Zärtliche Versuchung in deinen Armen - Cathy Williams - E-Book

Zärtliche Versuchung in deinen Armen E-Book

Cathy Williams

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Beschreibung

Als Playboy Theo Rushing in die verschneite Einsamkeit der Cotswolds fährt, will er nur eins: schnellstens den einstigen Familiensitz wieder in seinen Besitz bringen, um seiner Mutter damit ihren größten Wunsch zu erfüllen. Aber kaum öffnet ihm die junge Becky die Tür von Lavender Cottage, erfasst ihn angesichts ihrer unschuldigen Sinnlichkeit eine ungeahnt prickelnde Erregung. Während draußen ein Schneesturm tobt, verführt er sie zu einer zärtlichen Liebesnacht - natürlich nur, um sie zum Verkauf des Cottages zu bewegen! Oder?

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Seitenzahl: 194

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IMPRESSUM

JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2017 by Cathy Williams Originaltitel: „Snowbound with His Innocent Temptation“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 2309 - 2017 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Cordula Schaetzing

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 10/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733708740

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

„Ehrlich, Ali, mir geht es gut!“ Das war gelogen. Becky Shaw ging es alles andere als gut.

In weniger als einem halben Jahr war sie arbeitslos. Die Tierarztpraxis, in der sie die letzten drei Jahre gearbeitet hatte, stand zum Verkauf. Die Praxis sollte in ein weiteres Café verwandelt werden, um Touristen anzulocken. Diese fielen in jedem Frühjahr und Sommer scharenweise in die Cotswolds ein, lichteten die wunderschöne Landschaft mit ihren teuren Kameras ab und kauften begeistert die Werke lokaler Künstler auf. Viele Einwohner hatten daher entweder ein Café oder eine Kunstgalerie eröffnet.

Das Dach musste dringend repariert werden. Wenn sie die Ohren spitzte, konnte Becky hören, wie das Wasser aus dem Leck monoton in den Eimer oben im Flur tropfte. Ein nervtötendes Geräusch.

„Du bist zu jung, um in der Wildnis begraben zu sein! Warum kommst du nicht für ein paar Wochen zu uns nach Frankreich? Die Praxis wird sicher mal vierzehn Tage ohne dich auskommen …“

In drei Monaten wird man mich in der Praxis überhaupt nicht mehr brauchen, dachte Becky betrübt.

Aber das wollte sie ihrer Schwester auf keinen Fall erzählen. Auch hatte sie nicht die Absicht, Alice und ihren Mann Freddy in Frankreich zu besuchen. Jedes Mal, wenn sie an Freddy dachte, wurde Becky das Herz schwer. Sie riss sich zusammen, damit ihre Stimme ihre wahren Gefühle nicht verriet.

„Ich bin hier draußen keineswegs begraben, Alice.“

„Ich habe auf meinem Smartphone den Wetterbericht für die Cotswolds gelesen, Becky. Für das Wochenende sind heftige Schneefälle angekündigt. Du wirst Mitte März vollkommen eingeschneit sein, während sich der Rest des Landes auf den Frühling freut! Ich mache mir Sorgen um dich!“

„Das brauchst du nicht.“ Becky schaute aus dem Fenster und fragte sich, warum sie immer noch in ihrem Elternhaus lebte. Eigentlich hatte sie sich nur für eine Weile hierher zurückziehen wollen, um ihre Wunden zu lecken. Das war jetzt drei Jahre her. Seitdem hatte sie in einem Anfall von Mutlosigkeit das Jobangebot der örtlichen Tierarztpraxis angenommen und ihre Eltern überredet, das Cottage an sie zu vermieten und vorerst nicht zu verkaufen. Nur so lange, bis sie sich gefangen hatte. Dann wollte sie die Cotswolds verlassen und nach London zurückkehren.

Jetzt war sie bald arbeitslos und wohnte in einem Haus, das mit jedem Tag reparaturbedürftiger wurde. Wie lange noch, bis aus dem kleinen Leck im Dach ein richtiges Loch wird? fragte sich Becky.

Ihre Eltern waren vor fünf Jahren nach Frankreich gezogen. Bald darauf waren Alice und ihr Mann ihnen gefolgt. Bis jetzt hatte Becky ihren Eltern noch nichts von den Problemen mit dem Haus erzählt. Sie wusste, dass die ganze Familie dann sofort die Koffer packen und mit Tee, Mitgefühl und einem Rettungsplan vor der Tür stehen würde.

Aber Becky musste nicht gerettet werden. Sie war eine hervorragende Tierärztin.

Norman, dem die Tierarztpraxis gehörte, würde ihr sicher ein ausgezeichnetes Zeugnis schreiben. Damit sollte sie keine Probleme haben, schnell wieder eine Stellung zu finden.

Außerdem muss eine Frau von siebenundzwanzig Jahren nicht gerettet werden. Schon gar nicht von ihrer jüngeren Schwester und überfürsorglichen Eltern.

„Sollte ich nicht diejenige sein, die sich um dich sorgt?“

„Nur weil du drei Jahre älter bist?“

Becky hörte das wunderbare glockenhelle Lachen ihrer Schwester und sah sie im Geiste vor sich in dem eleganten französischen Haus sitzen; die Beine übereinandergeschlagen, das lange blonde Haar über eine Schulter perfekt drapiert.

Freddy, der als Tierarzt ebenfalls hart arbeitete, war sicher gerade in der Küche mit der Zubereitung des Abendessens beschäftigt. Er war ein ausgezeichneter Koch und genoss es, sich nach Feierabend zusammen mit Alice in der Küche zu entspannen.

Und er liebte Alice. In dem Augenblick, als er sie das erste Mal gesehen hatte, war es um ihn geschehen gewesen. Alice hatte gerade begonnen, als Fotomodell zu arbeiten und hatte erste Erfolge verzeichnet. Becky hätte es nie für möglich gehalten, dass der ernsthafte Freddy, der seine Nase ständig in Lehrbücher steckte, sich ausgerechnet in ihre Schwester verlieben würde. Denn Alice rühmte sich fröhlich, nie eine gute Schülerin gewesen zu sein. Doch Becky hatte sich geirrt.

Die beiden führten eine äußerst glückliche Ehe.

„Ich komm schon klar.“ Becky beschloss, alle unangenehmen Gespräche über drohende Arbeitslosigkeit und kaputte Dächer auf einen anderen Tag zu verschieben. „Ich verspreche, nicht mitten in einem Schneesturm im Schlafanzug das Haus zu verlassen. Und sollte jemand dumm genug sein, bei dem Wetter auf Diebestour zu gehen, wird er kaum zu mir kommen.“ Sie betrachtete die alten Möbel in der Küche und musste grinsen. „Was gibt es bei mir schon zu holen?“

Zerschlissene Kleidung, schlammverschmierte Gummistiefel, ein Werkzeugkasten mit Werkzeugen für die vielen Reparaturen, die in dem alten Haus anfielen, eine beneidenswerte Sammlung von Wollmützen für den Winter … genau die Dinge, auf die es Einbrecher abgesehen hatten.

„Ich dachte ja nur, dass du zusammen mit uns ein wenig Spaß hast, bevor der Sommer kommt und die Horden von Touristen. Du warst zwar Weihnachten schon hier. Aber da war es so hektisch, weil Mom und Dad jeden Abend Freunde eingeladen hatten. Ich habe das Gefühl, als hätte ich dich seit Jahren nicht gesehen! Ich meine, nur du und ich, wie früher, als wir jünger waren, und … na ja … Freddy und ich …“

„Ich bin zurzeit wahnsinnig beschäftigt, Ali. Du weißt, wie es zu dieser Jahreszeit ist. Die Lämmer werden bald geboren, ständig braucht irgendein trächtiges Schaf Hilfe. Aber ich komme, sobald ich nur kann. Versprochen!“

Becky wollte nicht über Freddy sprechen. Sie hatte ihn an der Universität kennengelernt und sich Hals über Kopf in ihn verliebt, was sie ihm aber nie gestanden hatte. Für ihn war sie einfach eine gute Freundin. Als er dann Alice kennenlernte, war es binnen Sekunden um ihn geschehen gewesen. Schon nach kurzer Zeit hatte er ihrer Schwester einen Heiratsantrag gemacht.

Damit hatte er Becky das Herz gebrochen.

„Liebes, Freddy und ich müssen dir etwas sagen, und das würden wir viel lieber persönlich tun, als …“

„Was?“ Bestürzt setzte Becky sich auf. „Was ist passiert?“

„Wir bekommen ein Baby! Ist das nicht aufregend?“

Ja, das war es. Aufregend und hinreißend. Das hatte sich ihre Schwester seit der Hochzeit sehnlichst gewünscht.

Becky freute sich für ihre Schwester. Wirklich. Doch als sie es sich an diesem Samstagabend gemütlich machte, einem der wenigen, an dem sie nicht Notdienst hatte, wurde ihr klar, wie einsam sie durch ihren Umzug aufs Land geworden war.

Wo waren die Clubs, in denen sie abends tanzen ging? Das wundervolle Gefühl, sich zu verlieben? Die Männer, die sie umwarben? Die aufregenden Textnachrichten? Nachdem Freddy sich für ihre Schwester entschieden hatte, hatte Becky nichts mehr von der Liebe wissen wollen. Stattdessen hatte sie sich noch mehr in ihre Bücher vergraben. Sie hatte schon immer gewusst, welchen Beruf sie ergreifen wollte, und ihre Eltern hatten sie in ihrer Zielstrebigkeit unterstützt. Beckys Eltern waren beide Lehrer. Ihr Vater war zu der Zeit Dozent an der Universität, ihre Mutter unterrichtete Mathematik an einer weiterführenden Schule. Becky war immer das brave fleißige Mädchen gewesen. Die schöne langbeinige Alice hatte dagegen schon in früher Jugend beschlossen, dass eine akademische Laufbahn nichts für sie sei. Und ihre Eltern, die sehr liberal und politisch leicht links eingestellt waren, hatten das einfach so hingenommen.

Während Becky also eifrig lernte, ging Alice auf Partys.

„Jeder hat das Recht, sich frei zu entwickeln, ohne gezwungen zu werden, die Erwartungen anderer Menschen zu erfüllen!“, lautete das Motto ihrer Mutter.

Mit achtzehn hatte Becky mit dem Studium begonnen. Sie wurde mit den Freiheiten des Studentenlebens konfrontiert und musste feststellen, dass jahrelanges Lernen sie keineswegs auf Trinkgelage bis spät in die Nacht, das Schwänzen von Vorlesungen und ein aufregendes Liebesleben vorbereitet hatten.

Becky war nicht fähig, diese ungewohnten Freiheiten zu genießen. Vielleicht hatte sie sich daher blitzschnell in Freddy verliebt, der mit ihr zusammen Tiermedizin studierte.

Freddy hatte während seiner Teenagerjahre ebenfalls den Kopf in die Bücher gesteckt. Er und Becky waren Seelenverwandte. Sie war gern mit ihm zusammen. Aber Becky war viel zu schüchtern, um ihm ihre Gefühle zu offenbaren. Sie wollte abwarten, bis das Unausweichliche von allein geschehen würde.

Becky hatte immer nur ihre Schwester beobachtet und sich darüber amüsiert, wie schnell Alice sich verliebte und wieder trennte. So fehlte ihr das nötige Selbstvertrauen, um den ersten Schritt zu tun.

Letztendlich war das gut so. Denn der Mann, mit dem sie gern den Rest ihres Lebens verbracht hätte, hatte in ihr nur eine gute Freundin gesehen. Becky hatte geglaubt, er sei der Richtige für sie. Er war zuverlässig, fleißig, rücksichtsvoll und stand mit beiden Beinen fest auf dem Boden.

Freddy seinerseits hatte aber nicht nach einer Frau gesucht, die ebenfalls diese Eigenschaften besaß. Er wollte eine quirlige und lebhafte Partnerin. Eine, die ihm die Bücher aus der Hand nahm und sich auf seinen Schoß setzte. Er wollte groß und blond und schön, nicht klein, dunkelhaarig und pummelig. Er wollte keine ernsthafte Frau.

Während vom dunklen Nachthimmel die ersten Schneeflocken fielen, fragte sich Becky, ob ihr Rückzug in die Cotswolds wirklich eine so gute Idee gewesen war.

Wenn nichts passiert, bin ich in zehn Jahren noch hier.Meine kleine Schwester macht sich Sorgen um mich. Ich bin zu einem bemitleidenswerten Geschöpf geworden, ohne es zu bemerken!

Das Haus musste repariert werden. In ein paar Monaten war sie arbeitslos.

Sie musste etwas in ihrem Leben ändern, die Sicherheit der Cotswolds verlassen und sich in irgendeiner Stadt unter junge Leute mischen.

Ich muss mich aufraffen und mich wieder verabreden.

Bei dem bloßen Gedanken daran wurde ihr schwindlig.

Plötzlich riss das laute Klingeln der Türglocke Becky aus ihren Gedanken. Ausnahmsweise machte es ihr diesmal nichts aus, dass jemand sie in ihrer kostbaren Freizeit störte, um Hilfe für sein krankes Tier zu holen. Ja, sie freute sich sogar darüber, von ihren trübsinnigen Gedanken abgelenkt zu werden. Schnell ging sie zur Tür und schnappte sich unterwegs ihre Arzttasche und eine dicke warme und wasserdichte Jacke. Bei diesem Wetter war warme Kleidung unbedingt erforderlich.

Becky zog die Wollmütze tief über die Ohren, steckte die Autoschlüssel in die Jackentasche, zog einen Stiefel an und öffnete gleichzeitig die Tür.

Sie hatte den Blick gesenkt, um ihre Arzttasche vom Boden hochzunehmen. Daher sah Becky zunächst nur die Schuhe des späten Besuchers. Einem Farmer gehörten die bestimmt nicht. Die Schuhe waren aus weichem, hellbraunem Leder gefertigt, das sich wegen des Schnees an den Rändern bereits dunkel färbte.

Dann betrachtete Becky die Hose des Mannes.

Teuer. Hellgrauer Wollstoff. Absolut unpraktisch. Ihr Blick wanderte weiter nach oben. Sie war sich gar nicht bewusst, dass sie ihren unerwarteten Besucher intensiv musterte. Ein teurer, schwarzer Kaschmirmantel, Knöpfe nicht geschlossen. Darunter ein eleganter Wollpullover, der einen Körper bedeckte, der so unverschämt männlich war, dass Becky einen Moment der Atem stockte.

„Sind Sie mit Ihrer Inspektion bald fertig? Ich werde hier draußen ja klatschnass.“

Becky blickte dem Fremden ins Gesicht und wurde urplötzlich von einem äußerst ungewohnten Gefühl erfasst. Ihr Mund fühlte sich staubtrocken an, und sie war schrecklich verlegen.

Dieser Mann sah so umwerfend aus, dass es Becky glatt die Sprache verschlug.

Schwarzes, etwas zu langes Haar. Ein absolut ebenmäßiges Gesicht, wie von einem Künstler in Stein gehauen. Silbergraue Augen, die von einem dichten Kranz langer schwarzer Wimpern umrahmt wurden. Der Mann starrte sie ebenfalls an.

Verlegen riss Becky sich zusammen. „Geben Sie mir zwei Sekunden“, sagte sie atemlos. Sie steckte den anderen Fuß in den zweiten Gummistiefel und überlegte, ob sie wohl ihre Handtasche benötigte. Wahrscheinlich nicht. Sie kannte den Mann nicht. Doch nach seiner Kleidung zu urteilen, war er sicher kein Schafzüchter.

Wahrscheinlich war er einer dieser reichen Stadtmenschen, die ein Wochenendhaus in dem malerischen Dorf besaßen. Sicher war er mit einigen ebenfalls für dieses Wetter nicht richtig angezogenen Freunden und deren Haustieren herausgefahren, und jetzt war eines dieser Tiere in Schwierigkeiten.

Das geschah immer wieder. Diesen Leuten schien nicht klar zu sein, dass ihre an Federbetten und Hundesalons gewöhnten Katzen und Hunde völlig aus dem Häuschen gerieten, sobald sie mit der echten Natur in Berührung kamen.

Wenn die kleinen verwöhnten Lieblinge dann humpelnd und blutend nach Hause fanden, hatten ihre Besitzer keine Ahnung, wie sie ihnen helfen sollten. Becky wusste nicht mehr, wie oft sie schon völlig aufgelösten Tierhaltern hatte helfen müssen, deren Liebling einfach nur einen Schnitt an der Pfote hatte.

Fairerweise musste Becky zugeben, dass dieser Mann nicht so aussah, als würde er aus einer Kleinigkeit ein Drama machen. Zumindest nicht, wenn man von dem kühlen ungeduldigen Blick seiner silbergrauen Augen ausging, mit denen er sie abschätzend musterte. Aber wer weiß?

„Okay!“ Sie trat einen Schritt zurück, um etwas Abstand zwischen sich und diesen verwirrenden Mann zu bringen. Aus dem leichten Schneefall war inzwischen ein Schneesturm geworden. „Wenn wir nicht binnen fünf Sekunden losfahren, wird der Rückweg äußerst schwierig werden. Wo steht Ihr Wagen? Ich folge Ihnen.“

„Sie wollen mir folgen? Warum sollten Sie das tun?“

Seine Stimme passt zu seinem Gesicht, dachte Becky verwirrt. Tief, verführerisch, und sehr, sehr beunruhigend.

„Wer sind Sie?“ Sie schaute ihn genauer an. Ihr Herz schlug plötzlich schneller. Der Mann überragte sie um Längen.

„Ah, Sie wollen meinen Namen wissen. Das ist wenigstens ein Fortschritt. Bitten Sie mich einfach herein. Dann können wir ganz in Ruhe miteinander reden.“

Theo Rushing hatte seinen Wagen die letzten viereinhalb Stunden im zweiten Gang durch lächerlich enge Straßen gelenkt. Währenddessen hatte sich das Wetter immer mehr verschlechtert. Wieso bin ich bloß auf die glorreiche Idee gekommen, mich selbst in den Wagen zu setzen und die Mission zu erfüllen, statt die Aufgabe einem meiner Mitarbeiter zu überlassen? hatte er sich gerügt.

Aber er wusste, warum. Bei dieser Reise ging es um etwas Persönliches. Das wollte er keinem Angestellten übertragen. Was er wollte, war eigentlich ganz einfach. Das Cottage kaufen, in das er immer noch nicht hineingebeten wurde.

Theo hatte erwartet, das Haus ohne große Mühe erwerben zu können. Schließlich war er vermögend. Soweit er informiert war, gehörte dieses Cottage – tief im Herzen der Cotswolds gelegen und weit von jeglicher Zivilisation entfernt – immer noch demselben Ehepaar, welches es damals gekauft hatte. Allein das grenzte in seinen Augen schon an ein Wunder. Wie lange konnte eine Familie es an einem Ort aushalten, an dem man nichts als Landschaft zu sehen bekam und wo die einzige Freizeitbeschäftigung darin bestand, über freies Feld zu wandern? Ihm kam das gerade recht, denn besagtes Ehepaar würde es sicher vorziehen, seinen Ruhestand an einem weniger entlegenen Ort zu verbringen.

Lediglich über den Preis würde man verhandeln müssen.

Theo wollte das Cottage unbedingt. Es war das Einzige, was seiner Mutter wieder etwas Lebensmut geben würde.

Für Theos Mutter dagegen hatte der Wiedererwerb des Cottage nicht die höchste Priorität. Sie wollte ihren Sohn endlich verheiratet sehen. Dieses Ziel verfolgte sie seit ihrem Herzinfarkt vor sieben Monaten mit noch größerer Energie.

Doch das würde nie geschehen. Theo hatte aus nächster Nähe beobachten können, wie zerstörerisch Liebe sein kann. Er hatte gesehen, wie seine Mutter sich mehr und mehr aus dem Leben zurückzog, seit sein Vater plötzlich und völlig unerwartet gestorben war. Theo war damals erst sieben Jahre alt. Seine Eltern waren voller Energie gewesen und hatten sich auf die Zukunft mit ihrem einzigen Sohn gefreut. Wäre die Liebe zwischen ihnen nicht so groß gewesen, dann hätte seine Mutter in den folgenden Jahrzehnten nicht so sehr unter dem Verlust gelitten. Davon war Theo überzeugt.

Auf den Zauber und die Macht der Liebe konnte er daher gern verzichten. Diese Tatsache wollte seine Mutter aber nicht wahrhaben. Theo hatte es inzwischen aufgegeben, sie von seiner Meinung überzeugen zu wollen. Wenn sie an ihren unrealistischen Träumen festhalten wollte, dass auch ihm eines Tages die perfekte Frau über den Weg liefe, dann sollte sie es eben tun. Seither verzichtete er darauf, ihr die nicht so perfekten Frauen in seinem Leben vorzustellen, die in den Augen seiner Mutter sowieso nie eine Chance gehabt hätten.

Blieb also nur noch das Cottage.

„Lavender Cottage“, das erste gemeinsame Haus seiner Eltern. Der Ort, an dem er gezeugt worden war. Das Haus, aus dem seine Mutter geflohen war, nachdem der Vater tödlich verunglückt war. Nebel … Der Lastwagenfahrer fuhr viel zu schnell … Theos Vater hatte auf dem Fahrrad keine Überlebenschance.

Marita Rushing hatte sich von diesem Schicksalsschlag nie erholt. Kein anderer Mann hatte je den Platz seines perfekten Vaters einnehmen können. Marita war immer noch eine schöne Frau. Doch wenn man sie anschaute, sah man nicht die großen dunklen Augen oder das schimmernde schwarze Haar – man sah nur ihre Traurigkeit. Sie lebte ein Leben in der Erinnerung.

Nun wollte sie an den Ort zurückkehren, der diese Erinnerungen beherbergte. Sie dachte immer mehr über ihr Leben nach, eine Folge des Herzinfarkts. Sie wollte endlich mit der Vergangenheit abschließen. Theo begriff, dass die Rückkehr in das Cottage ein wesentlicher Bestandteil dieser Vergangenheitsbewältigung war.

Die letzten sechs Wochen hatte seine Mutter in Italien bei ihrer Schwester verbracht. Hatte sie zuvor viel über das Cottage gesprochen und über ihren Wunsch, dort ihren Lebensabend zu verbringen, so machte sie jetzt unheilvolle Andeutungen dahingehend, dass sie ganz nach Italien ziehen und England für immer den Rücken kehren werde.

„Du bist ja immer auf Reisen“, hatte sie sich vor ein paar Wochen beschwert. Das konnte Theo nicht bestreiten. „Und wenn du da bist, dann kommst du deine alte Mutter, nur aus Pflichtgefühl besuchen. Warum soll ich dann in London bleiben, Theo? Wenn ich in Afrika lebte, würde ich dich genauso oft zu Gesicht bekommen wie jetzt.“

Theo liebte seine Mutter, aber eine Ehefrau oder gar Kinder kamen in seinem Lebensplan nicht vor.

Wäre er davon überzeugt gewesen, dass sie in Italien glücklich wäre, dann hätte er sie ermutigt, in der Villa zu bleiben, die er ihr vor sechs Jahren gekauft hatte. Aber das Haus war zu weit von dem kleinen Dorf entfernt, in dem seine Mutter aufgewachsen war und wo ihre Schwester jetzt lebte. Seine Mutter blieb immer nur zwei Wochen dort und kehrte dann nach London zurück, glücklich wieder daheim zu sein und voller Geschichten über ihre Schwester Flora und deren schreckliche Rechthaberei.

Im Moment erholte sich Theos Mutter gerade von ihrem Herzinfarkt. Daher kümmerte sich Flora liebevoll um sie. Sollte seine Mutter aber beschließen, für immer dort zu bleiben, dann würde Flora sich schnell wieder in die rechthaberische große Schwester verwandeln und seiner Mutter den letzten Nerv rauben.

„Warum ziehen Sie sich an?“, fragte Theo die jetzige Bewohnerin des Cottage amüsiert. Sie war klein und etwas rundlich. Dennoch verwirrten ihn die reine Klarheit ihrer türkisfarbenen Augen und ihre makellose Haut. Muss an der gesunden Lebensweise liegen, dachte er zerstreut und schaute sie an. „Und Sie haben mir immer noch nicht Ihren Namen verraten.“

„Ich glaube, jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um Nettigkeiten auszutauschen.“ Becky blinzelte verwirrt, riss sich dann aber zusammen. Dies war nur ein armer Tourist, der ihre Dienste benötigte. In dem kleinen Flur wurde es zunehmend kälter. Der Schnee fiel in immer dichteren Flocken vom Himmel. „Ich komme mit Ihnen, aber dann müssen Sie mich wieder nach Hause fahren.“ Sie ging an ihm vorbei nach draußen auf die mit Kies bestreute Einfahrt und schaute ungläubig auf den knallroten Ferrari, der in einem merkwürdigen Winkel in ihrer Einfahrt geparkt war. Es sah so aus, als hätte der Fahrer im letzten Augenblick die Kurve gekriegt und wäre mit quietschenden Reifen zum Stehen gekommen. „Sagen Sie bloß nicht, Sie sind mit diesem Ding da gekommen!“

Theo drehte sich um. Die junge Frau war wie eine Rakete an ihm vorbeigeschossen. Nun stand sie da, die Hände in die Hüften gestemmt, und starrte ihn an. Die Wollmütze bedeckte fast ihre Augen.

Was ist hier eigentlich los? fragte sich Theo. Ich sollte noch einmal von vorne beginnen. Irgendwie scheine ich ein paar wichtige Details verpasst zu haben.

„Wie bitte?“ Mehr fiel ihm nicht ein. Ausgerechnet ihm, der sonst nie nach Worten suchen musste, dessen Blick Bände sprach und der mit den richtigen Worten auch die schwierigsten Verhandlungen erfolgreich zum Abschluss brachte.

„Sind Sie vollkommen verrückt geworden?“ Innerlich seufzte Becky erleichtert auf. In der Rolle der missbilligenden, verärgerten Tierärztin, die in diesen schlechten Wetterbedingungen um ihre eigene Sicherheit besorgt war, fühlte sie sich viel wohler. Langsam verlor sie die Geduld mit diesem reichen arroganten Kerl, der keine Ahnung von den Cotswolds hatte. „Ich werde auf keinen Fall mit Ihnen in dieses Ding steigen! Ich kann nicht fassen, dass Sie damit hier herausgefahren sind, um mich zu holen! Habt ihr Stadtmenschen denn überhaupt keine Ahnung? Jedes Kind weiß doch, dass man auf diesen unbefestigten Straßen mit so einem albernen kleinen Auto sein Leben riskiert!“

„Albernes kleines Auto?“

„Ich finde die Straßenverhältnisse hier schon schwierig, und ich fahre einen vernünftigen Wagen!“

„Das alberne kleine Auto ist ein Ferrari der Spitzenklasse und hat mehr gekostet, als Sie wahrscheinlich im Jahr verdienen!“ Frustriert fuhr Theo sich mit den Händen durchs Haar. „Ich habe wirklich keine Ahnung, warum wir mitten in einem Schneesturm hier draußen stehen und über Autos diskutieren!“

„Und wie sollen wir zu Ihrem Haustier gelangen, wenn wir nicht fahren? Oder haben Sie hier vielleicht irgendwo einen Helikopter versteckt?“

„Haustier? Welches Haustier?“

„Ihre Katze!“

„Ich habe keine Katze! Warum sollte ich eine Katze haben oder ein anderes Tier? Wie kommen Sie darauf?“

„Sie wollten mich also nicht holen, damit ich mich um Ihr verletztes Tier kümmere?“

„Sie sind Tierärztin?“ Die abgewetzte Tasche, die unzähligen Schichten warmer Kleidung, die Gummistiefel, um durch den Matsch zu waten. Jetzt ergab das alles einen Sinn.

Theo war gekommen, um sich das Cottage anzusehen, seine Ansprüche anzumelden und in Erfahrung zu bringen, wie viel das Cottage wert war. Er wollte möglichst wenig dafür zahlen. Seine Mutter hatte damals das Haus so schnell wie möglich verlassen wollen und das erstbeste Angebot angenommen. Theo wollte feststellen, welche Reparaturen erforderlich waren, und dann ebenfalls ein möglichst niedriges erstes Angebot machen.

„Das ist richtig. Aber wenn Sie kein Tier haben und meine Dienste nicht benötigen, warum sind Sie dann überhaupt hier?“

„Das ist lächerlich. Es ist eiskalt hier draußen. Ich weigere mich, die Unterhaltung in dieser Kälte fortzuführen.“