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Wilma und ihre beste Freundin Leo sind gerade 16 Jahre alt, als sie beschließen, Internet-Stars zu werden. Zusammen drehen sie Videos über Modetrends und nehmen an Challenges teil. Alles, um immer mehr Klicks zu bekommen und um endlich berühmt zu werden! Doch was macht man, wenn die beste Freundin plötzlich zehnmal mehr Klicks auf ihren Videos hat als man selbst? Und was, wenn genau diese beste Freundin sich plötzlich im durchsichtigen Bikini vor aller Welt präsentiert? Komm mit World Wide Wilma in eine Welt, die von endlosem Scrolling auf Social Media, Klickzahlen und Lifestyle Trends bestimmt ist. Genau richtig für die Generation Internet, die ihr Smartphone nie aus der Hand legen möchte!
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Seitenzahl: 117
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#1 Der Doppel-Kanal
#2 Einhundert Klicks
#3 Ein geheimnisvoller Fisch
#4 Alles nur gekauft?
#5 Ein pinker Gips
#6 Die Challenge
#7 Die Katastrophe
#8 Regen und Panik
#9 Die Kuss-Schule
#10 Der Ausflug
#11 Von Stars und Sternchen
„Weißt du Wilma, eigentlich finde ich die Schule viel zu anstrengend“, murmelt Leonie und schaut in den blauen Himmel. Ich kichere. Es hat auch ganz schön lange gedauert, ihr die Mathe Hausaufgaben zu erklären.
„Nein, ich meine es ernst, Wilma. Ich glaube, ich mache das Abitur nicht.“
Ich drehe mich zu ihr um und falle fast aus der Hängematte. Wir haben es uns in unserem Garten gemütlich gemacht, und während ich in der Hängematte liege, sitzt Leo auf meiner roten Picknickdecke daneben.
„Ich dachte immer, du willst Kinderärztin werden? Da brauchst du aber Abitur. Und sonst müsstest du dich in ein paar Monaten schon entscheiden, welche Ausbildung du machen willst.
Weißt du denn schon ganz genau, was du mal werden willst?“, frage ich und schaue Leo ernst an.
„Kinderärztin wäre schon toll. Aber die Uni soll viel anstrengender als Schule sein. Und eigentlich wäre ich lieber ein Internet-Star“, sagt Leo und schnappt sich eine Weintraube von unserem Obstteller. Ich kann nicht anders und lache los.
„Du meinst wie Babsi von Babsis Beauty Palace? Oder diese Zwillinge? Das ist ja ober peinlich.“
Ich denke daran, dass auch ich regelmäßig online Videos von Babsis Beauty Palace schaue. Und von ähnlichen „Stars“. Aber selbst Videos drehen und veröffentlichen? Darüber habe ich noch nie nachgedacht.
„Überleg doch mal, Wilma. Du drehst 1-2mal pro Woche ein Video, kümmerst dich ein bisschen um deine Fans und machst etwas Werbung. Dann kannst du damit sogar Geld verdienen. Und die Leute auf der Straße werden dich erkennen und nach Autogrammen fragen! Das muss ein wundervolles Leben sein“, seufzt Leo. Ich mache die Augen zu und schaukele sanft in der Hängematte hin und her. Ich stelle mir vor, wie ich in einer schwarzen Limousine zur Schule gefahren werde und selbst die Lehrer mich nach Autogrammen fragen.
„Und du meinst, das ist so einfach?“, frage ich Leo, die den Obstteller mittlerweile restlos leer gefuttert hat.
„Naja, so einfach bestimmt nicht. Aber Videos zu drehen und hochzuladen kostet ja nichts. Man braucht nur einen ausgefallenen Namen und ein paar lustige Ideen. Der Rest kommt bestimmt von selbst.“
Ich nicke und stehe aus der Hängematte auf. Mittlerweile stehen am Himmel nicht mehr schneeweiße Wattewolken, sondern dunkle Regenwolken.
„Dann lass uns morgen in der Pause eine Liste mit ausgefallenen Namen für unsere Kanäle machen“, sage ich und rolle mit Leonie die Picknickdecke zusammen.
„Das heißt, du machst mit?“, fragt sie. Ich nicke.
„Klasse Wilma! Dann können wir auch zusammen Videos drehen und uns gegenseitig verlinken und sowas!“, sagt Leo.
„Wie, verlinken? Was meinst du?“, frage ich und merke, dass Leo deutlich mehr Ahnung von dem ganzen Kram hat. „Erkläre ich dir morgen. Wenn ich nicht komplett nass werden will, sollte ich schnell nach Hause fahren!“, ruft Leo, schwingt sich auf ihr Fahrrad und fährt los.
Ich gehe in mein Zimmer und fahre meinen Laptop hoch. Ich klicke mich durch die Kanäle, die ich oft schaue. Babsi von Babsis Beauty Palace hat ein neues Video hochgeladen. Es geht um Outfits, die man zu einem ersten Date tragen könnte. Statt das Video einfach nur zu schauen, achte ich ganz besonders darauf, wie es gemacht worden ist. Leider habe ich nicht viel Ahnung davon. Bestimmt wird so ein Video professionell geschnitten und bearbeitet. Ich schaue zu meinem Kleiderschrank hinüber. Solche Designerklamotten wie Babsi habe ich nicht zu bieten.
Aber ein paar schicke Outfits könnte ich schon zusammenstellen. Leo hat viel mehr Klamotten als ich, weil ihre Mutter in einem Modegeschäft arbeitet und ihrer Tochter ständig was mitbringt. Vielleicht könnte man meine und Leos Sachen einfach kombinieren? Vielleicht ist es sogar noch besser, wenn wir gemeinsam einen Kanal gründen.
„Wilma&Leos Beauty Palace“, oder so.
Genau diesen Vorschlag werde ich Leo morgen vor der ersten Unterrichtsstunde unterbreiten.
Am nächsten Morgen fahre ich extra ein paar Minuten früher in die Schule, um Leo von meiner Idee zu erzählen. Das hätte ich mir aber auch sparen können, denn Leo springt genau 10 Sekunden vor Unterrichtsbeginn hechelnd auf ihren Platz.
„Ich wollte dir was vorschlagen“, flüstere ich und schaue dabei in mein aufgeschlagenes Deutschbuch.
„Was?“, fragt Leo, ohne dabei zu flüstern. Herr Berg, der Deutschlehrer, schaut streng in unsere Richtung.
„Einen Doppel-Kanal!“, flüstere ich zurück.
„Ein Doppel was?“, fragt Leo etwas zu laut. „Gutes Stichwort, Leonie! Wilma und du, ihr könnt jetzt beide an die Tafel kommen und die Wörter konjugieren. Im Doppel quasi. Doppelt. Wie das doppelte Lottchen“, sagt Herr Berg und die Klasse lacht. Leonie schaut mich böse an. Als wenn das meine Schuld gewesen wäre. Nachdem wir sämtliche Wörter in allen Zeitformen konjugiert haben, finde ich in der Pause endlich Zeit, Leonie zu fragen:
„Meinst du, es wäre nicht einfacher, wenn wir zusammen einen Kanal gründen? Dann hätten wir quasi die doppelte Erfolgschance!“
Leonie schüttelt den Kopf.
„Oh nein, das geht gar nicht. Was ist, wenn du plötzlich merkst, dass das Ganze gar nichts für dich ist? Und dann muss ich den Kanal löschen und du ruinierst meine Karriere!“, beschwert sich Leo. Ich schaue sie mit großen Augen an. Wie sie das Wort „Karriere“ sagt.
Als wenn sie schon ein Star wäre. Leo bemerkt meine Sprachlosigkeit.
„Okay, lass uns einfach zwei Kanäle gründen, zusammen Videos drehen und den anderen in unseren eigenen Videos erwähnen. Kooperation nennt man das glaube ich. Das ist das Beste für uns. Vielleicht wirst du ja auch viel berühmter als ich!“, meint Leonie und kramt ihr Schulbrot aus der Tasche. Ich nicke. Vielleicht werde ich ja wirklich berühmter als Leo.
„Dann müssen wir uns jetzt endlich unsere Namen ausdenken!“, sage ich und krame einen Schreibblock aus der Tasche. In der Mitte vom Blatt ziehe ich einen langen Strich, sodass wir jeder eine Spalte mit Namensvorschlägen vollschreiben können.
„Es darf nicht so abgekupfert klingen!“, sagt Leo und spuckt dabei kleine Teile von ihrem Pausenbrot in meine Richtung.
„Es wäre ja auch vorher wichtig zu wissen, worüber wir Videos machen wollen. Wenn man nur Videos über Mode macht, kann man sich ja Wilmamodel nennen oder so“, meine ich und kaue an meinem Stift.
„Wilmamodel? Hahaha. Nein, das muss cool klingen. LifestyleWilma oder sowas. Oder Wilmas Beauty Palace.“
Ich schaue Leo grimmig an, weil sie über meinen Vorschlag lacht.
„Ich glaub, ich hab’s“, sage ich. Leo guckt mich erstaunt an, während sie schon das zweite Brot aus ihrer Dose holt.
„Los, sag schon!“, meint sie und beißt vom Brot ab.
„Wilmas Welt!“, schreie ich fast und zucke zusammen, als ein paar Fünftklässler in unsere Richtung schauen. Den Namen könnt ihr euch schon mal vormerken, denke ich und warte auf Leos Reaktion. Leo klatscht in meine Hand. „Bingo! Jetzt brauchen wir nur noch einen Namen für mich“, meint sie. Doch damit müssen wir wohl noch warten, da es in genau diesem Moment zur nächsten Stunde gongt.
Während des Geschichtsunterrichts füllen wir das Blatt Papier mit allerhand Namensvorschlägen für Leo.
„LeoLove“ gefällt Leonie am besten. Ich finde allerdings, dass das irgendwie billig klingt. Und so gar nicht passend für den Kanal einer 16-Jährigen. Am Ende entscheiden wir uns für „PrincessLeo“.
„Und wie geht es jetzt weiter? Kann ich jetzt schon ein Video hochladen?“, frage ich Wilma kurz nach Schulschluss.
„Wilma, manchmal denke ich, du heißt nicht ohne Grund genauso wie deine Oma“, gluckst Leo.
Ich gucke sie genervt an.
„Ich schlage vor, du kommst jetzt mit zu mir. Dann erstellen wir unsere Kanäle. Und danach können wir Videos hochladen.“ Ich nicke. Das klingt nach einem guten Plan.
Etwa 15 Minuten später parken wir unsere Fahrräder vor Leonies Haus. Es ist ein mittelgroßer Neubau am Stadtrand. Ihre Mutter hat den Vorgarten perfekt symmetrisch bepflanzt. Alles sieht sehr gepflegt und akkurat aus. Bis auf Leos Zimmer, denke ich, als ich vergeblich einen freien Platz für meine Schultasche suche.
„Schmeiß einfach irgendwo hin!“, ruft Leo und fährt ihren Laptop hoch.
Ich schmeiße meine Tasche auf einen Haufen dreckige Wäsche und quetsche mich mit Leo auf ihre kleine Couch. Sie wippt ungeduldig mit dem Fuß, während ihr Laptop irgendwelche Updates macht. Vielleicht muss der sich auf unsere bald explodierenden Kanäle vorbereiten, denke ich und grinse. Leo haut gegen den Bildschirm.
„Mann, alter. Immer wenn man was Wichtiges machen will. Ich habe irgendwie schon wieder Hunger. Ich geh mal kurz runter und hole Snacks“, sagt Leo und verschwindet in der Küche. Gute Idee. In der Zwischenzeit ist der Laptop fertig und ich rufe schon mal die Seite mit den Videos auf.
Babsi von Babsis Beauty Palace hat schon wieder ein Video hochgeladen. Diesmal ist es eine Challenge, bei der sie mit ihrem Freund auslost, welche ekligen Zutaten in einen Smoothie gemixt werden müssen. Und diese Zutaten sind nicht nur Obstsäfte oder Milch, sondern auch Sachen wie Essig oder Wurstwasser. „Wurstwasser“, murmele ich und verziehe das Gesicht.
„Nein, das habe ich nicht zu bieten. Aber Popcorn und Schokolade!“, sagt Leo und balanciert ein vollgepacktes Tablett auf dem Arm. Jetzt wo sie zurück ist, kann es endlich losgehen!
„Ich weiß immer noch nicht, wie das jetzt gehen soll“, sage ich und schnappe mir einen Schokoriegel.
„Irgendwo muss dieses Feld doch sein. Ah, hier. Kanal erstellen. Ich klicke mal drauf“, sagt Leo und eine neue Seite wird geladen.
„Na siehst du, ganz einfach. Jetzt musst du nur noch deinen Namen eingeben, eine E-Mail-Adresse und dein Geburtsdatum. Und deinen Namen vom Kanal natürlich“, liest Leo vor. Ich nicke und ziehe den Laptop auf meine Oberschenkel.
„Da steht Vor- und Nachname. Muss ich meinen richtigen Namen angeben?“, frage ich Leo. Sie nickt.
„Ist das nicht gefährlich? Also wegen Datenschutz und sowas?“, meine ich und beiße noch ein Stück vom Schokoriegel ab. „Ach was. Die Stasi ist doch eh überall“, sagt Leo und ich denke an die letzte Geschichtsstunde.
„Die Stasi gibt es doch gar nicht mehr!“, sage ich und lache.
„Willst du jetzt berühmt werden, oder nicht?“, fragt Leo und hört sich fast genervt an.
„Ja, schon irgendwie. Also gut, ich trage meinen vollständigen, echten Namen ein, den Kanalnamen und auch noch mein Geburtsdatum. Und dann klicke ich jetzt auf Kanal erstellen?“ Leo nickt. Ich klicke und schließe andächtig die Augen. Dann greife ich Leos Hand.
„Das ist ein historischer Schritt! Bald werde ich berühmt sein. Und du auch, bald werden wir-“ Leo unterbricht mich. „Wilma, der ganze Bildschirm ist rot“, sagt sie. Ich öffne meine Augen und starre auf den Bildschirm.
„Da steht Error!“, lese ich.
„Man muss mindestens 18 Jahre alt sein, um einen Kanal zu erstellen!“
Leo und ich probieren noch den ganzen Abend lang, das „System“ auszutricksen. Wir passen unsere Geburtsdaten an. Das klappt aber nicht, weil wir bei unseren E-Mail-Adressen unser echtes Alter hinterlegt haben.
Ich schlage vor, Leonies Mutter um Rat zu fragen, was Leo dazu bringt, auszurasten: „Spinnst du? Die dürfen nie was davon erfahren. Die würden nie erlauben, dass ich mich in der Öffentlichkeit präsentiere. Und deine Eltern erst recht nicht. Die mit ihrem Öko-Trip immer.“
„Und wenn du berühmt bist, und deine Eltern zufällig deine Videos schauen?“, frage ich.
„Das ist doch was anderes. Wenn ich erst einmal berühmt bin, werden sie voller stolz sein und mir das bestimmt nicht mehr verbieten“, kontert Leo.
Bestimmt. Nicht. Ich beginne zu zweifeln, ob das mit den Kanälen eine gute Idee ist. Es ist mittlerweile fast 23 Uhr und ich habe noch nicht mal meine Hausaufgaben erledigt.
„Leo, ich muss nachhause. Lass uns morgen nochmal weiter probieren, uns anzumelden.“ Sie nickt.
„Geh du nur nachhause. Ich finde eine Lösung! Ich finde eine Lösung“, sagt sie und klingt dabei wie ein hungriges Kleinkind vor dem Süßigkeitenregal.
Am nächsten Morgen sitzt Leo erwartungsvoll auf ihrem Platz und schaut mich vorwurfsvoll an. Ich sprinte direkt nach Herrn Berg in die Klasse. Zur Strafe, dass ich gestern so lange bei Leonie war, musste ich heute Morgen tonnenweise abwaschen.
„Du so spät?“, wundert sich Leo und ich zeige ihr meine aufgequollenen Abwasch-Hände.
„Deine Hände sehen aus wie die deiner Oma“, kichert sie und ich verbiete ihr, noch einmal den Vergleich mit meiner Oma zu wagen.
„Ist ja gut. Ach übrigens. Ich bin online!“, sagt Leo und grinst wie ein überglückliches Honigkuchenpferd.
„Wie hast du das denn geschafft?“, frage ich. Sie grinst nur und zeigt mir heimlich unter dem Tisch ihr Smartphone.
Darauf sehe ich ihren Kanal. In großen Buchstaben ist deutlich „PrincessLeo“ zu lesen. Links davon sieht man ein Bild von ihr. Über der ganzen Website ist ein großes Foto im Querformat, auf dem der Strand von ihrem letzten Mallorca-Urlaub zu sehen ist.
„Wow!“, raune ich.
„Woher hast du so ein tolles Foto von dir? Und wie hast du es überhaupt geschafft, dich anzumelden?“, frage ich. Mittlerweile bin ich nicht mehr die Einzige, die staunt. Herr Berg steht an unserem Tisch und starrt auf Leos Smartphone.
„Ich weiß ja nicht, ob es für euch eine Sonderregelung gibt. Aber soweit ich mich erinnern kann, sind Handys hier verboten!“, schreit er laut und zieht Leo das Handy aus der Hand. Sie zuckt zusammen. Ich auch. Aber statt sauer auf Herrn Berg zu sein, redet sie bis zum Schulschluss kein einziges Wort mehr mit mir. Nach der letzten Stunde sprinte ich hinter Leonie hinterher.
„Leo, warte doch mal! Ich konnte doch nicht ahnen, dass Herr Berg das mitkriegt! Bleib doch mal stehen! Leo!“, hechele ich und halte mir den ganzen Bauch vor Seitenstechen.
Leonie trainiert regelmäßig in einem Leichtathletikverein.
Ich hingegen bevorzuge es, an einem Sonntagnachmittag gemütlich ein Buch auf der Couch zu lesen. Erst an den Fahrradständern hole ich auf, da Leo wie verrückt an ihrem Zahlenschloss rumdreht.
„Ich rede mit Herrn Berg. Du bekommst dein Smartphone doch wieder“, sage ich und Leo schaut endlich zu mir auf.
„Das hoffe ich auch! Was ist, wenn er meinen Eltern den Kanal zeigt?“, fragt sie besorgt.
„Das kann er gar nicht“, grinse ich.