Zodius - Ein Sturm zieht auf - Lisa Renee Jones - E-Book
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Zodius - Ein Sturm zieht auf E-Book

Lisa Renee Jones

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Beschreibung

Er ist eine tödliche Waffe. Ihr Feind. Und ihr Schicksal ...

Michael gehört zu einer Gruppe von Soldaten, die mit außerirdischer DNA zu Superkämpfern gemacht wurde. Doch die Behandlung bringt auch die Gefahr mit, der dunklen Seite zu verfallen. Als einer der Soldaten rebelliert und einen Krieg gegen die Menschheit beginnt, schließt Michael sich ihm an, um dessen Organisation zu infiltrieren. Dafür muss er jedoch die Frau zurücklassen, in der er seine Seelengefährtin gefunden hat ...

Fulminanter Auftakt der mitreißenden Paranormal Romance-Reihe von Bestsellerautorin Lisa Renee Jones.

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Inhalt

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Widmung

Glossar

Erster Teil

1

2

3

4

Zweiter Teil

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

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26

27

28

29

30

31

Epilog

Danksagung

Über die Autorin

Weitere Titel der Autorin

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Impressum

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Über dieses Buch

Michael gehört zu einer Gruppe von Soldaten, die mit außerirdischer DNA zu Superkämpfern gemacht wurde. Doch die Behandlung birgt die Gefahr, der dunklen Seite zu verfallen. Als einer der Soldaten rebelliert und einen Krieg gegen die Menschheit anzettelt, schließt Michael sich ihm an, um dessen Organisation zu infiltrieren. Aber dafür muss er die Frau zurücklassen, in der er seine Seelengefährtin gefunden hat …

Der fulminante Auftakt der mitreißenden Paranormal Romance-Reihe von Bestsellerautorin Lisa Renee Jones.

LISA RENEE JONES

Zodius

EIN STURM ZIEHT AUF

Aus dem Englischen von Helga Köller

Dieses Buch ist Diego Harrison gewidmet.

Deine Hilfe ist unübertroffen und grenzenlos, deshalb scheint mir ein einfaches »Danke« unangemessen.

Eines Tages zahle ich dir alles in Comicheften zurück, vorläufig wirst du dich mit meiner Liebe begnügen müssen.

Glossar

Area 51

Eine andere Bezeichnung für Groom Lake.

Bindungsprozess

Die körperliche Verbindung zwischen Mann und Frau wird als Lebensband bezeichnet, sie besteht auf Lebenszeit und über den Tod hinaus. Tritt bei einem Partner der Tod ein, so stirbt auch der andere. Die Verbindung ermöglicht dem GTECH die Fortpflanzung und verleiht der Frau dieselben körperlichen Fähigkeiten wie ihrem Partner. Nach dem ersten Geschlechtsverkehr erscheint am Nacken der Frau das Bindungssymbol, ein tattooähnlicher doppelter Kreis. Um die physische Wandlung der Frau zum GTECH abzuschließen, muss ein Blutaustausch vorgenommen werden, dem sich das Paar freiwillig unterziehen kann. Die Frau erleidet während des Bindungsprozesses Schmerzen und wird krank.

Bindungssymbol

Ein doppelter tattooähnlicher Kreis, der nach dem ersten sexuellen Kontakt mit einem GTECH am Nacken der Frau erscheint. Nur Frauen, die für ein Lebensband mit einem GTECH vorherbestimmt sind, tragen das Symbol. Nach Erscheinen des Symbols verspürt die Frau ein Kribbeln, sobald sich ihr Lebensband nähert.

Blutaustausch

Nach Erscheinen des Symbols können sich die Paare diesem Teil des Bindungsprozesses freiwillig unterziehen. Der Blutaustausch bildet den Abschluss der weiblichen Wandlung zum GTECH und verbindet zwei Lebensbänder sowohl im Leben als auch im Tod (siehe auch Bindungsprozess).

Dreamland

Auch wenn Groom Lake/Area 51 von den Renegades oftmals als Dreamland bezeichnet wird, handelt es sich um einen fingierten Militärstützpunkt, den General Powell achtzig Meilen außerhalb von Area 51 eröffnete, um die Zodius zu bekämpfen, die Area 51 überrannten.

Green Hornet

Ein spezielles, äußerst kraftvolles Projektil, das nicht nur menschliches Muskelgewebe und Knochen zerfetzt, sondern auch den hauchdünnen Körperpanzer durchdringt, den sowohl die Zodius als auch Renegades tragen. Keine andere Munition ist dazu in der Lage.

Groom Lake

Auch Area 51 genannt. Projekt Zodius führte auf diesem Stützpunkt Experimente mit außerirdischer DNS durch. Später rissen Zodius-Rebellen den Stützpunkt gewaltsam an sich.

GTECH

Supersoldaten, die von Projekt Zodius erschaffen wurden und sich später in zwei Gruppierungen spalteten: Zodius und Renegades. GTECHs sind stärker, schneller und gewandter als Menschen. Ihre Wunden heilen rasend schnell, zudem beherrschen sie das Windwalking. Die Sterblichkeitsrate unter den GTECHs ist gering. Im Laufe der Zeit entwickeln viele GTECHs besondere, einzigartige Gaben wie Telepathie und die Kommunikation mit Tieren.

GTECH-Körperpanzer

Ein hauchdünner, äußerst leichter und elastischer Schutzanzug, der wie eine zweite Haut sitzt. Das Gewebe wird anhand einer außerirdischen Technologie hergestellt, die man in den Fünfzigerjahren an einer Absturzstelle entdeckte. Bevor Green Hornet konzipiert wurde, war keine herkömmliche Munition in der Lage, den Panzer zu durchdringen.

GTECH-Serum

Das Serum wurde aus der außerirdischen DNS gewonnen, die man in den Fünfzigerjahren an einer Absturzstelle zusammengetragen und für die Erzeugung von GTECHs genutzt hat. Die Originalprobe wurde vernichtet. Da es nicht möglich ist, die außerirdische DNS zu reproduzieren, kann das Serum erst wieder generiert werden, wenn neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen. Das restliche Serum verschwand, als die GTECH-Rebellen namens Zodius-Soldaten Area 51/Groom Lake an sich rissen. Das GTECH-Serum kann nicht aus GTECH-DNS gewonnen werden. Man hat sich erfolglos darum bemüht.

Neonopolis

Die Satellitenstation der Renegades in Las Vegas. Abseits der Las Vegas Avenue gelegen und im Untergeschoss des Neonopolis Entertainment Komplexes versteckt.

PMI oder »Private Military Intelligence«

Ein von General Powell, dem Offizier, der Projekt Zodius ins Leben rief, geführtes Unternehmen. PMI dient als Deckmantel für die Top-Secret-Projekte des Militärs, über die die Regierung nicht offiziell Protokoll führen möchte.

Projekt Zodius

Codename der streng geheimen Operation der Regierung, für die man zweihundert Soldaten zu einem Sondereinsatz auf Groom Lake (Area 51) verpflichtete. Die Soldaten erhielten eine Injektion, die man als Impfung deklarierte; in Wahrheit handelte es sich um außerirdische DNS.

Red Dart

Ein roter Kristall, der in den Fünfzigern an derselben UFO-Absturzstelle entdeckt wurde wie die GTECH-DNS. Der Kristall stößt einen roten Laserstrahl aus, der in den Blutkreislauf eindringt und dort dauerhaft einen Peilsender installiert, der empfindlich auf Schallwellen reagiert. Diese Schallwellen ermöglichen die Folter und Kontrolle der GTECHs. Die Versuche des US-Militärs mit Red Dart sind bisher alle tödlich verlaufen.

Renegade-Soldat

Ein GTECH, der die Menschheit beschützt und sich den Rebellen namens Zodius widersetzt. Die Renegades unterstehen der Führung von Adam Rains Zwillingsbruder Caleb Rain.

Schutzschirm

Eine geistige Schranke, die ein GTECH errichtet, um seine psychischen Rückstände vor Trackern zu verbergen.

Stardust

Eine außerirdische Substanz, die in menschlichem Blut nicht nachgewiesen werden kann und Hirnaneurysmen auslöst.

Sunrise City

Der Hauptsitz der Renegades. Eine fortschrittliche, unterirdische Stadt, im Sunrise Mountain Gebirge in Nevada.

Tracker

GTECHs mit der besonderen Gabe, die psychischen Rückstände anderer GTECHs oder menschlicher Frauen aufspüren zu können, die Sex mit einem GTECH hatten. Wenn eine Frau solche Rückstände besitzt, kann nur ihr Lebensband sie vor Trackern abschirmen.

Windwalking

Das Vermögen, im Wind zu entschwinden wie Nebel in der Atmosphäre und unsichtbar weite Strecken mit rasanter Geschwindigkeit zurücklegen zu können.

X2-Gen

Ein Gen, das bei einigen, jedoch nicht allen GTECHs bis zum fünfzehnten Monat nach Injektion des Serums zutage treten kann.

Zodius City

Noch bekannt als der streng geheime US-Militärstützpunkt, oftmals auch Area 51 oder Groom Lake genannt; in Nevada gelegen. Unter der Führung von Adam Rain von den GTECH-Rebellen ergriffen. Diese Basis beherbergt über- und unterirdisches Areal.

Zodius-Soldat

GTECH-Rebell, der Adam Rains Kommando untersteht, dem Anführer der Rebellenbewegung. Adam beabsichtigt, die Weltherrschaft zu ergreifen.

Erster Teil

WIE ALLES BEGANN …

1

Nevadas Area 51 spielte nicht nur in den Verschwörungstheorien, die man mit der Regierung in Verbindung brachte, eine Rolle, sondern war nun auch offiziell ihre neue Heimat. Eine gute Stunde vor Sonnenaufgang fuhr Cassandra Powell auf den Parkplatz des Militärgeländes abseits der Abschussrampe, die zu den streng geheimen, unterirdischen Einrichtungen führte. Dort befand sich die Einführung des Supersoldaten-Programms von Projekt Zodius GTECH seit einem Jahr in Arbeit. Die Fahrt von ihrer neuen, auf dem Stützpunkt gelegenen Wohnung hatte sage und schreibe drei Minuten gedauert, womit sie sich angesichts der unmenschlichen Arbeitszeiten des Militärs durchaus arrangieren konnte. Der schlichte grüne Uniformrock und die Jacke – die trotz ihres Aufgabengebiets vorgeschrieben waren – schienen ebenfalls brauchbar zu sein. Das klapprige Bett hingegen weniger. Wenigstens hatte es einen brauchbaren Tischersatz für den Laptop abgegeben, um die ganze Nacht darauf lesen zu können.

Da sie den neuen Job erst vor drei Tagen angetreten hatte – sie übernahm die Leitung der Klinischen Psychologie, deren früherer Chef in eine andere Abteilung gewechselt war –, lag noch reichlich Arbeit vor ihr. Der frühere Fachbereich hatte nicht mal ein Viertel der Untersuchungen durchgeführt, die Cassandra als ausschlaggebend erachtete, um die Soldaten präzise evaluieren zu können. Obwohl der therapeutische Aspekt nicht in ihren Verantwortungsbereich fiel, war sie alles andere als begeistert von den Aussichten. Bestimmt würde sie sich durchkämpfen müssen.

Mit jeder Menge Akten in den Händen stieg sie aus ihrem roten VW Käfer und schlug die Tür mit einem Schubs aus der Hüfte zu. Nach gerade einmal zwei Schritten frischte der Wind auf, ließ ihr die Jacke um die Hüfte flattern und löste ihren im Nacken gebundenen Knoten.

Nach den losen Haarsträhnen fuchtelnd, blieb sie wie angewurzelt stehen und blinzelte ungläubig. Im heißen Augustwind materialisierten sich vier Männer in schwarzer Tarnkleidung beim Fahrstuhl auf der anderen Seite des weitläufigen Parkplatzes. Sie schnappte nach Luft und versuchte, ihr rasendes Herz zu beruhigen. Offensichtlich war sie doch nicht so gut auf die Erscheinung von GTECH-Supersoldaten vorbereitet, wie sie gedacht hatte. Oder zumindest nicht auf die Eigenschaft, die in ihren Akten »Windwalking« genannt wurde. Es war eine Sache, über übermenschliche Kräfte und Schnelligkeit zu verfügen, aber mit dem Wind reisen zu können, war regelrecht gruselig – was man auch vom Parkplatz behaupten konnte, als die vier Männer im Fahrstuhl verschwanden.

Cassandra wollte ihn noch erwischen und setzte sich in Bewegung, kam jedoch nur zwei Schritte weit, als ein anderer Mann am Lift erschien, diesmal ohne vorwarnende Bö. Heiliger Strohsack, von diesem hinterhältigen kleinen Trick hatte sie noch nie gehört. Die Soldaten der Spezialeinheit wurden ohnehin schon als tödliche Waffen bezeichnet, doch jene Männer, und dieser im Besonderen, brachten das Ganze auf ein vollkommen neues Niveau.

In der Hoffnung, nicht bemerkt zu werden, ließ sich Cassandra ein gutes Stück vom Gebäude entfernt zurückfallen – doch so viel Glück war ihr nicht beschieden. Der Soldat drückte den Fahrstuhlknopf, drehte sich um und winkte sie heran. O nein. Nein. Sie wollte noch niemandem begegnen. Zumindest nicht, bevor nicht einige Dinge geregelt waren.

Hektisch hantierte Cassandra mit den Akten und riss ihr Handy aus der Handtasche, um eine Ausrede zu haben, sein Angebot auszuschlagen. Das Telefon in die Luft gestreckt, winkte sie ab. Als sich die Türen öffneten, zögerte er kurz, trat schließlich ein und verschwand im Lift.

Cassandra setzte sich in Bewegung, fest entschlossen, den verflixten Aufzug zu erwischen, bevor noch ein Soldat aufkreuzte. Kaum in der Kabine angekommen, schlug sie sogleich die Akte über das Windwalking auf – eine gute Ablenkung vom gesamten unterirdischen, luftschutzbunkerartigen Arbeitsplatz, der ihr ein gewisses Unbehagen einflößte.

Mit gesenktem Kopf in ihre Lektüre vertieft, flitzte Cassandra aus dem Fahrstuhl, kaum dass sich die Türen geöffnet hatten, und rannte direkt gegen eine muskelbepackte, steinharte Brust. Sie schnappte nach Luft, Papiere flogen in alle Richtungen, und starke Hände packten ihre Arme, um sie vor einem Sturz zu bewahren. Sie sah auf und blickte in die schönsten kristallblauen Augen, die sie je gesehen hatte. Schluckend bemerkte sie das lange schwarze, im Nacken gebundene Haar statt des üblichen Bürstenhaarschnitts; ein untrügliches Zeichen dafür, dass der Mann der Spezialeinheit angehörte. Er könnte einer von den zweihundert GTECH-Soldaten sein, die auf dem Stützpunkt lebten. Ein Windwalker, dachte sie, noch immer in Ehrfurcht vor dem, was sie über Tage gesehen hatte.

»Entschuldigung. Ich habe nicht aufgepasst, wohin ich …« Das letzte Wort blieb unausgesprochen, denn ihr Mund war staubtrocken, als sie plötzlich merkte, dass sich ihre Beine fest an seinen Wüstentarnanzug pressten und der biedere Armeerock halb den Oberschenkel hinaufgerutscht war. »Oh!«

Rasch trat sie einen Schritt zurück und rückte den Rock hektisch zurecht. Gerade mal drei Tage am neuen Arbeitsplatz, und schon zog sie eine Show ab. Sie schlug sich die Hand vor die Stirn. »Eigentlich weiß ich, dass man beim Gehen nicht lesen sollte. Ich hoffe, ich habe Ihnen nicht wehgetan?« Als ihr Blick an dem über einen Meter achtzig großen, unglaublich heißen, nur aus stählernen Muskeln und Chaos bestehenden Mann hinaufwanderte, zog er eine Augenbraue hoch, und sie begriff, wie lächerlich ihre Frage war. Sie musste selbst lachen und war dabei untypisch nervös. Barfuß maß sie einen Meter zweiundsechzig – auf Zehenspitzen zumindest – und ging jede Wette ein, dass dieser Kerl mindestens dreißig Zentimeter über ihr emporragte. »Okay. Ich hab Ihnen also nicht wehgetan. Aber es tut mir trotzdem leid.«

Er sah ungerührt auf sie hinab, die kantigen Linien seiner Wangenknochen und der eckige Kiefer blieben ausdruckslos. Nur in den auffallend blauen Augen entdeckte sie ein leichtes Flackern, das sie für Belustigung hielt. »Mir tut es nicht leid«, sagte er, als er in die Hocke ging, um ihre Papiere einzusammeln.

Sie blinzelte, neigte den Kopf und ging in die Hocke, um ihm ins Gesicht sehen zu können. »Wie meinen Sie das?«, fragte sie, während ihr eine blonde Strähne über die Augenbraue fiel. »Es tut Ihnen nicht leid?«

Er klaubte die letzten Blätter auf und sagte: »Es macht mir nichts aus, dass Sie mich angerempelt haben. Trinken Sie doch einen Kaffee mit mir.«

Das war keine Frage. Tatsächlich grenzte es fast an einen Befehl. Und sie wollte verdammt sein, wenn ihr dieser Beinahe-Befehlston nicht gefiel. Die unerwartete Einladung ließ Schmetterlinge in ihrem Bauch flattern. »Ich bin nicht sicher, ob das angemessen wäre«, sagte sie, während sie an ihre neue Position dachte. Sie geriet ins Stocken. »Ich weiß ja nicht mal, wie Sie heißen.«

Hinter ihnen öffneten sich rumpelnd die Fahrstuhltüren, und Kelly Peterson, stellvertretende Direktorin der wissenschaftlichen und medizinischen Abteilung von Projekt Zodius, trat heraus. »Du bist früh dran, Cassandra«, sagte sie, wobei sie belustigt die Stimme hob. »Morgen, Michael.« Dann ging sie weiter, als sei es nicht ungewöhnlich, dass Cassandra am Korridorboden neben einem sexy Soldaten kauerte.

Cassandra sprang auf, entsetzt über sich selbst. Ihr Soldat der Spezialeinheit folgte ihrem Beispiel. »Jetzt wissen Sie, wie ich heiße«, stellte er fest, und diesmal hoben sich seine harten, viel zu verführerischen Lippen ein wenig. Kein Lächeln – nur ein Anheben. Gott … war das sexy. »Michael Taylor.«

»Cassandra«, erwiderte sie, unfähig, ihren Nachnamen auszusprechen; bei diesem Mann fürchtete sie es noch mehr als bei den vielen anderen, die ihr in den vergangenen Tagen vorgestellt worden waren. Was sollte sie denn sagen? Hi. Ich bin die Tochter des Mannes, der Ihr Leben für immer verändert hat, indem er Ihnen ohne Ihr Wissen außerirdische DNS gespritzt hat und anschließend sagte, es sei geschehen, um sie vor einer feindlichen biologischen Bedrohung zu schützen. Nun sind Sie vermutlich für den Rest Ihres Lebens ein GTECH-Supersoldat, und kein Mensch weiß, was das auf langeSicht für Sie bedeutet. Aber hey, ich verspreche, dass ich zu den Guten gehöre. Ich bin hier, um dafür zu sorgen, dass Sie nicht benutzt und missbraucht werden, weil Sie eine machomäßige, wahnsinnig geheime Waffe der Regierung sind. Und habe ich schon erwähnt, dass ich nicht wie mein Vater bin?

»Cassandra Powell«, sagte er, als er ihr die Akten reichte, wobei er ihr sehr nahe kam und seine Körperwärme sie mit einem spürbaren Knistern einhüllte. »Ich weiß, wer Sie sind. Und es schreckt mich nicht ab. Ich laufe nie vor etwas davon, das ich haben möchte.« Er richtete sich auf und taxierte sie wieder mit diesen traumhaft blauen Augen. »Also, was ist nun mit dem Kaffee?«

Angesichts dieser Direktheit verschluckte Cassandra fast ihre Zunge. Doch als echte Generalstochter fing sie sich schnell wieder und dachte mit schmerzhaftem Pflichtbewusstsein an ihren Job. »Ich … glaube, das ist keine gute Idee.«

Er betrachtete sie einen Augenblick, bevor er in den nun offenen Lift trat. »Ich werde wieder fragen«, verkündete er, als er sich zu ihr umdrehte. Sie versank in seinen süchtig machenden kristallblauen Augen – Augen, die nichts versprochen hatten und doch alles versprachen –, bis sich die Stahltüren zwischen ihnen schlossen.

Cassandra atmete ein, sein Duft hing immer noch in der Luft, und biss sich auf die Unterlippe. Was für ein Jammer, dass sie schon vor Jahren geschworen hatte, die Finger von Soldaten zu lassen. Dieser Typ war nun wirklich ein Bild von einem Mann. Allerdings hatte sie miterleben müssen, wie ihre Mutter bis zu ihrem Tod vor zwei Jahren ständig wegen eines Mannes beunruhigt und verärgert gewesen war – dauernd verschwanden sie, und nie wusste man, ob sie zurückkehren. Und Cassandra musste sich schon um ihren Vater sorgen. Warum machte sie sich also Gedanken darüber, wann er »wieder fragen« würde?

Sie zwang sich, die Begegnung abzuschütteln, und steuerte auf das Labor zu. Es grenzte an das winzige Eckbüro, das sie bei ihrem einzigen Vorabbesuch für sich beansprucht hatte. Eigentlich hätte dieser Bereich so früh am Morgen verlassen sein sollen, doch Kelly wartete bereits ungeduldig auf sie. Seit sie sich vor Jahren bei einem Seminar der Army kennengelernt hatten, verband die beiden eine lockere Freundschaft. Auf den ersten Blick sah Cassandra, dass Kelly mit dem hellbraunen, ordentlich hochgesteckten Haar, dem bereits übergeworfenen Laborkittel und einem Bleistift hinter dem Ohr zwar durch und durch wie eine Wissenschaftlerin wirkte, ihre verschmitzte Miene aber verriet, dass sie alles außer Arbeit im Sinn hatte.

»Was für eine Schande, dass seine blauen Augen jetzt in Wirklichkeit schwarz sind«, sagte sie.

»Hallo und auch dir einen guten Morgen«, entgegnete Cassandra, als sie ihre Unterlagen auf einem der zehn leer stehenden Labortische stapelte und sich Kelly zuwandte. »Was soll das heißen, seine Augen sind eigentlich schwarz?«

»Wie ich sehe, hinkt jemand mit den Hausaufgaben hinterher«, sagte Kelly und nahm sich einen der Stühle. »Alle GTECHs haben schwarze Augen, die sie mit ihrer natürlichen Farbe tarnen können. Na ja, außer vor den Frauen, mit denen sie verbunden sind. Es ist irgendwie verrückt und erstaunlich zugleich, wie so ziemlich alles hier.«

»Ich muss wirklich einiges nachholen«, sagte Cassandra und setzte sich. »Ich habe nämlich keine Ahnung von der Tarnung und Änderung von Augenfarben. Und was meinst du mit Frauen und Verbindungen?«

»Bisher hatten drei Frauen kurz nach dem ersten Sex mit einem GTECH Schmerzen am Nacken. Unmittelbar nach dem Akt erschien dort ein Symbol, ähnlich wie Tattoo – ein doppelter Kreis mit einem komplizierten Muster am äußeren Rand. Mangels einer besseren Bezeichnung nennen wir die Paare vorerst ›verbunden‹, weil das Symbol eindeutig eine Art Bindung zwischen ihnen herstellt. Um ehrlich zu sein, haben wir bisher bestenfalls dürftige Erkenntnisse vorzuweisen. Allein die Tatsache, dass die GTECHs ihre Augenfarbe nicht vor der Frau verbergen können, der sie das Symbol beschert haben, lässt eine gewisse einzigartige Bindung vermuten.«

Cassandra blinzelte verwundert. »Bist du sicher, dass es nicht bloß Tätowierungen sind und die drei Frauen – vielleicht sogar die GTECHs – unter einer Decke stecken, um Aufmerksamkeit zu erregen?«

»Das habe ich zuerst auch angenommen. Allerdings wurde das Symbol nicht mit Tinte gezeichnet, und wir haben uns vergeblich bemüht, es operativ zu entfernen. Es bildet sich auf der Stelle neu.«

»Wow«, staunte Cassandra. »Einfach nur wow.«

»Das kannst du laut sagen«, stimmte Kelly zu. »Das ist das Gute an diesem Job: Es wird nie langweilig.«

Was eine glatte Untertreibung war. »Abgesehen davon, dass die Augentarnung nicht funktioniert – wie wirkt sich das Symbol auf die Frauen aus?«

»Ihr Blutbild verändert sich, scheint aber keine bösartigen Formen anzunehmen. Die GTECHs sind davon nicht betroffen. Interessanterweise scheinen sich die Pärchen aufrichtig zu lieben, die Männer beschützen die Frauen sogar. Schwierig zu sagen, ob dieses Verhalten durch das Symbol ausgelöst wird. Da die Paare Sex hatten, fühlten sie sich offenbar ohnehin zueinander hingezogen. Ob das Symbol aufgrund einer tieferen emotionalen Bindung entstanden ist oder umgekehrt? Ich kann das noch nicht sagen. Dass wir weitere Vorfälle vermeiden wollen, bis Genaueres bekannt ist, muss ich wohl nicht erwähnen. Die Jungs waren alles andere als begeistert, als ich den Truppen Kondome in rauen Mengen ausgehändigt habe. Da sie durch die GTECH-Injektion unfruchtbar wurden, war es ein kleiner, aber schwacher Trost, auf Verhütung verzichten zu können.«

»Du kannst aber nicht davon ausgehen, dass sie die Gummis auch benutzen«, wandte Cassandra ein. »Was ist mit dem Risiko für die Allgemeinbevölkerung? Was ist, wenn das Symbol Gefahren birgt, die wir nicht einmal erahnen?«

»Zweihundert GTECH-Soldaten und wer weiß wie viele Sexualpartner, und es sind lediglich drei Frauen betroffen. Trotz wiederholter Tests sind wir im Laufe der Laborstudien auf nichts gestoßen. Es gibt nichts Umweltbedingtes oder irgendwelche Reize, die das Symbol wiederentstehen lassen. Und wir haben etliche Kombinationsmöglichkeiten durchgespielt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Symbol durch ungeschützten Sex unter der Bevölkerung ausbreitet, geht gegen null. Sogar unter null, wenn wenigstens ein Teil der Männer die Kondome benutzt.« Sie warf einen Blick auf die Uhr. »Das wöchentliche Meeting der Abteilungsleiter beginnt in einer Stunde. Es ist jedes Mal … interessant. Was hältst du davon, wenn wir uns einen Kaffee besorgen und ich dich kurz einweise, bevor wir uns auf den Weg machen. Hol deine Akten, ich kann alle offenen Fragen beantworten.« Als Kelly den Kaffee erwähnte, musste Cassandra wieder an Michael denken. Ich werde wieder fragen. Verwirrt schob sie den Gedanken weg und räusperte sich – sie war es nicht gewohnt, von etwas anderem als ihrer Arbeit abgelenkt zu sein. »Okay.« Cassandra erhob sich vom Laborstuhl und schnappte sich auf dem Weg zur Tür die Akten.

»Weißt du«, sagte Kelly, während ihre Stimme wieder diesen verschmitzten Ton annahm. »Ich hab ja schon oft erlebt, wie Michael von den Frauen angeschmachtet wurde, aber so einen Blick wie heute am Fahrstuhl hab ich noch nie an ihm gesehen.«

Diese unerwartete Feststellung erwischte Cassandra auf dem falschen Fuß, und sie sah Kelly von der Seite an. »Welchen Blick?«, fragte sie schnaubend. »Der Mann war so gefühlvoll wie Stahl.«

»Oh, er hatte definitiv diesen Blick«, erwiderte sie. »Was ist es für ein Gefühl, vom ›Mysteriösen‹ begehrt zu werden?«

»Der Mysteriöse?«, fragte Cassandra, die den Kopf schüttelte, als sie den merkwürdigen Namen hörte.

»So nennt ihn jeder hier. Du weißt schon, weil er so geheimnisvoll und bedrohlich ist.« Sie lachte. »Die haben doch alle nur Angst, dass er sie abmurksen könnte, wenn sie ihn bloß schief ansehen.«

Cassandra riss den Mund auf. »Abmurksen?«

Kelly kicherte. »Ich mache doch nur Spaß, jedenfalls fast. Die Geschichten um Michael grenzen an Legenden, auch wenn die Hälfte wahrscheinlich erfunden ist. Eben dieses Tödlich-im-Kampf-tödlich-im-Bett-Soldatengeschwätz. Er ist angeblich anders als die anderen GTECHs.« Bevor Cassandra nachfragen konnte, wackelte Kelly mit einer Augenbraue und fügte hinzu: »Er hat wirklich dieses Groß-mysteriös-und-sexy-Ding am Laufen, stimmt’s?«

Cassandra schüttelte den Kopf. »O nein. Ich weiß, was du vorhast. Ich werde jetzt bestimmt nicht behaupten, dass er sexy ist. Ich bin zum Arbeiten hergekommen und nicht, um Soldaten anzuhimmeln.« Im Stillen war sich Cassandra jedoch nicht sicher, ob »sexy« Michaels Ausstrahlung auch nur annähernd gerecht wurde.

»Du musst auch nichts sagen«, erwiderte Kelly. »Mir ist am Fahrstuhl auch dein Blick aufgefallen.« Sie grinste. »Vergiss nur den Pariser nicht.«

Cassandras Wangen liefen rot an. Sie brauchte kein Kondom! Oder einen Soldaten, der sie zur Weißglut trieb. Vor allem keinen Mann, der an jedem Finger eine Frau hatte, die ihren Platz ausfüllen konnte. Auf keinen Fall. Sie würde nicht mit Michael schlafen.

Am späten Abend saß Cassandra am schlichten Stahltisch ihres noch immer kargen Büros – ihr zweites Zuhause abseits ihres weniger komfortablen Heims – und versuchte vergeblich, sich auf die GTECH-Akte zu konzentrieren. Der Drang, einen Blick in Michaels Akte werfen zu wollen, machte sie fast wahnsinnig. Schließlich kapitulierte sie, verzog das Gesicht und gab seinen Namen in den Computer ein. Er war vierunddreißig, fünf Jahre älter als sie. Andererseits wusste niemand, wie sich das GTECH-Serum auf seinen Alterungsprozess auswirken würde. Sie könnte eine tatterige Lady werden, während er nicht um einen Tag alterte. Da ihr der Gedanke nicht besonders behagte, las sie weiter. Er stammte aus Kalifornien und … heiliger Strohsack! Seiner Familie gehörte Taylor Industries, eine der größten Waffenproduktionsstätten der Welt.

Sie lehnte sich im Stuhl zurück. Dass er hier war, konnte kein Zufall sein. Natürlich wusste ihr Vater über Michaels Familie Bescheid. Sie würde ihren Hintern darauf verwetten, dass Michael rekrutiert worden war, weil sich ihr Vater in Zukunft einen Nutzen davon versprach, falls das nicht schon der Fall war. Cassandra richtete sich auf und tippte noch etwas ein. Natürlich war Michael der einzige Soldat, der von seiner Spezialeinheit abgezogen und nach Groom Lake beordert worden war. Ihr Vater ging vollkommen strategisch vor. Er hatte etwas von Michael gewollt, das nichts mit seiner Gewandtheit auf dem Schlachtfeld zu tun hatte. Vielmehr hatte er es auf die Verbindung zu Taylor Industries abgesehen.

»Was führst du im Schilde, Vater?«, flüsterte sie. »Und warum weiß ich, dass es nichts Gutes ist?« Stirnrunzelnd starrte sie auf den Bildschirm. Und was veranlasste jemanden wie Michael, der stinkreich sein musste, sich der Army anzuschließen? Die Antwort lautete üblicherweise: Probleme innerhalb der Familie. So etwas hatte sie schon oft erlebt. Cassandra studierte den Text auf dem Bildschirm und wühlte sich durch Details wie den Tod von Michaels Vater, der bei einem kleineren Flugzeugabsturz in Saudi-Arabien ums Leben gekommen war, als Michael einundzwanzig war. Sie überprüfte die Daten. Als es geschah, hatte Michael seit einem Jahr bei der Spezialeinheit gedient. Er war auf einem Einsatz gewesen und hatte erst nach der Beerdigung vom Tod seines Vaters erfahren. Seine Mutter leitete nun Taylor Industries. Nach dem Tod seines Vaters verließ Michael nicht die Army, was bedeutete, dass er sich entweder vom Familienunternehmen distanzierte oder seine Mutter ihn nicht involvieren wollte.

»Wie geht’s meiner Lieblingstochter?«

Als sie die Stimme ihres Vaters hörte, der lächelnd in der Tür stand, sprang Cassandra auf. Mit seiner hochdekorierten Uniform und dem ordentlich geschnittenen grauen Haar wirkte er makellos wie immer.

»Ich bin deine einzige Tochter«, gab sie zu bedenken, während sie sich wünschte, dass er dieses Lächeln auch dem Mitarbeiterstab von Groom Lake schenken würde, der ihn mehr fürchtete als nötig. »Und der Witz ist älter als du, Vater.« Sie hatte keinen Schimmer, wieso sie sich wie ein Kind fühlte, das mit der Hand in der Keksdose erwischt worden war.

»Die alten sind immer noch die besten«, erwiderte er. »Vergiss das nicht.« In Topform und jünger wirkend als fünfundfünfzig, verlieh er dieser Feststellung Wahrheit.

»Bestimmt nicht«, sagte sie. »Dafür erwähnst du es zu oft.«

Er musterte sie kritisch. »Warum arbeitest du noch?«

»Ich bin ein Workaholic wie mein Vater«, entgegnete sie.

»Wenn deine Mutter noch am Leben wäre«, sagte er, »würde sie uns beide mit den Köpfen nach unten aufhängen.«

Seit dem Unfall ihrer Mutter waren zwei Jahre vergangen, dennoch schnürte sich Cassandra immer noch die Brust zusammen, wenn man sie daran erinnerte. »Als mein psychologischer Mentor hätten sie die unvollständigen Analysen der GTECHs genauso verrückt gemacht wie mich.«

»Dem kann ich nicht widersprechen«, sagte er. »Aber bevor du dich in irgendetwas stürzt und versuchst ein Jahr Arbeit aufzuholen, die du für unser Versäumnis hältst, möchte ich, dass du dich auf eine spezielle Liste mit zehn Soldaten konzentrierst, die von besonderem Interesse für mich sind.«

»Was ist so interessant an ihnen?«

Er schloss die Tür. »Bei allen wurde ein Gen entdeckt, das wir X2 nennen. Es wurde auch bei unseren Versuchstieren nachgewiesen, die zu Aggressionen neigen. Wir müssen nun sicherstellen, dass es sich nicht unter den GTECH-Bewohnern ausbreitet. Sämtliche Grundanalysen und alle zusätzlichen Tests, die du für erforderlich hältst, müssen noch einmal durchgeführt werden, bevor wir mit der Auswertung fortfahren können.« Er fixierte sie mit einem silbrigen Blick. »Das Gen scheint sowohl bei den Tieren als auch den Soldaten in den ersten zwölf bis fünfzehn Monaten nach der Injektion aufzutreten.«

Cassandra knirschte mit den Zähnen. Die Tatsache, dass sowohl er als auch die Regierung alles, was mit der Versuchsreihe und den Impfungen zusammenhing, den Soldaten verschwiegen hatten, war absolut widerwärtig. Vor Antritt des Jobs hatte sie ihre Einwände gegen die Methode zur Schaffung der GTECHs vorgebracht. Man hatte beteuert, dass die GTECHs durch Zufall entstanden seien, als man die Männer lediglich vor einer biologischen Bedrohung hatte abschirmen wollen – mit »man« war das Militär gemeint, allerdings machte sie ihren Vater dafür verantwortlich. Angesichts der Tatsache, dass ihr Vater sein Land um jeden Preis verteidigen wollte, ging er – auch wenn es in guter Absicht geschah – für ihre Begriffe oftmals zu weit. Und sie war nicht ganz sicher, ob sie ihm glauben konnte. Wenn sie erst mal das Vertrauen der Soldaten gewonnen hatte, was sie in jedem Fall vorhatte, würden sie vermutlich die gleichen Bedenken äußern. Tatsächlich hatte sie die Stelle nicht angenommen, weil ihr Vater sie gedrängt hatte, sondern weil sie der Schaffung der GTECHs skeptisch gegenüberstand und man den Soldaten so gut wie keinen seelischen Beistand gewährte. Ihr Vater hatte sie aufgrund ihrer Fachkenntnisse und aus Loyalität zur Familie engagiert, die ihre Mutter oft unter Beweis gestellt hatte. Doch wie ihre Mutter, die wiederholt an der Seite ihres Vaters gearbeitet hatte, wollte Cassandra den Soldaten helfen, die er heranzog. Entgegen aller Überzeugungen machte sie dennoch genau das, was sowohl ihre Mutter als auch die meisten anderen in Gegenwart ihres Vaters taten: Sie hielt den Mund.

»Treffen wir uns morgen auf ein Vater-Tochter-Frühstück.« Es war mehr ein Befehl als ein Vorschlag. Verhaltensweisen, die jenseits der Befehlserteilung lagen, waren nicht gerade seine Stärke, selbst wenn es sich nur um etwas Zeit zwischen Vater und Tochter handelte.

Da Cassandra ihn nicht anders kannte und wusste, dass es seine Art war, Liebe zu zeigen, lächelte sie. Sie hielt die Methoden ihres Vaters zwar nicht immer für angebracht, liebte ihn aber innig. »Das wäre schön.«

»Ich hole dich um sieben ab«, sagte er und nickte ihr noch mal zu, bevor er das Zimmer verließ und sie mit einer unterschwelligen Angst zurückließ, die sie für die nächste Stunde nicht mehr loswurde.

Als sie das Gebäude schließlich erschöpft und hungrig verließ, begrüßte ihr Auto Cassandra mit einem völlig platten Reifen. »Na toll«, murmelte sie, während sie die Akten auf den Rücksitz packte und ihre langen Haare aus dem festen Nackenknoten befreite. Sie sah sich um und hielt Ausschau nach dem Allzweckmittel einer Militärbasis – einem Soldaten oder zwei oder drei, den man mühelos zum Anpacken überreden konnte.

Plötzlich hob sich ihr Haar im Nacken, während eine sanfte Brise an Stärke gewann und einen herben, maskulinen, intensiver werdenden Geruch mit sich führte. Eine Sekunde später baute sich Michael vor ihr auf – genauso groß, robust und sexy wie am Morgen.

»Sie sollten sich Alarmglocken umhängen«, sagte sie mit an die Brust gedrückten Fäusten, um ihr hämmerndes Herz zu beruhigen.

»Kann schon sein«, erwiderte er. In seinen durchdringenden blauen Augen flackerte eine unergründliche Regung, ehe er einen Blick auf den Reifen warf. »Sieht aus, als bräuchten Sie Hilfe.«

Es war etwas Überwältigendes – vielleicht sogar Dekadentes – an diesem Mann, das sie keinen zusammenhängenden Satz mehr zustande bringen ließ. »Ich … ja, bitte.« Cassandra strich sich eine blonde Strähne aus den Augen, sah zum Fahrstuhl und dann zu ihm. »Haben Sie heute früh den Lift für mich aufgehalten?«

Er ging in die Hocke, um den Reifen zu inspizieren. »Jepp«, erwiderte er, während er einen belustigten Blick über seine eindrucksvolle Schulter warf, um die sich ein enges schwarzes T-Shirt spannte. »Aber offenbar imponieren Ihnen fremde Männer und Aufzüge kein bisschen.«

Cassandra spürte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. »Mein Handy hatte geklingelt«, behauptete sie. Sein Blick ließ vermuten, dass er ihr kein Wort glaubte, also fügte sie hinzu: »Okay, na schön. Ich gestehe. Ich war ein wenig eingeschüchtert. Sie sind ohne spürbaren Wind aufgetaucht. Ich wusste nicht, dass das möglich ist.«

Er erhob sich und ignorierte ihre Bemerkung geflissentlich. »In dem Reifen steckt eine Schraube von der Größe eines Raketenwerfers. Der muss gewechselt werden.«

So einfach ließ Cassandra ihn nicht davonkommen. »Kann jeder ohne spürbaren Wind gehen?«

»Ich kann es«, sagte er mit halb zusammengekniffenen Augen und angespanntem Kiefer. »Für andere kann ich nicht sprechen.«

Kellys Worte gingen Cassandra durch den Kopf. Die Geschichten um Michael grenzen an Legenden. »Sie sind der Einzige, der es kann, nicht wahr? Deshalb redet man über Sie. Weil Sie anders sind – und das jagt den anderen Angst ein.«

Er näherte sich ihr, kam so dicht heran, dass sie die Wärme seines Körpers spüren konnte und das Kinn heben musste, um ihm in die Augen sehen zu können. Sie flackerten, und ihre Farbe wechselte zu einem harten Schwarz. »Haben Sie Angst vor mir, Cassandra?«

Allerdings. Er wirkte furchteinflößend, aber nicht aus den Gründen, die er vermutete. Dieser Mann ergriff Besitz von ihr und forderte eine weibliche Reaktion, die sie ihm nicht geben wollte. Tatsächlich war es so, dass seine Augen – einerlei, ob schwarz oder blau – auf eine tiefgreifende Weise ihre Seele ansprachen, was ihr mehr verriet, als er vermutlich ahnte. Während er den GTECH raushängen ließ, begriff sie instinktiv, dass sie den Mann dahinter erkennen sollte. »Ich schlage Ihnen etwas vor, Michael Taylor«, sagte sie. »Ich habe dann Angst vor Ihnen, wenn Sie mir Grund dazu geben. Damit Sie’s gleich wissen: Eine düstere Ausstrahlung und mir gegenüber die Augenfarbe zu wechseln, reicht nicht.«

Überraschung huschte über seine ansehnlichen Züge, und einen Moment lang glaubte sie fast, er würde lächeln. Aus unerfindlichen Gründen wollte sie ihn lächeln sehen, und während sie darauf wartete, klammerte sie sich an diesen Strohhalm, bis der Moment vorüber war. Dann sagte er: »Ich lade Sie zum Essen ein. Währenddessen arbeite ich an meiner furchteinflößenden Ausstrahlung – versprochen. Ich setze sogar noch einen drauf und wechsle Ihren Reifen, wenn wir zurückkommen.«

Die Einladung ließ ihre Alarmglocken schrillen. Er hatte etliche Verehrerinnen, und sie verabredete sich nicht mit Soldaten. Ihr Vater würde es nicht billigen. Trotzdem freute sie sich auf die Herausforderung, sein unerreichbares Lächeln hervorzulocken. Scherzhaft erwiderte sie: »Bereit zur Kampfansage, wenn Sie es sind.«

Die schwarzen Augen wechselten wieder zu blauem Feuer, das heiß genug brannte, um ihre Knie in Pudding zu verwandeln. »Tja, wir werden sehen.« Er fischte seine Schlüssel aus der schwarzen Tarnhose. »Mein Wagen steht dort drüben.«

»Was denn?«, zog sie ihn auf. »Wir müssen fahren? Wir beamen uns nicht mit dem Wind zum Restaurant? Superman hat Lois aber überall hingeflogen.«

»Ich bin einem kleinen Comic-Abenteuer zwar nicht abgeneigt«, versicherte er, »aber weder bin ich Superman, noch sind Sie Lois, glauben Sie mir. Es sei denn, Sie sind scharf auf ein Nahtod-Erlebnis. Es ist riskant für Menschen. Manchmal sogar tödlich.«

»Oh«, machte sie überrascht, als sie auf eine Reihe von Autos zugingen. »Es gibt also Einschränkungen. Ich dachte, man könnte kurz vorbeischauen, jemanden retten und fertig.«

»Zumindest ist es eine gute Ausrede, um Carrie behalten zu können«, sagte er, als er neben einem klassischen schwarzen Mustang stehen blieb.

»Ihr Auto heißt Carrie?«, fragte sie, aufs Neue überrascht von diesem Mann. Er war wesentlich menschlicher, als es ihm die Menschen zugestanden.

»Sie ist der Freund, der mich nie im Stich gelassen hat«, erwiderte er, als er die Beifahrertür öffnete und sie heranwinkte.

»Aber auch eine teuflische, durchgedrehte Figur aus einem Stephen-King-Roman«, wandte sie ein. »Ich weiß ja nicht, ob ich auf so einen Freund Wert legen würde.«

»Sie werden anders darüber denken, wenn Sie mit ihr gefahren sind«, beteuerte er.

Sich seines brennenden Blicks nur allzu bewusst, schlüpfte Cassandra ins Auto und sank in das weiche Leder. Der Freund, der mich nie im Stich gelassen hat. Michael war in der Vergangenheit nicht nur enttäuscht worden, man hatte ihm auch wehgetan. Und dieser alte Schmerz trug einen Teil dazu bei, wer er war und was ihn ausmachte. Vielleicht machte er ihn sogar so tödlich, wie jeder dachte. Vielleicht sollte sie Angst vor ihm haben. Warum öffnete sie also nicht die Tür und stieg aus?

Andererseits – wem konnte ein kleines Abendessen schon schaden?

2

Michael betrat den Fischmarkt von Kuwait City abseits des Arabian Gulf Boulevard in Zivil – lässige Jeans, schwarzes T-Shirt, Sonnenbrille. Vor zwei Wochen erst hatte er Cassandra kennengelernt, und nun befand er sich bei einem Einsatz – allerdings mit derart mieser Laune, dass es seinen Feinden nichts Gutes verhieß. Nach vier zwanglosen Verabredungen, die irgendwie nicht im Bett geendet hatten, obwohl er einmal kurz davor gewesen war, Cassandra die Kleider vom Leib zu reißen und seinem Willen freien Lauf zu lassen, hatte Michael von weiteren Treffen Abstand genommen. Auch wenn es nicht das war, was er wirklich wollte. In seinem ganzen Leben hatte er noch nichts so sehr begehrt wie diese Frau. Sie war ebenso lebenslustig und klug wie einst seine Mutter, bevor sein Vater sie auch der allerletzten Emotionen beraubt hatte. Seine Mutter pflegte zu sagen, Michael sei das absolute Ebenbild seines Vaters – ein Mann, der wesentlich mehr vom Tod verstand als vom Leben.

Der faulige Geruch von totem Fisch stieg Michael in die Nase und wurde von der Hitze noch verschlimmert, die von dem Leinentuch zurückstrahlte, das man über die Auslagen gespannt hatte. Der Gestank erinnerte Michael daran, dass er sich heute noch mit dem Tod befassen musste. Er verabscheute die Ausdünstungen von totem Fisch mindestens so sehr wie die von Blut, doch laut seiner Quellen kam Raj Mustafad jeden Freitag zum Fischkauf her, also musste Michael den Gestank noch eine Weile aushalten. Raj war ihr Bindeglied zu einer iranischen Terroristengruppe, die wild entschlossen und auf dem besten Wege war, Israel durch einen Angriff mit biologischen Waffen zu vernichten.

Michael erkannte Raj in der Sekunde, als er den Markt betrat, da er sich sein Gesicht anhand von Fotos eingeprägt hatte. Drei Tische mit stinkendem Fisch trennten die Männer, die Michael rasch umging, indem er im Wind verschwand und neben Raj wieder auftauchte, wobei er sich nicht im Mindesten um Zeugen scherte. Nicht in Kuwait City, wo die Menschen schon eine öffentliche Steinigung befürchteten, nur weil sie ihren Namen laut ausgesprochen hatten.

Er packte Raj an seinem langen Gewand und schleuderte ihn auf einen Tisch. Die schleimigen Fischkörper wurden unter ihm platt gedrückt und landeten klatschend auf der Erde.

Michael drückte ihm eine Waffe an den Schädel und fragte auf Arabisch: »Wo sind die Behälter?«

Hinter ihm erklangen Schreie, während sich der Fischmarkt leerte. Es wurde lautstark nach den in der Nähe befindlichen Streitkräften gerufen. Der Wind regte sich, und Michael musste sich nicht umsehen, um zu wissen, dass die eineiigen Zwillinge Caleb und Adam Rain hinter ihm standen, um ihm Rückendeckung zu geben. Caleb genoss sein uneingeschränktes Vertrauen, Adam hingegen nicht. Adam war eine tickende Zeitbombe und auf dem besten Weg, einen Gottkomplex zu entwickeln; Michael müsste ihn eventuell eines Tages töten, um Caleb zu ersparen, selbst Hand anlegen zu müssen. Er hatte den Verdacht, dass Powell ihn deshalb bei den Brüdern bleiben ließ. Weil er wusste, dass Michael, trotz seines Respekts vor Caleb, Adam, ohne zu zögern, aus dem Weg räumen würde. Vorläufig bildeten die Brüder jedoch einen undurchdringlichen Panzer, und Michael hatte einen Job zu erledigen.

Raj flehte immer noch, ihn laufen zu lassen, als Michael den Hahn spannte. »Ich habe keine Zeit für dein widersprüchliches Geplapper.« Da verlässliche Agenten des israelischen Geheimdienstes versichert hatten, dass der Angriff in den nächsten vierundzwanzig Stunden stattfinden sollte, standen Millionen Menschenleben auf dem Spiel. Um an Details zu kommen, hatten sie ihnen anderthalb Wochen an den Fersen geklebt, die nur zu einer Person führten: Raj. Er war alles, was sie hatten.

Doch Raj wies immer noch alles von sich. Michael verlagerte die Pistole und drückte sie an sein Ohr. »Ich fange hier an und arbeite mich weiter vor.« Michael gab einen Warnschuss ab und ließ die Patrone absichtlich Rajs Ohr streifen. Er schrie auf.

Hinter ihm wurde geschossen. Caleb rief: »Beeil dich, Michael.«

Michael schob die Waffe in den Schritt des Mannes. »Letzte Chance.«

Bevor Michael ihn mit Blei vollpumpen konnte, spuckte Raj alles aus. Michael ließ ihn los und rief in dem Wissen, dass Caleb und Adam folgen würden, kurz bevor er im Wind verschwand: »Raus hier.« Dass Raj singen würde, bereitete ihm kein Kopfzerbrechen – man würde ihn ohnehin als Verräter hinrichten.

Kurz vor Sonnenaufgang trat Michael in schwarzer Tarnkleidung aus dem Wind. Er platzierte sich hinter einen der vier Terroristen, der das unbeleuchtete Fischerboot mit Waffen belud, brach ihm lautlos das Genick. Nur wenige Meter entfernt beseitigten Caleb und Adam, das hellbraune Haar unter dunklen Kappen verborgen, zwei weitere Rebellen. Wenn Raj nicht gelogen hatte, würde in genau drei Minuten auf dem finsteren, unbefestigten, zum Dock führenden Weg ein Jeep auftauchen – beladen mit dem biologischen Kampfstoff, der sie hergeführt hatte.

Michael suchte den Platz nach dem vierten, bislang fehlenden Mann ab und entdeckte ihn am Boot, als er gerade zum Sprung ansetzte. Michael dachte sich einfach zu ihm, und der Wind trug ihn hin. Binnen zehn Sekunden hatte er ihm das Genick gebrochen. Schnell hob er den toten Rebellen auf und legte ihn unter Deck, wo Caleb und Adam bereits die anderen Leichen verstaut hatten.

Durch die fernen Wälder hallte das gespenstische Geräusch von heulenden Wölfen. Die drei GTECHs standen nebeneinander, die Blicke auf die Wälder gerichtet. Adam sagte kaum hörbar: »Zwei Heckenschützen. Zehn weitere Rebellen achthundert Meter den Hügel runter. Aus dem gleichen Grund hier wie wir. Sie haben es auf die Ladung abgesehen, die zum Boot unterwegs ist.«

Michael musterte Adam mit zusammengekniffenen Augen. »Woher zum Teufel weißt du das?«

»Die Wölfe«, erwiderte Adam, ohne den Blick zu erwidern. Er konzentrierte sich auf die dunkle Linie der Bäume, die sich in weniger als einem Kilometer Entfernung befand. »Sie haben angefangen, mit mir zu reden.«

Was zum Henker? »Und antwortest du?«, fragte Michael.

»Ich arbeite daran«, erwiderte Adam. »Ich kümmere mich um die Heckenschützen.« Der Wind hob kurz an, ehe er verschwand.

Michael warf Caleb einen Blick zu. »Hast du das gewusst?«

»Es hat letzte Woche bei dem Einsatz in Asien angefangen, den wir ohne dich durchgeführt haben«, sagte er. »Die verdammten Wölfe sind uns überallhin gefolgt.«

Unten am Weg flackerten Scheinwerfer. Michael und Caleb zogen sich in die Schatten zurück. Michael positionierte sich hinter der Hütte, spähte hervor und behielt das herannahende Ziel im Auge. Caleb kauerte geduckt in einer dunklen Ecke des Boots. Das Motorengeräusch schwoll an, als der LKW vor der Anlegestelle hielt. Türen wurden zugeschlagen, Männerstimmen grollten durch die Luft.

Als der letzte der fünf Männer an Bord gegangen war und dabei den Laster und die biologischen Waffen unbeaufsichtigt ließ, sprach Adam in sein Headset. »Los.« Er sagte nicht »Sauber«, was bedeutete, dass er noch beschäftigt war, aber dennoch für ihre Deckung sorgte.

Michael gab Caleb ein Zeichen, der daraufhin im Wind verschwand, auf den biologischen Kampfstoff zuhielt und es Michael überließ, die fünf Männer zu beseitigen. Da er sich lautlos im Wind bewegte, war er gefährlicher als jeder andere GTECH und beseitigte die Männer systematisch. Wie ein Geist tauchte er hinter ihnen auf, brach ihnen das Genick und verschwand. In weniger als einer Minute stand er mithilfe des Winds hinter dem Truck bei Caleb.

Michael entdeckte ihn auf der hinteren Ladekante des Fahrzeugs, als er gerade die Plane anhob. Zugleich zielte ein etwa vierzehnjähriger Junge mit einem Maschinengewehr auf seinen Rücken. Michael zog die Halbautomatik aus der Seite und legte den Finger an den Abzug.

Die Zeit schien stillzustehen, und während dieser drei Sekunden machte sich der schwarze Ort davon, den er auf dem Schlachtfeld sein Zuhause nannte. Es machte ihn verrückt, Kindersoldaten töten zu müssen – immer schon. Es war nicht unwahrscheinlich, dass der Junge nur kämpfte und den Terroristen diente, weil seine Mutter – und Geschwister, sofern er welche hatte – bedroht worden waren. Der Grat zwischen Mörder und Opfer, Mann und Junge war schmal und wurde leider allzu oft beschritten, dennoch hatte sich Michael nie daran gewöhnen können. Wenn er es zuließ, könnte der Junge heute zum Mörder und Mann werden, was jedoch Calebs Tod bedeuten würde. Selbst als GTECH hätte Caleb kaum Chancen, einen Angriff zu überleben, bei dem ihm die Ladung eines Maschinengewehrs in den Hinterkopf gepumpt wurde.

Michael feuerte und verpasste dem Jungen eine Kugel in jeden Arm. Der fiel schreiend zu Boden. Als Caleb mit grimmiger Miene vom Laster sprang, war ihm anzusehen, dass er ebenso erschüttert war wie Michael. »Michael«, sagte er, »du hattest keine Wahl.«

Die Luft kräuselte sich, Adam erschien neben dem Jungen und gab ihm den Rest. Michael wurde innerlich kalt, er und Caleb wechselten einen unbehaglichen Blick.

Aus dem nahen Wald gellte ein Schrei herüber und brachte Adam zum Lachen. »Die Wölfe hatten Hunger.« Seine Augen zuckten zu dem Jungen herüber. »Menschliches Stück Scheiße.« Er versetzte dem blutenden, schlaffen Körper einen Tritt, worauf Michael zusammenzuckte. »Die sind alle scheiße, schwach in jeder Hinsicht.«

Er holte zu einem weiteren Tritt aus, doch Caleb packte ihn und kam Michael eine Sekunde zuvor. »Es reicht!«, sagte Caleb und funkelte seinen Bruder an. »Er ist doch nur ein Junge. Ein Kind und Opfer, Adam. Wahrscheinlich hat er nur versucht, seine Familie zu retten.«

Adam packte Caleb an der Tarnjacke. »Ach, komm schon, Bruder«, stieß er hervor. »Menschen sind nichts weiter als Tiere. Sie bringen sich gegenseitig um. Wir halten sie davon ab. Aber wozu? Sie fangen ja doch wieder von vorne an. Vielleicht sollen sie ja abkratzen, damit wir gedeihen können?« Er ließ Caleb los und beäugte beide Männer. »Wir entwickeln uns weiter, während sie mit jedem Tag zu Neandertalern degenerieren.«

»Verdammt, Adam«, sagte Caleb und kratzte sich die Bartstoppeln. »Hör auf, solchen Mist zu quatschen. Manchmal weiß ich nicht mehr, wer du bist. Lass uns einfach nur unseren Job erledigen.« Er riss die Ladeklappe des Trucks auf und zog die Holzkiste vor. »Du wirst es schon noch einsehen, Bruder«, sagte Adam und taxierte Michael. »Wenn du erst mal weniger menschlich bist, wie ich. Und Michael.«

Dieser Vergleich zerfetzte das, was von Michaels Eingeweiden übrig war. Wie ich und Michael. Er sah zwischen den Brüdern hin und her, die sich so ähnlich und doch so verschieden waren. Caleb, von dem Michael wusste, dass er sein Leben opfern würde, um einen Unschuldigen zu retten, und ebenso gut das Leben des Jungen über sein eigenes gestellt haben könnte. Und Adam, der das Kind getreten hatte, als es bereits am Boden lag.

Caleb hob den Deckel an und enthüllte drei kleine, luftdichte, jedoch tödliche Behälter, die über das Potenzial verfügten, Hunderttausende zu töten. Adam langte in die Kiste und zerrte grob ein Behältnis heraus. »Es muss enden, damit es einen Neuanfang geben kann.«

In seinen Augen funkelte etwas Böses, das erkennen ließ, dass er die Öffnung des Behälters in Betracht zog. Michael machte sich bereit einzugreifen, als Caleb das Handgelenk seines Bruders packte. »Es reicht. Leg ihn zurück, Adam.«

Adam lachte. »Vielleicht reiße ich mir eins dieser Schätzchen unter den Nagel.« Die Wölfe heulten in der Ferne, als ob sie den Witz verstanden hätten. Caleb bedachte Adam mit einem weiteren zornigen Blick, worauf dieser den Behälter zurücklegte. »Ich übernehme die ehrenvolle Aufgabe, sie Powell zu überbringen.« Er schnappte sich die Kiste mit den Behältern und verschwand im Wind.

Caleb fluchte und taxierte Michael. »Ich kümmere mich um Adam. Und Powell.« Er verschwand.

Michael verspürte nicht den Wunsch, ihm nachzugehen. Er hoffte bloß, dass Caleb wirklich so gut vorbereitet war, wie er behauptete, wenn sich Michael Adam eines Tages vorknöpfen musste. Und dieser Tag würde eher früher als später kommen. Das GTECH-Serum hatte etwas mit ihm angerichtet, ihn in ein Monster verwandelt. Caleb war ein guter Mann, einer, der die Regeln befolgte. Er brauchte jemanden wie Michael, einen, der Regeln brach.

Er betrachtete die Blutlache zu seinen Füßen, das Blut des Jungen. Der Anblick war ihm nur allzu vertraut. Er redete sich ein, dass es unvermeidlich gewesen war, all die Leben auszulöschen, die er genommen hatte. Er war nicht wie sein Vater, der Waffen ins Ausland verschachert hatte, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, wer dadurch sein Leben verlor. Oder wie seine Mutter, die dessen Taten mit finanzieller Sicherheit und Fürsorge rechtfertigte. Die ihn hasste, weil er es gewagt hatte, ihre perfekte kleine Welt ins Wanken zu bringen. Er war auch nicht wie Adam, der nur zum Vergnügen tötete. Michael hatte es sich zur Aufgabe gemacht, Leben zu retten, was mitunter bedeutete, Leben nehmen zu müssen. Das GTECH-Serum hatte keinen Einfluss auf seine Entscheidungen oder auf Calebs. Caleb und Michael waren nicht mit X2 infiziert – Adam hingegen schon.

Es hatte nichts zu bedeuten, dass Michael und Adam spezielle Gaben entwickelt hatten: sein eigenes Vermögen, sich mit dem Wind in Verbindung zu setzen, und Adams, mit Wölfen zu kommunizieren. Michael ballte die Fäuste an den Seiten. Er war nicht wie Adam, verdammt. Du bist aber auch nicht wie Caleb, schien der Wind zu flüstern.

In diesem Moment verschwand Michael im Wind, ohne sich bewusst dafür entschieden zu haben. Der Wind schien sich immer öfter mit ihm zu verständigen, fast mit ihm zu reden. Er wusste sogar, wohin Michael gehen wollte. Michael war sich im Klaren darüber, dass er der Illusion, immer noch ein Mensch zu sein, entfliehen musste. Bisweilen fragte er sich sogar, ob er überhaupt je ein Mensch gewesen war.

Anderthalb Stunden später lehnte Michael an der hinteren Wand von Las Vegas’ Coyote-Ugly-Version, die bekannt war für laute Musik und sexy Frauen in knappen Hotpants und Cowboystiefeln, von denen einige auf dem Bartresen entlang der Tischreihen tanzten.

Er hatte keinen Schimmer, warum er immer noch hier war und so tat, als würde er die Tänzerinnen beobachten, statt wie sonst nach einem Einsatz eine Frau aufzureißen – oder zwei oder drei. Oder warum er sich ständig ein Wiedersehen mit Cassandra ausreden musste, da er doch genau wusste, dass ein Treffen keine gute Idee war. »Was kann ich für dich tun, Michael?« Die Einladung in Becky Lees süßem Südstaatenakzent war unüberhörbar, während sich die Rothaarige in den Zwanzigern von der Seite an ihn heranmachte und dabei die drallen Brüste und den geschmeidigen Körper an ihn drückte. Sie wusste genauso gut wie er, aus welchem Grund er hier war. Als sexuell aufgeschlossene Frau, die willens war, so ziemlich alles auszuprobieren, sich aber auf keine Verpflichtungen einlassen wollte, war Becky Lee das perfekte Lustobjekt für Michael. Nach einem Einsatz hatte er schon oft ihre Nähe gesucht.

Während Michael sie musterte und die Augen über ihr kurviges, weit ausgeschnittenes Dekolleté wandern ließ, wartete er auf den Rausch des schieren Urverlangens, das ihn nach weiblichem Trost suchen ließ und die Frauen offenbar anlockte. Seit er GTECH geworden war, wurde dieser Rausch mit jeder Heimkehr schlimmer.

Doch er empfand nichts. Absolut gar nichts. Allein der Gedanke daran ließ Michael mit den Zähnen knirschen. Was war bloß mit ihm los, verdammt?

Als er den Kopf in den Nacken legte und sein Bier hinunterspülte, wünschte er sich, dass sein GTECH-Stoffwechsel den Alkohol nicht schon beim Schlucken praktisch abbauen würde. Ein Saufgelage ohne die dazugehörige Benommenheit war witzlos und erinnerte ihn zudem nur an das, was er verdrängen wollte: kein Mensch zu sein. Allerdings half Sex beim Verdrängen – er gab ihm das Gefühl, am Leben zu sein, wirkte befreiend. Frust bahnte sich einen Weg durch seine Eingeweide, worauf Michael Becky packte und mit sich zog. Er würde schon dafür sorgen, abgelenkt zu werden.

Kurz darauf bugsierte Michael eine lachende Becky durch den verlassenen Korridor zu den Toiletten hinunter und zur Hintertür hinaus. Kaum dass sie draußen waren, packte er ihren üppigen Körper und wob die Hand in ihr Haar, um sie zu küssen, doch er konnte nicht.

Atemlos flüsterte Becky: »Ich sterbe gleich, Michael. Küss mich. Ich brauche dich und deinen Kuss.« Doch sie brauchte ihn nicht, nicht wirklich. Sie begehrte ihn und war scharf auf den Kick, mit jemandem zu schlafen, der ebenso nach einem Ausweg lechzte wie sie. Eine Zeit lang war es perfekt für Michael gewesen, und damals war sie zu einer Gleichgesinnten geworden. Eine Frau in den Armen zu halten und ihr Vergnügen zu bereiten, hatte ihm immer das Gefühl gegeben, kein Monster zu sein. Doch heute Nacht war es anders. Oder besser gesagt – sie war nicht die richtige Frau. Sie unterschied sich nicht von den anderen in der Bar.

Michael ließ Becky los und drängte sie wieder in die Kneipe. »Du brauchst einen Drink.«

Ein paar Minuten später trat Michael allein aus der Hintertür. Sein Verlangen war mittlerweile fast ein Urbedürfnis, dem er nicht widerstehen und das er nicht länger unterdrücken konnte. Michael entschwand im Wind und kam auf Cassandras Terrasse wieder zum Vorschein.

Es war kurz vor Mitternacht, als Cassandra mit einem Stapel Forschungsberichten auf dem Schoß den überquellenden Stuhl ihres Schlafzimmers belegte. Eine seltene kühle Brise, die Fetzen eines flüchtigen Auguststurms mit sich führte, bewegte die Gardinen vor den geöffneten Glasschiebetüren. Da sie die Vierzehnstundentage allmählich auslaugten, hatte sie mit dem Vorsatz, früher ins Bett zu gehen, bereits ihr Nachthemd angezogen. Die X2-Forschung zerrte ebenfalls an ihren Kräften. Von fünfzehn Soldaten waren weitere fünf betroffen. Ein Drittel der Männer zeigte ein für sie ungewöhnlich aggressives Verhalten, weswegen ihr Vater verlangte, sie in Nadelkissen zu verwandeln. Da die GTECHs eine erstaunliche Waffe für die Regierung darstellten, hatte Washington seinen Impfplan angeboten. Ihr Vater würde diese Hilfe garantiert nicht aufs Spiel setzen, um Rücksicht auf die Leiden der Männer zu nehmen. Dass die GTECHs noch zurechnungsfähig waren, grenzte an ein Wunder. Dennoch rechnete Cassandra ihrem Vater hoch an, dass er Soldaten ausgesucht hatte, die über Durchhaltevermögen verfügten und sich gut entwickelten.

Als die Vorhänge kaum merklich flatterten, sah Cassandra zur Tür. Sofort musste sie an Michael denken und fragte sich, wann oder ob er wieder mit ihr ausgehen würde. Bisher hatte er jedes Mal die Flucht ergriffen, wenn sie sich nähergekommen waren. Da es heftig zwischen ihnen knisterte – und nach all den Geschichten von seinen Eroberungen –, konnte sie sich darauf keinen Reim machen. Wenn sie auf ihren Vater zu sprechen kamen, spürte sie eine gewisse Missbilligung, daher fragte sie sich, ob es daran lag. Zwar wollte sie sich nicht in die Schar der von ihm eroberten Frauen einreihen, aber vielleicht könnte sie ja ihn erobern.

Diese aberwitzige Vorstellung brachte sie zum Lachen, und sie gluckste noch mehr, als sie an ihre zweite Verabredung denken musste. Sie waren zu einem Minigolfplatz gefahren, und im Laufe des Spiels hatte sie es fertiggebracht, den Ball ausgerechnet in einem BMW zu versenken. Der Besitzer hatte glücklicherweise kein Theater gemacht, doch Cassandra hatte sich in Grund und Boden geschämt. Erst als Michael »Der Mysteriöse« gelächelt und ihr einen Kuss auf die Nase gedrückt hatte, hatte sie den Vorfall vergessen können. Sie entsann sich, beim Blick in seine kristallblauen, belustigten Augen eine Verbindung zwischen ihnen gespürt zu haben. In jenem Moment hatte sie eine Veränderung an ihm wahrgenommen, jenseits des Lächelns, das sie ihm endlich hatte entlocken können. Er hatte seinen Schutzschild fallen lassen.

Der Vorhang hob sich in einer kräftigen Bö, und Cassandra hätte schwören können, dass sie ihren Namen rief. Sie schüttelte den Kopf. Diese Schwärmerei für Michael war ja nicht auszuhalten.

In ihrem hauchdünnen, gerade bis zu den Knien reichenden Nachthemd erhob sie sich und verstaute die Akte auf dem Tisch neben dem Stuhl. Eigentlich hatte sie nur die Tür schließen und zu Bett gehen wollen, doch ihre Neugier siegte. Als sie die Gardine zurückzog, erkannte sie im trüben Licht der Terrassenlaterne in der Nähe der Tür eine Gestalt.

Überzeugt, sich Michael nur einzubilden, blinzelte Cassandra, doch er war es tatsächlich und strahlte dieselbe todbringende Männlichkeit aus wie eh und je. Mit dem Haar, das sein starkes Gesicht und die breiten Schultern umrahmte, wirkte er wie ein Krieger aus der Antike. Der Gedanke schickte ihren Magen auf eine Achterbahnfahrt. O Gott. Er war ein Krieger – beziehungsweise ein Soldat, der gerade von einem Einsatz kam. Sie wusste, was diese mitternächtlichen Besuche bedeuteten und welche schlechten Nachrichten damit einhergingen.

Ohne einen Gedanken an ihr durchsichtiges Nachthemd zu verschwenden, stieß sie die Fliegentür auf und ging barfuß auf ihn zu. Sie konnte an nichts anderes denken, als dass die Welt um sie herum zerbrach. »Sag es mir. Sag es gleich. Es ist mein Vater, nicht wahr?«

»Nein«, erwiderte er hastig. »Alles ist in Ordnung. Ihm geht’s gut.« Er rieb sich den Kiefer. »Allen geht es gut.«

»Bist du sicher?«, fragte sie, während sie in seinem Gesicht nach Bestätigung suchte. »Sag mir bitte, dass du sicher bist.«

Er nickte nachdrücklich. »Ja«, sagte er. »Ich bin sicher.«

»Oh, Gott sei Dank«, sagte Cassandra und stieß erleichtert den Atem aus, während sie noch immer die Hand an die Brust presste, in die ihr Herz fast ein Loch gehämmert hätte. Trotz seiner Makel war ihr Vater alles, was sie hatte, und sie liebte ihn.

»Ich wollte dich nicht erschrecken«, sagte er und trat einen Schritt zurück. »Es war ein Fehler, herzukommen.«

»Warte!«, rief sie, trat näher an ihn heran und packte seinen Arm. »Bitte geh nicht. Du bist doch nicht ohne Grund gekommen, und ich weiß noch nicht mal, warum.« Doch an seiner Miene konnte sie erkennen, dass er sich schon wieder vor ihr verschlossen hatte. »Rede mit mir, Michael. Was ist passiert? War es der Einsatz?«

Er zögerte und sagte leise: »Es ist immer irgendein Einsatz.«

Irgendetwas stimmte nicht. Er war aufgewühlt und hatte bei ihr Trost gesucht. Bei dem Gedanken wurde ihr warm ums Herz. Michael, der jeden mied, war zu ihr gekommen. Sie ließ die Finger seinen Arm entlang bis hinunter zur Hand gleiten. »Kannst du darüber reden?«

»Würde ich, wenn ich dürfte«, sagte er. »Aber das ist nichts, was du hören willst.«

»Ich kann einiges vertragen«, beteuerte sie.

Er zog sie in seine Arme, vergrub das Gesicht in ihrem Haar und hüllte sie mit seiner Wärme ein. »Ich weiß«, sagte er leise. »Du bist zu gut für die Hölle meines Lebens. Deshalb fühle ich mich auch wie ein verdammter Egoist – weil ich dich brauche.«

Er versuchte sie wegzuschieben, als wollte er aufbrechen. Von seinem Geständnis und seiner Verletzlichkeit getroffen, klammerte sich Cassandra an ihn. »Ohne mich gehst du nirgendwohin. Ich lasse mich nicht von dir wegschicken. Ich brauche dich auch.«

Ein Feuer loderte in seinen Augen, und aus seiner Kehle drang ein tiefes, gutturales Stöhnen. Als er die Hände seltsam vertraut auf ihren Hintern legte, konnte sie sich kaum entsinnen, hochgehoben worden zu sein. Nur sein wilder leidenschaftlicher Kuss und das Verlangen, sich um ihn zu schlingen und ihm ganz nah zu sein, existierten noch. Sie konnte sich auch nicht daran erinnern, das Haus betreten zu haben – was ihrer zurückhaltenden Art völlig widersprach. Selbst wenn er sie auf der Veranda genommen hätte, hätte sie ihn nur angefleht, es noch mal zu tun. Sie wollte und brauchte ihn.

Irgendwie schafften sie es zum Bett. Als er sich immer noch bekleidet auf die Seite drehte und die flache Hand auf ihren Bauch legte, brannte sein prüfender Blick heiß auf ihr. Aus ihrer lasziven Hingabe wurde Scheu.

Als sich Cassandra aufzusetzen versuchte, drückte er sie zurück auf die Matratze. »Was machst du da?«, fragte sie. Plötzlich fühlte sie sich entblößt und furchtbar verletzlich. Warum ließ er sich nicht gehen, so wie sie?

»Ich bewundere dich«, sagte er und strich zärtlich über ihren Nippel, worauf sie kaum ein Stöhnen unterdrücken konnte. Sie wollte sich nicht gehen lassen, solange er nicht dasselbe tat.

Er legte sich auf sie, als könne er spüren, dass sie fliehen wollte, hielt sie unter seinem massiven Körper gefangen und spreizte ihre Beine mit den Knien. Sein langes schwarzes Haar fiel ihm über die Schultern und brachte den Krieger zum Vorschein – einen wilden, verruchten Krieger. Ihren Krieger. Was für ein verrückter Gedanke – ebenso wild und lasterhaft wie dieser Mann. Heute Nacht gehörte er ihr, und nur sie beide existierten. Sie nahm die Begierde in seinen Augen wahr und schmeckte sie auf seinen Lippen, als er sie küsste.

»Entspann dich und lass dir zeigen, wie schön du bist.« Er küsste ihren Hals, ihr Ohr. »So wunderschön.« Und er zeigte es ihr – langsam, verführerisch, vollendet. Sie gab sich der Lust hin, vergaß die Zeit, konnte nicht mehr zusammenhängend denken, als Michael ihre Brüste küsste, die Nippel, die pochende Körpermitte. Seinen Berührungen und Blicken haftete etwas Magisches an, worauf sie die letzten Hemmungen über Bord warf und sich ihm vollkommen hingab. Es war eine Aufforderung, sich fallen zu lassen und ihn zu erkunden.

Als er die Zunge über ihre Brustwarze gleiten ließ, bäumte sie sich auf und stöhnte leise. Er hob den Kopf und sah sie mit kristallblauen Augen an, in denen flüssige Lava loderte.

»Es gefällt mir, wenn du für mich stöhnst.«

Sie berührte sein Gesicht, sehnte sich danach, den Mann hinter dem Krieger zu erkennen. »Deine Augen«, sagte sie. »Zeig mir ihre wahre Farbe.« Er spannte sich an. »Dein wahres Ich. Diesen Mann möchte ich. Diesen Mann brauche ich.«