Xenokles und die zänkischen Götter - Wolf-Peter Wolf - E-Book

Xenokles und die zänkischen Götter E-Book

Wolf-Peter Wolf

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Beschreibung

Diese Neubewertung der Kleinmeisterschale des Xenokles im Londoner British Museum wartet auf mit einer bisher nicht beachteten Geste des Protests - eine erhobene, offene Hand mit weit abgespreiztem Daumen. Auf der Schauseite der Schale ist Hades dargestellt, der nach dem Sieg der Kroniden über die Titanen die Zulosung der Unterwelt nicht akzeptieren kann: die Protestgeste kommt zum Einsatz. Die Dioskuren - symbolisiert durch Flügelpferde - bewegen ihn, den Streit mit Zeus brüderlich beizulegen. Auf der anderen Seite wehrt sich Demeter mit derselben Geste heftig gegen die Vermählung ihrer Tochter Persephone mit Hades. Der Ausgang des Streites ist bekannt: Persephone darf zwei Drittel des Jahres bei Demeter und ein Drittel bei Hades verbringen. Auf der Innenseite der Schale ist in spätarchaischer Manier eine geflügelte Göttin dargestellt, die an die streitlustige Eris aber auch an die siegreiche Nike erinnert, letztlich aber Zeus als obersten Hüter der Gerechtigkeit preist. Die unterschiedlichen Ritz- und Maltechniken der Bilder weisen darauf hin, dass in der Werkstatt des Xenokles mehrere Maler tätig waren. Die Schale zeigt Xenokles Geschick als Schöpfer von Trinkgefäßen, deren Bemalung bei Symposien sicher gerne besprochen wurde. Durch seine detailreiche Malweise gelingt es ihm, komplexe Gefühle so klar darzustellen, dass seine Bilder auch heute noch zu uns sprechen.

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ἧ μάλ᾽ ἔπος τόδ᾽ ἀληθές, ὅ τ᾽ οὐ μόνον ὕδατος αἶσαν, ἀλλ᾽ ἔτι καὶ λέσχης οἶνος ἔχειν ἐθέλει

Kallimachos1

Inhalt

Prolog

Die Kleinmeisterschale des Xenokles im Londoner British Museum

Hades – Herrscher über das Reich der Toten

Die Schauseite der Schale

Die Rückseite der Schale

Ein Ausflug in die Hochklassik

Hades mit Weinstock und Kantharos

Poseidon

Die Flügelpferde und die Dioskuren

Die Innenseite der Schale: Iris, Eris oder Nike?

Exkurse

Anmerkungen

Abkürzungen

Katalog

Literaturverzeichnis

Bildnachweis

Zusammenfassung

Summary

Epilog

Prolog

„Endlich ist der Boden gefegt und die Hände aller Gäste sind sauber, ebenso ihre Trinkschalen. Ein Sklave setzt geflochtene Kränze auf ihr Haupt, ein anderer bietet in einem Schälchen süß duftendes Parfüm an. Das Mischgefäß steht bereit, gefüllt mit Frohsinn und anderer Wein ist vorhanden, der nie zu versiegen verspricht - milder Wein in Krügen, der aromatisch duftet und in der Mitte verströmt der Weihrauch seinen heiligen Duft“ (Athen. deipn. 11, 462).

Bei den alten Griechen wurde nahezu jedes Fest von einem Symposion begleitet. Die Anlässe waren vielfältig: ein Sieg im Wettkämpf, eine kultische Feier, Hochzeiten, aber auch Treffen mit Freunden. Im Mittelpunkt dieser feierlichen Zusammenkünfte, an denen nur Männer teilnehmen durften, stand der Weingenuss. Der Respekt vor dem Wein und seiner Wirkung war so groß, dass man seinen Genuss mit sorgfältig eingehaltenen religiösen Riten begleitete (Hetjens, 2020).

Ein eigens gewählter Symposiarch bestimmte das Mischungsverhältnis von Wein und Wasser, die Art der Trinkgefäße und sogar die Gesprächsthemen. Die gefüllten Becher und Schalen wurden im Kreis herumgereicht und mussten oft in einem Zug geleert werden - gelöste Stimmung und weinselige Heiterkeit, aber auch Streit waren vorhersehbar. Wie wichtig ein guter Symposiarch war, lässt sich bei Athenaios erahnen:

„Drei Schalen nur mische ich für die Gemäßigten - eine für die Gesundheit, die sie zuerst leeren, die zweite für Liebe und Vergnügen, die dritte für den Schlaf. Wenn diese ausgetrunken ist, gehen weise Gäste nach Hause. Die vierte Schale ist nicht mehr die unsere, sondern gehört der Gewalt; die fünfte dem Aufruhr, die sechste der Trunkenheit...“ (Athen. deipn. 2, 36).

Die Malereien auf den verwendeten Misch- und Trinkgefäßen waren sicherlich ein beliebtes Gesprächsthema bei den Symposien. Gut möglich also, dass der Maler Xenokles bei dem einen oder anderen Symposion aufgefordert wurde, seine neuesten Kreationen vorzustellen.

Die Kleinmeisterschale des Xenokles im Londoner British Museum

Xenokles lebte in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. im spätarchaischen Athen. Er bemalte häufig sogenannte Kleinmeisterschalen, eine Gattung schwarzfiguriger Schalen. Die Bezeichnung Kleinmeisterschale spielt auf die kleinformatige Bemalung dieser Trinkgefäße an. Die Schalen haben eine abgesetzte, breite Lippe, die mit einzelnen Figuren oder kleinen Gruppen bemalt werden konnte. Sie werden deshalb auch Randschalen genannt. Xenokles war ein fleißiger Maler, dessen Schalen auch bei den Etruskern sehr beliebt waren. Bis heute ist nicht eindeutig geklärt, ob der Töpfer Xenokles mit dem Xenokles-Maler identisch ist (2). Beazley (1932) beschreibt seinen Malstil als „nicht kraftlos, aber schnell und rau, und die Figuren haben ein kurioses, altmodisches Aussehen“ (3).

Oft sind seine Schalen nur mit Palmetten, einigen Tieren, Satyrn oder Chimären verziert. Als sein bekanntestes Werk muss daher die im Londoner British Museum ausgestellte Schale gelten, die im etruskischen Vulci gefunden und zwischen 550 und 525 v. Chr. entstanden ist (Kat. 1). Die Schale hat einen Durchmesser von 22 cm und trägt auf der Außenseite zwei 10-15 x 3,5 cm große Bilder, unter denen sich Xenokles mit einem

„Xenokles hat es gemacht“ als Hersteller zu erkennen gibt. Auf der Schauseite (siehe Exkurs „Schwarzfigurige Vasenmalerei“) sind Zeus, Poseidon und vermutlich Hades umgeben von geflügelten Pferden zu sehen. Die Rückseite soll Dionysos mit Weinstock und Kantharos, Ariadne mit Blumen, Hermes und eine Göttin zeigen. Die Innenseite der Schale ist mit einer laufenden geflügelten Frau, vielleicht Nike verziert. Bis heute wird kontrovers diskutiert, wer und was im Einzelnen auf der Schale dargestellt ist. Hier soll eine Neuinterpretation der Malereien versucht werden, die sich zunächst auf die spätarchaische Darstellungsweise des Hades konzentriert.

Hades – Herrscher über das Reich der Toten

Mit Hades bezeichneten die Griechen den Herrscher über die Unterwelt aber auch die Unterwelt selbst. Ais, Aides und Aidoneus (Ἄϊς, Ἀΐδης, Ἀϊδονεύς) sind die für Homer bezeugten Schreibweisen seines Namens. Hades mit aspiriertem Alpha (Ἅιδης) ist nur in Attika gebräuchlich. Etymologisch lässt sich der Name auf „*a-wid“ zurückführen, was mit „nicht zu sehen“, „unsichtbar“, aber auch mit „unsichtbar machend“ übersetzt werden kann. In Griechenland rankten sich nur wenige Mythen um ihn und im Kult spielte Hades eine untergeordnete Rolle (Paus. 6, 25, 2f.). Wie Poseidon und Zeus ist er Sohn des Kronos und der Rhea. Als Herrscher der Unterwelt ist sein Herz gnadenlos (Hes. theog. 455), er ist abscheulich (Hom. Il. 8, 368), unbeugsam und unversöhnlich (Hom. Il. 9, 158). Man vermied es, ihn beim Namen zu nennen, und ersetzte seinen Namen immer häufiger durch euphemistische Ausdrücke wie „Wirt der Vielen“ (polydegmon; Hom. h. 13, 17), „unterirdischer Zeus“ (zeus katachtonios; Hom. Il. 9, 457) oder „König der Unterirdischen“ (basileus eneron, Aischyl. Pers. 629).

Der andere Aspekt des Hades machte ihn zum Herrn über die Reichtümer der Erde, die der Bauer als „dios chthonios“ um Wachstum und Gedeihen anflehte (Hes. op. 465). Aus dem schrecklichen Hades wurde im Lauf der Zeit ein „guter und weiser Gott“ (Plat. Phaid. 80D).

„Über den Namen Hades aber dünkt mich, die meisten Menschen meinen, dass er eigentlich ein Unsichtbares und ein Dunkel, „aeides“, bezeichnet, darum scheuen sie auch diesen Namen zu nennen und nennen ihn lieber Pluton. […] Pluton aber ist offenbar in Beziehung auf die Gabe des Reichtums, „plutos“, so genannt worden, weil nämlich der Reichtum von unten aus der Erde kommt“ (Plat. Krat. 403a und Anm. 4).

Dies führte spätestens im 5. Jh. v. Chr. auch unter dem Einfluss des eleusinischen Kultes (s.u. S. 20) dazu, dass der Name „Pluton“ an Stelle des Namens „Hades“ trat. Pluton bezeichnet nun den Gott der Unterwelt als Spender von Reichtum und landwirtschaftlicher Fruchtbarkeit. Als Symbol des Erntesegens hält Pluton jetzt ein Füllhorn, die Cornucopia, im Arm, die im Laufe der Zeit immer größer dargestellt wird (Abb. 4) und oft von Früchten überquillt.

Hades hat es in der Vasenmalerei nie zu einer eigenständigen, fest umrissenen Bildfigur gebracht. Oft sitzt er in düsterer Versunkenheit unbeteiligt am Rande des Geschehens. Er wird eher als zurückhaltender, reifer Mann oder gar als weißhaariger Greis dargestellt, manchmal bekränzt, oft mit Zepter als Zeichen seiner Würde (Kat. 2). Im besten Fall bestätigt eine Beischrift neben der Figur seine Identität. Ansonsten ist der Betrachter auf spezifische Attribute angewiesen. So ist Zeus leicht an seinem Blitzbündel, Poseidon an seinem Dreizack zu erkennen. Charakteristische Attribute des Hermes sind die Flügelschuhe und sein Heroldsstab mit dem 8-förmig verschlungenen Ende (Kerykeion). Dem Hades hingegen sind keine ihn näher charakterisierenden Attribute beigegeben, so dass die Bestimmung seiner Identität oft nur unter Berücksichtigung des mythologischen oder kultischen Kontextes gelingen kann (LIMC IV-1, 389).