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Mit Worten gegen Diktatur und Krieg fechten? Und ausgerechnet Lyrik? - Ja, ja, ja und nochmals ja! So viele (mindestens seit Homer) haben im und gegen den Krieg gedichtet. In der neueren deutschsprachigen Literatur seien stellvertretend Georg Trakl, Rose Ausländer, Bertolt Brecht, Nelly Sachs, Erich Fried und Herta Müller erwähnt. Bevor auch in unserem Land wieder Menschen für ihre Worte eingesperrt und ihre Bücher verbrannt werden, wollen wir uns auf friedliche Art - mit unserer Lyrik - melden. Bilder, Musik und Worte können stärker sein und länger bestehen als Waffen. Die vorliegende Anthologie verbindet Gedichte zu Exponaten aus zwei Ausstellungen im Ludwig Forum für Internationale Kunst, Aachen, mit solchen, die im Umfeld der Karlspreisverleihung 2022 angesiedelt sind und insbesondere auch die Preisträgerinnen aus Belarus würdigen durch die Unterstützung des Kunstprojekts um die Künstlerinnen Rufina Bazlova (Belarus) und Vera Sous (Aachen).
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Seitenzahl: 45
Der Aachener Karlspreis 2022 ist diesmal ein besonderer Preis. Ein Preis gegen den Krieg, gegen die Gewalt – und endlich ein Preis an mutige Frauen:
Maria Kalesnikava, Swetlana Tichanowskaja, Veronica Tsepkalo
Bevor auch in unserem Land wieder Menschen für ihre Worte eingesperrt und ihre Bücher verbrannt werden, wollen wir uns auf friedliche Art – mit unserer Lyrik – melden. Bilder, Musik und Worte können stärker sein und länger bestehen als Waffen.
Die in diesem Band für Teil I und II zusammengetragenen Gedichte stammen von einem Projekt, das von unserem Lyrikfreund Martin Ebner angeregt wurde. Wir besuchten zwei kritische Ausstellungen im Ludwig Forum für Internationale Kunst und sind zu den dort gezeigten Exponaten in Dialog getreten:
Die Ausstellung „Blumensprengung“ von Künstlerinnen der Sammlung Ludwig (14.3. –13.9.2020)
und die Ausstellung „Bon Voyage“ – Reisen in der Kunst der Gegenwart (13.11.2020 –11.4.2021).
In dieser Anthologie wollen wir in Teil III den besonderen Karlspreis 2022 mit unserer politischen Lyrik begleiten.
Wir freuen uns über die geplanten Kunstaktionen verschiedener Künstlerinnen – Rufina Bazlova, geb. in Belarus, Vera Sous und Ana Sous aus Aachen und ihre Freundinnen.
Auf unsere Weise wollen wir mit politischer Lyrik ein Zeichen gegen Gewalt und Krieg setzen.
Wir bedanken uns bei allen Unterstützer:innen: bei Hartwig Mauritz, Leiter des Lyrik treffs, beim Vorstand des Literatur büros, bei den Mitarbeiter:innen des Ludwig Forums und besonders bei der Künstlerin Vera Sous, die seit Jahren mit ihrer Kunst die Wunden dieser Welt, wie auch die Folgen verfehlter politischer Entscheidungen, sichtbar macht.
Aachen, im April 2022
Friedel Weise-Ney
Anita Seo-Dornbach
Birgit Bodden
Dieter Hans
Eva Boßmann
Friedel Weise-Ney
Hartwig Mauritz
Joachim Stier
Klára Hurková
Martin Ebner
Peter J. Heuser
Ralf Wolf
Texte zu Exponaten der Ausstellung
„Blumensprengung“
Texte zu Exponaten der Ausstellung
„Bon Voyage“
Texte zur
Karlspreisverleihung 2022
„Blumensprengung“ – Exponate von Künstlerinnen der Sammlung Ludwig
Ausstellung im Ludwig Forum für Internationale Kunst, Aachen
14.3. –13. 9.2020 10 11
Kunst schafft neue Sichtweisen, nicht nur auf die Schönheit der Welt, sondern auch auf alte, immer noch präsente hässliche Verkrustungen und Probleme; sie kann im besten Falle in verschiedenen Sparten interagieren, die einander herausfordern und inspirieren.
Ich hatte einen freien Nachmittag und gönnte mir einen Rundgang durch die Ausstellung „Blumensprengung“ im Aachener Ludwig Forum. Dort hatten die Kuratorinnen Annette Lagler und Myriam Kroll im Sommer 2020 Werke zahlreicher Künstlerinnen der Sammlung Ludwig wie zum Gespräch versammelt.
Es waren verstörende Fragezeichen beim Anblick von Nairy Baghramians ‚Damenrad‘, die mich zum ausliegenden Prospekt greifen ließen, und da veränderte sich plötzlich mein Blick auf die vier länglichen Objekte; sie begannen zu sprechen und formten fast schon von allein ein Gedicht.
Ich lud Lyrikerinnen und Lyriker des Literaturbüros Euregio Maas-Rhein (Aachen) zum Besuch der Ausstellung ein, und wir konnten ‚unser Päckchen‘ mitnehmen. Das ging umso anschaulicher, greifbarer in dieser Ausstellung von Künstlerinnen, die ihr ganzes Lebenswerk der eigenen Sichtbarkeit gewidmet haben.
Feminismus ist m. E. keine Attitüde, sondern die Aufforderung zur notwendigen gesellschaftlichen Auseinandersetzung, zum täglichen In-Frage-Stellen von blöden Ritualen, Gewohnheiten, Ansichten und Einstellungen mit fatalen Folgen für alle: Mädchen, Frauen, Jungen, Männer und die, die in diesen (zu) einfachen Binärcode gar nicht eingeschlossen sind.
Das Ergebnis unserer Arbeit ist diese Sammlung von Gedichten, die bestimmte Seiten einiger der ausgestellten Kunstwerke in moderner lyrischer Sprache les- und hörbar und damit auf neue Art erlebbar machen. Leider war es aufgrund der Pande- mie-Beschränkungen nicht mehr möglich, einen geplanten „Lyrik-Rundgang“ mit Publikum durchzuführen.
Ich danke allen beteiligten Lyrikerinnen und Lyrikern ganz herzlich für die wunderbare Zusammenarbeit und dem Ludwig Forum für die unkomplizierte und freundliche Aufnahme.
Aachen, im Oktober 2020
Martin Ebner
mit barfuß-pfad für emotionen
(weder lieb noch nett) ein wil-
der farben-dinge-mix lacht
an und aus!
als hättest du was besseres zu
tun, als sonntagnachmittags
vor diesem potpourri zu staunen
wo und was
und wie! geht da ein sound auf
reisen, wird musik und synäs-
thetisch poppig buntes rauschen
klappern!
keine schwarz geteerte zeit:
das mittelalter wird verkannt
wo bambus stützgerüste
baute
wolkenschlösser, die aus
jedem rahmen fielen. alles
rundherum ist kunst, ist
(hand-)werk
umgewidmet, imperfekt – im
mittelpunkt dein spiegelbild:
wann, wo und wer willst du
gewesen sein?
zu Judy Pfaff (1982) Untitled (Middle Ages)
Mein Kleid bestickt mit Wundtüchern
Nesseln und Klagen
ein Weh
ein Rot
beschmutzt, bespuckt
und eingerissen,
eine Hülle die nicht bedeckt
ein Pflaster das nicht tröstet
eine Angst die niederdrückt
dein Name eingeritzt
in meine Haut
in jeden Fleck getaucht
ein langer Schrei
der nie verstummt.
zu Eugenia Vargas (Ohne Titel, 2012)
https://eugeniav.typepad.com/.a/6a00e3933589e588340177449f07ba970d-pi
Die Frau mit dem Mundschutz
dem Kittel und den Gummihandschuhen
durchtrennt das blutige Kleid,
streichelt über gerissene Häute
mit Wattetupfern
zärtlich und gründlich
fährt sie alle Hautfalten ab.
„Abstriche muss ich nehmen“,
flüstert sie dem Mädchen
ins bleiche Ohr,
dann wäscht sie das Kind
behutsam gleitet der Wasserstrahl
über den Bauch und die Scham,
ein Becken unterm Tisch
sammelt das Wasser
sammelt das Blut
und den Schmutz,
„Spuren suchen“
flüstert sie dem Kind ins Ohr.
Sie öffnet den schweigenden Mund
mit der Zange
fährt mit dem Tupfer über Wange und Zunge,
kein Lied kommt mehr aus der Kehle
kein Gebet, kein Schrei,
„Schlaf Kindlein schlaf“,
singt die Frau mit dem Mundschutz