Zeitreise nach Hermannstadt - Robert Peter Binder - E-Book

Zeitreise nach Hermannstadt E-Book

Robert Peter Binder

0,0

Beschreibung

Um bestimmte ungewöhnliche Phänomene, Zufälle, Träume und Ereignisse, die ich Jahrzehnte lang nicht beachtet, ignoriert oder verdrängt hatte, um die Folgen ihrer Nichtbeachtung sowie die Auswirkungen auf mein Leben zu verstehen, begann ich mit der Aufarbeitung meines Lebens, ganz besonders der Kindheit und Jugend. Weil der zeitliche Abstand zu groß war, ich aber die Details und Gefühle, in bestimmten Situationen, wieder erleben wollte, benutze ich dazu nicht den Weg der einfachen Erinnerung, sondern die sehr früh erlernte Fähigkeit der Selbsthypnose und mich in Trance zu versetzen. In dieser Form erreiche ich bestimmte Stationen meines Lebens, teilweise auch tief in meinem Unterbewusstsein schlummernde Ereignisse, viel weiter in der Vergangenheit bzw. auf einer anderen Wahrnehmungsebene. Einige von euch kennen das vielleicht. Bei den meisten >normal/rational< denkenden Menschen oder sogenannten >Moralisten< werden bestimmte Erlebnisse, Ereignisse und Zufälle, nur ein unverständliches Kopfschütteln auslösen. Dieses Risiko werde ich eingehen. Es gibt aber auch die, die sich selbst auch schon die Frage gestellt haben: Kann das alles nur Zufall sein?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 199

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Der Autor

Auf der Suche nach sich selbst, unternimmt er im hohen Alter, ein paar „Zeitreisen“ nach Hermannstadt, wo all seine Freiheitsträume anfingen und erlebt die ersten 19 Jahre seines Lebens, in einer ungewöhnlichen Form, wieder.

*

Kurz nach dem 2. Weltkrieg in Transsilvanien geboren (auch Siebenbürgen genannt), erlebte er den aufblühenden Kommunismus in Hermannstadt, wo er seine Kindheit und Jugend, in einem deutschen Umfeld, verbrachte.

Mit 19 Jahren verließ er Hermannstadt fluchtartig. Auf der Suche nach einem neuen Weg in die Freiheit, verbrachte er zunächst mehrere Jahre an der Schwarzmeerküste und in Bukarest, seinem letzten Wohnort im Kommunismus.

9 Jahre später musste er das Land als Dissident und Staatenloser verlassen. Er lebte für den Rest seines Lebens im Kapitalismus, in der „Freiheit“, in Deutschland, der Heimat seiner Urahnen. Sein Jugendtraum, die Welt kennenzulernen, ging in Erfüllung. Als Reise-Profi lernte er Länder, Sitten, Kulturen und fast alle Gesellschaftsformen kennen.

Die wahre Freiheit hat er allerdings nirgendwo gefunden. Er erkannte, dass es keine wirkliche Freiheit geben kann, solange uns Grenzen aller Art trennen, es Krisen, Armut und Kriege auf dieser Welt gibt. Vor allem nicht solange „Demokratie“ und „Freiheit“ falsch verstanden, schamlos ausgenutzt und vergewaltigt werden können.

Der „Große Ring“ von Hermannstadt in den 1960er Jahren. (s. Pfeil: Meine letzte Wohnung 1969)

Der Eingang zum Innenhof 2021– hier ist die Zeit stehen geblieben - mitten im Stadtzentrum

Ich zitiere einen genialen Menschen:

„Die Quantenmechanik ist sehr achtunggebietend. Aber eine innere Stimme sagt mir, dass das noch nicht der wahre Jakob ist. Die Theorie liefert viel, aber dem Geheimnis des Alten bringt sie uns kaum näher. Jedenfalls bin ich überzeugt, dass der Alte nicht würfelt.“

(Albert Einstein)

Präludium

Dieses Buch ist der zeitliche Vorläufer meines ersten Buches „Weg in die Freiheit“. Um den Inhalt und den Sinn dieses Buches besser zu verstehen, ist es vielleicht hilfreich, ein paar Abschnitte aus dem Vorwort des ersten Buches (ab Seite 171) zu lesen.

*

Viele werden sich fragen warum ich auch dieses Buch mit einem Zitat von Albert Einstein beginne, das sich auf seine Einstellung zur Wissenschaft, den Naturgesetzen und zu Gott, bezieht. Das hat einen guten Grund, denn er ist einer der wenigen Großen der Menschheit, die Wissenschaft und Physik nicht vollkommen von der Metaphysik getrennt haben, in der Begriffe wie Bewusstsein, Geist, Seele, Universum, Göttlichkeit und Transzendenz, diskutiert werden.

Metaphysik ist zwar ein philosophischer Bereich, der sich aber mit grundlegenden Fragen der Existenz, Realität und dem Wesen der Welt befasst, die über die rein materielle und empirische Betrachtung hinausgehen. Es ist ein Bereich, der sich mit Fragen nach dem Sein, der Natur der Wirklichkeit, dem Verhältnis von Geist und Materie, dem Sinn des Lebens und anderen transzendentalen oder nicht-empirischen Themen, beschäftigt.

Um dieses Buch zu verstehen brauchen wir auch eine Portion Vorstellungskraft, Glauben und Verständnis für das Ungewöhnliche und in das „Geheimnis des Alten, der nicht würfelt…“

***

Inhaltsverzeichnis

Der Autor

Präludium

Vorwort

Zunächst ein Erlebnis auf dem Sinai

Am Anfang war der Gedanke

Die (Wieder)Geburt

Der Priester - mein Mentor

Alles kommt von Innen

Du musst Spuren hinterlassen

Im Hexenhaus

Gregor’s Leiden

Maggi, mit Leib und Seele

Mein eigener Weg

Die Vorstellung

Die Begierde

Das 5. Rad…

Der Staudamm und mein Albtraum

Maggi war bereit

Zeichne Demut

Selbstüberschätzung

Der „Junge Wald“

Die Versuchungen

Veronika – die Überraschung

Die Verführung

Das Stroh-Nest an der Quelle

Die Verdrängung

Die Verarbeitung

Der Römische Kaiser

Der Plan meiner Hexe

Ein Traum wurde wahr

Der Abschied

Der nächste Fehler

Der Besuch des Priesters

Die nächste Flucht

Zurück in meiner „Festung“

Erinnerungen an meinen Mentor

Vorwort aus dem 1. Buch

Vorwort

Zeitreisen nach Hermannstadt

Die ersten neunzehn Jahre

Die Ereignisse aus dem ersten Buch „Weg in die Freiheit“ waren, nach über fünfzig Jahren, ziemlich kohärent in meinen Erinnerungen, aber nicht mehr die ersten neunzehn Jahre meines Lebens. Diese Bilder waren sehr verschwommen und grau oder vollkommen weggelöscht.

Ich wusste aber ganz genau, dass es die Jahre waren, die mein Leben geprägt hatten, denen ich es verdanke, wie ich bin, wie mein gesamtes Leben verlaufen ist. Dabei spielt es keine Rolle, wie ich mein Leben beurteile oder wie ich mich einschätze und bewerte. Alles verlief nach dem Plan des „Alten“. In dem bin ich sowohl gut, als auch böse…

Wahrscheinlich waren es aber die schönsten Jahre meines Lebens. Trotzdem hatte ich diese Jahre so gut, wie vollständig aus meiner Erinnerung verdrängt. Heute weiß ich, dass es ein Fehler war. Es geschah unter dem Vorwand die Freiheit zu suchen. Es war aber eine Flucht vor mir selbst.

*

Um bestimmte ungewöhnliche Phänomene, Zufälle, Träume und Ereignisse, besonders die aus der Kindheit und Jugend, die ich Jahrzehnte lang nicht beachtet, ignoriert oder verdrängt hatte, besser zu verstehen sowie die Folgen ihrer Nichtbeachtung und die Auswirkungen auf mein Leben, begann ich mit der Aufarbeitung meines Lebens, ganz besonders der Kindheit und Jugend.

Es gehörte zu meiner Selbsttherapie und dafür brauchte ich alle Puzzleteile, die in meinem Gesamtbild fehlten.

Weil der zeitliche Abstand zu groß war, ich aber die Details und Gefühle in bestimmten Situationen wiedererleben wollte, benutze ich dazu nicht den Weg der einfachen Erinnerung, sondern die sehr früh erlernte Fähigkeit der Selbsthypnose und mich in Trance zu versetzen.

In dieser Form erreiche ich bestimmte Stationen meines Lebens, teilweise auch tief in meinem Unterbewusstsein schlummernde Ereignisse, viel weiter in der Vergangenheit bzw. auf einer anderen Wahrnehmungsebene. Einige von euch kennen das vielleicht.

Bei den meisten „normal/rational“ denkenden Menschen oder sogenannten „Moralisten“ werden bestimmte Erlebnisse, Ereignisse und Zufälle, nur ein unverständliches Kopfschütteln auslösen. Dieses Risiko werde ich eingehen.

Es gibt aber auch die, die sich die Frage selbst schon gestellt haben: Kann das alles nur Zufall sein?

*

Bereits als Kleinkind hatte ich das unglaubliche Glück einen Menschen in meiner Nähe zu haben, der mein Mentor und Lehrer wurde. Er brachte mir bei, dass jeder Mensch eine innere Stimme hat und es gut sei, sich mit ihr anzufreunden. Sie sei so etwas wie unser Gewissen, Schiedsrichter, Berater und Mahner zugleich.

Nach meiner Flucht aus Hermannstadt, ignorierte ich mehrere Jahrzehnte diese innere Stimme (den Mahner), und suchte andere Lösungen, als ich dachte ein „normaler“ Mensch geworden zu sein.

Erst als ich dabei war mich und mein Leben zu verspielen (weil ich „rational“ wurde), mein Körper und Geist verrückt spielten, erst zu jenem Zeitpunkt versuchte ich den Kontakt zu meiner inneren Stimme wiederherzustellen und begann meine Erinnerungsreisen. Ich nenne sie auch sehr gerne „Zeitreisen“, weil ich die Ereignisse oft in tiefer Trace wiedererlebe. Für mich haben sie allerdings einen gewissen Realitätscharakter.

*

Die ersten neunzehn Lebensjahre hatte ich (situationsbedingt) verdrängt und fast alles vergessen, in der Annahme ich könnte meinem Leben eine andere Richtung geben, losgelöst von dem Umfeld und von den Menschen, die mich in diesen Jahren begleitet hatten. Der Hauptgrund dafür waren bestimmte Ereignisse, Phänomene und Träume, die ich mir selbst nicht erklären konnte. Ich hatte zu viele Menschen verletzt oder ihnen Leid zugefügt.

Ich hatte Angst vor mir selbst und erkannte, dass ich irgendwie anders war als die Leute in meinem Umfeld. Ich selbst sah mich aber als Durchschnitt und hatte auch ein paar Probleme mit mir selbst. Solche, über die man nicht sprechen möchte, die man verdrängt oder versucht sie zu vergessen. Wer kennt das nicht?

Durch eine Flucht dachte ich mich befreien zu können, denn ich wollte nicht „anders” sein oder anders wahrgenommen zu werden.

Natürlich erkannte ich sehr schnell, dass man flüchten, fliehen, sich entfernen oder davonlaufen kann – aber nicht vor sich selbst. Unseren Schatten sehen wir nur im Dunkeln nicht oder wir schließen die Augen. Wir können auch nicht über unseren Schatten springen, wenn wir im Licht leben wollen. Also müssen wir uns selbst, mit allen Schattenseiten, so annehmen wie wir sind.

*

Viele der Ereignisse aus meinem ersten Buch „Weg in die Freiheit“ haben ihren Ursprung und eine Erklärung in den Erzählungen aus diesem Buch, denn meine Kindheit und Jugend hatte einen direkten Einfluss auf meinen gesamten Lebensweg. Nichts war zufällig. Aus diesem Grund begann ich meine „Zeitreisen“ nachdem ich das erste Buch geschrieben hatte.

*

Nicht alles, was sich hier glaubhaft anhört, muss wahr sein. Genauso gilt auch, dass nicht alles, was sich nicht glaubhaft anhört, unwahr sein muss. Wahr oder unwahr ist nur eine innere Einstellung, die durch unsere Fähigkeit zu Glauben legitimiert wird. Dies ist aber ein Buch, und keine Beichte. Und unser Leben ist und bleibt WAHR, egal wie es verläuft, denn für uns gibt es keine andere Wahrheit…

Zunächst ein Erlebnis auf dem Sinai

Diese Geschichte beschreibt ein Ereignis auf dem Sinai, und war eines der Schlüsselerlebnisse, die dazu geführt haben, dass ich beschloss zu schreiben.

Vielleicht trägt sie dazu bei, die weiteren Erzählungen und die Zusammenhänge, besser zu verstehen.

Die letzten Jahre vor diesem Erlebnis waren geprägt von dramatischen Ereignissen, vor allem in meinem direkten Umfeld, auf die ich hier nicht eingehen möchte. Ich zeigte nach außen Stärke und Ausgeglichenheit, denn ich wollte die Betroffenen nicht zusätzlich belasten. Aber mir ging es dadurch immer schlechter.

Mein Körper baute immer mehr ab. In solchen Situationen suchte ich, so oft es mir möglich war, den Abstand und eine gewisse Form der Flucht vor dem Alltag.

Am 31.10.2001 flog ich also, von einem inneren Gefühl geführt, nach Sharm el Sheikh, auf der Sinai-Halbinsel.

Ich war schon öfter in Ägypten und auf der Sinai Halbinsel, aber ich hatte noch keine Gelegenheit das Katharinenkloster zu besuchen. Das war aber bei dieser Reise mein festes Ziel. An der Naama Bay hatte ich ein Hotel gebucht und erkundigte mich noch am gleichen Tag, wie ich zum Katharinenkloster fahren könnte.

„Morgen fährt ein Bus mit mehreren Hotelgästen hin. Sie können gleich buchen. Abfahrt ist um 8:00 Uhr“.

Das tat ich auch, und begab mich auf mein Zimmer. Mir ging es sehr schlecht.

Seit einigen Tagen hatte ich starke Unterleibsschmerzen. Ich stellte fest, dass ich ganz tief, am Gliedansatz, einen Abszess hatte. Schon während des Fluges wurden die Schmerzen immer unerträglicher und die entzündete Stelle war stark angeschwollen. Ich ging sofort ins Bad und erschrak als ich die Schwellung sah, so groß wie ein Apfel.

Ich wusste, dass die Entzündung bald platzen musste, denn die Haut war gespannt, gelb verfärbt, mit rotem Rand. Ich überlegte, was ich tun könnte, wenn es soweit sein wird. Ich hatte nur zwei Mullbinden, Tempos, ein Fläschchen Teebaumöl und eine Flasche Whisky, die ich vom Hoteldirektor, der mich kannte, als Willkommen-Geschenk bekommen hatte. An einen Arzt dachte ich gar nicht. Schon gar nicht hier in Ägypten.

Mit einem Handtuch, das ich anfeuchtete machte ich mir eine Kompresse und legte mich auf das Bett. Die Schmerzen wurden stärker und stärker, ich war einer Ohnmacht nahe. Mit letzter Kraft begab ich mich in einen Trance-Zustand, um alle Schmerzen zu verdrängen.

Als ich wach wurde, war es kurz vor Mitternacht. Die Entzündung war aufgeplatzt und der Schmerz war erträglicher. Das Handtuch war getränkt von dem blutigen Eiter, der aus der Wunde floss.

Ich ging ins Bad und wollte mich abwaschen. ‚Nicht mit Wasser´ meldete sich meine innere Stimme nach Jahrzehnten wieder. ‚Erst auspressen, dann nimmst du den Whisky und wäscht die Wunde gründlich aus’.

Ohne lange nachzudenken tat ich das. Es brannte furchtbar, aber mir war bewusst, dass ich es tun musste. In das Loch, das danach entstand, konnte ich den Finger hineinstecken, was ich mit der in Whisky getränkten, um den Finger gewickelten Mullbinde auch tat.

Eine neue Ohnmacht drohte mich zu überwältigen. Ich legte mich wieder aufs Bett. Die Binde und ein Handtuch hielt ich auf den Bauch gepresst und schlief wieder ein. Als ich wach wurde, war es kurz vor sieben Uhr. Die Wunde brannte noch, aber ich konnte den Schmerz ertragen. Bevor ich mich anzog tupfte ich die Wunde mit einem Wattestäbchen, das ich mit Teebaumöl getränkt hatte ab. Es brannte furchtbar, aber ich glaubte daran, dass es helfen würde.

Viertel vor acht Uhr war ich in der Hotellobby, setzte mich in einen Sessel, und wartete. Wenige Minuten später setzte sich eine Frau in einen benachbarten Sessel.

„Guten Morgen. Warten Sie auch auf den Bus zum Katharinenkloster?“

Ich muss die Frau völlig geistesabwesend angesehen haben, denn sie fragte besorgt:

„Geht es ihnen nicht gut?“

„Doch, mir geht es gut, ich bin nur noch etwas müde, ich habe nicht besonders gut geschlafen. Ja, ich fahre zum Katharinenkloster, um auch ihre erste Frage zu beantworten“.

Sie sah mich etwas ungläubig an, sagte aber nichts mehr. Im Bus setzte ich mich auf einen Fensterplatz, stütze meinen Kopf an die Fensterscheibe, und schloss die Augen.

„Darf ich mich zu ihnen setzen?“

Es war die gleiche Frau aus der Hotellobby.

„Ja, sicher“, sagte ich, und schloss die Augen wieder, in der Hoffnung, dass sie mich nicht mit weiteren Fragen festnagelt.

Mittelgroß, gepflegt, nett gekleidet, dunkle, schulterlange Haare, dunkelbraune, expressive Augen, buschige Augenbrauen, recht breite Stirn, gerade Nase, sinnliche Lippen und eine angenehme Stimme. Sie musste etwa 35 Jahre alt sein. Das war meine Analyse.

Während ich mir diese Gedanken machte, spürte ich, dass sie mich ebenfalls betrachtete. Ich drehte den Kopf zu ihr und öffnete die Augen. Wir sahen uns einige Augenblicke in die Augen, dann reichte sie mir lächelnd die Hand, und sagte:

„Mein Name ist Margarita.”

„Ich bin Robert.”

„Ich bin Orthodoxin, das ist auch der Grund warum ich das Katharinenkloster besuche. Ich glaube, dass ich meiner Seele etwas Gutes tun kann. Glauben Sie auch daran?”

Ich überlegte kurz:

„Die Seele ist frei und losgelöst von allen menschlichen Schwächen, Trieben, Bedürfnissen, und sie ist nicht zweigeteilt, wie wir Menschen, sie ist etwas Göttliches in uns. Sie kennt weder gut noch böse. Ich glaube es ist ihr ziemlich egal wo wir uns gerade befinden.”

Ich versuchte mich wieder gemütlich in meinen Sessel zurückzulehnen und auszuruhen. Margarita hatte das offensichtlich verstanden, denn sie tat das Gleiche.

Der Bus war inzwischen näher an die Berglandschaft des Sinai Gebirges herangefahren.

Aus der Ferne sah man die beiden Gipfel, die alle anderen überragten, den Sinai-und den Moses-Berg. Die Fahrt durch diese einmalige Berglandschaft, aus rot-braunem Sandstein, mit bizarren Formen, versetzt jeden Besucher in größtes Staunen über die Wunderwerke der Natur. Nur wenige Orte dieser Welt, können mit dieser faszinierenden Landschaft mithalten. Man fühlt sich auf einen anderen Planeten versetzt, so unglaublich fremd sind die Bilder, die man zu sehen bekommt.

Völlig geistesabwesend und in meinen Gedanken vertieft, fühlte ich mich Tausende von Jahren zurückversetzt, und saß irgendwo alleine zwischen diesen Bergen, auf einem Felsen, und sah in ein kleines Tal hinab.

Kaum wahrnehmbar, hörte ich Margarita, die mit mir griechisch sprach. Sie erzählte mir die Geschichte der Heiligen Katharina und die Zusammenhänge mit dem Katharinenkloster, die Geschichte von der Gründung des Klosters, und warum dieses Kloster bis heute von griechischen Mönchen geleitet wird. Dann die Geschichte von Moses, vom brennenden Dornenbusch, und vieles mehr.

Ich muss dauernd genickt und aufmerksam zugehört haben, denn sie freute sich darüber, dass ich so gut Griechisch verstehen konnte. Als sie fertig war, sagte ich ihr, dass ich eigentlich nur einige Brocken griechisch verstehe.

Sie lachte herzhaft: „Das ist doch ein Witz, Sie haben mir jede Menge Fragen gestellt“.

Mir war das nicht bewusst, also war ich doch in einer Form von Trance, als ich ihr zuhörte. Ich konnte mich an nichts erinnern. Irgendwann im Leben, hatte ich versucht selbstdidaktisch, neben anderen Sprachen, auch Griechisch zu lernen, es aber nicht zur Vollendung geschafft.

Als wir nach einer mehrstündigen Fahrt und mehreren Kontrollen beim Kloster ankamen, war ich völlig erschöpft, müde und von Schmerzen geplagt. Es brannte wieder furchtbar und ich hatte Hunger, denn seit mehr als 36 Stunden hatte ich noch nichts gegessen.

Geistesabwesend schloss ich mich der Gruppe an. Ein junger Mönch zeigte uns die Einrichtungen und die Kapelle. Er erzählte auf Englisch, und voller Dramaturgie, die Geschichte des Klosters.

Margarita blieb immer in meiner Nähe, so als müsse sie mich beschützen. Nach der Besichtigung wurde eine Pause eingelegt und jeder konnte sich für eine Stunde mit sich selbst beschäftigen oder ‚Erinnerungen’ kaufen. Dieses Geschäft läuft auch hier.

Ich nutzte die Gelegenheit und kletterte auf einen steilen Felshügel, links vom Kloster. Woher ich die Kraft dazu nahm, weiß ich auch nicht mehr. Als ich oben ankam setzte ich mich auf einen größeren Felsbrocken und hatte einen herrlichen Blick auf das Kloster, den Klostergarten und die ganze Umgebung. Ich atmete tief durch und versuchte Müdigkeit, Schmerzen und Hunger zu vergessen.

Während ich noch mit meiner Atmung beschäftigt war, merkte ich, dass sich das Kloster, Menschen, Busse und alles andere auflösten. Es blieb an der Stelle, wo vorher das Kloster war nur noch eine verwüstete, felsige Berglandschaft zurück. Im Zeitraffer sah ich tausende von Bildern und mein eigenes Leben in unglaublicher Geschwindigkeit an mir vorbeiziehen, bis zu dieser Stelle, wo ich jetzt saß. Ich erinnerte mich, dieses Bild bereits auf der Fahrt hierher gesehen zu haben. Ich war mir sicher: Diesen Traum hatte ich schon als Kind. Und wieder war es Margarita, die mich in die Realität zurückholte. Sie hatte mich nicht aus den Augen gelassen, kletterte mir nach, und sagte keuchend:

„Robert, sie machen mir Sorgen, ihnen geht es nicht gut, das sehe ich“.

Sie setzte sich zu mir. Ich erzählte ihr mein Problem. Es hatte keinen Sinn sie weiter hin zu halten. Danach kletterten wir wieder zum Kloster zurück.

Die Rückfahrt habe ich kaum wahrgenommen, denn ich schlief gleich ein. Als wir im Hotel ankamen, war es schon dunkel. Margarita begleitete mich auf mein Zimmer, legte mich aufs Bett und ging wieder fort. Nach etwa zehn Minuten kam sie mit zwei Wasserflaschen und Verband zurück. Sie befahl mir: „Bitte ausziehen und ins Bad gehen! Ich muss dich abwaschen und verbindenȁ.

Ich folgte ihrem Befehl und zog mich aus. Ich stand nackt in der Badewanne. Mit einem Handtuch, das sie mit dem abgekochten Wasser aus den Flaschen tränkte, fing sie an mir den Bauch und die Wunde zu waschen. Ich war beeindruckt von ihrem Feingefühl. Anschließend legte sie mir einen Verband an.

Ich bekam einen furchtbaren Schüttelfrost. Margarita half mir wieder ins Bett. Sie deckte mich zu, und sagte: „Jetzt bleibst du ganz still liegen, ich werde mich zu dir legen und dafür sorgen, das es dir wieder besser geht“.

Noch während sie das sagte, fing sie an ihre Kleider auszuziehen. Mit halb geschlossenen Augen sah ich ihr zu. Als sie ausgezogen vor dem Bett stand, sah ich nicht mehr Margarita, die Griechin, ich sah Maggi. Aber Maggi war tot, schon seit 34 Jahren, das konnte sie nicht sein. Und doch sah ich Maggi.

Sie legte sich zu mir, drehte mich auf die linke Seite, legte ihren linken Oberschenkel zwischen meine Beine, den Bauch presste sie fest an meinen, umarmte mich fest und streichelte meinen Rücken. Ihr Körper war angenehm zart und warm. Ich fühlte mich wohl, behütet und umsorgt. Ich schlief in ihrer Umarmung schnell ein.

Am nächsten Morgen wurde ich wach und war alleine im Bett. Margarita war nicht mehr da. Mir ging es aber erstaunlich gut. Ich sah mir die Wunde an und konnte es nicht glauben, wie gut sie verheilt war. Schmerzen spürte ich auch keine mehr. Ich hatte einen Riesenhunger und beeilte mich, denn ich wollte Margarita wieder sehen.

An der Rezeption fragte ich nach Margarita. Es fiel mir ein, dass ich ihren Nachnamen gar nicht kannte. Also versuchte ich den Leuten zu erklären, dass sie gestern auf dem Ausflug zum Katharinenkloster dabei war, und ihr Vorname Margarita sei. Sie waren sehr hilfsbereit, durchsuchten alle Listen und fragten mich, ob das wirklich gestern war, denn sie konnten nichts finden.

Im Speisesaal hatte ich die Hoffnung sie anzutreffen, nahm ein üppiges, langes Frühstück zu mir und wartete bis alle Gäste fort waren.

In der riesigen Anlage suchte ich jede Ecke ab, ging zum Strand und wartete danach bis abends in der Lobby. Enttäuscht ging ich spät abends auf mein Zimmer. Was war geschehen? War das auch nur ein Traum? Ich fand aber die beiden Wasserflaschen und den Verband hatte ich immer noch, also konnte Margarita keine Halluzination gewesen sein. Sie war aber weg.

Am nächsten Tag reiste ich ab. Margarita war nicht mehr aufgetaucht. Ich hatte noch nicht einmal die Gelegenheit mich bei ihr zu bedanken.

*

Dieses Erlebnis auf dem Sinai, hat in mir den Wunsch geweckt, all die Menschen und Seelen, die ich in meinem Leben verloren hatte, wiederzusehen. Im Zeitraffer hatte ich sie gestern alle gesehen. Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht wie, aber ich wollte mich ab sofort damit beschäftigen.

***

Am Anfang war der Gedanke

Meine ersten sogenannten Zeitreisen begann ich im Jahre 2005 als ich anfing zu schreiben (also meine ersten Manuskripte verfasste). Ich habe sie, so gut es mir möglich war, nach Jahren chronologisch sortiert, allerdings nicht in dieser zeitlichen Abfolge erlebt. Sehr oft war eine Geschichte aus dem ersten Buch, die ich gerade schrieb, Auslöser für eine „Zeitwanderung“, um den Zusammenhang nachvollziehen zu können. Zum Beispiel Zufälle nach Jahrzehnten, mit Bezug zur Vergangenheit, die sehr schwer oder gar nicht zu erklären waren.

Leider begab ich mich zu oft in große Gefahr, weil meine Trancezustände immer unkontrollierbarer wurden.

Darunter hat mein Privatleben, die Beziehung zu meiner Familie, zu Freunden und Bekannten stark gelitten. Meine Ehe war fast unheilbar beschädigt. Sie hat aber irgendwie überlebt…

Erstaunlicherweise hat mein Berufsleben darunter nicht gelitten. Beruflich konnte ich mich halten und weiterentwickeln, so dass ich heute, als Rentner, dezent leben kann. Das ist schon fast paradox, und auch für mich ein kleines Wunder…

*

An dieser Stelle möchte ich auch etwas „Philosophisches“ zur Sprache bringen. Es ist meine persönliche Sichtweise gewisser Begriffe, Ereignisse und Phänomene, die unmöglich auf Zufälle zurückzuführen sind. Diese Erkenntnisse verdanke ich der Aussage: „Der Alte würfelt nicht“.

Dass sich Albert Einstein in seiner Arbeit sowohl mit physikalischen als auch mit metaphysischen Fragestellungen beschäftigt hat, ist bestimmt kein Zufall.

Obwohl er in erster Linie für seine Beiträge zur Physik bekannt ist, zeigte er auch Interesse an philosophischen und metaphysischen Themen, weil sie seine Vorstellungskraft mobilisierten. Sie führt uns manchmal in eine andere Dimension…

In der Metaphysik werden oft Begriffe, wie Bewusstsein, Geist, Seele, Universum, Göttlichkeit und Transzendenz diskutiert. Es gibt verschiedene Schulen und Ansätze innerhalb der Metaphysik, von denen einige auf religiösen, spirituellen oder esoterischen Traditionen beruhen, während andere eher analytisch und konzeptuell orientiert sind.

Natürlich sind metaphysische Ideen oft schwer zu beweisen oder zu widerlegen, da sie sich außerhalb des Bereichs einer empirischen Überprüfung befinden.

Metaphysische Überlegungen können jedoch wertvolle Perspektiven bieten, indem sie uns helfen, über die sichtbare Welt hinauszugehen und Fragen zu stellen, die unsere grundlegenden Annahmen und Vorstellungen herausfordern.

*

Jede der nachfolgenden Erzählungen, die ich so beschreibe wie ich sie wiedererlebt habe, ist auch eine gewisse Herausforderung an unsere Fähigkeit zu Glauben, und an unsere Vorstellungskraft. Aber um zu Glauben müssen wir Menschen bestimmte Sachen mit Hilfe unserer Sinne, auch „erfassen“ können. Das ist leider eine Grundbedingung unserer Ratio.

Aber ohne einen Glauben ist die Vorstellung nur ein Traum. Einstein muss also an irgendetwas geglaubt haben.

Die (Wieder)Geburt

Wir waren schon seit mehreren Stunden draußen beim Schlittenfahren. Eine unserer Nebenstraßen lag an einem langen Hang, sie hieß auch Berggasse, wohin alle Kinder aus unserem Viertel zum Schlitten fahren kamen.

Es schneite schon seit einigen Tagen, und der Schnee war ideal zum Schlittenfahren. Wir waren beide durchnässt und froren, aber es machte riesigen Spaß und ich wollte nicht mehr aufhören.

Letztendlich setzte sich Maggi durch, denn sie hatte die Verantwortung für mich übernommen. Sie zog mich den Berg hoch: „Komm, wir müssen Heim”, sagte Maggi. „Wir mussten, sobald es dunkel wird, zu Hause sein.“

„Ich möchte noch bleiben, lass uns noch ein einziges Mal hinunter fahren, bitte, bitte Maggi.”