Zimmer Nr. 10 - Åke Edwardson - E-Book

Zimmer Nr. 10 E-Book

Åke Edwardson

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Beschreibung

In einem verrufenen Hotel mitten in Göteborg findet die Polizei eine junge Frau, Paula: Sie wurde erhängt.Wenig später wird auch Paulas Mutter ermordet und für Kommissar Erik Winter rückt ein Indiz in den Mittelpunkt der Ermittlungen: Beide Leichen haben eine weißbemalte Hand. Als er einen Zusammenhang zu einem Verbrechen herstellt, das 20 Jahre zurückliegt, gerät Winter plötzlich selbst in Gefahr. Entdecken Sie auch das Hörbuch zu diesem Titel!

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Das Buch

Nach über zwanzig Jahren im Polizeidienst erlebt Erik Winter eine Krise. Wohin führt sein Leben? Wie sieht die Zukunft mit Angela aus? Winter ist entschlossen, eine Auszeit zu nehmen und alles zu überdenken. Doch dann geschieht ein Mord. In einem Göteborger Hotel wird eine junge Frau erhängt. Ihr Tod sieht wie ein Selbstmord aus, aber der Abschiedsbrief von Paula Ney enthält keinerlei Hinweise auf die Hintergründe. Wenig später findet man auch Paulas Mutter tot auf, und für Winter rückt ein Indiz in den Mittelpunkt der Ermittlungen: beide Leichen haben eine weißbemalte Hand. Winter erinnert sich an einen ungelösten Fall, der zwanzig Jahre zurückliegt. Die erfolglose Suche nach der vermissten Ellen Börge endete genau in jenem Hotelzimmer Nr. 10, in dem Paula Ney gefunden wurde. Als Erik Winter diesen alten Fall aufgreift, gerät er plötzlich selbst in das Visier des Mörders …

Der Autor

Åke Edwardson, Jahrgang 1953, lebt mit seiner Frau in Göteborg. Bevor er sich dem Schreiben von Romanen widmete, arbeitete er als Journalist u.a. im Nahen Osten, schrieb Sachbücher und unterrichtete an der Universität Creative Writing. Mit Zimmer Nr. 10 legt er den siebten Roman um Kommissar Erik Winter vor.

In unserem Hause sind von Åke Edwardson bereits folgendeErik-Winter-Krimis erschienen:

Tanz mit dem Engel (1. Fall) · Die Schattenfrau (2. Fall) Das vertauschte Gesicht (3. Fall) · In alle Ewigkeit (4. Fall) Der Himmel auf Erden (5. Fall) · Segel aus Stein (6. Fall) Zimmer Nr. 10 (7. Fall) · Rotes Meer (8. Fall) Toter Mann (9. Fall) · Der letzte Winter (10. Fall)

Außerdem:

Allem, was gestorben war · Geh aus, mein Herz Der Jukebox-Mann · Samuraisommer Winterland · Drachenmonat

Besuchen Sie uns im Internet:

www.ullstein-taschenbuch.de

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen,

wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung,

Speicherung oder Übertragung

können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Neuausgabe im Ullstein Taschenbuch

1. Auflage Januar 2012

© für die deutsche Ausgabe Ullstein Buchverlage GmbH,

Berlin 2006/claassen Verlag

© Åke Edwardson 2005

Titel der schwedischen Originalausgabe: Rum nummer10

(Norstedts Förlag, Stockholm)

Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Titelabbildung: © Arcangel/Plainpicture

Satz: Leingärtner, Nabburg

eBook-Konvertierung: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

Printed in Germany

eBook ISBN 978-3-8437-0293-5

Für meinen Vater, Karl-Erik

Herzlichen Dank an Kriminalkommissar Torbjörn Åhgren,der das Manuskript gelesen und wertvolle Hinweise gegeben hat,und genauso herzlichen Dank an KriminalkommissarLars Björklund für all seine Hilfe im Lauf der Jahre.

1

Die Frau zwinkerte mit dem rechten Auge. Einmal, zwei-, drei-, viermal. Kriminalkommissar Erik Winter schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, hatte das Zwinkern nicht aufgehört, es war wie ein spastisches Zucken, als führte es ein Eigenleben. Winter sah das Augustlicht, das sich in den Augen der Frau spiegelte. Die Sonne schickte ihre Strahlen durch das offene Fenster, und der Nachmittagsverkehr unten auf der Straße drang an sein Ohr; ein Auto fuhr vorbei, in der Ferne ratterte eine Straßenbahn, ein Seevogel schrie. Er hörte Schritte, die Absätze einer Frau auf dem Kopfsteinpflaster. Sie ging rasch, sie hatte ein Ziel.

Winter betrachtete wieder die Frau, den Fußboden unter ihr. Er war aus Holz. Ein Sonnenstrahl durchschnitt den Boden wie ein Laser. Er schien durch die Wand ins nächste Zimmer zu dringen, vielleicht durch alle Zimmer dieser Etage.

Die Augenlider der Frau bebten noch einige Male. Nehmt endlich die verdammten Elektroden weg. Wir wissen es jetzt. Er wandte den Blick von der Frau ab und sah, wie die Vorhänge am Fenster sich in einem leichten Luftzug bewegten. Der Wind trug die Gerüche der Stadt herein, nicht nur die Geräusche. Benzinduft, Ölparfüm. Der salzige Hauch des Meeres, er konnte ihn riechen. Plötzlich musste er an das Meer denken, an den Horizont und an das, was dahinter lag. An Reisen, er dachte ans Reisen. Jemand im Zimmer sagte etwas, aber Winter hörte es nicht. Er dachte immer noch an Reisen und daran, dass er sich nun auf eine Reise in das Leben dieser Frau begeben musste. Eine Reise in die Vergangenheit. Er sah sich wieder im Zimmer um. In diesem Zimmer.

*

Aus irgendeinem Grund war der Portier in ihr Zimmer gegangen, noch war unklar, warum.

Er war zu ihr gestürzt.

Und noch an Ort und Stelle hatte er von seinem Handy aus angerufen.

Die Zentrale des Landeskriminalamtes hatte einen Krankenwagen und einen Funkstreifenwagen zum Hotel geschickt. Der Streifenwagen war gegen die Fahrtrichtung in die Einbahnstraße eingebogen. In diesem alten Viertel südlich vom Hauptbahnhof waren alle Straßen Einbahnstraßen.

Der Portier hatte vor der offenen Zimmertür gewartet. Die beiden Polizeiinspektoren, ein Mann und eine Frau, warfen einen Blick auf den Körper. Und mit dünner Stimme hatte der Portier begonnen zu berichten. Dabei war sein Blick durchs Zimmer geschweift, als wäre er dort zu Hause. Die Polizistin, die das Kommando hatte, war rasch hineingegangen und hatte sich neben den Körper gekniet, der ausgestreckt auf dem Boden lag.

Die Schlinge um den Hals der Frau war immer noch festgezogen. Einen Meter von ihrem Kopf entfernt lag ein umgekippter Stuhl. In ihrem Gesicht, dem gebrochenen Blick war kein Leben. Die Polizistin hatte lange nach einem Puls gesucht, der nicht vorhanden war. Sie sah hoch und musterte die Balken, die sich unter der Decke kreuzten. Es sah merkwürdig aus, mittelalterlich. Das ganze Zimmer wirkte mittelalterlich, wie aus einer anderen Welt oder einem Film. Es war ein ordentliches Zimmer, abgesehen von dem umgekippten Stuhl. Jetzt hörte sie die Sirene des Krankenwagens durch das offene Fenster, zuerst entfernt und dann laut und brutal, als der Wagen auf der Straße bremste. Aber es war ein sinnloses Geräusch.

Wieder schaute sie in das Gesicht der Frau, die offenen Augen. Sie betrachtete den Strick, den Stuhl. Die Balken dort oben. Es war eine sehr hohe Decke.

»Ruf die Spurensicherung an«, sagte sie zu ihrem Kollegen.

Die Männer von der Spurensicherung waren gekommen. Winter war gekommen. Die Gerichtsmedizinerin war gekommen.

Jetzt entfernte die Ärztin die beiden Elektroden vom rechten Auge der Frau. Hier gab es nichts mehr, was sie heilen konnte, aber sie konnte feststellen, wie lange die Frau schon tot war. Je weniger weit der Todeszeitpunkt zurücklag, um so intensiver waren die Muskelkontraktionen. Der Todeszeitpunkt, dachte Winter wieder. Ein sonderbares Wort. Und eine sonderbare Methode.

Die Gerichtsmedizinerin sah Winter an. Sie hieß Pia Fröberg. Seit fast zehn Jahren arbeiteten sie zusammen, aber Winter kam es manchmal doppelt so lange vor. Vielleicht lag das an den Verbrechen. An was auch immer.

»Sechs bis acht Stunden«, sagte Pia Fröberg.

Winter nickte. Er warf einen Blick auf die Armbanduhr. Es war Viertel vor elf. Die Frau war am frühen Morgen gestorben oder in der späten Nacht, wie man wollte. Draußen war es dunkel gewesen.

Er schaute sich im Zimmer um. Die drei von der Spurensicherung beschäftigten sich mit dem Stuhl, den Balken, dem Fußboden um die Frau herum, mit den wenigen anderen Möbeln im Zimmer, mit allem, was einen Anhaltspunkt bieten konnte. Wenn es einen gab. Nein, kein Wenn. Ein Täter hinterlässt immer etwas. Hinterlässt – immer – etwas. Wenn wir daran nicht glauben, können wir gleich einpacken, raus in die Sonne gehen.

In unregelmäßigen Abständen leuchtete das Zimmer im Blitzlicht des Fotografen auf, als wollte die Sonne draußen auch hier drinnen dabei sein.

Wenn es einen Täter gab. Winter starrte hinauf zu den Balken, dann wieder auf die Frau hinunter. Er musterte den umgekippten Stuhl. Einer von der Spurensicherung beschäftigte sich gerade eingehend mit der Sitzfläche. Er schaute zu Winter auf und schüttelte den Kopf.

Winter musterte die rechte Hand der Frau, die weiß angemalt war, blendend weiß, schneeweiß. Die Farbe war trocken, sie reichte halbwegs bis zum Ellenbogen. Es sah aus wie ein grotesker Handschuh. Weiße Malerfarbe. Auf dem Fußboden stand eine Farbdose, darunter war eine Zeitung ausgebreitet, als sei nichts wichtiger in diesem Zimmer, als den Fußboden zu schützen. Wichtiger als das Leben.

Von einem Pinsel auf der Zeitung war Farbe über ein Foto gelaufen, das eine Stadt in einem fremden Land zeigte. Winter erkannte die Silhouette einer Moschee. Als er sich hinkniete und über den Körper beugte, roch er die Farbe.

Auf dem einzigen Tisch im Zimmer lag ein Blatt Papier.

Der Brief war mit der Hand geschrieben und umfasste knapp zehn Zeilen. Im Hotelzimmer gab es Briefpapier, einen Stift. Zimmer Nummer 10. Die Ziffern aus vergoldetem Messing waren an die Tür genagelt. Im dritten von vier Stockwerken. Nachdem das Fenster geschlossen worden war, blieb ein süßlicher Geruch zurück, der viele Bedeutungen haben konnte.

Winter nahm die Kopie des Briefes von seinem Schreibtisch und studierte noch einmal die Schrift. Er konnte nicht erkennen, ob die Hand gezittert hatte, als die Frau ihre letzten Worte schrieb, immerhin konnte er sie mit anderen Wörtern vergleichen, einem anderen Schriftstück von ihr. Sie hatten alles ans Kriminaltechnische Labor in Linköping geschickt, den Brief und einen anderen Text, den die Frau nachweislich geschrieben hatte.

»Ich liebe euch und ich werde euch immer lieben ganz gleich was auch mit mir geschieht und ihr werdet immer bei mir sein wohin ich auch gehe und wenn ich euch verärgert habe dann möchte ich euch um Verzeihung bitten ich weiß ihr werdet mir vergeben gleich was mit mir geschieht und was mit euch geschieht und ich weiß wir werden uns wiedersehen.«

Dort hatte sie den ersten Punkt gesetzt. Sie hatte noch ein paar Zeilen hinzugefügt, und dann war es passiert. Was auch mit mir geschieht. Die Formulierung wiederholte sich zweimal in dem Brief an die Eltern, geschrieben mit einer, wie es Winter vorkam, ruhigen Hand, auch wenn die Spurensicherung unter dem Mikroskop ein kaum sichtbares Zittern entdeckt zu haben meinte.

Ein Zittern der Hand, mit der sie den Brief geschrieben hatte, den er jetzt in der Hand hielt. Er starrte darauf nieder. Er konnte kein Zittern entdecken, aber er wusste, dass es so gewesen sein könnte. Schließlich war er auch nur ein Mensch. Ihre weiße Hand. Eine perfekte Malerarbeit. Eine Hand wie aus Gips. Etwas, das nicht mehr zu ihr gehörte. Das man ebenso gut entfernen könnte, hatte er gedacht. Er fragte sich, warum. Hätte jemand anders das Gleiche gedacht?

Ihr Name war Paula Ney, sie war neunundzwanzig Jahre alt, und in zwei Tagen wäre sie dreißig geworden, am ersten September. Dem ersten Herbsttag. Sie hatte eine eigene Wohnung, aber in den letzten zwei Wochen hatte sie nicht dort gewohnt, weil die Wohnung von Grund auf renoviert wurde. Die Renovierung würde lange dauern, und Paula Ney war nach Hause zu ihren Eltern gezogen.

Gestern war sie am frühen Abend mit einer Freundin ins Kino gegangen, und nach der Vorstellung hatten sie ein Glas Wein in einer Bar in der Nähe des Kinos getrunken und sich dann am Grönsakstorget getrennt. Dort wollte Paula die Straßenbahn nehmen, hatte sie gesagt, und dort endeten ihre Spuren, bis man sie am Vormittag in einem Zimmer im Hotel »Revy« fand, eineinhalb Kilometer östlich vom Grönsakstorget. Am »Revy« fuhr keine Straßenbahn vorbei. Ein seltsamer Name.

Das Hotel war auch seltsam, wie aus einer schlechteren Zeit übrig geblieben. Oder einer besseren Zeit, wie manche meinen. Es lag in einem der engen Viertel südlich des Hauptbahnhofs, in einem der Gebäude, die der Abrisswut der sechziger Jahre entgangen waren. Fünf Häuserblocks hatten überlebt, als hätte gerade dieser Teil der Stadt im Schatten gelegen, als die Stadtplaner die Karte studierten, vielleicht bei einem Picknick in der Gartenvereinigung auf der anderen Seite des Kanals.

Das »Revy« existierte schon lange, vorher war in dem Gebäude ein Restaurant gewesen. Das gab es jetzt nicht mehr. Und nun lag das Hotel im Schatten eines relativ neuen »Sheraton« am Drottningtorget. Was für eine Symbolik.

Es ging das Gerücht, das »Revy« diene als Bordell. Vermutlich war es durch die Nähe zum Hauptbahnhof und wegen der großen Fluktuation von Gästen beiderlei Geschlechts aufgekommen. Das meiste war inzwischen Vergangenheit, die Gerüchte und die Wirklichkeit. Winter wusste, dass sich hin und wieder die Einheit im »Revy« umsah, die für Menschenhandel zuständig war, aber in der Vergangenheit hatte es nicht mal den Huren oder Freiern hier gefallen. Vielleicht war der Besitzer wegen Kuppelei einmal zu oft verklagt worden. Gott weiß, wer jetzt dort übernachtete. Wenige. Das Zimmer, in dem Paula Ney gefunden worden war, hatte drei Wochen leer gestanden. Davor hatte ein arbeitsloser Schauspieler aus Skövde vier Nächte lang darin gewohnt. Er war wegen der Audition für eine Fernsehserie in die Stadt gekommen, hatte die Rolle jedoch nicht ergattert. Nur eine kleine Rolle, das hatte er Winters Kollegen Fredrik Halders erzählt: Ich sollte einen Toten spielen.

Winter hörte ein Klopfen und hob den Kopf. Bevor er etwas sagen konnte, ging die Tür auf und Kriminalkommissar Bertil Ringmar, der dritthöchste Mann im Fahndungsdezernat, trat ein. Er schloss die Tür hinter sich und setzte sich auf den Stuhl vor Winters Schreibtisch.

»Herein«, sagte Winter.

»Ich bin’s doch bloß.« Ringmar rückte quietschend mitsamt dem Stuhl näher. Dann sah er Winter an. »Ich war oben bei Öberg.«

Torsten Öberg war Kommissar wie Winter und Ringmar und stellvertretender Leiter der Spurensicherung ein Stockwerk über dem Fahndungsdezernat.

»Ja?«

»Er hat da etwas …«

Das Telefon auf Winters Schreibtisch klingelte und unterbrach Ringmar mitten im Satz.

Winter nahm ab. »Hier Erik Winter.« Er lauschte wortlos, legte auf, erhob sich. »Wenn man vom Teufel spricht. Öberg will uns sehen.«

»Es ist schwierig, jemanden aufzuhängen.« Öberg lehnte an einer der Arbeitsbänke im Labor. »Besonders wenn das Opfer um sein Leben kämpft.« Er zeigte auf die Gegenstände, die auf dem Tisch lagen. »Aber es ist selbst dann nicht leicht, wenn kein Widerstand geleistet wird. Körper sind schwer.« Er sah Winter an. »Das gilt auch für junge Frauen.«

»Hat sie Widerstand geleistet?«, fragte Winter.

»Nicht den geringsten.«

»Was ist passiert?«

»Das rauszufinden ist dein Job, Erik.«

»Nun komm schon, Torsten. Du hast doch was für uns.«

»Sie hat nicht auf dem Stuhl gestanden«, sagte Öberg. »Soweit wir feststellen konnten, hat sie zu keiner Zeit darauf gestanden.« Er rieb sich den Nasenrücken. »Hat der Portier ausgesagt, er sei hochgesprungen und habe das Strickende zu fassen gekriegt?«

Winter nickte.

»Er ist nicht auf den Stuhl gestiegen?«

»Nein. Der muss umgekippt sein, als der Körper fiel.«

»Sie hat eine Verletzung an der Schulter«, sagte Öberg. »Die könnte sie sich in dem Moment zugezogen haben.«

Wieder nickte Winter. Er hatte mit Pia Fröberg gesprochen. »Der Portier, Bergström heißt er, hat das Strickende gepackt und mit aller Kraft daran gezogen, und dabei hat sich der Knoten gelöst.«

»Klingt, als hätte er gewusst, was er tat«, sagte Öberg.

Er habe ja keine Ahnung gehabt, hatte Bergström bei dem ersten kurzen Verhör Winter in einem übel riechenden Raum hinter der Lobby erzählt. Er habe nur gehandelt. Instinktiv, hatte er gesagt, instinktiv. Er habe Leben retten wollen.

Erkannt habe er die Frau nicht, weder in dem Moment noch später. Sie hatte sich nicht eingetragen, sie war kein Hotelgast.

Er habe den Brief gesehen, das Blatt Papier. Ein Abschiedsbrief, so viel habe er begriffen in der Sekunde, bevor er handelte. Von jemandem, der des Lebens müde war. Er habe den Stuhl neben ihr gesehen, aber auch das Strickende, und da sei er zu ihr gestürzt.

»Dieser Stuhl ist sorgfältig gesäubert worden«, sagte Öberg.

»Was soll das heißen?«, fragte Winter.

»Wenn sie sich hätte aufhängen wollen, hätte sie erst auf den Stuhl steigen und den Strick am Balken befestigen müssen«, erklärte Öberg. »Aber sie hat nicht auf dem Stuhl gestanden. Falls doch, dann hat sie ihn hinterher wieder abgewischt. Und das kann sie ja wohl auch nicht getan haben.«

»Verstanden«, sagte Ringmar.

»Der Sitz hat eine glatte Oberfläche«, sagte Öberg. »Sie war barfuß.«

»Die Schuhe standen in der Nähe der Tür«, sagte Ringmar.

»Sie war barfuß, als wir eintrafen«, sagte Öberg. »Sie ist barfuß gestorben.«

»Also keine Spuren auf dem Stuhl«, sagte Winter, mehr zu sich selbst.

»Wie die Herren wissen, sind fehlende Spuren genauso interessant wie vorhandene«, sagte Öberg.

»Und was ist mit dem Strick?«, fragte Ringmar.

»Das wollte ich euch gerade erzählen«, sagte Öberg.

Winter sah, dass er irgendwie stolz war. Öberg hatte etwas zu berichten.

»Am Strick waren keine Fingerabdrücke, aber das hab ich euch wohl schon mitgeteilt?«

»Ja«, sagte Winter. »Und dass es ein Nylonstrick war, ist mir auch nicht ganz unbekannt.«

Der Strick war blau, ein obszönes Blau, das an Neonfarbe erinnerte. Eine derart raue Oberfläche nahm selten Fingerabdrücke auf. Es ließ sich kaum feststellen, ob jemand Handschuhe getragen hatte.

Aber es gab andere Spuren. Winter hatte den Kriminaltechnikern im Zimmer Nummer 10 bei der Arbeit zugesehen. Sorgfältig hatten sie den Strick nach Spuren von Speichel, Haaren, Schweiß abgesucht. Es war gar nicht so einfach, keine DNA-Spuren zu hinterlassen.

Wer Handschuhe getragen hatte, konnte hineingespuckt haben. Sich die Haare zurückgestrichen haben.

Es war nicht ausgeschlossen, trotzdem erwischt zu werden. Winter versuchte stets, einen kühlen Kopf zu bewahren, in diesen Zeiten, in denen aus dem Traum von der DNA, die alle Verbrechen lösen half, ein Wunschtraum werden konnte, ein Tagtraum. Er wusste, dass Öberg die Proben an das Kriminaltechnische Labor in Linköping geschickt hatte.

»Gert hat noch etwas gefunden.« Öbergs Augen blitzten auf. »Im Knoten der Schlinge.«

»Wir sind ganz Ohr«, sagte Winter.

»Blut. Nicht viel, aber es reicht.«

»Gut«, sagte Ringmar. »Sehr gut.«

»Der kleinste Fleck, den ich je gesehen habe«, sagte Öberg. »Gert hat den Knoten gelöst, weil er ein gründlicher Mann ist, und dann hat er ihn sich gründlich angeschaut.«

»Ich hab in dem Zimmer kein Blut bemerkt«, sagte Winter.

»Keiner von uns.« Öberg nickte. »Und ganz gewiss nicht an der Frau.« Er wandte sich Winter zu. »Hat Pia entsprechende Spuren an ihrem Körper entdeckt?«

»Nein, jedenfalls bis jetzt noch nicht.«

»Wenn der Strick also nicht Paula Neys Strick ist…«, sagte Ringmar.

»… dann gehört er jemand anders«, ergänzte Öberg, und wieder blitzte es in seinen Augen auf.

»Ich hab vor einer Stunde mit Paula Neys Eltern gesprochen«, sagte Ringmar und rutschte einen halben Meter mit dem Stuhl nach hinten. Diesmal war das Geräusch noch lauter. Sie waren zurück in Winters Büro. Winter spürte die Erregung im ganzen Körper, als hätte er Fieber. Ringmar rutschte mit dem Stuhl weiter zurück, es quietschte wieder.

»Kannst du ihn nicht hochheben?«, fragte Winter.

»Ich sitz doch drauf!«

»Was haben sie gesagt? Die Eltern?«

»Am Abend oder Nachmittag davor sei sie wie immer gewesen. Die ganze Woche über. Nur genervt wegen der Handwerker. Das haben sie jedenfalls gesagt. Die Eltern. Vielmehr die Mutter. Ich habe mit der Mutter gesprochen. Elisabeth Ney.«

Winter hatte auch mit ihr gesprochen, gleich gestern Nachmittag. Und er hatte mit ihrem Mann gesprochen, Paulas Vater. Mario Ney. Er war in sehr jungen Jahren nach Schweden gekommen und hatte bei SKF gearbeitet. Viele Italiener hatten dort gearbeitet.

Mario Ney. Paula Ney. Ihre Handtasche hatte auf dem Hotelbett gelegen. Bis jetzt hatten Öberg und seine Kollegen nichts entdeckt, was darauf hindeutete, dass jemand den Inhalt durchsucht hatte. Sie hatten eine Brieftasche mit Kreditkarte und ein wenig Bargeld gefunden. Keinen Führerschein, aber die Mitgliedskarte eines Sportstudios. Anderen Kleinkram. Und ein Fach mit vier Fotos aus einem Fotoautomaten. Sie schienen neu zu sein.

Der gesamte Tascheninhalt deutete darauf hin, dass sie Paula Ney gehörte, und es war Paula Ney, die in dem dunklen Hotelzimmer, das nur einen dünnen Sonnenstrahl hereinließ, erhängt worden war.

»Wann hätte Paula Ney in ihre Wohnung zurückkehren können?«, fragte Winter.

»Irgendwann demnächst, soll sie gesagt haben.«

»Behaupten das die Eltern?«

»Der Vater. Ich habe auch die Mutter gefragt.«

Winter hielt den Brief hoch, eine Kopie. Wort für Wort wie das Original. Zehn Zeilen. Darüber: An Mario und Elisabeth. »Warum hat sie an die Eltern geschrieben? Warum an sie?«

»Paula war nicht verheiratet«, sagte Ringmar.

»Antworte auf die erste Frage«, sagte Winter.

»Ich habe keine Antwort.«

»Wurde sie gezwungen?«

»Ganz bestimmt.«

»Wissen wir, ob sie diesen Brief nach ihrem Verschwinden geschrieben hat, oder wie wir es nun nennen wollen? Nachdem sie sich von ihrer Freundin auf dem Grönsakstorget getrennt hat?«

»Nein, aber wir gehen davon aus.«

»Wir bringen den Brief mit dem Mord in Zusammenhang«, sagte Winter. »Aber vielleicht geht es um etwas anderes.«

»Und was sollte das sein?«

Sie waren mitten in ihrer Routine, der Methode, zu fragen und zu antworten und wieder zu fragen, in einem Strom des Bewusstseins, der sich vorwärts bewegen würde, oder auch rückwärts, in irgendeine Richtung, nur stillstehen durfte er nicht.

»Vielleicht wollte sie etwas loswerden«, sagte Winter. »Sie konnte es ihnen nicht ins Gesicht sagen. Etwas ist passiert. Sie wollte es erklären oder suchte Versöhnung. Oder sie wollte sich nur melden. Sie wollte für eine Weile weg von zu Hause. Sie wollte nicht bei den Eltern bleiben.«

»Das ist doch Wunschdenken«, wandte Ringmar ein.

»Wie bitte?«

»Die Alternative ist einfach zu schrecklich.«

Winter antwortete nicht. Natürlich hatte Ringmar Recht. Winter hatte versucht, sich die Szene vorzustellen, weil es ein Teil seines Jobs war, und möglicherweise hatte er die Augen verschlossen vor dem, was er sah: Paula vor einem Blatt Papier, jemand hinter ihr, über ihr. Ein Stift in ihrer Hand. Schreib. Schreib!

»Sind das ihre eigenen Worte?«, fragte Ringmar.

»Wurde es ihr diktiert?«, fragte Winter zurück.

»Oder durfte sie schreiben, was sie wollte?«

»Ich glaube, ja«, sagte Winter und las wieder den ersten Satz.

»Warum?«, fragte Ringmar.

»Es ist zu persönlich.«

»Vielleicht drückt sich darin die Persönlichkeit des Mörders aus.«

»Du meinst, es ist seine Botschaft an die Eltern?«

Ringmar zuckte mit den Schultern.

»Das glaube ich nicht«, sagte Winter. »Es sind ihre Worte.«

»Ihre letzten Worte«, sagte Ringmar.

»Wenn nicht noch mehr Briefe auftauchen.«

»Mist.«

»Was meint sie wohl damit, wenn sie um Entschuldigung bittet?« Winter las den Brief erneut.

»Genau das, was sie schreibt«, sagte Ringmar. »Dass sie um Entschuldigung bittet, sollte sie die Eltern verärgert haben.«

»Fällt einem das als Erstes ein, wenn man einen derartigen Brief schreibt? Würde sie so denken?«

»Denkt man überhaupt?«, fragte Ringmar. »Sie weiß, dass sie in einer ausweglosen Situation ist. Sie bekommt den Befehl, einen Abschiedsbrief zu schreiben.« Er rutschte wieder auf seinem Stuhl herum, bewegte ihn dabei aber nicht von der Stelle. »Ja. Schon möglich, dass in dem Moment Schuldgefühle auftauchen. Genauso wie der Gedanke an Versöhnung.«

»Gab es eine Schuld? Ich meine, eine richtige Schuld?«

»Nach Aussage der Eltern nicht. Da sei nichts … tja, nichts, was über das Normale zwischen Kindern und Eltern hinausging. Keine alte Fehde oder wie man das nennen soll.«

»Aber Genaueres wissen wir nicht«, sagte Winter.

Ringmar stand auf, trat ans Fenster und spähte durch die Ritzen der Jalousie. Der Wind bewegte die schwarzen Baumkronen am Fluss. Über den Häusern am anderen Ufer war ein mattes Licht, ganz anders als der klare Schimmer in einer Hochsommernacht.

»Ist dir so was schon mal untergekommen, Erik?«, fragte Ringmar, ohne sich umzudrehen. »Ein Brief von … der anderen Seite.«

»Der anderen Seite?«

»Na hör mal.« Ringmar wandte sich zu ihm um. »Das arme Ding weiß, dass es ermordet werden soll, und schreibt einen Brief über Liebe, Versöhnung und Vergebung, und dann kriegen wir einen Anruf aus diesem lausigen Hotel, und das Einzige, was wir tun können, ist, hinzufahren und aufzunehmen, was passiert ist.«

»Du bist nicht der Einzige, der frustriert ist, Bertil.«

»Also – ist dir so was schon mal untergekommen? Ein Abschiedsbrief in dieser Form?«

»Nein.«

»Geschrieben von einer Hand, die hinterher angestrichen wurde? Weiß angemalt wurde? Als ob sie … nicht mehr zum Körper gehörte?«

»Nein, nein.«

»Was zum Teufel geht hier vor, Erik?«

Winter stand schweigend auf. Er spürte einen scharfen Schmerz im Nacken und in einer Schulter. Er hatte allzu lange konzentriert über dem Brief gebrütet und vergessen, seinen fünfundvierzig Jahre alten Körper zu bewegen. Das konnte er sich nicht mehr leisten, er konnte nicht sonderlich lange still sitzen. Aber er lebte noch. Er hatte seine Hände. Er konnte sie heben und sich den Nacken massieren. Er tat es, ließ die Hände wieder sinken, ging zu Ringmar, der immer noch am Fenster lehnte, öffnete es einen Spalt und sog die kühlende Abendluft ein.

Bertil war wütend. Er war ein Profi, und er war wütend, das war eine gute Kombination. Wut beflügelt die Phantasie, treibt an. Ein Polizist ohne Phantasie ist ein schlechter Jäger, allenfalls Mittelmaß. Polizisten, denen es gelang, abzuschalten, wenn sie das Präsidium verließen und nach Hause fuhren. Für sie mochte es gut sein, aber nicht für die Arbeit. Nur wer nicht über die notwendige Phantasie verfügte, konnte nach dem Dienst abschalten – und sich später fragen, warum es nie Resultate gab. Viele waren so, hatte Winter während seiner Karriere bei der Kriminalpolizei verschiedentlich festgestellt, es gab reichlich von ihnen, vom kaum tauglichen Mittelmaß, von denen, die nicht weiter denken konnten als bis zur nächsten Hügelkuppe. In dieser Hinsicht waren sie mit den Psychopathen verwandt, ihnen fehlte die Fähigkeit, über die eigene Nasenspitze hinaus zu denken: Gibt es noch etwas jenseits des Hügels? Nee, ich kann ja nichts sehen, also gibt’s da auch nichts. Ich glaube, ich überhole.

»Ich weiß nicht, ob das eine Botschaft für uns ist«, sagte Winter. »Die Hand. Die weiße Hand.«

»Was war mit ihrer Hand?«, fragte Ringmar.

»Wie meinst du das?«

»Gibt es eine … Geschichte, die mit ihrer Hand zusammenhängt? Warum hat er sie mit diesem verdammten Zeug angepinselt?«

Die Innenraumfarbe stammte von Becker, sie hieß Syntem, war antikweiß, matt, geeignet für Holz, Möbel, Wände und Eisenflächen. All das stand auf der Literdose, die man im Zimmer Nummer 10 gefunden hatte. Es war Sache der Spurensicherung, festzustellen, ob es wirklich diese Farbe war, die für den menschlichen Körper benutzt worden war. Es gab keinen Grund, daran zu zweifeln, aber sie brauchten Klarheit. In einem Punkt hatten sie bereits Gewissheit: Paula Ney hatte den Pinsel nicht berührt, der neben der fast vollen Dose gelegen hatte. Der Farbe also, die offenbar benutzt worden war, um Paulas Hand anzumalen. Danach war der Pinselschaft sorgfältig abgewischt worden.

»Da sei nichts … Unnormales mit der Hand gewesen, behaupten die Eltern«, sagte Winter.

Herr im Himmel. Die Eltern hatten Paulas Hand noch nicht gesehen. Pia Fröberg und Torsten Öberg waren noch nicht fertig mit ihr. Winter hatte sie vor den Eltern verbergen und gleichzeitig davon erzählen, Fragen danach stellen müssen. Was für ein beschissener Job.

»Die Familienfotos sind in meinem Zimmer«, sagte Ringmar.

»Auf denen werden wir auch nichts finden«, sagte Winter.

Ringmar reagierte nicht. »Was will er mit der Hand?«, fragte er dann.

»Das klingt ja, als hätte er sie mitgenommen.«

»Hast du nicht auch so ein Gefühl?«

»Ich weiß es nicht, Bertil.«

»Ich seh keinen Sinn darin. Der Kerl will uns was mitteilen. Er will uns was erzählen.« Ringmar fuchtelte mit der Hand in der Luft herum. »Von sich selbst.« Er schaute Winter an. »Oder von ihr.« Er sah aus dem Fenster. Winter folgte seinem Blick. Draußen war nichts als Dunkelheit. »Oder beides.«

»Sie haben einander gekannt?«, fragte Winter.

»Ja.«

»Sie haben sich in einem abgelegenen Hotel verabredet? Und sich vorsichtshalber gar nicht erst bei der Rezeption angemeldet?«

»Ja.«

»Glauben wir das?«

»Nein.«

»Aber sie kannte den Mörder?«

»Ich glaube, ja, Erik.«

Winter antwortete nicht.

»Ich bin schon zehn Jahre länger in diesem verdammten Job als du, Erik, ich hab schon fast alles gesehen, aber was hier passiert ist, da kann ich mir keinen Reim drauf machen.«

»Wir schaffen es zusammen«, sagte Winter.

»Natürlich.« Doch Ringmar lächelte nicht.

»Wo wir gerade von früher reden«, sagte Winter, »als ich noch richtig feucht hinter den Ohren war, in meinem ersten Jahr als Fahnder, hatte ich, glaube ich, einen Fall, in dem das Hotel ›Revy‹ eine Rolle spielte.«

»Es ist wahrscheinlich nicht das erste Mal, dass diese Absteige in einer Ermittlung auftaucht«, meinte Ringmar. »Das weißt du genauso gut wie ich.«

»Ja … aber der Fall … war irgendwie was Besonderes.«

Winter starrte in die Nacht vor dem Fenster, eine fahle Dunkelheit, das schwache Licht, als ob sich die Natur nicht entscheiden könnte, jetzt, da der Sommer fast vorbei war und der Herbstnebel langsam aus dem Boden kroch.

»Es ging um eine Vermisste«, sagte Winter. »Jetzt fällt es mir wieder ein.«

»Im Hotel ›Revy‹?«

»Es ging um eine Frau«, sagte Winter. »Ich erinnere mich nicht an ihren Namen. Aber sie war von zu Hause verschwunden. Wollte etwas erledigen. Sie war verheiratet, glaube ich. Und soweit ich mich erinnern kann, hatte sie in der Nacht, bevor sie verschwand, im ›Revy‹ eingecheckt.«

»Verschwand? Wohin?«

Winter antwortete nicht. Er stand da, in Gedanken versunken, in seiner Erinnerung, so wie draußen Dachfirste, Straßen, Parks, Hotels und Häfen in der Dunkelheit versanken.

»Was ist mit ihr passiert?«, fragte Ringmar. »Ich hab wahrscheinlich schon in zu vielen vergleichbaren Fällen ermittelt, da vermischt sich alles.«

»Ich weiß es nicht«, sagte Winter und sah Ringmar an. »Niemand weiß es. Ich glaube, sie ist nie gefunden worden. Nein.«

Winter war siebenundzwanzig und frisch gebackener Kriminalassistent gewesen, der Spätsommer grüner als üblich, da es den ganzen Sommer über ungewöhnlich viel geregnet hatte. Jeden Tag war er durch die Stadt gestreift ohne einen Gedanken an Urlaub, aber er hatte an die Zukunft gedacht, an seine Zukunft, die Zukunft eines Fahnders. Er hatte sein Jurastudium abgebrochen, noch bevor er es richtig angefangen hatte, nur um Polizist zu werden. Nach einem Jahr in Uniform und einem halben Jahr in der Zivilkleidung eines Fahnders war er jedoch immer noch nicht sicher, ob er sein Leben damit verbringen wollte, in die Unterwelt einzudringen. Oben war es einfach heller. Selbst wenn es regnete. In eineinhalb Jahren bei der Fahndung hatte er so vieles gesehen, was normale Menschen niemals zu Gesicht bekommen, selbst wenn sie hundert Jahre alt werden. Und er dachte: normale Menschen. Jene, die oberhalb der Unterwelt lebten. Dort lebte auch er manchmal, er kam und ging, kroch hinauf und kroch wieder hinunter, aber er wusste, dass sein Leben nie mehr »normal« sein würde. Wir haben hier unten eine eigene Welt, wir Polizisten, zusammen mit unseren Dieben, Mördern und Vergewaltigern. Wir verstehen. Wir verstehen einander.

Als er anfing zu verstehen, was es bedeutete, zu verstehen, wurde es leichter. Ich werde wie sie, dachte er. Wie die Mörder.

Ich werde immer mehr wie sie, da sie niemals werden können wie ich.

Er begriff, dass er nicht in den üblichen Mustern denken durfte, wollte er Antworten auf die Rätsel finden. Da wurde es leichter. Es wurde aber auch schwerer. Er spürte, wie er sich allmählich veränderte, während er gleichzeitig immer besser in der Arbeit, in seinem Denken wurde. Wenn er die Lösung eines Rätsels oder Teile der Lösung gefunden hatte, sagte er sich, er habe eine lebhafte Phantasie, und das war’s dann. Aber es kam nicht nur auf die Phantasie an. Er hatte wie sie gedacht, hatte sich in der Dunkelheit bewegt wie sie. Lange hatte er kein eigenes Leben geführt, denn je besser er wurde, um so schwerer war es, »normal« zu leben. Er war einsam. Er war wie ein Fels in der Brandung. Er brachte die Tageszeiten durcheinander. Er brachte alles durcheinander. Nur sein Rätsel nicht. Er pflegte es, deckte es gut zu, goss es. Wenn es um das Rätsel ging, war er Pedant, pflegte es zwanghaft. Seine Papiere lagen sorgsam ausgerichtet auf dem Schreibtisch. Zu Hause war seine Kleidung zwischen Schlafzimmer und Bad auf unordentlichen Haufen verteilt. Seine Zivilkleidung für den Polizeidienst war überaus adrett, da er es nicht für eine Tugend hielt, verlottert herumzulaufen, trotzdem steckte unter der schönen Schale ein verlotterter Kerl. Er versuchte vernünftig für sich zu kochen, gab es aber irgendwann auf, öffnete stattdessen eine Flasche Malzwhisky zu einer Zeit, als kaum jemand wusste, was Malzwhisky war. In diesem Punkt war Winter der »normalen« Welt voraus. Er versuchte den Whisky so langsam wie möglich zu trinken und hörte dazu den atonalen Jazz, den sonst niemand ertrug. Whisky und Jazz, das wurde seine Methode. Wenn die Nacht kam, saß er im Halbdunkel über seinen Papieren, seinen Rätseln, später an einem Laptop, der ein kaltes Licht verbreitete.

Nach einigen Jahren im Dezernat bemerkte er, dass er sich selbst gefunden hatte, da er langsam das verloren hatte, was er selbst gewesen war, und er fand es gut, es war eine Befreiung von der Normalität.

*

Ellen Börge war von der Normalität befreit worden. Oder hatte sich selbst befreit. Sie war weggegangen, um eine Zeitschrift zu kaufen, und nie zurückgekehrt. So war es tatsächlich gewesen, die Wirklichkeit war wie im Roman: Ellen war losgegangen, um eine Zeitschrift zu kaufen, eine so genannte Frauenzeitschrift. Winter hatte zunächst vermutet, es handle sich um »Femina«, da nur ein dünner Stapel »Feminas« auf dem Sofatisch gelegen hatte. Ihr Mann, Christer Börge, hatte das nicht im Blick. »Ach, ›Femina‹? Tja, ich weiß nicht. Sie hat nichts gesagt.«

Ellen Börge war nie in dem Supermarkt ihres Viertels angekommen, wo sie ihre Zeitschriften und auch alles andere immer zu kaufen pflegte. Sie hatten insofern Glück gehabt, als die beiden Angestellten, die an jenem Nachmittag arbeiteten, Ellen Börge kannten und sich nach eigener Aussage erinnert hätten, wenn sie im Laden gewesen wäre.

Christer Börge hatte fünf Stunden gewartet, ehe er die Polizei anrief. Er wurde erst mit dem lokalen Revier 3 verbunden, wie es damals hieß, und als Ellen auch nach vierundzwanzig Stunden noch nicht wieder aufgetaucht war, hatte man die Fahndung eingeschaltet, genauer gesagt, die Schutzpolizei, die sich mit Fällen von Vermissten beschäftigte. Dem Grünschnabel Erik Winter war der Fall übertragen worden, dem Noch-feucht-hinter-den-Ohren-Winter. Er hatte ein Verbrechen vermutet, schließlich war es sein Job, Verbrechen zu vermuten, es war auch seine Natur, Verbrechen zu vermuten, und er hatte vor dem Sofatisch mit den Zeitschriften gesessen und dem einunddreißigjährigen Ehemann Fragen nach seiner neunundzwanzigjährigen Frau Ellen Börge gestellt. Sie waren alle drei etwa gleichaltrig, aber Winter hatte sich nicht zugehörig gefühlt, er kannte Ellen Börge nicht, und Christer Börge hatte nicht gerade gejubelt, als Winter aufgetaucht war. Christer Börge war nervös gewesen, aber Winter hatte nicht herausgefunden, welche Art Nervosität das war. Eine solche Menschenkenntnis setzte jahrelange Erfahrung als Verhörleiter voraus. Und Menschenkenntnis lernte man nicht an der Polizeihochschule. Man musste nur jahrelang warten, seine Fragen wieder und wieder stellen, in den Gesichtern lesen, den Worten lauschen und gleichzeitig versuchen, den Inhalt zu verstehen. Winter hatte schon damals, zu Beginn der Zeitrechnung, 1987, gewusst, dass man wie in geschriebenen Texten zwischen den Zeilen lesen können musste. Zwischen den Zeilen konnte sich ein Abgrund auftun.

»Sie haben fünf Stunden gewartet, bevor Sie sich mit der Polizei in Verbindung gesetzt haben«, hatte er zu Christer Börge gesagt. Das war keine Frage gewesen.

»Ja, und?«

Börge war auf dem Sofa gegenüber herumgerutscht. Winter hatte auf einem Sessel gesessen, der wie das Sofa mit einer Art weißem Plüsch bezogen war, und er hatte gedacht, dass die Möbel allzu … erwachsen wirkten für Leute in seinem Alter. Die ganze Wohnung wirkte … etabliert, wie von einem Paar in fortgeschrittenem Alter bewohnt, aber da verließ er sich nicht auf sein Urteil; seine eigene Wohnung verfügte über zwei Zimmer mit einem Bett, einem Tisch und einer Art Sessel, und direkt danach gefragt, hätte er nicht genau sagen können, wie sie eigentlich möbliert war und warum gerade so.

Christer Börge hingegen hätte alles in seiner Wohnung beschreiben, eine komplette Inventarliste anfertigen können bis zur genauen Zahl Servietten in der zweiten Küchenschublade von oben. Dessen war sich Winter sicher gewesen. Börge sah aus wie jemand, der die totale Kontrolle haben musste, sollte die Welt für ihn ihre Normalität bewahren. Auch seine Frau sah so aus auf dem Foto, das auf dem Sofatisch stand, ein konservativer Typ, eine Frisur wie betoniert, ein abwesender Blick. Aber Ellen Börge hatte schöne, reine und regelmäßige Gesichtszüge auf diesem Foto. Es war ein Gesicht, das unter anderen Umständen umwerfend hätte sein können, mit einer anderen Frisur, und während Winter in dem schweren Sessel saß, hatte er gedacht, dass Ellen Börge mit ihrem Mann vielleicht nicht besonders glücklich gewesen war. Zu viel Kontrolle. Vielleicht waren Kinder geplant, aber erst in einigen Jahren, wenn der Mond richtig stand, wenn die Gezeiten gewechselt hatten, wenn die wirtschaftliche Situation es erlaubte. Winter selbst verlor damals keinen Gedanken an Kinder, andererseits hatte er auch keine Frau, mit der er einen solchen Gedanken hätte teilen können.

Vielleicht hatte Ellen Börge es nicht ausgehalten.

Fünf Stunden. Dann hatte der Mann die Polizei angerufen. Wenn Christer Börge der war, der er zu sein schien, er hätte sofort anrufen müssen. Sein Recht fordern. Einen massiven Einsatz fordern. Seine Frau zurückfordern.

Winter hatte sich gewundert. »Haben Sie sich keine Sorgen gemacht? Fünf Stunden können lang sein, wenn man auf jemanden wartet.«

»Hätten Sie denn etwas unternommen, wenn ich es früher gemeldet hätte?« Börges Stimme hatte plötzlich heller geklungen, fast schrill. »Hätten Sie nicht nur gesagt, man müsse abwarten?«

»Woher wollen Sie das wissen?«, fragte Winter. »Ist Ihre Frau früher schon mal verschwunden? Haben Sie schon mal bei der Polizei angerufen?«

»Äh … nein. Ich meine nur, dass man abwarten soll. So was liest man doch immer wieder. Die Polizei rät abzuwarten, nicht?«

»Das kommt drauf an«, sagte Winter, überraschend in der Rolle dessen, der auf Fragen antwortet. Das war schwer, Verhöre sind schwer. »Das kann man nicht verallgemeinern.«

»Manchmal … ist sie spazieren gegangen«, sagte Börge, ohne dass Winter eine weitere Frage gestellt hatte. »Sie blieb Stunden weg, ohne Bescheid zu sagen. Also vorher jedenfalls.«

»Fünf Stunden?«

»Nein, so lange nie, vielleicht zwei, höchstens drei.«

»Warum?«

»Warum was?«

Börge saß nun still auf seinem Sofa, als würde es ihn beruhigen, sich an Vergangenes zu erinnern.

»Warum blieb sie Stunden weg, ohne Ihnen Bescheid zu sagen?«

»Zwei Stunden hab ich gesagt.«

»Haben Sie sie das nie gefragt?«

»Was sollte ich sie fragen?« Börge strich über den Plüsch, als würde er einen Hund, eine Katze streicheln. »Sie ist doch nur spazieren gegangen.«

»Und diesmal ist sie weggegangen, um eine Zeitschrift zu holen. Vermutlich eine ›Femina‹.«

»Wenn Sie es sagen.«

»Hier gibt es nur diese.« Winter griff nach dem obersten Heft auf dem Stapel und suchte den Erscheinungsmonat auf dem Umschlag. »Sind Sie sicher, dass sie eine Zeitschrift kaufen wollte?«

»Ja.«

»Hat sie irgendwelche anderen Zeitschriften abonniert?«

»Was? Nein … Das hatte sie früher … aber jetzt kauft sie … nur noch hin und wieder …«

»Wann hat sie mit dem Abonnieren aufgehört?«

All das konnte er überprüfen, aber er wollte trotzdem fragen. Es konnten wichtige Fragen sein. Häufig wusste er das erst hinterher.

»Tja …« Börge betrachtete den kleinen Stapel auf dem Tisch, »daran kann ich mich nicht genau erinnern. Vor einigen Monaten, glaube ich.«

»Liest sie noch andere Zeitschriften und Zeitungen?«

»Na ja, wir haben eine Tageszeitung, Göteborgs-Posten. Und dann wohl die da.« Er zeigte auf den Stapel. »Sie können gern in den Schränken nachschauen, aber ich hab nur die da gesehen.«

»Sie hatte die Nummer schon«, sagte Winter.

»Was?«

Winter hielt die beiden obersten Hefte hoch.

»Sie hatte die August- und Septemberausgabe bereits.«

»September? Es ist doch noch gar nicht September.«

»Die Zeitschriften erscheinen kurz vorm Monatsende, vermute ich.« Winter warf wieder einen Blick auf den Umschlag. »Hier steht September 1987.«

»Vielleicht war es nicht die Zeitschrift«, sagte Börge, »von der sie sprach, also nicht die, die sie kaufen wollte.«

Winter sagte nichts. Er wartete. Manchmal war es gut zu warten. Das war das Schwerste, die schwerste Kunst beim Verhör.

Es vergingen dreißig Sekunden. Winter konnte regelrecht sehen, wie das Schweigen Börge verunsicherte, wie er überlegte, ob er etwas gesagt hatte, das Winter nicht gefiel oder das Winter misstrauisch gemacht hatte. Und jetzt meinte er etwas sagen zu müssen, damit sich die Stimmung am Sofatisch wieder besserte, auflockerte.

Börge stand plötzlich auf und ging zu dem Bücherregal, das mehr wie ein großer Wandschrank war, eine Vitrine mit Platz für Porzellan, Andenken, Bücher, einige gerahmte Fotos. Dort hatte Winter auch Ellens Gesicht entdeckt.

Börge blieb vor den Büchern stehen, als suchte er nach einem bestimmten Titel. Er drehte sich um. »Wir haben uns ein bisschen gestritten.«

»Wann?«

»Bevor sie ging …«

»Worüber haben Sie gestritten?«

»Kinder.«

»Kinder?«

»Tja … Sie möchte ein Kind, aber ich finde es noch zu früh.«

Winter sagte nichts zu dem Einunddreißigjährigen, vor allen Dingen deshalb nicht, weil er selber keine Meinung dazu hatte. Kinder waren für ihn ein Fremdwort. Eine eigene Familie lag in ferner Zukunft, fast außerhalb der Zeit. Nicht einmal seine Phantasie reichte aus, um über den Hügel zu gucken. »Und darüber haben Sie sich gestritten?«

»Wie ich schon sagte. Aber es war nicht schlimm.«

»Wie meinen Sie das?«

»Es war eigentlich kein richtiger Streit. Sie hat nur … davon gesprochen.«

»Und Sie wollten nicht darüber sprechen?«

Börge antwortete nicht.

»Haben Sie sich darüber früher schon mal gestritten?«

»Ja …«

»Und diese Auseinandersetzungen endeten damit, dass sie wegging? Ohne zu sagen, wann sie zurückkommen würde.«

Börge nickte.

Winter wollte eine Antwort hören. Er wiederholte die Frage.

»Ja«, sagte Börge.

»War das auch der Grund, weshalb sie diesmal weggegangen ist?«

»Ach … eigentlich haben wir uns nicht richtig gestritten. Und sie wollte ja die Zeitschrift kaufen.« Börges Blick fiel auf das Heft, das Winter von dem Stapel genommen hatte, das Heft, das sie kaufen wollte, aber schon besaß.

»War das jedes Mal der Grund, wenn sie wegging?« Winter folgte Börges Blick. »Streit darüber, wann Sie Kinder wollen?«

»Hm … ich erinnere mich nicht«, sagte Börge. »Aber sie ist ja immer wiedergekommen.« Nun sah er Winter direkt an, suchte seinen Blick. »Sie ist immer wiedergekommen.«

Aber diesmal kam sie nicht zurück.

Sie kam nie zurück.

»Jetzt erinnere ich mich wieder«, sagte Winter. »Sie ist nicht wieder nach Hause gekommen. Ellen. Sie hieß Ellen. Ellen Börge.«

Sie blieben am Fenster stehen. An diesem späten Augustabend war es dunkel wie im November. Winter dachte an den Zeitschriftenumschlag, auf dem »September« gestanden hatte.

Ein September nach dem anderen kam und ging, doch Ellen Börge sammelte die Hefte nicht mehr auf einem Stapel, jedenfalls nicht auf diesem Sofatisch.

»Ich erinnere mich auch wieder.« Ringmar lächelte schwach im hereinfallenden Licht. »Und ich erinnere mich an dich. Es muss dein erster Fall gewesen, oder einer deiner ersten.«

»Der erste Fall, der erste Misserfolg.«

»Einer langen Reihe.« Ringmar lächelte.

Winter nickte.

»Diesen Fall konnten wir wirklich nicht aufklären, aber wir haben auch nicht herausgefunden, ob ein Verbrechen dahintersteckte, « sagte Ringmar.

»Wir haben nicht einmal geklärt, ob es sich bei unserem jetzigen Fall um ein Verbrechen handelt«, erwiderte Winter.

»Bedeutet dir das etwas?«, fragte Ringmar. »Mehr als üblich? Ellen Börges Verschwinden?«

»Ich weiß nicht.« Winter fühlte sich plötzlich müde, so als wären die Jahre von damals bis jetzt in einer Reihe angestolpert gekommen und lasteten auf ihm, alle auf einmal. »Aber da war was … mit Ellen Börge … Ich konnte nicht richtig loslassen.«

»Anfangs ist es immer schlimm«, sagte Ringmar, »wenn man noch ganz grün ist.«

»Nein.« Winter strich sich übers Kinn. Er spürte und hörte das Kratzen der Bartstoppeln. Sie waren grau geworden, vor etwa einem Jahr. Es war nicht das Alter. Es waren die Gene, ganz normal. So alt war er nun auch wieder nicht. »Ich hab manchmal darüber nachgedacht«, fuhr er fort, »in den vergangenen Jahren. Da war was. Etwas, das ich hätte tun können. Etwas, das ich hätte sehen müssen. Es war da, vor meinen Augen. Ich hätte es sehen müssen. Hätte ich es gesehen, wäre ich weitergekommen.«

»Weiter? Wohin weiter?«

»Weiter … zu Ellen Börge.«

»Du redest, als hätte es sich um ein Verbrechen gehandelt«, sagte Ringmar. »Als wäre sie einem Verbrechen zum Opfer gefallen.«

Winter breitete die Arme aus, vor Ringmar, der Nacht.

»Aber jetzt haben wir es mit einem wirklichen, einem unzweifelhaften Verbrechen zu tun«, sagte Ringmar.

»Hmm.« Winter schüttelte den Kopf. Es fühlte sich an, als rasselte etwas dort drin, vielleicht eine Schraube, die fester angezogen werden müsste. »Ich bin plötzlich so müde. Jetzt hab ich sogar vergessen, wie wir auf Ellen Börge gekommen sind.«

»Hotel ›Revy‹«, sagte Ringmar. »Sie hat ebenfalls in der gemütlichsten Herberge der Stadt eingecheckt.«

»Aber Paula Ney hat doch gar nicht eingecheckt«, sagte Winter.

»Nein«, sagte Ringmar, »und sie hat auch nicht ausgecheckt.«

2

Hatte Paula Ney den Brief an ihre Eltern, an Mario und Elisabeth, wirklich selbst geschrieben? Die Schrift war ähnlich, und im Augenblick mussten sie davon ausgehen, dass Paula Ney den Brief geschrieben hatte, doch eine genauere Analyse sollte es endgültig beweisen. Genauere Analysen wurden an allem vorgenommen, was sie im Hotelzimmer gefunden hatten, aber Winter konnte nicht still in seinem Zimmer sitzen und warten, während andere die Vorarbeit leisteten. Und die Hintergrundarbeit. Die Analysen würden irgendwann vorliegen. Doch er musste vom ersten Moment an über die vier großen Fragen nachdenken, die sich immer stellten, sofort. Was genau ist passiert? Warum ist es passiert, und warum gerade so? Wer könnte den Mord auf gerade diese Weise ausgeführt haben? Und welche Motive steckten dahinter?

Winter stand im Hotelzimmer. Vor dem »Revy« rumorte das städtische Leben, es murmelte hinter den zugezogenen Vorhängen. Er ging zum Fenster und schob den Vorhang beiseite, das Licht blendete ihn und die Geräusche wurden plötzlich lauter, als hätte jemand an einem Zentralschalter im Rathaus den Ton lauter gedreht.

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