Zärtliche Nächte im Paradies - Miranda Lee - E-Book

Zärtliche Nächte im Paradies E-Book

Miranda Lee

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Beschreibung

Was Frauen betrifft, lässt der Milliardär Nick Coleman nichts anbrennen. Nur Sarah ist für ihn tabu. Koste es, was es wolle - er ist ihr Vormund! Dabei begehrt er sie grenzenlos. Womit er nicht allein ist: Ihre Schönheit - und ihr Erbe - zieht die Verehrer magisch an …

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Seitenzahl: 198

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Miranda Lee

Zärtliche Nächte im Paradies

IMPRESSUM

Zärtliche Nächte im Paradies erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG, 20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

Redaktion und Verlag: Brieffach 8500, 20350 Hamburg Telefon: 040/347-25852 Fax: 040/347-25991
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Cheflektorat:Ilse BröhlProduktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)Vertrieb:asv vertriebs gmbh, Süderstraße 77, 20097 Hamburg Telefon 040/347-27013

© 2008 by Miranda Lee Originaltitel: „The Guardian's Forbidden Mistress“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./SARL

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANABand 1774 2009 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Charlotte Kesper

Fotos: Jovanmandic/GettyImages

Veröffentlicht im ePub Format im 11/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751504720

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

PROLOG

„Noch etwas Kaffee?“

Nick lehnte dankend ab, dann schaute er seinen ehemaligen Boss und langjährigen besten Freund aufmerksam an.

Sie saßen, wie so oft, wenn Nick in Sydney war, bei einem gemütlichen Lunch auf der Terrasse von Rays großzügiger Villa in Point Piper.

Ray zeigte sich begeistert, als Nick von seinem neuen Projekt erzählte – der Umgestaltung und Bebauung einer Insel zu einem exklusiven Ferienort –, und war ganz zuversichtlich, was den Erfolg anging. Er versprach ihm auch, bald einmal hinzufliegen und sich die Sache anzusehen.

Nick aber spürte, dass etwas nicht stimmte. Er hatte dieses Gespür für Schwierigkeiten schon seit seiner frühsten Kindheit.

„Ist etwas nicht in Ordnung, Ray?“, fragte er ruhig.

Ray sah Nick an, und der Blick seiner grauen Augen verschleierte sich.

„Nichts Greifbares“, antwortete er dann zögernd. „Aber ich habe so ein Gefühl, als ob die Welt mich nicht mehr lange ertragen müsste.“

Nick war völlig verblüfft. „Warst du bei einem Arzt?“

„Ich war erst vor Kurzem bei einer Vorsorgeuntersuchung.“

„Und?“

Ray zuckte die Schultern. „Ich soll ein paar Pfunde abnehmen und weniger trinken.“

„Aber dir fehlt nichts Ernsthaftes?“

„Nichts, was sie hätten finden können.“

„Fühlst du dich unwohl?“

„Nein, nicht richtig. Aber niemand lebt ewig, Nick.“

Daher weht also der Wind, dachte Nick. Ray hatte seine Midlife-Crisis, die die meisten Männer bereits mit vierzig oder fünfzig durchmachten.

„Ich habe beschlossen, mein Testament zu ändern“, kündigte Ray nun an. „Das hätte ich schon nach Jess’ Tod machen sollen, aber ich konnte mich einfach nicht dazu aufraffen.“

„Du hast hoffentlich nicht vor, mir etwas zu vererben!“, warnte Nick. „Für mich hast du nämlich schon genug getan.“

Ray hatte ihm vor vielen Jahren die Chance seines Lebens gegeben – indem er dafür gesorgt hatte, dass Nick eine Ausbildung erhielt. Später hatte er ihn eingestellt, als niemand sonst ihn nehmen wollte. Und das war nur der Anfang gewesen. Ray hatte ihm alles beigebracht, was man wissen musste, um als Unternehmer in der Medienwelt erfolgreich zu werden. Im Gegenzug hatte er durch Nick die einzigartige Möglichkeit bekommen, in einen Film zu investieren, der Australiens bislang erfolgreichster Spielfilm geworden war.

Outback Bride war einer der Titel im Kino, den vorher niemand hatte produzieren wollen und von dem sich hinterher jeder wünschte, er hätte es getan. Ray hatte damit ein Vermögen gemacht, und bei Nick mit seinen mageren fünf Prozent Beteiligung waren immerhin noch über zwanzig Millionen Dollar gelandet.

„Ich dachte, du hättest gerne den Rolls“, sagte Ray. „Er fährt noch immer hervorragend. Ich weiß, dass die jungen Leute heutzutage Sportwagen bevorzugen, aber nichts kommt an einen Rolls-Royce heran.“

Nick lächelte. „Okay, dann vererb mir eben den Rolls.“ Mann, wie er dieses Auto liebte! In seiner Jugend hatte er unzählige Stunden damit verbracht, den Wagen zu waschen und zu polieren, und er hatte sich wie ein König gefühlt, wann immer er hinter dem Steuer saß. Der einzige Wermutstropfen war stets die Chauffeuruniform, die er damals tragen musste.

Nick konnte sie nicht ausstehen, ebenso wenig wie er die Art und Weise nicht leiden konnte, in der einige Leute ihn behandelten, wenn er die Uniform trug. Als wäre er ihnen untergeordnet. Aber das hatte er Ray nie erzählt.

Ray hatte ihn immer als ebenbürtig behandelt, was ihm wieder einmal bewies, dass Ray ein Mensch war, wie es sie nur selten gab. Nick hielt wirklich sehr große Stücke auf ihn.

„Ich möchte dich als meinen Nachlassverwalter einsetzen“, fuhr Ray fort. „Falls du nichts dagegen hast.“

„Nein, natürlich nicht. Mach ich gern für dich.“

„Gut. Außerdem sähe ich dich gern als Sarahs Vormund, bis sie fünfundzwanzig ist.“

Nick versteifte sich einen Moment in seinem Stuhl, bis er sich in Erinnerung rief, dass diese Vereinbarungen rein hypothetisch waren. Dass Ray vor seinem siebzigsten Lebensjahr starb, erschien ihm mehr als unwahrscheinlich.

Obwohl natürlich nichts unmöglich war. Sollte Ray durch einen unfassbar unglücklichen Zufall tatsächlich in naher Zukunft sterben, würde es für Nick reichlich kompliziert werden. Er war der einzigen Tochter seines Freundes aus dem Weg gegangen, seit sie vor ein paar Jahren zum Weihnachtsessen erschienen war und so ganz anders aussah als das dünne schlaksige Mädchen, das er bis dahin gekannt hatte.

Wie war das mit dem hässlichen Entlein, das zu einem wunderschönen Schwan wurde?

Wo kamen auf einmal diese sinnlichen Kurven her? Wo das lange, blond schimmernde Haar? Und dieser unglaublich aufreizende Gang?

Und ihre Augen!

Bis dahin hatte Nick an Sarahs Augen nichts Außergewöhnliches gefunden. Sie waren dunkelgrün, hatten die Form von Katzenaugen, oft lagen dunkle Schatten darunter, und zusammen mit den breiten geraden Brauen hatten sie ihrem Gesicht häufig einen erschöpften Ausdruck verliehen.

Jetzt plötzlich, mit gezupften Augenbrauen und dem richtigen Make-up, wirkten sie exotisch und umwerfend schön.

Nick schaute in diese Augen und wurde augenblicklich von einer Lust erfasst, die selbst ihm Schuldgefühle einflößte. Was noch viel schlimmer wurde, als Sarah ihn unter einem Mistelzweig erwischte und ihm einen Kuss gab, der ebenso süß und unschuldig war wie sie selbst, ließ man ihre erstaunliche körperliche Entwicklung einmal außer Acht.

Seine Reaktion auf ihren Kuss war alles andere als unschuldig. Es kostete ihn all seine Willenskraft, diesen süßen Mund nicht leidenschaftlich zu küssen.

Hätte sie nur den Hauch einer Ahnung gehabt, welch verbotenen Gedanken er hegte, sie hätte gewiss nicht so schwärmerisch zu ihm aufgesehen.

Da er sich gut genug kannte, wich er Sarah von diesem Tag an in weitem Bogen aus und besuchte Ray nur noch, wenn er wusste, dass sie in ihrem Internat war.

Mit Ausnahme vom Weihnachtsfest, dem Tag, an dem es ihn unweigerlich in das Haus zurückzog, in dem er sich respektiert und akzeptiert fühlte.

Doch nach der Episode unter dem Mistelzweig hatte er immer eine Freundin mitgebracht, was nur vernünftig war, da er Sarah mit jedem Jahr begehrenswerter fand.

Als er während des Gespräches jetzt von seinem Platz aus den Blick zum Pool schweifen ließ, kam ihm ein weiterer Zwischenfall in den Sinn.

Es war letztes Jahr Weihnachten gewesen. Sarah stolzierte die Treppen zum Pool hinab, von einem außerordentlich knappen, smaragdgrünen Bikini mehr ent-als verhüllt, was Nicks Testosteronspiegel in unermessliche Höhen trieb.

Er selbst war schon im Wasser, um sich an diesem unglaublich heißen Weihnachtstag abzukühlen. Dummerweise war Jasmine – seine damalige Freundin – nicht bei ihm, weil sie ihr Haar nicht nass werden lassen wollte.

Sarah hatte offenbar keine derartigen Bedenken. Sie sprang kopfüber in den Pool und tauchte verwirrend nah bei ihm wieder auf, ihre entzückenden grünen Augen funkelten vor Freude, während sie ihr Haar zurückstrich und ihn anlächelte.

„Lust auf ein Wettschwimmen?“, fragte sie und weckte damit die Erinnerung an die vielen Wettkämpfe, die sie einst ausgetragen hatten, als er der Chauffeur ihres Vaters gewesen war und sie noch ein Kind.

Doch sie war kein Kind mehr und er kein Chauffeur. Er konnte inzwischen jede Frau haben, die er wollte, nur nicht Sarah, die zwar aussah wie eine erwachsene Frau, jedoch noch längst keine war.

Aber zur Hölle … er begehrte sie in jenem Moment. Begehrte sie viel zu sehr.

In ihren Augen hatte er lesen können, wie verletzt sie war, als er eine lahme Entschuldigung murmelte und aus dem Pool kletterte. Und er spürte förmlich, wie sich ihre Blicke in seinen Rücken bohrten, als er nach einem Handtuch griff und sich entfernte.

Bis sie ebenfalls aus dem Pool gestiegen war, hatte er sich schon mit Jasmine zusammen aus dem Staub gemacht.

Seitdem hatte er Sarah nicht wieder gesehen.

Aber er würde sie häufig treffen, wenn Ray stürbe und er ihr Vormund wurde.

„Du machst nicht den Eindruck, als würde dir diese Aussicht gefallen“, sagte Ray. „Sieh mal, ich weiß, es ist viel verlangt, aber …“

„Ganz und gar nicht“, unterbrach Nick ihn eilig. „Du weißt, dass ich alles für dich tun würde. Ich frage mich nur, ob ich der Richtige für diese Aufgabe bin.“

„Warum? Weil du nicht weißt, wie es ist, Vater zu sein?“ „Unter anderem deshalb.“ Und weil ich genug damit zu tun haben werde, meine Finger von deiner Tochter zu lassen.

Doch wie sollte er ihm das sagen?

Nick würde es nicht ertragen, wenn Ray ihn voller Abscheu ansehen musste. Es war ihm schrecklich wichtig, dass sein Mentor an ihn glaubte und ihm vertraute.

„Meinst du nicht, Flora und Jim wären besser geeignet?“

Flora war Rays Haushälterin und ihr Ehemann eine Art Hauswart; sie kümmerten sich schon seit ewigen Zeiten um den Besitz. Sie waren ein respektables Paar, kinderlos und ganz bestimmt ein besserer Elternersatz als ein ehemaliger Tunichtgut.

„Da kann ich dir nicht zustimmen, sie gehören nicht zur Familie.“

„Ich auch nicht.“

„Du bist wie ein Sohn für mich, Nick. Schau, ich weiß genau, was dich stört.“

Nicks Herz setzte einen Schlag aus. „Tatsächlich?“

„Ja. Man müsste schon taub, stumm und blind sein, um nicht zu bemerken, dass Sarah sich in dich verguckt hat. Vor Jahren schon. Aber sie wird darüber hinwegkommen, wenn sie erst das Internat hinter sich hat und die große, böse Welt kennenlernt. So wie sie aussieht, werden sich die Jungs um sie prügeln. Und vermutlich nicht nur Jungs. Auch Männer, die nicht allein aus sinnlicher Leidenschaft für sie entbrennen. Da kommt deine Lebenserfahrung sehr gelegen.“

„Ich weiß nicht genau, worauf du hinaus willst“, antwortete Nick und versuchte einen unerwarteten Anflug von Eifersucht niederzukämpfen. Er hatte, wenn er ehrlich zu sich war, nie darüber nachgedacht, wie er reagieren würde, wenn er Sarah mit einem Freund sähe. Oder, Gott bewahre, mit einem älteren Kerl …

Die Vorstellung gefiel ihm überhaupt nicht. „Du kennst die Abgründe des Lebens“, erklärte Ray. „Und zwar aus erster Hand.“ Und habe mittendrin gesteckt, hätte Nick hinzufügen können. „Du weißt, wozu manche Männer fähig wären, um an das

Geld zu kommen, das Sarah eines Tages gehören wird.“

„Sicher.“

„Der Weg zum wahren Glück ist für eine Erbin sehr mühsam“, fuhr Ray fort. „Ich mag gar nicht daran denken, wie es ihr ergehen könnte, wenn ich nicht mehr bin und sie in ihrem zartem Alter viel zu viel Geld besitzt.“

„Ray, ich glaube, du sorgst dich umsonst. Wahrscheinlich wirst du hundert.“

Ray zuckte die Schultern. „Kann natürlich sein. Aber um sicherzugehen, werde ich mein Testament so abfassen, dass Sarah ihr Erbe erst antreten kann, wenn sie fünfundzwanzig ist. Bis dahin bekommt sie, was sie zum Leben braucht, und auch das nur so lange, bis sie einen Beruf gefunden hat und sich selbst versorgen kann.“

Nick runzelte die Stirn. „Das klingt ziemlich hart.“

„Ich halte nichts davon, Kindern derart große Summen an die Hand zu geben. Sarah soll lernen, dass Geld nicht an Bäumen wächst.“

„Was ist mit diesem Haus?“

„Ich lege fest, dass du hier mietfrei wohnen kannst, bis das Haus auf Sarah übergeht. Natürlich wirst du ihr gestatten, hier zu wohnen, wenn sie es möchte.“

„Ist dir klar, dass sie so ein Testament anfechten könnte?“

„Das wird sie nicht, es sei denn, sie fiele einem Halunken in die Finger. Deine Aufgabe wird es sein, mein kleines Mädchen vor solchen Männern zu beschützen, Nick. Vor Erbschleichern, Betrügern und sonstigen miesen Burschen.“

„Das ist vielleicht ein bisschen viel verlangt.“

„Ich vertraue dir voll und ganz. Du hast Sarah gern und bist intelligent und zynisch genug, um solche Kerle von ihr fernzuhalten.“

Nick zuckte zusammen. „Ich habe meinen Zynismus nie für eine Tugend gehalten.“ „Ist er auch normalerweise nicht, aber Sarah ist einfach zu vertrauensselig. Sie braucht einen Beschützer, der ihre Bewunderer argwöhnisch betrachtet und ihnen, wenn es sein muss, ohne mit der Wimper zu zucken einen Detektiv auf den Hals hetzt.“

Darüber musste Nick doch lachen. „Du willst also den Teufel mit dem Beelzebub austreiben?“

Ray sah ihn überrascht an. „Sag nicht, du hältst dich noch immer für einen Halunken?“

Nick zuckte die Schultern. „Man kann vielleicht den Jungen aus der Gosse holen, aber du wirst niemals die Gosse aus dem Jungen herausbekommen.“

„Aber du bist kein Junge mehr. Du bist ein Mann – ein großartiger Mann. Ich kann gar nicht sagen, wie stolz ich auf dich bin.“

Nick wurde das Herz schwer. „Ich wünschte, du würdest aufhören zu reden, als könntest du jeden Moment tot umfallen, Ray. Du hast noch gut zwanzig Jahre vor dir.“

„Hoffentlich hast du recht. Aber wenn nicht, und ich … Versprich mir, dich um mein kleines Mädchen zu kümmern, bis sie fünfundzwanzig ist, Nick. Gib mir dein Wort.“

Er tat das Einzige, was er unter diesen Umständen tun konnte, er sah Ray in die Augen und gab ihm sein Wort. Doch tief drinnen hoffte und betete er, es werde nicht dazu kommen, dass er sein Wort je halten müsste …

Nick war erst seit drei Wochen wieder auf Happy Island, als er den Anruf von Rays Haushälterin bekam. Unter Schluchzen teilte Flora ihm mit, dass Ray in der Nacht von ihnen gegangen sei.

„Kannst du nach Hause kommen, Nick?“, bat sie ihn traurig. „Ich weiß, Ray hat dich als seinen Nachlassverwalter eingesetzt, er hat es mir erzählt. Auch, dass du Sarahs Vormund werden sollst.“

Nick schloss die Augen, von seinen Gefühlen übermannt. Schock. Trauer. Frustration.

Das Leben ist grausam und ungerecht, dachte er.

Allerdings hatte er das längst gewusst.

„Sarah braucht dich“, fügte Flora hinzu. „Sie hat sonst niemanden.“

Das stimmte. Ray und Jess hatten Sarah erst sehr spät bekommen, als sie ihren Kinderwunsch eigentlich schon aufgegeben hatten. Sarah war ein Einzelkind, und ihre Großeltern lebten alle nicht mehr. Ray hatte keine Geschwister und Jess’ einziger Bruder, das schwarze Schaf der Familie, kam nur vorbei, wenn er Geld brauchte. Das Ekel hatte nicht einmal an der Beerdigung seiner Schwester teilgenommen.

„Das arme Schätzchen ist völlig am Ende“, schluchzte Flora.

Nick wurde plötzlich klar, dass er sein Verlangen nach Sarah zügeln, einfach ignorieren musste, denn er wollte und durfte Ray nicht enttäuschen. Auch Sarah nicht. Das Letzte, was sie in ihrer Situation nun brauchte, war ein Beschützer mit Hintergedanken, ein Tunichtgut, der sich ihre Situation zunutze machte. Soweit Nick wusste, gehörte die Verführung Sarahs nicht zu den Dingen, die Ray von ihm erwartete.

„Ich werde sofort einen Flug buchen. Ist Sarah noch im Internat?“

„Ja.“

„Am besten bleibt sie dort, bis ich nach Hause komme. Und, Flora, mach dir keine Sorgen um die Beerdigung, ich werde mich darum kümmern.“

„Gott segne dich, Nick“.

Nick war sich nicht sicher, ob ihm jemals Gottes Segen zuteilwürde. Doch er hatte es auch nicht darauf abgesehen, sich der anderen Seite anzubiedern. Zum Teufel mit der Versuchung, wenn es um Sarah ging. Von diesem Moment an war sie in sexueller Hinsicht für ihn tabu.

Ray wollte, dass sie vor den Schurken dieser Welt beschützt wurde. Nun, dachte Nick, das schließt mich mit ein!

1. KAPITEL

Sieben Jahre später …

Sarah sah Derek entgegen, als er mit einem Champagnerglas in jeder Hand zurück zu ihrem Tisch kam.

Während er noch an der Bar wartete, hatte sie sich gefragt, ob es richtig gewesen war, seine Einladung zu diesem Weihnachtsumtrunk anzunehmen.

Doch dann beruhigte sie sich. In den ganzen sechs Monaten, in denen er ihr persönlicher Trainer gewesen war, hatte er schließlich kein einziges Mal versucht, zudringlich zu werden oder die Grenze zwischen ihnen in irgendeiner Weise zu überschreiten.

Allerdings sah sie nun ein eindeutiges Funkeln in seinen Augen, als er ihr eines der Gläser reichte und sich hinsetzte.

„Das ist sehr nett von dir“, sagte sie vorsichtig.

Ihr sank das Herz, als er sie strahlend ansah.

„Ich bin nett“, erwiderte er „Und nein, ich werde dich nicht anmachen.“

„Das habe ich auch nicht erwartet“, log sie, ehe sie erleichtert einen Schluck trank.

„Oh doch, hast du.“

„Na ja …“

Derek lachte. „Ich will nur ein wenig mit dir feiern, denn das hast du verdient nach all der harten Arbeit. Aber nimm dich über die Weihnachtstage in Acht. Ich will nicht, dass du im Januar mit dem gleichen Gewicht zu mir zurückkommst wie vor sechs Monaten.“

Sarah verzog das Gesicht bei dieser Erinnerung. „Vertrau mir. Das wird mir nie wieder passieren.“

„Sag niemals nie.“

Kopfschüttelnd stellte sie ihr Glas auf den Tisch. „Ich habe viel nachgedacht, während du mir meine überflüssigen Pfunde wegtrainiert hast. Ich habe endlich den Grund für meinen Kummerspeck verstanden.“

„Also, wie heißt er?“

„Wer?“

„Der Grund für deinen Kummerspeck.“

Sarah lächelte. „Du bist ein sehr einfühlsamer Mann.“

Derek zuckte mit den Schultern. „Kein Wunder. Schwule Männer sind immer sehr einfühlsam in Herzensangelegenheiten.“

Beinahe hätte Sarah ihren Champagner verschüttet.

„Du hattest keine Ahnung, oder?“

Sarah starrte ihn über den Tisch hinweg an. „Himmel, nein!“ Selbst jetzt, da sie die Wahrheit kannte, konnte Sarah nichts eindeutig Schwules an Derek entdecken. So erging es wohl auch den anderen Frauen, die im Fitnessstudio trainierten; die meisten hielten ihn für einen Traummann.

Wenn sie auch zugeben musste, dass Derek sehr attraktiv war, fühlte sie selbst sich doch nie zu blonden Männern hingezogen.

„Also, da du jetzt weißt, dass ich nicht über dich herfallen werde“, fuhr Derek fort, „wie wäre es, wenn du meine Frage beantwortest? Oder willst du dein Liebesleben geheim halten?“

Sarah lachte. „Ich habe kein Liebesleben.“

„Was? Gar keins?“

„Seit einem Jahr nicht.“ Natürlich hatte sie schon Freunde gehabt, sowohl an der Universität als auch danach, aber es war immer schrecklich ausgegangen, sobald sie sie mit nach Hause brachte, um sie Nick vorzustellen.

Neben ihm verblassten ihre Freunde allesamt, und mit der Zeit war ihr klar geworden, dass sie niemals einen anderen Mann so sehr gewollt hatte wie Nick. Zudem besaß er das Talent, ironische oder hintersinnige Kommentare abzugeben, die immer wieder auf die Frage hinausliefen, ob ihr jeweiliger Freund sich wirklich für sie oder eher für ihr zukünftiges Erbe interessierte.

Dennoch glaubte Sarah nicht für einen Moment, Nick könnte sich aus persönlichen Motiven in ihre Beziehungen einmischen. Denn das würde bedeuten, dass es ihn ernsthaft interessierte, mit wem sie ausging. Das war aber offensichtlich nicht der Fall. Seit Nick ihr Vormund war, hatte er ihr überdeutlich gezeigt, dass er diese Aufgabe furchtbar langweilig fand und sie nur aus Zuneigung und Dankbarkeit ihrem Vater gegenüber ertrug.

Nun, natürlich tat er einiges für ihr Wohlergehen, doch von Anfang an hatte er jede Möglichkeit genutzt, sie an andere abzuschieben.

Das erste Weihnachten, nachdem sie die Schule beendet hatte, schickte er sie auf einen Überseeurlaub mit einer Freundin und deren Familie. Anschließend besorgte er ihr ein Zimmer auf dem Campus der Hochschule, wo sie Pädagogik studierte. Und als sie nach ihrem Abschluss an einer Vorschule im Westen Sydneys zu unterrichten begann, redete er ihr zu, sich dort eine Wohnung zu suchen, mit der Begründung, die tägliche Fahrt von Point Piper nach Parramatta würde sie viel zu viel Zeit kosten.

Zugegebenermaßen hatte er damit recht, und sie folgte seinem Vorschlag. Sie vermutete, er wolle sie so oft wie möglich aus dem Haus haben, um tun und lassen zu können, was er wollte und wann er es wollte. Zweifellos engte es ihn ein, sie in ihrem Schlafzimmer, zwei Türen von seinem eigenen entfernt, zu wissen.

Als notorischer Playboy verspeiste Nick Frauen sozusagen zum Frühstück und servierte sie mit atemberaubender Geschwindigkeit wieder ab. Jedes Mal, wenn Sarah nach Hause kam, hatte er eine andere Freundin am Arm und in seinem Bett, eine schöner und schlanker als die andere.

Sarah hasste es, Nick mit ihnen zu sehen.

Letztes Jahr hatte sie ihre Besuche auf Ostern, Weihnachten und die Winterferien beschränkt, denn in der Zeit war Nick zum Skifahren. Dieses Jahr war sie seit Ostern nicht zu Hause gewesen. Er beklagte sich nie über ihre Abwesenheit und akzeptierte ihre diversen Entschuldigungen äußerst bereitwillig. Wenn sie morgen zum Weihnachtsabend nach Hause führe, hatte sie ihn seit beinahe neun Monaten nicht mehr gesehen.

Und er sie nicht.

Der Gedanke an das Wiedersehen ließ ihr Herz heftig schlagen.

Was für ein Trottel du doch bist, Sarah, schalt sie sich selbst. Nichts wird sich ändern. Es wird sich niemals etwas ändern. Hast du das immer noch nicht kapiert?

Sie musste sich endlich der Wahrheit stellen. Endlich aufhören, auf ein Wunder zu hoffen.

„Sein Name ist Nick Coleman“, erklärte sie Derek. „Er ist mein Vormund, seit mein Vater starb. Da war ich siebzehn, und ich habe mich in ihn verknallt, als ich acht war.“ Sie weigerte sich, das Gefühl Liebe zu nennen. Wie konnte sie auch in jemanden wie Nick verliebt sein? Er mochte ja, seit er zu ihnen gekommen war, außerordentlich erfolgreich geworden sein – auch finanziell –, doch er hatte sich dabei zu einem kaltblütigen und gefühllosen Casanova entwickelt.

Manchmal fragte sie sich, ob sie sich die Freundlichkeit, die er ihr entgegengebracht hatte, als sie noch ein Kind war, nur eingebildet hatte.

„Sagtest du acht?“

„Ja. An meinem achten Geburtstag stellte mein Vater ihn als seinen Chauffeur ein.“

„Chauffeur!“

„Das ist eine lange Geschichte. Aber eigentlich war nicht Nick an meinen Fressattacken schuld“, gab sie zu. „Es lag an seiner Freundin.“ Letztes Jahr Weihnachten hatte er nämlich eine mitgebracht, die förmlich an ihm klebte, ein umwerfend schönes, superschlankes Topmodel, neben dem jede andere Frau völlig unzulänglich wirkte.

Zutiefst deprimiert hatte Sarah an jenem Tag zum Lunch gleich zwei Portionen gegessen und sich später noch eine weitere geholt. Wenn sie aß, fühlte sie sich wenigstens vorübergehend besser.

Bis Ostern – ihrem letzten Besuch zu Hause – hatte sie zehn Kilo zugenommen. Nick hatte sie nur angestarrt. Völlig entsetzt, vermutlich. Aber seine Freundin – dieses Mal eine fantastisch aussehende, ebenfalls superschlanke Schauspielerin – hielt sich nicht zurück, sondern machte einen sarkastischen Witz über die ständig steigende Zahl Fettleibiger in Australien. Spöttisch verzog Sarah die Lippen, als sie an das Ergebnis dachte: weitere fünf Kilo.

Irgendwann sah sie sich selbst auf einem Klassenfoto, zog endlich Bilanz und suchte bei Derek Hilfe.

Jetzt saß sie hier, gertenschlank, durchtrainiert, ohne auch nur ein einziges Gramm Fett am Leib und mit neu gewonnenem Selbstbewusstsein.

„Nein, es waren zwei Freundinnen!“, fügte Sarah hinzu und erklärte Derek die näheren Umstände ihrer Beziehung zu ihrem Vormund und was sie dazu gebracht hatte, ein Fitnessstudio aufzusuchen.

„Erstaunlich“, meinte er, als Sarah fertig war.

„Was? Dass ich so fett geworden war?“

„Du warst niemals fett, Sarah. Hattest nur ein paar Kilos zu viel. Und schlaffe Muskulatur. Nein, ich meine, wegen deines Erbes. Du verhältst dich überhaupt nicht wie diese typischen reichen Weiber.“

„Ich bin ja auch nicht reich. Zumindest nicht, bis ich fünfundzwanzig bin. Mein Vater hat in seinem Testament sichergestellt, dass ich keinen Cent sehe, bis ich das erreicht habe, was er Reife nannte. Meine Ausbildung und mein Unterhalt wurden bezahlt, doch seit ich mein eigenes Geld verdiene, muss ich mich auch selbst ernähren – oder verhungern. Zuerst habe ich mich darüber geärgert, aber inzwischen verstehe ich seinen Standpunkt. Es ist nicht gut, wenn einem alles in den Schoß fällt.“