut, schrill und aktiv sein kann, und wünschen sich nichts sehnlicher, als dass ihr nervtötendes Gegenüber endlich runterkommen und die Klappe halten möge. Extravertierte wiederum prallen am ruhigen Naturell der Introvertierten ab, das sie als gleichgültig, unterkühlt oder lethargisch wahrnehmen. Sie verstehen nicht, warum die Spaßbremse vor ihren Augen nicht einfach freiheraus sagen kann, was Sache ist. Wenn wir für solche Unterschiede weder Begriff noch Erklärung haben, bewerten wir sie vorschnell auf Grundlage unseres eigenen Verhaltens und empfinden unser Gegenüber entsprechend als »komisch«. Wissen wir aber, dass es sich hierbei um Unterschiede im Persönlichkeitsmerkmal »Extraversion« handelt, können wir dem Kind einen Namen geben. Wir verstehen dann, dass ein introvertiertes Gehirn sensibler auf äußere Reize reagiert und schneller reizüberflutet ist als ein extravertiertes, das mehr Input aufnehmen kann.
Die Persönlichkeitspsychologie hilft uns folglich dabei, einander mit mehr Toleranz und Wertschätzung zu begegnen und vor allem gelassen zu bleiben, wenn uns das Verhalten unserer Mitmenschen wieder einmal völlig absurd erscheint. Hand aufs Herz: So ergeht es uns im Alltag oft genug, oder? Die anderen sind einfach nicht so schnell oder so achtsam, so spontan und freiheraus oder so überlegt und diplomatisch, so laut oder so leise wie man selbst. Aus der Forschung wissen wir: Das ist gut so, denn jeder Persönlichkeitszug hat seine Vor- und Nachteile. Während die Introvertierte im stillen Kämmerlein tüftelt und schlaue Ideen ausklügelt, sorgt der Extravertierte als Rampensau auf der Bühne für Unterhaltung. Während die Selbstbewusste einen guten Deal beim Autokauf aushandelt, studiert der Gewissenhafte das Kleingedruckte des Kaufvertrags. Während die Offene Souvenirs aus exotischen Ländern anschleppt, sucht und findet der Konventionelle, der Rituale und Traditionen schätzt, für diese ein Plätzchen im Einbauschrank. Wären wir alle gleich gestrickt, wäre das nicht nur gähnend langweilig, sondern eine glatte Katastrophe! Es gäbe niemanden, der unsere eigenen Schwachstellen ausgleichen könnte, wir würden von niemandem lernen und hätten nicht die Chance, die Welt aus einer anderen Perspektive als der unseren kennenzulernen. (Gar nicht zu reden von all den Souvenirs, die entweder gar nicht erst gekauft würden oder nicht untergebracht werden könnten!) Kurzum: Gelebte Vielfalt ist wertvoll. Sie hilft uns, einander zu ergänzen, und bereichert die Menschheit als Ganzes.
Denkanstöße: Wo gibt es in deinem Leben Konstellationen oder Situationen, in denen du mit Menschen zusammentriffst, mit ihnen arbeitest oder sogar zusammenlebst, die anders »ticken« als du und gerade deshalb eine Bereicherung für dich sind?
Jetzt du!
Ich sehe – du siehst: Innen- versus Außenperspektive
Wie du schon erfahren hast, gehen wir im Alltag meist wie selbstverständlich davon aus, dass andere uns genauso sehen wie wir uns selbst. Dabei gibt es eine enorme Differenz zwischen unserer Sicht »von innen« und jener »von außen«. Denke an einen Angler, der dir von seinem phänomenalen Fang erzählt: so groß, dass er ihn mit zwei ausgestreckten Armen kaum erfassen kann! Dann vergleiche diese Beschreibung mit dem eher bescheidenen Fisch, den er vom Angelausflug mitgebracht hat. Denke an eine Mutter, die sich beschwert, wie schlampig und chaotisch ihr Sohn ist, und schaue dir dann seine ordentlichen Hausaufgaben an. Das ist die Art von Diskrepanz, von der wir hier reden.
Schnapp dir eine Person deiner Wahl, die bereit ist, sich auf ein kleines persönlichkeitspsychologisches Spiel einzulassen (gern auch mehrere): Das können deine Eltern sein, Geschwister, Partner oder Partnerin, Freund:innen, Bekannte oder Kolleg:innen. Jede und jeder notiert für sich, wie er oder sie sich selbst sieht und wie die jeweils andere(n) Person(en). Wie würdet ihr eure eigene Persönlichkeit beschreiben? Welche Eigenschaften sind besonders charakteristisch für euch? Durch welche »Special Effects« stecht ihr persönlich aus der Menge hervor? Und wodurch zeichnet sich euer Gegenüber aus? Schreibt jeweils die (aus eurer Perspektive) besonders relevanten Merkmale auf.
Dann vergleicht eure Stichpunkte miteinander. Inwiefern stimmen euer Selbst- und Fremdbild überein? Wo gibt es Abweichungen? Auf welchen Erfahrungen basiert eure Wahrnehmung? Tauscht euch darüber aus!
»Individualisten sind über Ecken und Kanten miteinander verwandt.«
Alexander Eilers