Yusuf - Yusef El Damaty - E-Book

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Yusef El Damaty

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Beschreibung

Das Yusuf Buch – Die Geschichte des Propheten Yusuf (a.s.) und die Lehren der Sura Yusuf Ein einzigartiger Ratgeber für alle Altersgruppen Das Yusuf Buch bietet eine tiefgehende Auseinandersetzung mit der Geschichte des Propheten Yusuf (a.s.), wie sie in der Sura Yusuf des Qur'an erzählt wird. Diese Geschichte dient als kraftvoller Leitfaden für den Umgang mit Herausforderungen im Leben, insbesondere für junge Menschen, die sich fragen: „Warum hat Allah mir diese Schwierigkeiten auferlegt?“ und „Wie kann ich auf Allah vertrauen, wenn ich vor Problemen stehe?“. Vertrauen auf Allah in schwierigen Zeiten In Zeiten der Not wird uns oft geraten, auf Allah zu vertrauen. Doch das Vertrauen ist nicht immer leicht. Zweifel können sich einschleichen, vor allem durch den Einfluss des Shaitan, der versucht, unser Vertrauen in Allah zu erschüttern. Aber wir wissen um Allahs Liebe, Barmherzigkeit und Weisheit – Eigenschaften, die auch im Yusuf Buch betont werden. Die wertvollen Lehren aus der Sura Yusuf Die Sura Yusuf erzählt die außergewöhnliche Geschichte des Propheten Yusuf (a.s.), dessen Leben von Prüfungen, Ungerechtigkeiten und Enttäuschungen geprägt war. Trotz dieser Herausforderungen behielt er seinen festen Glauben an Allah und wurde letztendlich belohnt. Das Yusuf Buch zeigt auf, wie man durch das Vertrauen auf Allah nicht nur Hindernisse überwinden, sondern auch inneren Frieden finden kann. Warum das Yusuf Buch? Dieses Buch nimmt Sie mit auf eine Reise durch die Lebensstationen des Propheten Yusuf (a.s.) und hebt die Lehren hervor, die für uns im Alltag relevant sind. Ob es um den Umgang mit persönlichen Schwierigkeiten, den Glauben in schwierigen Zeiten oder die Barmherzigkeit Allahs geht – das Yusuf Buch ist eine inspirierende Lektüre für alle, die Antworten in der Sura Yusuf suchen.

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Impressum

Titel: YUSUF – Umgang mit Problemen. Vertrauen auf Allah.

Zufriedenheit im Leben.

1. Auflage 2024, Die Urheberrechte für die Übersetzung liegen beim Astrolab Verlag

ISBN: 9783948139889Autor: Yusef El Damaty

Buchsatz & techn. Umsetzung: Samet Bulut

Lektorat: Maged Al-Berlinī

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Herausgeber: Astrolab Verlag Düsseldorf, Ersin Süngü, Kölner Strasse 371, 40227 Düsseldorf

Cover: Foto von Niloofar Kanani auf Unsplash

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Der kleine Yusuf erzählt seinen Traum

Der Plan der Geschwister

Die Geschwister überreden Yaqub (a.s.)

Die Geschwister verstoßen Yusuf (a.s.)

Reise nach Ägypten

Yusuf (a.s.) im Palast des Ministers

Yusuf (a.s.) im Gefängnis

Yusufs Geschwister kommen nach Ägypten

Die Geschwister kommen erneut nach Ägypten

Yaqubs Reaktion auf Benjamins Verlust

„Ich bin Yusuf“

Frohe Botschaft und Erleichterung für Yusuf und Yaqub (a.s.)

Vorwort

Dieses Buch gibt die wundervolle und einzigartige Geschichte des Propheten Yusuf (a.s.) entlang der Erzählung Allahs im Quran wieder.

Die zitierten Stellen beziehen sich meist auf Surah Yusuf [12] und sind zusätzlich mit Lehren, weiteren Ausführungen zu Allahs Namen und erzählerischen Ausführungen versehen, sodass sich daraus eine ganzheitliche und vorstellbare Geschichte ergibt.

Durch das Lesen dieses Buches sollte man vier Dinge erlangen: Die Kenntnis der Geschichte des Propheten Yusuf (a.s.), einen weiten Horizont im Umgang mit Problemen im eigenen Leben und das diesbezügliche Kennenlernen Allahs, welches das Vertrauen auf ihn erleichtert.

Was die für die Geschichte wichtigen Geschehnisse betrifft, soll man sich beim Lesen auf die göttliche Überlieferung, also auf Surah Yusuf, stützen und verlassen. Beim Rest handelt es sich um hinzugefügte Lehren und erzählerische Ausschmückungen.

Für wen eignet sich dieses Buch? Es ist bewusst in junger Sprache geschrieben, sodass junge Menschen die primäre Zielgruppe dieses Buches sind. Es ist so geschrieben, dass man es beim Lesen förmlich hören kann, um den Unterhaltungswert zu steigern und auch, um sich davon direkt angesprochen zu fühlen. Das Buch eignet sich aber definitiv für alle, die sich dafür interessieren, welche Formeln Allah uns Menschen für den Umgang mit Problemen im Leben gegeben hat: Menschen, die schwierige und traurige Zeiten durchleben, finden in der Geschichte von Yusuf (a.s.) Trost und Rat. Und auch Menschen, die weise genug sind zu wissen, dass schwierige Zeiten in ihrem Leben auf alle Fälle kommen werden, finden im Buch einen Kompass fürs Leben. Sie lernen mit ihren schwierigen Lebenssituationen besser umzugehen. So hat Allah diese Geschichte dem Propheten Muhammad (s.a.s.) offenbart, als er eine sehr traurige und schwierige Zeit in seinem Leben durchmachte.

Wenn wir diese Geschichte von Yusuf (a.s.) lesen und hören, dürfen wir aber nicht denken, dass das ausschließlich Allahs Umgang mit einem Propheten ist. Dass es sich bei dieser Lebensgeschichte also um eine besondere Geschichte eines Propheten handelt, was sich nicht wiederholt. Natürlich ist das eine einzigartige Geschichte. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass Allah diese Geschichte dem Propheten Muhammad (s.a.s) in seiner schwierigsten Lebenssituation offenbart hat. Was bedeutet das für uns? Das bedeutet, dass Allah diese Geschichte von Yusuf (a.s.) in dieser schwierigen Zeit offenbart hat, damit der Prophet Muhammad (s.a.s.) darin Trost und Hoffnung findet.

Ist das alles? Natürlich nicht! Sie ist auch für jede einzelne Person von uns gedacht. Für uns. Für jeden Menschen, der wissen möchte, wie er mit seinen ganz eigenen Problemen, seinen Schwierigkeiten und seiner Trauer umgehen kann und dabei Allah einbezieht. Das ist deswegen wichtig, weil Probleme und Schwierigkeiten im Leben eines jeden Menschen kommen werden. Das ist der normale Lauf des Lebens.

Es ist normal, dass unser Leben mit Schwierigkeiten und Problemen all unseren Lebensphasen einhergeht. Das ist der normale Lauf des Lebens eines jeden Menschen. Alle Menschen dieser Welt haben Probleme in ihrem Leben. Sie unterscheiden sich aber darin, wie sie mit ihren Problemen umgehen. Dementsprechend gilt es, sich auf diese Lebenssituationen vorzubereiten, um sie einordnen zu können, aus ihnen lernen zu können und sich nicht von ihnen herunterziehen zu lassen. Und dies wiederum benötigt eine geschärfte Perspektive auf das Leben, die nicht ohne die Kenntnis Allahs funktionieren kann. Um den eigenen Sinn zu verstehen, muss zuerst das eigene Selbst verstehen. Und das geht nicht ohne die Kenntnis Allahs. Deswegen geht dieses Buch auch auf Allahs Namen und Eigenschaften ein, die er selbst in Surah Yusuf platziert hat.

Und weil Probleme und Schwierigkeiten immer wieder im Leben kommen, kann man dieses Buch auch immer wieder lesen. Man sollte sich sogar immer wieder in Tiefphasen des Lebens mit der Geschichte von Yusuf (a.s.) beschäftigen. Immer wieder! Dementsprechend wird man beim Lesen dieses Buches merken, dass gewisse Elemente ständig vorkommen. Weil es bei ihnen nicht darum geht, sie einmal gelesen zu haben, sondern sie zu verinnerlichen, nicht lediglich zu kennen oder auswendig zu lernen. Und das geht über Wiederholung.

Der kleine Yusuf erzählt seinen Traum

Yusuf ist der Name eines kleinen Jungen, der vor mehreren tausend Jahren gemeinsam mit seinen 11 Brüdern im Hause ihres Vaters Yaqub (a.s.) lebten. Yaqub (a.s.) war Prophet Gottes und lebte gemeinsam mit seinen Frauen und seinen zwölf Kindern in Kanaan.

Yaqub (a.s.) hat seinen kleinen Sohn Yusuf sehr geliebt. Natürlich hat Yaqub (a.s.) alle seine Kinder geliebt. In Yusuf (a.s.) hat er aber etwas ganz Besonderes gesehen. Er hat beispielsweise gesehen, wie liebevoll Yusufs (a.s.) Umgang mit seinen Geschwistern ist, obwohl sie ihn sehr grob behandelt haben.

Eines Tages geht der kleine Yusuf (a.s.) sehr aufgeregt und sichtlich verunsichert zu seinem Vater und erzählt ihm:

„Papa, ich habe geträumt, dass 11 Sterne, die Sonne und der Mond ... ich hab geträumt, dass sie sich vor mir niederwerfen“.

Bemerkenswert ist, dass Yusuf (a.s.) selbst den Mut hat, auf seinen Vater zuzugehen und ihm von seinem Traum erzählt. Allah hätte auch einfach sagen können „Als Yusuf sagte ‚Papa, ich habe...‘! Er sagt aber: „Als Yusuf zu seinem Vater sagte ‚Papa, ich habe...‘! Yaqub (a.s.) hat diese Beziehung also auf eine solche Weise gepflegt, dass Yusuf (a.s.) ihm vertraut und keine Bedenken hat, ihm etwas zu erzählen. Obwohl Yusuf (a.s.) weiß, dass Yaqub (a.s.) ihm nicht glauben könnte, da es sich um einen außergewöhnlichen Traum handelt. Allah drückt auch aus, dass Yusuf (a.s.) es seinem Vater mit Nachdruck erzählt hat: „Ich habe wirklich…“. Yusuf (a.s.) wusste also selbst schon, dass es etwas Großes und vielleicht auch etwas Heikles ist, was er seinem Vater erzählen möchte. Dass er trotzdem auf seinen Vater zugeht und es ihm offenbart, zeigt eine starke Verbundenheit. Yaqub (a.s.) muss bereits in den vergangenen Jahren mit Yusuf (a.s.) eine entsprechende Basis aufgebaut haben. Yusuf (a.s.) muss also schon aus Erfahrung wissen, dass Yaqub (a.s.) ihm zuhört und seine Anliegen auch ernst nimmt.

Oft kommen Kinder in für uns unpassenden Momenten auf uns zu (zum Beispiel wenn wir am Handy beschäftigt sind) oder sie erzählen uns Dinge, die für uns überhaupt nicht interessant sind. Aber wir müssen zuhören! Kinder sind sensibel und haben ein Gespür dafür, wenn man ihnen keine richtige Aufmerksamkeit schenkt. Ansonsten hören sie irgendwann auf zu erzählen, vor allem wenn sie älter werden. Im Kindesalter kämpfen sie um unsere Aufmerksamkeit, je älter sie werden, desto weniger reden sie mit uns und mehr mit Freunden. Irgendwann reden sie nur noch mit Freunden und wir kämpfen um ihre Aufmerksamkeit. Deswegen ist es wichtig, einen Vertrauensvorsprung in jungen Jahren aufzubauen. Nicht dadurch, dass man ihnen kauft, was sie wollen, sondern indem man ihnen Zeit und Aufmerksamkeit schenkt. Sie bei Unternehmungen mitnehmen, ihnen vom eigenen Alltag erzählen, eigene Erfahrungen und Wissen mit ihnen teilen und vor allem sie auch ernst nehmen. Das werden sie sich merken, nicht was ihnen gekauft wurde. Das gibt ihnen das Gefühl gesehen und ernst genommen zu werden. Und das ist auch das, was ihnen die Tore zu uns öffnet.

Allah zeigt uns, dass Dialoge zwischen Eltern und Kindern bedeutend sind, wenn Allah selbst einen solchen Dialog im Quran aufnimmt und somit auch diesem Kind, also Yusuf (a.s.), Aufmerksamkeit schenkt.

Eine weitere Auffälligkeit in der Beziehung von Yusuf (a.s.) und seinem Vater ist, dass Yusuf (a.s.) sagt „Ya abati“ (mein geliebter Vater) nicht „Ya abi“ (mein Vater). Der Unterschied: Es drückt nicht nur Respekt aus, sondern Respekt und Liebe seitens Yusuf (a.s.). Wenn Eltern zuhause nur die Rolle der respektierten Befehlshaber ausleben, werden sie eine solche liebevolle Beziehung mit ihren Kindern nicht haben können. Das ist der Preis, den Eltern für diese Art von Gehorsam zahlen. Eltern sind zu respektieren, keine Frage. Allerdings kann sich die Art, durch welche sich Eltern diesen Respekt von ihren Kindern einholen, drastisch unterscheiden. Eltern können diesen Respekt machtvoll einfordern und ihre Autorität ausnutzen, einfach weil sie es können. Oder sie schaffen es, durch eine liebevolle Fürsorge, die Kinder dazu zu bringen, dass sie stets in ihrer Nähe sein wollen und immer zu ihnen aufschauen.

„Papa, ich habe geträumt, dass 11 Sterne, die Sonne und der Mond.. ich hab geträumt, dass sie sich für mich niederwerfen.“ Yusuf (a.s.) muss richtig aufgeregt gewesen sein, denn er bringt die logische Reihenfolge durcheinander (Sterne-Mond-Sonne), bricht seinen Satz in der Mitte ab und wiederholt sich. Was auch sehr wichtig ist zu wissen: Er muss schon verstanden haben, dass es sich bei diesem Traum um seine Familie handelt. Allein die Tatsache, dass er die Anzahl 11+2 noch weiß und nennt, gibt einen Hinweis darauf. Das heißt, er hat verstanden, dass seine Familie fern von ihm ist bzw. evtl. sein wird und sich aus irgendeinem Grund vor ihm niederwirft. Gerade deswegen war er vielleicht auch verunsichert. Wegen der Ferne seiner Familie zu ihm im Traum und weil er zu viel Respekt vor seinen Eltern hatte, um vorlaut zu sagen, dass sie sich im Traum vor ihm niedergeworfen haben.

Und wenn Yusuf (a.s.) den Traum verstanden hat, dann hat ihn Yaqub (a.s.) sicherlich auch verstanden (was wichtig zu wissen ist für den weiteren Geschichtsverlauf).

Wie sah nun Yaqubs (a.s.) Antwort aus? Hat er ihn vielleicht nicht ernst genommen? Oder hat er ihn ernst genommen, hat es ihm aber nicht gezeigt? Wie gesagt: Wenn Yusuf (a.s.) als kleines Kind den Traum ansatzweise verstanden hat, dann hat es der Prophet Yaqub (a.s.) erst recht. Yaqub (a.s.) antwortet ihm: „Er sagt: ‚O mein lieber Sohn, erzähle dein (Traum)gesicht nicht deinen Brüdern, sonst werden sie eine List gegen dich schmieden. Gewiss, der Satan ist dem Menschen ein deutlicher Feind.‘“ [12:5]

Man kann sich förmlich vorstellen: Yaqub (a.s.) nimmt seinen Sohn in den Arm, drückt ihn an sich, nimmt ihm die Angst und beruhigt ihn. Die Reaktion Yaqubs (a.s.) und seine ersten Worte bestätigen also die obigen Annahmen über Yaqubs (a.s.) liebevollen Umgang mit seinen Kindern. Genau dieser liebevolle Umgang hat es Yusuf (a.s.) erleichtert, seinen Traum seinem Vater zu erzählen. Vielleicht ist das auch aus dem Grund für Yusuf (a.s.) wichtig, weil er darüber besorgt war, dass sein Vater es beleidigend wahrnehmen könnte.

Yaqub (a.s.) macht aber deutlich, dass er die Situation aus der Kenntnis seiner Kinder heraus einschätzen kann. Er ist sich der Beziehung zwischen seinen Kindern bewusst und redet nicht in Floskeln mit Yusuf (a.s.). Nein, er sieht ein mögliches Problem und spricht dieses auch klar an, ohne Hass zwischen den Kindern zu stiften. Auch weil er weiß, dass er mit Yusuf (a.s.) offen und vertrauensvoll reden kann. Sieht man als Eltern einen möglichen Schaden kommen, macht es also durchaus Sinn, mit den eigenen Kindern offen darüber zu reden und auch Probleme der Geschwister direkt anzusprechen, wenn von diesen eine Gefahr ausgeht (dies sollte aber sowieso ein Ausnahmefall sein).

Es geht für uns also nicht darum, die perfekte Familie anzustreben und sich bei jedem Problem darüber zu beklagen, „Warum habe ich nicht einfach eine ‚normale‘ Familie?“ - sondern den richtigen Umgang mit genau diesen Problemen finden.

Wenn es diese „normale Familie“ gäbe, dann hätten sie doch die Menschen gehabt, die Allah als ewige Vorbilder für uns ausgesucht hat, also Propheten?! Aber auch die Propheten hatten diese „perfekten“ Familien nicht. Sie hatten in den meisten Fällen schwierige familiäre Umstände, mit denen sie umgehen mussten. Warum? Nicht damit Allah uns an ihrem Beispiel lehrt, wie wir die perfekte Familie kreieren, sondern wie wir mit den selbstverständlichen Unstimmigkeiten umgehen können und sollen. Darin sind uns die Propheten ein Beispiel. Im richtigen Umgang mit Problemen. Und überhaupt: Für unsere Familien sollten wir dankbar sein und nicht undankbare Erwartungen haben.

Auch im Umgang mit persönlichen Ereignissen, können wir hier etwas Wichtiges von Yaqub (a.s.) lernen: Wir sollten nicht alles, was wir machen oder was wir erwarten, direkt an die Öffentlichkeit posaunen. Heutzutage vor allem auf Social Media. Nicht alles Gute, Wichtige oder auch Unwichtige in unserem Leben sollten wir direkt mit allen teilen. Menschen, die mit Social Media aufgewachsen sind, können sich das vielleicht gar nicht mehr vorstellen. Aber es ist tatsächlich möglich so zu leben, dass man nicht direkt alles teilt, was im eigenen Leben passiert. Genauso wie sich Yaqub (a.s.) hier Sorgen darum macht, was so eine Nachricht in der Runde seiner Kinder machen könnte, sollten wir uns Sorgen machen, welche Reaktionen unsere Neuigkeiten in der breiten Masse ausrichten können. Bilder unserer Kinder, familiäre Erlebnisse, neueste Errungenschaften. Ja, es gibt Neid. Ja, es gibt Menschen, die uns gute Dinge vielleicht nicht so sehr gönnen. Und nein, nicht alle Menschen sind so. Aber können wir auf Social Media kontrollieren, wer was sieht? Nein, können wir nicht. Das heißt jetzt nicht, dass wir nichts teilen.

Aber zumindest bei Dingen, die noch im Werden sind, sollten wir vorsichtig sein. Neid ist nicht steuerbar. Es ist ein natürliches Gefühl. Vielleicht haben wir selber nicht viel Geld und möchten gerne in den Urlaub fahren und unsere Freunde verreisen für 3 Wochen. Auch wenn man seinen Freunden alles gönnt, kann hier unkontrollierbar Neid entstehen. Oder wir wünschen uns zu heiraten, finden aber nicht den richtigen Partner und alle um uns herum heiraten. Da hat man einfach ein ungutes Gefühl. Oder man wünscht sich Nachwuchs, während alle im Umfeld Nachwuchs bekommen. Das verleiht einem vielleicht auch einen Schmerz. Auch wenn man selber keine negativen Absichten hat und niemandem etwas Schlechtes wünscht. Aber wir sind alle nicht perfekt. Eine gesunde Mitte wäre vielleicht, dass man im Stillen an seinen eigenen Fortschritten arbeitet und dann die Ergebnisse für sich sprechen lässt. Es ist aber definitiv besser, dass keiner etwas über uns weiß, als dass alle alles über uns wissen.

Yaqub (a.s.) macht Yusuf (a.s.) auch sehr deutlich, dass es sich bei seinem Traum um etwas sehr Ernstes handelt. Er behandelt ihn nicht wie ein kleines Kind, sondern nimmt ihn sehr ernst, gerade aufgrund der hohen Gefahr, die er sieht. Woher weiß er das? Er kennt seine Kinder natürlich sehr gut. Die bisherige Erfahrung mit ihnen hat gezeigt, dass sie viel unter sich reden, eine größere Distanz zu ihrem Vater haben als Yusuf (a.s.) und ihren kleinen Bruder auch kaum einbeziehen. Sie behandeln ihn oft auch schlecht. Und dann macht Yaqub (a.s.) den sehr wichtigen Zusatz: Er stiftet keinen Hass zwischen den Geschwistern, sondern bittet Yusuf (a.s.) um Verständnis. Er öffnet seine Augen dafür, dass der Shaitan alles tut, was in seiner Macht steht, um Schaden zwischen Menschen anzurichten. 

Als würde Yaqub (a.s.) seinem Sohn sagen: „Er wird alle Mittel einsetzen, die ihm einfallen: Neid, Streit, Vorurteile, Gewalt. Ihm ist egal wie, aber er möchte Spaltung zwischen euch stiften. Das ist sein Ziel. Und deine Brüder merken es nicht mal.“

Diese wichtige Aussage Yaqubs (a.s.) ist auch eine große Lehre für uns. Es ist ein Mindset, das er anspricht: Bei Fehlern anderer zu sehen, dass der Ursprung dessen nicht bei ihnen liegt, sondern beim Shaitan. Das ändert die Sicht auf den Umgang mit anderen total! Es Bedarf aber eines starken Charakters so mit Fehlern anderer umzugehen. Diese weise Sicht muss man sich aktiv antrainieren. Denn selbst wenn man das weiß, ist es mit Sicherheit nicht einfach das zu leben. Und da ist es viel Wert jemanden an der Seite zu haben, der einen daran erinnert.

Yaqub (a.s.) antwortet ihm weiter: „Und so wird dein Herr dich erwählen und dich etwas von der Deutung der Geschichten lehren und Seine Gunst an dir und an der Sippe Yaqubs vollenden, wie Er sie zuvor an deinen beiden Vätern Ibrahim und Ishaq vollendet hat. Gewiss, dein Herr ist Allwissend und Allweise.“ [12:6]

Interessanterweise kommt es jetzt zu einer Wendung in der Aussage des Vaters: Nachdem Yaqub (a.s.) Yusuf (a.s.) zu Beginn Angst machte, prophezeit er ihm eine positive Zukunft. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass Yaqub (a.s.) Yusuf (a.s.) trotz seines sehr jungen Alters sehr ernst nimmt und diese große Prophezeiung offen mit ihm bespricht. Das bedeutet auch, dass Yaqub (a.s.) seinem Kind eine ausgeglichene Antwort mit einer ausgeglichenen Weltanschauung gibt.

„Allah wird dir seine Segnungen geben (positiv und optimistisch), aber du musst auch Acht haben vor dem Shaitan (negativ und realistisch).“

Darin ist auch ein Erziehungshinweis für uns: Kinder erzieht man nicht dadurch, dass man nur Positives und Hoffnungsvolles vermittelt oder nur Negatives und Warnendes. Sie brauchen beides. Sie müssen über existierende Gefahren Bescheid wissen, aber gleichzeitig auch wie sie damit selbstbewusst umgehen und wo sie Hoffnung schöpfen können. Yaqub (a.s.) hat die Botschaft Allahs mit diesem Traum an Yusuf (a.s.) direkt verstanden, dass er nämlich die Linie der Prophetie weiterführen wird. Sein kleiner Sohn wird Prophet. Yaqub (a.s.) selbst war ja Prophet, das heißt er war im ständigen Austausch mit Allah durch Jibril (a.s.). Und so etwas Elementares wie die Frage, wie die Prophetie nach ihm weitergehen wird und vor allem, dass es sein Sohn sein wird, wird er vielleicht gewusst haben. Er spricht auch mit voller Sicherheit, obwohl das alles Dinge sind, die in der Zukunft liegen und auf die er keinen Einfluss hat. Es ist kein Gebet und keine Hoffnung, sondern er spricht davon, als sei es ein Fakt: „Allah wird...“. Und am Ende seiner Aussage bezieht er sich auch auf das Wissen Allahs. Außerdem hat er über die Jahre ja auch beobachten können, dass Yusuf (a.s.) einen sehr besonderen Charakter hat, der zu dem Charakter eines Propheten reifen kann. Für Yaqub (a.s.) war es also nur die Frage, wann und wie Yusuf (a.s.) das erlangen und erfahren wird. Und das war endlich die Antwort auf seine Frage. Wenn man jetzt den ersten Teil von Yaqubs (a.s.) Antwort mit dazu nimmt, dann sagt er auch aus: „Dieser Traum ist ein Hinweis darauf, dass etwas zwischen dir und deinen Brüdern passieren wird, woraus du erhaben hervorgehen wirst. Und das wird insgesamt Teil deiner Prophetie sein.“

„Und so wird dein Herr dich erwählen und dich etwas von der Deutung der Geschichten lehren und Seine Gunst an dir und an der Sippe Yaqubs vollenden, wie Er sie zuvor an deinen beiden Vätern Ibrahim und Ishaq vollendet hat. Gewiss, dein Herr ist Allwissend und Allweise.“ [12:6]

Yaqub (a.s.) gibt Yusuf (a.s.) hier einen Ausblick darauf, welche Fähigkeiten für seine Prophetie wichtig sind, die er hat und die er weiterentwickeln auf seinem Weg wird, basierend auf den Fähigkeiten die er bereits von Yusuf (a.s.) gesehen hat und den Besonderheiten Yusufs (a.s.), die Allah uns in den ersten Ayat vermittelt:

1. Yusuf (a.s.) scheint ein sehr aufmerksames und intelligentes Kind zu sein, das gute beobachtende und analytische Fähigkeiten besitzt, denn er hat seinen Traum selbst deuten können. Yaqub (a.s.) macht ihm aber klar, dass sich diese Analysefähigkeit noch weiter ausbauen wird.

2. Yusuf (a.s.) hat einen vorzüglichen Charakter, was man jetzt schon an zwei Dingen festmachen kann: Zum einen warnt ihn der Vater davor den Traum seinen Geschwistern zu erzählen. Das bedeutet, dass Yusuf (a.s.) also ganz normal mit seinen Geschwistern umgeht, obwohl sie so schlecht zu ihm sind. Zum anderen merkt man an der Art und Weise, wie Yusuf (a.s.) versucht seinem Vater respektvoll von seinem Traum zu erzählen, dass Yusuf (a.s.) sehr feinfühlig und schlau ist. Gleichzeitig nimmt Yaqub (a.s.) seinen Sohn aber auch ernst genug, um ihm wieder die richtige Perspektive vor Augen zu führen. Er erklärt ihm, dass all dies eine Gunst Allahs an ihn sein wird. Er soll das stets wissen.

Heutzutage ist diese Art der Erziehung keine Selbstverständlichkeit: Wenn Kinder besondere Gaben und Talente haben, dann werden sie dementsprechend besser behandelt und sie sehen, wie ihre Eltern damit angeben und sie deshalb ganz besonders behandeln. Das Kind kann damit nicht richtig umgehen und entwickelt eine übertriebene Arroganz, die oft in einem hässlichen Charakter endet. Kinder brauchen diese Balance so früh es geht durch ihre Eltern. Das macht uns Yaqub (a.s.) hier vor.

„Und so wird dein Herr dich erwählen und dich etwas von der Deutung der Geschichten lehren und Seine Gunst an dir und an der Sippe Yaqubs vollenden, wie Er sie zuvor an deinen beiden Vätern Ibrahim und Ishaq vollendet hat. Gewiss, dein Herr ist Allwissend und Allweise.“ [12:6]

Yaqub (a.s.) sagt hier also aus, dass er weiß, dass die Ankündigung durch diesen Traum nicht nur einen guten Ausgang für Yusuf (a.s.) bedeutet, sondern auch für seine Geschwister. Wie? Naja, die Geschwister machen, dem Traum zufolge, später eine Niederwerfung. Das bedeutet also, dass sie irgendwann in ihrem Glauben wieder in die richtige Spur finden werden. Auch das ist also eine große Beruhigung für Yaqub (a.s.).

„Und so wird dein Herr dich erwählen und dich etwas von der Deutung der Geschichten lehren und Seine Gunst an dir und an der Sippe Yaqubs vollenden, wie Er sie zuvor an deinen beiden Vätern Ibrahim und Ishaq vollendet hat. Gewiss, dein Herr ist Allwissend und Allweise.“ [12:6]

Yaqub (a.s.) bringt nun auch seine Vorfahren ins Spiel. Er scheint seinem Sohn zuvor schon viel von ihnen erzählt zu haben und erinnert ihn hier daran: Er erinnert Yusuf (a.s.) möglicherweise an das Festhalten an den Glauben an Allah, die Hingabe an Allah und an die bedingungslose Aufopferung. Egal wie das Umfeld ist. Einen direkten Bezug kann man hier zu Ibrahim (a.s.) finden. Er hat sich als Kind seiner schlechten Umstände nicht hingegeben und musste die schmerzhafte Erfahrung der Trennung von seiner Familie machen, als sein Vater ihn auf die Straße gesetzt hat. Ein weiterer wichtiger Punkt, den man der Aussage Yaqubs (a.s.) entnehmen kann, ist: Allah hat Yusuf (a.s.) durch seinen Vater ein stabiles Bewusstsein gegeben, das ihn begleiten soll: Durch den Traum gibt er ihm Hoffnung. Durch den Traum warnt er ihn. Und er gibt ihm auch Orientierung durch den Bezug auf seine bisherige Erziehung und auf seine Vorfahren. Somit hat Yusuf (a.s.) etwas, worauf er immer zurückgreifen kann und woran er sich orientieren kann. Etwas, woran er sich auch selbstständig orientieren kann, auch wenn sein Vater ihm gerade keinen Rat geben kann.

„Und so wird dein Herr dich erwählen und dich etwas von der Deutung der Geschichten lehren und Seine Gunst an dir und an der Sippe Yaqubs vollenden, wie Er sie zuvor an deinen beiden Vätern Ibrahim und Ishaq vollendet hat. Gewiss, dein Herr ist Allwissend und Allweise.“ [12:6]

Yaqub (a.s.) nimmt interessanterweise wieder Bezug zur Demut und lässt alles wieder auf Allah zurückgehen. Gleichzeitig macht er seinem Sohn klar, dass egal was passieren wird: „Mach dir keine Sorgen, Allah weiß Bescheid und alles was passiert, hat Allah im Blick und wird von seiner Weisheit umfasst.“

Die großen Lehren dieser ersten Szene sind also: Es ist nicht der Ausnahmefall, dass Menschen in unserer Familie und in unserer Umgebung Probleme verursachen oder wir für sie. Dies ist der Normalfall und Teil des Lebens. So muss es immer sein und so wird es immer sein. Es geht also nicht darum einen ‚perfekten‘ Zustand mit anderen Menschen anzustreben, sondern mit der realen Situation umzugehen. Und dazu gehört maßgeblich zu wissen, dass Schlechtes passiert, und dass dahinter der Shaitan steht und die entsprechenden Menschen nur als Mittel benutzt, um seine Ziele durchzusetzen.

Wir können nicht davon ausgehen, dass es bessere und schlechtere Familien gibt. Die gibt es nicht einfach so. Sie entstehen. Sie können entstehen. Manchmal ist es aber auch nicht so, wie Allah uns in unterschiedlichen Prophetengeschichten zeigt. Und am Ende ist jeder für sich selbst verantwortlich und es gibt keine Familienboni. Jeder hat seinen eigenen Weg und muss diesen auch selbst gehen und selbst Mühen aufbringen. Das gilt auch für ganze Familien. Und es gibt auch vieles, was wir über Allah lernen können, in dieser ersten Szene. Speziell über folgende Namen und Eigenschaften:

„Der Allwissende“ und „Der Allweise“. In dieser Aya kommen die Namen Allahs der Allwissende und der Allweise vor, weil es hier um das Wissen geht, welches Yusuf (a.s.) noch gelehrt werden wird. Yaqub (a.s.) möchte Yusuf (a.s.) sagen, dass er, egal wie viel Wissen er haben wird, nicht vergessen soll, dass es nichts im Vergleich zu Allahs Wissen ist und dass Er derjenige ist, der uns das Wissen gibt. Er sagt nicht „du wirst noch dies und jenes lernen“, sondern „dein Herr wird dich lehren. Er wird dir von seinem Wissen etwas geben.“ Dadurch sensibilisiert er Yusuf (a.s.) dafür, dass alles was er erhält von Allah kommt und nicht von uns selbst oder von anderen Menschen. Nur wenn Allah es erlaubt, bekommen wir bestimmtes Wissen, Versorgung, Gaben usw. Das hilft ihm, dass er nicht hochmütig wird, sondern demütig bleibt, wenn er sich erinnert, dass all dieses Wissen nur eine Gabe vom Allwissenden ist und dass er es jederzeit wieder nehmen kann.

Diese Welt kann als eine Art Schule betrachtet werden, als ein Bildungssystem, das so strukturiert ist, dass wir die Wahrheit erkennen, also Allah erkennen. Jedes Wissen soll uns zum Schöpfer führen. Das arabische Wort für Welt (alam), sowie das Wort für Zeichen (alama) und das Wort Wissen (ilm) kommen alle von derselben Wurzel. Ihre Verbundenheit hilft uns zu verstehen, dass die Dinge, die wir in der Welt wahrnehmen, Zeichen sind, also Erkenntnisquellen zum Erkennen ebendieser Dinge, vor allem aber zum Erkennen der Existenz Desjenigen, der die Welt erschaffen hat, nämlich Allah. So wird alles Erkennbare in dieser Welt zum Symbol Seiner Existenz.

Die erste Schule in der Menschheitsgeschichte entstand mit Adam (a.s.) als Allah ihn die Namen lehrte: „Und Er lehrte Adam die Namen alle“ [2:31]. Unter dem Begriff „Namen“ versteht man die Vermittlung von Wissen über Dinge, die zum diesseitigen und jenseitigen Leben gehören. Er hat Adam das ganze Wissen gegeben, welches die Menschheit zum Leben braucht. Und jeder von uns hat von Adam etwas Bestimmtes bekommen. So gibt es Menschen, die die Gabe bekommen haben Träume zu deuten, physikalische Abläufe zu verstehen, psychische und körperliche Vorgänge zu erforschen oder auch gesellschaftliche Handlungen zu analysieren. Jedem von uns wird entsprechend seiner Natur und entsprechend der Arbeit, die wir leisten sollen, gegeben, damit wir Menschen uns gegenseitig ergänzen können. Jeder hat ein anderes Talent. Jeder hat ein Stück dieses Puzzles und erst zusammen wird das Bild komplett. Dafür müssen wir unsere Herzen für den Allwissenden öffnen, damit uns das Wissen, die Kraft, die Energie, die Begeisterung, die Liebe und vor allem auch die Freiheit gegeben wird, die wir für unsere Aufgabe im Leben brauchen.

Dabei hat Allah den Menschen ein Privileg gegeben, das sie vorrangig gegenüber den Engeln macht, die aus Licht erschaffen wurden. Obwohl jedoch Allah Adam die Namen gelehrt hat, also das Wissen, das die Engel nicht kannten, haben die Engel Allah besser eingeschätzt (wie es ihm gebührt), als die Menschen es tun. Sie sagten: „Preis sei Dir! Wir haben kein Wissen außer dem, was Du uns gelehrt hast. Du bist ja der Allwissende und Allweise“ [2:32].

Aus diesem besonderen Grund legte der Prophet Muhammad (s.a.s.) einen großen Wert auf das Wissen. Seine Liebe zum Wissen war so groß, dass er, obgleich er die Quelle des Wissens für die Ummah war, niemals aufhörte zu Allah zu beten: „Oh Allah, vermehre mein Wissen“. Aus den erwähnten Ayat wissen wir also, dass der Mensch Vorrang gegenüber anderen Lebewesen durch sein Wissen hat. Dies ist die Qualität, die ihn über die Stufe der Engel hinaushebt. Mit der Entsendung von Propheten wurde die segensreiche göttliche Schule fortgesetzt. Sie lehrten, warnten, ermahnten und verkündeten die frohe Botschaft Allahs. Yaqub (a.s.) erkannte schon sehr früh, dass Yusuf (a.s.) ein Lehrer in der göttlichen Schule sein wird, indem er bestimmtes Wissen von Allah bekommt, um diese Aufgabe zu bewältigen. Allah gibt ihm von seinem Wissen und von seiner Weisheit etwas, um die Herausforderungen, die ihm bevorstehen, zu meistern. Ein Mensch, der die Qualität des Al-Alim, des Allwissenden, in sich trägt, ist jemand, dem Wissen gegeben worden ist, das rein aus dem klaren Licht entstanden ist. Genau wie es bei Yusuf (a.s.) mit der Traumdeutung der Fall war. Er hat diesen Traum mit ca. 7 Jahren bekommen und Yaqub (a.s.) wusste, dass Allah ihm die Lehre der Traumdeutung geben wird, weil Allah ihn dafür auserwählt und ihm seine Gunst mit seiner Weisheit erwiesen hat. Der Allwissende gibt seinen Dienern das Wissen über bestimmte Bereiche und Dinge, aber niemals über alles. Es ist immer nur ein Bruchteil von dem Wissen, was Allah bei sich hat, so wie er Yusuf (a.s.) die Deutung der Träume gelehrt hat. Er hat ihm nicht irgendein Wissen gegeben, sondern genau dieses Wissen, das er brauchen wird, um sich später aus dem Gefängnis zu befreien, welches sein Leben komplett verändert sowie das Leben der Menschen um ihn herum. Genau das Wissen, das ihn im Diesseits sowie im Jenseits weitergebracht hat. Der Allwissende verteilt sein Wissen unterschiedlich auf die Menschen. Er verteilt auch die Talente unterschiedlich auf die Menschen. Jedoch erfolgt diese Verteilung mit einer bestimmten Weisheit. Deshalb kommt sehr oft nach dem „Allwissenden“ der „Allweise“ im Quran. „Al-Hakim“, der Allweise, kommt im Quran 39 Mal mit „Al-Alim“, dem Allwissenden, vor. Die Verbindung „Al-Alim - Al-Hakim“ zeigt Wissen in Verbindung mit Weisheit auf. Hier wird das intellektuelle Wissen mit der Weisheit verbunden. Weisheit ist ein Akt der Schönheit, ein Akt des Feingefühls. Es ist jene Wahrheit, die Frieden schafft, die heilt, tröstet und Harmonie bringt. Es bedeutet Übellaunigkeit, Depression, Verzweiflung und Traurigkeit zu überwinden und das Glück und die Privilegien in und um uns zu erfahren. Ein weiser Mensch ist ein Mensch, der die richtigen Dinge zur richtigen Zeit zum richtigen Ort führt, dessen Worte und Taten im Einklang sind mit den Schwingungen seiner Wahrheit. Er ist auch ein Mensch, der seine Triebe beherrschen kann und der nicht von seinen Begierden gelenkt wird.

Allah sagt im Quran: „Er gibt die Weisheit wem Er will, und wem da Weisheit gegeben wurde, dem wurde hohes Gut gegeben; doch niemand bedenkt dies außer den Einsichtigen“ [2:269].

Weise ist vor Allah damit, wer wissend ist und nach diesem Wissen auch handelt. Die Bedeutung der Aya ist, dass Wissen und Weisheit die besonderen Gaben Allahs sind. Allah kann seine Segnungen jedem geben, den Er liebt. Und wer diesen Segen erhält, sollte ihn als überreiches Gut betrachten. Dies bedeutet, dass Weisheit eine solch große Gabe ist und eine solch hohe Tugend, dass ihre Größe grenzenlos ist.

Allah hat für Yusuf (a.s.) diese bestimmte Art von Wissen ausgesucht, weil er weiß, wie sich später alles perfekt zusammenfügen wird. Yaqub (a.s.) kannte die Zusammenhänge zu dieser Zeit noch nicht, aber er war sich sicher, dass dieses Wissen etwas Großes in der Geschichte seines Sohnes bewirken wird. Auch das ist ein wichtiger Teil der menschlichen Weisheit. Nur die Menschen, die für Allah ihre Herzen öffnen, können auch seine Weisheit verstehen und auf diese hoffen. Wer diesen Namen mit sich trägt und in seinem Tun verinnerlicht, dem schenkt Allah Weisheit, dem schenkt Er eine wahrhaftige Zunge und die Feinheiten des tiefen Wissens. Ein Mensch, der diese Qualität in sich trägt, ist ein Wegführer, der in Zeiten der Zweifel, der Unschlüssigkeit und der Verwirrung, den rechten Weg zeigt und die Herzen erneut mit Hoffnung füllen kann. Genauso war Yusuf (a.s.) in seiner späteren Zeit in Ägypten auch. Wir werden noch sehen, wie er den Menschen in Ägypten den rettenden Weg gezeigt hat. Wir werden auch sehen, wie Yusuf (a.s.) das Wissen und die Weisheit, die er vom Allwissenden und Allweisen bekommen hat, erkannt und richtig eingesetzt hat.

Genauso sollten wir es auch tun! Jeder von uns hat bestimmtes Wissen von Allah bekommen, hat bestimmte Talente und Fähigkeiten bekommen. Daher ist es unsere große Aufgabe herauszufinden, was dieses Wissen und dieses Talent ist und viel wichtiger, wie es uns im Diesseits sowie im Jenseits weiterbringen kann. Und wie wir damit auch anderen nutzen können. Wie wir ein Mehrwert sein können für unser Umfeld. Über bestimmtes Wissen zu verfügen, kann je nachdem wie wir damit umgehen, eine große Verantwortung, eine Barmherzigkeit oder eine Prüfung sein. Auch das Wissen Yaqubs (a.s.) darüber, dass Yusuf (a.s.) dieses Wissen bekommen wird, kommt nur vom Allwissenden. Yaqub (a.s.) macht seinem Sohn hier deutlich, dass derjenige, der ihn auserwählt hat, der ihn die Traumdeutung lehren wird und der seine Gunst an ihn und an die gesamte Sippe Yaqubs (a.s.) sowie zuvor an seine Vorfahren vollendet hat, Allah der Allwissende und Allweise ist.

„Gewiss, Allah (allein) besitzt das Wissen über die Stunde, lässt den Regen herabkommen und weiß, was im Mutterleib ist. Niemand weiß, was er morgen erwerben wird, und niemand weiß, in welchem Land er sterben wird. Gewiss, Allah ist Allwissend und Allkundig“ [31:34].

Egal wie viel Wissen wir haben, es kommt immer vom Allwissenden. Als Musa (a.s.) dachte, dass er der Mensch auf der Erde mit dem meisten Wissen sei, hat Allah ihn auf eine Reise mit dem Khidr geschickt, um zu erkennen, dass sein Wissen im Vergleich zu Allahs Wissen nichts ist. Je mehr das Wissen uns zur Bescheidenheit führt, umso mehr vermehrt Allah dieses Wissen. Der Al-Wahab gibt dieses Wissen und der Al-Fatah öffnet uns Wege damit. Wir können uns Wissen nur durch unsere Bescheidenheit aneignen. Wer denkt, dass er nichts weiß (obwohl er vieles weiß), dem wird Allah sein Wissen segnen und vermehren. Und wer denkt, dass er alles weiß, der weiß meistens nicht so viel, wie er denkt.

Außerdem: Wer weiß, dass Allah der Allwissende ist, wird sich nicht auf sein schwaches Wissen verlassen, sondern nur auf Allahs unendliches Wissen. Allah weiß am besten, was für uns gut ist und warum er beispielsweise Yusuf (a.s.) genau diese Art von Wissen gegeben hat und nicht etwas Anderes. Yaqub (a.s.) weiß noch nicht, was Yusuf (a.s.) im Laufe seines Lebens passieren wird, aber er weiß ganz genau bzw. ist sich sicher (aus seinem Wissen und Vertrauen Allah gegenüber), dass Allah mit diesem auserwählten Wissen an Yusuf (a.s.) ihm seine Gunst vollenden wird. Wenn wir wissen, dass Allah der Allwissende und der Allweise ist, dann wissen wir auch, dass hinter allem, was Allah für uns bestimmt hat, nur die beste Weisheit stecken kann. Der Gläubige ist geduldig, wenn ihm etwas „Schlechtes“ zutrifft, da er sich Allah komplett ergeben hat. Er weiß, dass Allah barmherzig mit ihm ist und deshalb akzeptiert er alles, was von Allah kommt. Das ist die höchste Stufe, die ein gläubiger Mensch erreichen kann.

Wenn wir dieses Wissen und diese Weisheit Allahs verstehen, verinnerlichen und danach leben, dann wird uns nichts lieber sein, als das, was Allah für uns ausgesucht hat. Dann verstehen und verinnerlichen wir nämlich auch, dass Allah ein großes Wissen über uns hat, das unser eigenes Wissen übersteigt. Dass sein Wissen grenzenlos ist und unseres begrenzt ist. Erst dann können wir der Überzeugung sein, dass das, was er für uns aussucht, das Beste für uns ist. Das gibt innere Ruhe. Es gibt Zufriedenheit. Und genau das werden wir später bei Yusuf (a.s.) sehen.

Der Plan der Geschwister

Zunächst das notwendige Hintergrundwissen zum weiteren Verständnis: Yaqub (a.s.) hatte mehrere Frauen, von denen er insgesamt 12 Söhne hatte. 10 dieser 12 sind älter als Yusuf (a.s.) und Benjamin (der kleine Bruder Yusufs von derselben Mutter) und scheinen es nicht zu mögen, dass ihr Vater nochmal geheiratet hat und Kinder bekommen hat. Außerdem scheint ihre Mutter diesen Aspekt der Rivalität in ihnen groß gemacht zu haben. Sie scheint ihre eigene Unzufriedenheit und Abgrenzung erfolgreich auf ihre Kinder übertragen zu haben, in denen diese Gefühle natürlicherweise zu inneren Veränderungen geführt haben. Deshalb sehen sie diese beiden auch nicht als ihre Geschwister an. Das sieht man auch daran wie sie über Yusuf und Benjamin reden: „Yusuf und sein Bruder.“ Als wären Yusuf und Benjamin nicht ihre Brüder.

Allah erzählt: „Damals sagten sie: ‚Wahrlich, Yusuf und sein Bruder sind unserem Vater lieber als wir, obwohl wir mehrere sind. Unser Vater befindet sich gewiss in einem offenkundigen Irrtum.‘“ [12:8]

Wir können uns das nächste Geschehen so vorstellen: Yusufs ältere Geschwister sind unter sich und regen sich richtig auf: „Papa liebt Yusuf (a.s.) und seinen Bruder viel mehr als uns, obwohl wir viel mehr und stärker sind. Das ist so falsch, was er macht.“ Die erste Lektion, die wir direkt lernen können: Nur weil jemand aus einer guten Familie kommt, heißt es nicht, dass er automatisch gut sein wird und immun gegen den Shaitan.

Im Gegenteil, er ist eine größere Zielscheibe des Shaitans. Der Shaitan sucht sich ja ganz gezielt nicht diejenigen aus, die er schon im Sack hat, sondern die, die er noch nicht hat. Was man der Aussage der Geschwister im Quran alles entnehmen kann:

1. Sie sehen sich als Einheit, zu der sie Yusuf (a.s.) und Benjamin nicht dazu zählen.

2. Sie schieben die ganze Schuld auf die beiden, obwohl es etwas zwischen ihnen und ihrem Vater ist.

3. Sind sich sehr sicher bei dem, was sie sagen, obwohl sie über die Emotionen des Vaters reden (Liebe), die man nicht einsehen kann, sondern erfragen muss.

4. Aber das tun sie nicht. Sie suchen nicht das Gespräch zum Vater und das gibt dem Shaitan noch viel mehr Spielraum. Wir sehen: In solchen Situationen ist es immer das Beste, das Gespräch zu suchen. In den meisten Fällen lassen sich Missverständnisse aufdecken, die die ganze Zeit vorherrschten.

5. Indem sie sich darauf beziehen, dass sie stärker und mehr in der Anzahl sind als Yusuf und Benjamin, weisen sie darauf hin, dass sie für den Haushalt und damit für ihren Vater so viel mehr tun: Sie arbeiten, sie kümmern sich um die Tiere, sie bezahlen mit usw. Aus diesem Grund sehen sie für sich selbst die Legitimation einen höheren Stand fordern zu können. Und genau das kommt auch sehr oft bei den Menschen vor: Menschen, die denken sie können sich innerhalb ihrer Familie alles leisten, weil sie Geld verdienen und damit die Familie versorgen. Und auch anderswo denken Menschen, die gewisse Positionen haben, oft, sie hätten Rechte, Dinge zu bestimmen oder zu tun, die sie gar nicht haben.

6. Dass sie unter sich reden heißt auch: Sie wollen nur ihre eigene Meinung bestätigen und es soll auch keine Widerrede geben. Das bedeutet, dass selbst wenn jemand von ihnen nicht dieser Meinung ist oder nachfragen würde, in seiner Meinung unterdrückt wird und sich ihnen fügen soll. Sie bilden eine Art wütenden Mob, eine Gruppe wütender Gleichgesinnter. Genau das kann man auch gut auf gesellschaftlicher Ebene sehen: Wenn eine Gruppe von Personen mit ähnlichen Bedenken, Eigenschaften etc. Bedenken zu etwas entwickeln und sich dann nur unter Gleichgesinnte begeben, sei es persönlich, oder in Social Media Gruppen. Auf diese Weise werden sie nicht nur ihre Bedenken in unbegründete Richtungen weiterentwickeln, sie bekommen nie einen Kontrast dazu und es wird auch nie hinterfragt. Auf diese Weise festigen sich die Bedenken als unwiderlegte und unwiderlegbare Fakten. Und alle, die sie widerlegen sind im Irrtum. Ihre anfänglichen Bedenken festigen sich immer mehr und lassen sich auch nicht mehr korrigieren, weder von innen noch von außen.

Sie entwickeln sich zu einem Mob, bei dem der Hass gegen andere immer größer wird und es nur eine Frage der Zeit ist, bis sie etwas schlimmes planen, bis man, nachdem man ein Urteil gefällt hat, wie ein Richter, auch das Urteil ausführt.

Alternativen sind: Nachfragen, offen sein, ehrlich sein, kritisch mit sich selbst sein, reflektieren, den Mut haben die eigene Meinung zu äußern oder zumindest fragen, wenn es innerhalb der geschlossenen Gruppe zu unsinnigen Ideologien kommt. Zu all diesen Dingen muss man aber aktiv den Mut entwickeln und sich trauen, gegen den Strom zu schwimmen. Und übrigens: All das hat viele Parallelen zum Shaitan selbst: 

1. Auch er hat sich selbst von Adam und der Menschheit abgegrenzt, weil er sich als besser gesehen hat.

2. Auch er hat die Schuld von sich abgewiesen und ist sogar so weit gegangen, dass er die Schuld bei Allah gesucht hat.

3. Er war sich sehr sicher mit dem was er sagt, nämlich dass er besser ist. Im Kontrast dazu haben die Engel auch bedenken gehabt, aber haben nachgefragt nach der Absicht Allahs. Und obwohl Allah ihnen keine erklärende Antwort gegeben hat, war es für sie genug, dass Allah sagt, er wisse, was sie nicht wissen.

4. Auch der Shaitan hat seine Bedenken nicht ausgesprochen, sondern sie für sich behalten und sie in sich größer werden lassen. Er hat sich seine eigene unbegründete Meinung gebildet und hat sie immer größer werden lassen. Damit ist auch seine Abneigung größer geworden, was man an seiner Reaktion zum Schluss sieht.

5. Auch Iblis dachte, dass er aus seiner Position heraus, als jemand der Allah lange gedient hat, sich das Recht herausnehmen kann, zu bestimmen, was passiert. Genau wie die Geschwister von Yusuf gegenüber Yaqub (a.s.).

Was lernen wir daraus? Kommunikation ist nicht nur der Schlüssel, sondern auch das Schloss: Sie ist der Schlüssel zum gegenseitigen Verständnis und das Schloss zu den Einflüsterungen des Shaitans.

Damit ist die größte Lehre aus dieser Szene für uns: Wir brauchen unbedingt offene Kommunikation in unseren Familien. Vor allem dann, wenn diese Kommunikation unangenehm werden kann, ist sie wichtig. Wir müssen diese Gespräche offen und ständig führen, um dem Shaitan den Weg zu verschließen, innerhalb unserer Familien solche toxischen Nischen zu bilden. Wir müssen diese Gespräche führen. Sie können von den jeweiligen Autoritäten der Familien ausgehen, die stets das Geschehen beobachten, müssen aber nicht. Denn viel wichtiger ist: Diese Gespräche müssen vor allem von denjenigen ausgehen, in denen Bedenken entstehen. Und das können und müssen alle in der Familie sein. Und diese Dinge müssen regelmäßig geklärt werden. Alle Familienmitglieder können und sollten hier mitwirken. Allerdings sollten Familienmitglieder mit höherer Autorität die möglichen Schwellen berücksichtigen, die andere Familienmitglieder ihnen gegenüber haben. Wie das gehen kann, hat uns Yaqub (a.s.) bereits gezeigt. Genau das Gleiche gilt auch innerhalb der Gesellschaft. Zurück zu Yusuf und seinen Geschwistern. Die rasten jetzt komplett aus:

„Tötet Yusuf oder werft ihn ins Land hinaus, so wird das Gesicht eures Vaters sich nur noch euch zuwenden, und danach werdet ihr rechtschaffene Leute sein.“ [12:9]

Jetzt passiert genau das, was wir gerade gesagt haben: Die Gespräche der Geschwister entwickeln sich zu Wutgesprächen mit extremistischen Vorschlägen: Es werden Vorschläge genannt, die ihre Probleme endgültig beseitigen sollen, egal welche Opfer es fordert: Yusuf (a.s.) töten oder ihn an einen weitentfernten Ort bringen, am besten an einen unbekannten und verlassenen Ort, sodass er sie auf gar keinen Fall mehr erreichen kann.

Was wir aus diesem Beispiel lernen können ist, dass so eine Konstellation tendenziell nicht abnimmt, sondern es schaukelt sich mit der Zeit eher auf. Der Mob wird wütender. Und charakteristisch dabei ist auch, dass sie den Fehler nicht bei sich suchen. Es sind die Anderen, aber nicht man selbst. Dementsprechend suchen sie die Möglichkeit, das zu beseitigen, nicht darin, an sich selbst arbeiten, sondern Yusuf (a.s.) beseitigen. Obwohl das Problem bei ihnen liegt und er mit dem was zwischen ihnen und ihrem Vater läuft bzw. nicht läuft eigentlich nichts zu tun hat.

„Tötet Yusuf oder werft ihn ins Land hinaus, so wird das Gesicht eures Vaters sich nur noch euch zuwenden, und danach werdet ihr rechtschaffene Leute sein.“ [12:9]

Das muss man sich erst mal auf der Zunge zergehen lassen: „TÖTET Ihn, sodass Papa seine Aufmerksamkeit und Zufriedenheit endlich wieder nur uns zukommen lässt.“ Von der Logik und Vernunft weit und breit keine Spur. Aber sie haben sich gegenseitig davon überzeugt. So blind kann Wut machen. Deswegen ist die Kommunikation so wichtig.

Und es geht sogar noch weiter: „Tötet Yusuf oder werft ihn ins Land hinaus, so wird das Gesicht eures Vaters sich nur noch euch zuwenden, und danach werdet ihr rechtschaffene Leute sein.“ [12:9]

Der Shaitan hat sie in ihren Gedanken so weit getrieben, dass sie denken, dass Yusuf (a.s.) das einzige Problem ist. Sobald er beseitigt ist, sind alle Probleme beseitigt. Sie sind sich im Klaren darüber, dass das falsch ist und eine Sünde – Sie sind ja Söhne eines Propheten – aber sie haben sich vom Shaitan überzeugen lassen: Nur diese eine Sache und danach hört das Ganze auf, wir bereuen und alles wird gut. Und genau das ist eine grundlegende Strategie des Shaitans bei gläubigen Menschen: Er redet ihnen ein, diese eine Sünde in Kauf zu nehmen, für eine Besserung danach: „Nur dieses eine Mal. Und wenn ich es endlich mache, dann hör ich damit auf darüber nachzudenken und es tun zu wollen. Dann ist es vorbei.“ Das ist eine der großen Lügen des Shaitans, denn er weiß ganz genau, dass es nicht das einzige oder letzte Mal sein wird. Diese Versprechen sind oft nur seine Tür zu einem langen Weg, also der Wiederholung, weil man es einmal gemacht hat. Diese Aussage beinhaltet auch, dass sie danach endlich in den Augen Yaqubs einen höheren Stellenwert erreichen werden. Dadurch, dass er sie überhaupt endlich mal wahrnehmen wird. Dann wird er erst merken, wie gut sie eigentlich sind. Das heißt, dass sie zu einem großen Teil bereit sind, ihren Bruder zu töten, um in den Augen ihres Vaters eine bedeutendere Rolle zu spielen. Ihnen ist es egal, was für eine große Sünde das bei Allah ist, der sicherlich darüber Bescheid weiß, was sie getan haben, Hauptsache ihr Vater denkt gut von ihnen.

Und das ist etwas, das es zu Genüge in unserer Zeit und unserer Gesellschaft gibt: Social Media und die Frage danach, was die anderen von mir denken. Wie bekomme ich Anerkennung? Wie bekomme ich Respekt? Das treibt uns dazu, mit Dingen anzugeben, die gar nicht uns gehören. Oder uns zu verschulden, um Dinge zu kaufen, die uns Ansehen bescheren. Oder Fotos von uns ins Netz zu stellen, die uns Ansehen bringen, auch wenn wir es eigentlich nicht richtig finden. Oder Dinge zu sagen, die nicht zu uns passen, Hauptsache ich gehöre so dazu. Auch wenn ich mich zum Beispiel eigentlich gar nicht so anziehe. All das sind große Phänomene und Missstände unserer Zeit, die man nur umgehen kann, wenn man sich unabhängig machen kann von den Meinungen und Gedanken anderer Menschen. Nur dann ist man wirklich frei. Dieser Lebensstil nimmt uns auch die Zeit und die Energie darüber nachzudenken, wer wir eigentlich sein wollen, weil wir die ganze Zeit darüber nachdenken, was die anderen wollen, wer wir sein sollen.

Jetzt kommt die ‚vernünftigste‘ Stimme der Geschwister in diesem Gespräch:

„Einer von ihnen sagte: ‚Tötet Yusuf nicht, sondern werft ihn in die verborgene Tiefe des Brunnenlochs, so werden ihn schon einige der Reisenden auflesen, wenn ihr doch etwas tun wollt.‘“ [12:10]

Der quranischen Beschreibung kann man entnehmen, dass es einer von ihnen war, dem die anderen zuhörten. Ob es beispielsweise der Älteste war oder jemand anderes, bleibt offen. Er rät ihnen davon ab, Yusuf zu töten und schlägt eine Lösung vor, bei der Yusuf (a.s.) nicht von ihnen getötet wird, sondern seinem Schicksal überlassen wird: „Ihr wollt ihn doch einfach nur loswerden, oder? Dann stoßt ihn doch einfach nur in irgendeinen Brunnen und überlasst ihn seinem Schicksal. Aber ihr müsst ihn nicht direkt töten.“ Offen bleibt dabei aber, ob er das sagt, um Yusuf (a.s.) zu retten oder um sich selbst gut zu reden, dass sie ihn nicht getötet haben.

Die Geschwister überreden Yaqub (a.s.)

„Sie sagten: „O unser Vater, warum vertraust du uns Yusuf nicht an? Wir werden ihm wahrlich aufrichtig zugetan sein.“ [12:12]

Die Geschwister versuchen einige Mal den Vater zu überreden, den kleinen Yusuf (a.s.) mit ihnen mitgehen zu lassen. Yaqub (a.s.) hat aber große Sorgen wegen des Traumes und weil es sehr ungewohnt ist, dass seine Söhne darum bitten Yusuf (a.s.) mitzunehmen. Normalerweise ist es das Gegenteil: Sie wollen mit Yusuf (a.s.) nichts zu tun haben. Irgendwann ändern sie ihre Taktik und bitten Yaqub (a.s.) nicht mehr, sondern machen ihm ein schlechtes Gewissen. Sie werfen ihm vor, dass er als Vater schlecht von seinen Kindern denkt, obwohl sie doch eine Familie sind und sie das Beste für ihren Bruder wollen.

Das ist keine unbekannte Taktik der Manipulation von Menschen. Nennen wir sie „Angriff ist die beste Verteidigung“. Das ist eine weitverbreitete menschliche Taktik, mit der man versucht, zu bekommen, was man will, indem man die anderen emotional manipuliert und argumentativ in die Ecke zwingt. Sie kann beispielsweise auch so klingen: „Du willst mir damit also sagen, dass ich...“, „Du findest/denkst also, dass ich...“.

In diesem konkreten Fall der Kinder Yaqubs (a.s.) lautet sie in etwa so: „Du findest also, dass wir nicht vertrauenswürdig sind?! Du denkst also, wir wollen für Yusuf nicht das Beste?!“.

Indem man das macht, bringt man den Gegenüber von seiner Ansicht oder Aufforderung ab, selbst wenn er eigentlich Recht hat. Einfach nur, weil der Gegenüber dann das Gefühl hat, aus emotionaler Rücksicht heraus, sich zurücknehmen zu müssen, weil die andere Person ja scheinbar verletzt ist. Die logische bzw. zu erwartende Reaktion darauf ist dann: „Nein, so habe ich das gar nicht gemeint...“

Diese Taktik ist auch eine sehr gängige Verhaltensweise von Kindern im Allgemeinen gegenüber ihren Eltern, weil sie die Emotionen der Eltern ausspielen und oft auch ausnutzen, wie hier. Manchmal sind Kinder tatsächlich erfolgreich darin, ihre Eltern damit zu manipulieren und manchmal lassen Eltern das auch nicht mit sich machen. Und nicht nur Kinder nutzen diese Taktik. Auch Erwachsene. Manchmal können Menschen damit auch echt weitgehen und vieles erreichen. Diese Leute muss man kennen und vorsichtig sein.

„Sende ihn morgen mit uns, dass er Spaß und Spiel finde; wir werden ihn fürwahr behüten.“ [12:12]

Sie sagen jetzt also zu Yaqub (a.s.): „Wir sind am Überlegen, uns morgen einen richtig schönen Tag zusammen zu machen. Lass Yusuf (a.s.) mitkommen und er wird sich richtig amüsieren. Wir werden was richtig Leckeres essen, er tobt sich aus und dann kommen wir wieder.“ 

Was sie hier also machen ist, die Gefühle des Vaters auszuspielen: Weil er sich ja bestimmt freut, wenn Yusuf (a.s.) glücklich ist und vor allem, wenn sie alle etwas zusammen unternehmen.

Sie steigern sich richtig rein und versichern dem Vater, dass sie nur Gutes meinen. Damit versuchen sie den Vater von der Erfahrung abzubringen, dass sie normalerweise schlecht zu Yusuf (a.s.) sind. Sie versichern es Yaqub (a.s.) dieses Mal aber so stark, dass er ihnen glaubt. Am Ende stimmt der Vater mit einem schlechten Gefühl zu. Und das passiert auch bei uns sehr oft. Wir haben eine bestimmte Erfahrung mit etwas oder mit jemandem und diese Person versucht uns dann emotional zu überzeugen, dass es anders laufen wird. Meistens ist das nicht die richtige Situation, um doch zuzustimmen, weil es rational gesehen gar keinen Sinn ergibt und man nur wegen der Emotion zugestimmt hat. Und hinterher bereut man dann nicht rationaler gewesen zu sein.

„Er sagte: ‚Es macht mich fürwahr traurig, dass ihr ihn mitnehmt. Und ich fürchte, dass ihn der Wolf frisst, während ihr seiner unachtsam seid.‘“ [12:13]

Yaqub (a.s.) drückt hier sehr vieles aus. Er drückt tiefe Trauer darüber aus, dass die Geschwister Yusuf (a.s.) sonst immer loswerden wollten und er immer noch das Gefühl hat, dass das sein könnte. Und ihn macht es auch traurig, dass er derartig von seinen Kindern denken muss. Obwohl seine Kinder ihm so stark versichert haben, dass sie auf ihren kleinen Bruder aufpassen werden, hat er Angst vor dem Wolf, dass dieser Yusuf (a.s.) auffrisst. Zwei Dinge könnten hier gemeint sein: Entweder gibt es einen Wolf in ihrer Umgebung, mit dem es schon mehrere Vorfälle gab, oder er meint hier metaphorisch die böse Absicht der Geschwister, die durch den Shaitan angetrieben wird.

„Sie sagten: ‚Wenn ihn der Wolf fressen sollte, wo wir doch eine (ansehnliche) Schar sind, dann wären wir fürwahr Verlierer.‘“ [12:14]

Die Geschwister argumentieren also: „Wie soll ihn der Wolf fressen, wenn wir doch so viele in der Zahl sind. Wir sind alle zusammen. Außerdem führen wir doch regelmäßig unsere Schafe aus und können ja auch immer auf sie aufpassen. Warum sollten wir alle gemeinsam also nicht auf unseren kleinen Bruder aufpassen können? Außerdem wissen wir, wie viel er dir bedeutet. Gerade deswegen passen wir doch gut auf ihn auf. Und wir würden uns selbst damit schaden und unserem Ruf als Schafhirten. Die Leute würden uns nicht mehr ihre Schafe anvertrauen. Das ergibt doch gar keinen Sinn, wie du über uns denkst.“

Diese Argumentationsweise der Kinder zeigt insgesamt eine bestimmte Art von Lügen: Menschen, die ehrlich gemeinte Aussagen anderer nehmen und sie verdrehen, um damit die Aussagenden mit ihren eigenen Aussagen anzugreifen. Angriffe, die vor allem dem Gegenüber ein schlechtes Gefühl geben, dass sie ihm sagen, dass er ihre Absicht doch gar nicht kennen kann. Dadurch, dass Absichten anderen Menschen nicht zugänglich sind, lassen sie sich sehr gut benutzen, um damit eigene Ziele zu erreichen. Weil andere Menschen diese Absichten sowieso nicht prüfen können.

Dies ist auch aus einem anderen Grund schlau und gleichzeitig hinterhältig von den Geschwistern Yusufs (a.s.): Am Ende können sie diese vorgespielten Emotionen benutzen und dann sagen: „Du hast doch gesehen, wie wichtig uns das war und wir wollten doch nur Yusuf (a.s.) und dir eine Freude machen.“ Auch das kann Yaqub (a.s.) nicht überprüfen und das wissen sie. Und genau das machen Menschen im Allgemeinen auch oft. Niemand kann überprüfen, was sie denken, fühlen oder meinen. Wenn sie also nicht den Anstand und das Gottesbewusstsein besitzen, es von sich aus nicht zu machen und dreist genug sind, dann können sie diesen Trick gut ausnutzen. Auch wenn sie eigentlich gläubige Menschen sind. Genauso wie die Kinder hier einfach die Liebe und Gutmütigkeit ihres Vaters ausnutzen.

---ENDE DER LESEPROBE---