Zone 9: Die Verschollenen - Mascha Fekete - E-Book

Zone 9: Die Verschollenen E-Book

Mascha Fekete

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Beschreibung

Rache. Das ist alles, was Kyra will. Der vernarbte Soldat soll sterben. Doch das Versteck der Verschollenen stand noch nie einer so großen Gefahr gegenüber wie jetzt. Wie weit wird Kenos Verrat gehen? Die Rebellen machen sich auf einen gewaltigen Angriff der Residenz gefasst. Um ihren Platz im Quartier zu sichern, muss Kyra die Prüfung zur Wüstenläuferin bestehen und eine Kriegerin der Verschollenen werden. Aber nicht nur die Ausbildung entpuppt sich als lebensgefährlich, auch unter den Rebellen lauern finstere Geheimnisse. Etwas brodelt in den dunklen Ecken der Mall, und es ist nichts Gutes …

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HYBRID VERLAG

Vollständige elektronische Ausgabe

03/2024

 

Zone 9 – Die Verschollenen

 

© by Mascha Fekete

© by Hybrid Verlag, Westring 1, 66424 Homburg

 

 

Umschlaggestaltung: © 2024 by Mascha Fekete

Lektorat: Emilia Laforge

Korrektorat: Paul Lung

Buchsatz: Paul Lung

Autorenfoto: privat

 

 

Coverbild ›Omega‹

© 2020 by Creativ Work Design, Homburg

Coverbild ›Das Billardcafe‹

© 2021 by Creativ Work Design

Coverbild: © 2021 by Jenny Siege, Weißenfels

 

 

ISBN 978-3-96741-261-1

 

 

www.hybridverlag.de

www.hybridverlagshop.de

 

 

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.

 

 

Printed in Germany

 

 

Mascha Fekete

 

 

 

 

 

Wir lassen uns schon etwas einfallen, richtig?

 

 

 

 

 

Dystopie

 

Kapitel Eins

Kapitel Zwei

Kapitel Drei

Kapitel Vier

Kapitel Fünf

Kapitel Sechs

Kapitel Sieben

Kapitel Acht

Kapitel Neun

Kapitel Zehn

Kapitel Elf

Kapitel Zwölf

Kapitel Dreizehn

Kapitel Vierzehn

Kapitel Fünfzehn

Kapitel Sechzehn

Kapitel Siebzehn

Kapitel Achtzehn

Kapitel Neunzehn

Kapitel Zwanzig

Kapitel Einundzwanzig

Kapitel Zweiundzwanzig

Kapitel Dreiundzwanzig

Kapitel Vierundzwanzig

Kapitel Fünfundzwanzig

Kapitel Sechsundzwanzig

Kapitel Siebenundzwanzig

Kapitel Achtundzwanzig

Kapitel Neunundzwanzig

Kapitel Dreissig

Kapitel Einunddreissig

Kapitel Zweiunddreissig

Kapitel Dreiunddreissig

Kapitel Vierunddreissig

Kapitel Fünfunddreissig

Kapitel Sechsunddreissig

Kapitel Siebenunddreissig

Kapitel Achtunddreissig

Kapitel Neununddreissig

Kapitel Vierzig

Kapitel Einundvierzig

Kapitel Zweiundvierzig

Kapitel Dreiundvierzig

Kapitel Vierundvierzig

Kapitel Fünfundvierzig

Kapitel Sechsundvierzig

Kapitel Siebenundvierzig

Kapitel Achtundvierzig

Kapitel Neunundvierzig

Kapitel Fünfzig

Kapitel Einundfünfzig

Kapitel Zweiundfünfzig

Kapitel Dreiundfünfzig

Kapitel Vierundfünfzig

Kapitel Fünfundfünfzig

Aktenvermerk aus der Residenz

Die Autorin

Hybrid Verlag …

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Für meine Oma.

Ich vermisse dich.

 

Ich blicke in ein körpergroßes Loch im Boden und versuche, etwas zu erkennen. Doch da ist nichts als Finsternis. Denk nicht nach, sage ich mir selbst. Sei stark. Ein letztes Mal atme ich aus, dann springe ich. Sobald das Gefühl des freien Falls in meinem Magen kribbelt, reiße ich die Augen auf. Es ist dunkel. Ich bin blind. Es ist kalt.Mein Rücken brennt bei dem Aufprall und nun rutsche ich. Ich werde schneller. Unangenehm schnell. Zische hinunter, als würde ich fallen. Der unebene Grund beißt an meiner Wirbelsäule. Ich presse die Augen so fest zusammen, wie die Finger in die Träger meines Rucksacks, der über meinen Bauch hängt. Schreie steigen in meiner Kehle auf, welche ich verbissen zu ersticken versuche. Und dann, mitten in der Schwärze meiner Lider, sehe ich dich vor mir.

Ich erinnere mich, an jede einzelne Haarsträhne, die wie rostende Stahlfäden um deine Wangen wirbeln. Jede Sommersprosse, die um deine Nase tanzt, wenn du lachst. Jeden verdammten Wimpernschlag, der mir das Blau deiner Augen raubt. Damals … Als wäre es heute.

 

 

 

 

 

Auf den letzten Seiten findest du folgenden Aktenvermerk aus der Residenz:

 

Klassifizierung der Bevölkerung nach Immunitätsarten

 

 

 

 

Kapitel Eins

 

 

 

Der Wind trocknet den Schweiß auf meiner Haut. Er zieht an meinen Wangen, meiner Stirn und um meine Augen, die wie gebannt auf meine Füße starren. Wie von selbst marschiere ich durch den Sand. Meine Aufmerksamkeit liegt bei etwas völlig anderem. Die aufklatschenden Tropfen ziehen mich vollkommen in ihren Bann. Mit jedem Mal fallen kleinere, sanftere, aber ich höre jeden einzelnen, als würden sie wie Sprengstoff neben meinem Körper explodieren.

Irgendwann werden die Abstände länger. Konzentriert warte ich auf den nächsten. Beinahe schon besessen. Es ist nicht so, dass ich sie hören will. Ganz im Gegenteil, ich wünschte, ich könnte das Geräusch völlig ausblenden. Aber das ist unmöglich. Die Dominanz, mit der sie durch meinen gesamten Körper hallen, zwingt sie mir bildhaft vor Augen. Wie in Zeitlupe zerspringt das Rot auf Theos schwarzen Lederstiefel, sickert zwischen Körner, oder krallt sich an das Ende seines Hosenbeins. Ich rieche sogar den eisernen Geruch des Blutes.

Sekundenlang vernehme ich nur den Wind, der kühl an meinen Ohren vorbeirauscht, unsere Schritte, die den tiefen Sand knirschen lassen und mein Keuchen, das zittrig über meine Lippen gleitet. Und gerade als ich mich frage, ob das quälende Geräusch endlich endet, erschreckt mich ein weiterer in den Sand fallender Bluttropfen so sehr, dass ein Zucken durch mich fährt. Meine Schultern wandern in Richtung Ohren und das Bedürfnis hochzusehen, das ich so zwanghaft unterdrückte, siegt.

Dann sehe ich sie. Ava. Ihr rotes Haar glitzert im Mondlicht. Ihre Augen sind geschlossen, die Lippen leicht geöffnet. Theo trägt ihren leblosen Körper durch die Wüste, ein Arm unter ihren Kniekehlen, einer unter ihrem Rücken. Ihre Hand hängt regungslos hinunter. Ihre Füße baumeln in seinem Rhythmus.

Als meine Halsmuskeln so stark zudrücken, dass mich das Gefühl übermannt, nicht mehr einatmen zu können, sehe ich zurück zu meinen Füßen und höre die Tropfen wieder fallen.

Verdammt, ich habe sie gewarnt. Ich wollte sie aufhalten. Wieso nur ist sie in die Residenz zurückgekehrt, obwohl sie hätte fahren sollen?

»Wir sind da.« Balbors Worte sind die ersten, die ich seit Stunden höre.

Soelas Hand liegt in seiner. Ich würde sie selbst nehmen, aber ich will nicht, dass sie mein Zittern bemerkt. Dabei sollte ich für sie da sein. Genau jetzt. Ihr nach dieser schrecklichen Zeit in der Residenz zur Seite stehen. Ich kann es nicht. Fühle mich wie gelähmt.

Das Quartier der Verschollenen erstreckt sich vor uns, ragt in den nächtlichen Himmel. Die Steinsäulen, die sich rundum das Gebäude ziehen, schimmern nur schwach im Mondlicht. Ab und zu erhellt der Lichtkegel von Balbors Taschenlampe die tiefschwarzen Zwischenräume. Es sieht gespenstisch aus. Was jedoch hervorsticht, sind die vier roten Buchstaben, die das Wort Mall schreiben. Alles sieht genau so aus, wie wir es verlassen hatten. Selbst wenn es sich nun kälter anfühlt. Düsterer. Einsamer. Ich falle auf die Knie und schlage mir die Hände vor das Gesicht. Ava. Ihr Name hängt an meinen Lippen, doch ich bringe kein Wort heraus.

Hätte ich das Seuchenmittel nicht aus dem Labor geholt und es mir injiziert, wäre ich dann an ihrer Stelle gestorben? Ich bin nicht nur meinetwegen dort gewesen. Immerhin habe ich nicht nur das Seuchenmittel, sondern auch das Gegenmittel geholt. Ohne dieses hätte sie nicht einmal mehr ein ganzes Jahr gehabt, bevor das Seuchenmittel sie umgebracht hätte. Sie wäre zu einem Monster geworden. Das wären wir alle. Schließlich sind wir Morts. Wir hätten versucht, uns gegenseitig umzubringen.

Doch Balbors Versprechen, das Gegenmittel anders zu beschaffen, kratzt an meinen Gedanken. Er hat uns davor gewarnt, zurück zum Labor zu gehen … und er hatte recht. Es war nicht der richtige Zeitpunkt. Für mich hingegen hat es keinen anderen gegeben. Ich wäre jetzt tot. Dieser kleine Fakt ist entscheidend. Ich wollte leben und dafür musste Ava sterben.

»Wir müssen weiter.« Balbors Stimme.

»Oder wir legen eine kurze Pause ein«, erwidert Theo.

Er hält mich immer noch für schwach, wie damals in der Zone. Im Moment ist mir das egal. Ein leises Schnaufen, das ich Balbor zuschreibe, gleitet über meine Ohren. Das Geräusch von aneinanderreibender Kleidung und raschelnden Sandkörnern folgt.

»Es wird alles gut«, sagt Balbor, doch es wird gar nichts gut. Es ist gar nichts gut.

Ich senke meine Arme und öffne die zusammengekniffenen Augen. Balbor geht vor Soela in die Hocke, beide Hände auf ihren Schultern, so wie er sie immer auf meinen hatte, wenn er mich beruhigen wollte.

Ava liegt auf dem Boden. Vielleicht zwei Armlängen vor mir. Sandkörner rutschen über ihre Haare und wehen zwischen ihre Finger. Das Licht von Balbors Taschenlampe, die er mit dem Daumen gegen seinen Handballen drückt, während seine Krallen an Soela verharren, flackert über Avas schlafendes Gesicht.

Ein Geräusch zieht meinen Blick an. Stiefel treten in den Sand. Schnelle Schritte, die sich in Laufende verwandeln. Mein Puls schießt hoch. Pako, Avas Vater. Ich kann seinem Anblick nicht lange standhalten. Seine Schreie stechen in meinen Ohren, schon bevor er vor Ava auf die Knie fällt. Er drückt ihren Oberkörper an sich, wippt vor und zurück, verzieht das Gesicht. Der Glanz des Mondes verdeutlicht die Tränen, die auf seinen Wangen glitzern.

»Ava«, ruft er immer wieder ihren Namen, als würde er auf eine Antwort hoffen.

Und da ist es wieder. Dieses verfluchte Brennen in meinen Augen. Immer noch fühle ich mich nicht in der Lage dazu, die Luft, die zittrig über meine Lippen zischt, in Worte zu formen. Ist es nötig etwas zu sagen? Ich sagte so lange nichts, dass ich nicht einmal weiß, ob meine Stimme die Kraft dazu aufbringen würde, überhaupt einen Ton zu erzeugen.

»Wie ist es passiert?«, keucht Pako.

Sein Blick trifft mich wie ein Hammerschlag. Mir weicht das Blut aus meinen Wangen. Nur ein kleines Stück bringe ich die Lippen auseinander. Ich weiß, dass er eine Antwort verdient hat, doch schon der Gedanke daran, es laut auszusprechen, überrollt mich mit Übelkeit.

»Ein Soldat hat sie getroffen«, erwidert Balbor nach einem Moment der Stille. Seth. »Wir werden sie mit den anderen verbrennen.«

Pako schüttelt den Kopf. »Nein, ich werde sie begraben! So wie wir es früher getan haben. In der alten Welt.« Seine Finger schließen sich fester um Avas Arme. Er drückt sie an sich, als würden wir sie ihm jeden Moment entreißen wollen.

Stille folgt.

Balbors Mundwinkel verziehen sich zu einer Grimasse, doch dann nickt er.

Pako hebt Avas Körper hoch. Kleine Muskeln ragen aus seinen dürren Armen, und sein Ächzen verrät mir, dass er dafür all seine Kraft aufbringen muss. Taumelnd trägt er sie zu einem Sandhügel neben dem Quartier.

Balbor führt Soela an der Hand neben ihm her. Ihr dunkelblondes Haar hängt zerzaust um den tief gebundenen Zopf. Immer noch trägt sie die weiße Kleidung aus der Residenz, die mir einen Schauer über die Wirbelsäule jagt. Das schlichte langärmlige Shirt, an dem der sterile Geruch des Labors haftet. Sollte ich sie in das Quartier schicken, damit sie nicht mitansehen muss, wie Ava auf ihr Grab wartet?

Nein. Um ihr einreden zu wollen, es wäre alles gut, so wie Balbor es versuchte, ist es längst zu spät. Stattdessen nehme ich ihre Hand von seiner und setze mich mit ihr in den Sand. Sie wendet den Kopf und sieht mich mit weit aufgerissenen Augen an. Feine helle Härchen stehen um ihren Kopf wie eine kleine Sonne, die diese Nacht versucht zu erhellen. Soela ist der Grund, wieso ich noch bei klarem Verstand bin. Weil ich es muss. Ich nehme sie in den Arm und drücke sie an mich, bis sie ihren Kopf in meinen Schoß sinken lässt. Pako, Theo und Balbor schaufeln den Sand mit einem Stück Schrott zu einem tiefen Loch. Ava darauf warten zu sehen, schmerzt in meinem gesamten Körper. Um etwas zu tun zu haben, nehme ich ein Stück Metall und ritze ihren Namen hinein. In der alten Welt hatten sie Grabsteine. Ein Stück, das man ansehen konnte, wenn man mit den Toten sprechen wollte. Ava hatte so etwas für ihre Mutter. Nun ja, kein Grabstein, eher ein Stück Schrott, um das sie ein altes Tuch ihrer Mutter gewickelt hat.

Als Pako den ersten Schwung Sand in das Loch über Avas Körper wirft, springt Soela auf. Sie läuft ein paar Schritte und kniet sich zu etwas Schwarzem. Erst als sie es aufhebt und zu uns zurückkommt, erkenne ich, was zwischen ihren Fingern klemmt. Ein toter Vogel. Ich würde meine Stimme erheben, um ihr zu sagen, dass sie das Tier sofort fallen lassen soll, wenn ich nur in der Lage wäre, ein Wort zu formen.

Langsam sinkt sie vor Avas Grab in den Sand und legt das gefiederte Wesen zu ihr hinein. »So ist sie nicht allein.«

Pako funkelt erst sie an und schielt dann scharf zu mir. Fliegende Ratten hat er die Dinger immer abschätzig genannt. Doch er erhebt keinen Einspruch.

Nachdem sie Ava tief im Sand begraben haben, stecke ich das Stück Metall mit ihrem Namen in die Spitze des Hügels und schließe meine Augen. Pako geht schluchzend und auch Balbor bringt Soela in das Quartier. Eine leichte Berührung an meiner Schulter lässt mich unwillkürlich zur Seite weichen. Es sind Theos Finger, die gerade wieder von mir gleiten. Es liegt nicht an ihm. Ich würde es ihm sagen, wenn ich nur einen Ton von mir geben könnte.

»Tut mir leid«, sagt er und dann höre ich auch ihn gehen.

Seine Schritte sind schwerer als sonst und als sie so weit weg sind, dass nur noch der Wind an meinen Ohren vorbeirauscht, öffne ich meine Augen. Mein Blick wandert über das Stück Metall, bis hoch in den sternenbedeckten Himmel. Sag meiner Mutter, dass ich sie liebe. Sag Aldor, dass ich ihn vermisse. Warte auf mich.

 

***

 

Ich sitze an Avas Grab, bis die ersten Sonnenstrahlen meine Nase kitzeln. Mein Shirt ist bedeckt mit Blut. In windstillen Momenten steigt mir der Geruch davon in die Nase. Es riecht nach kaltem Eisen. Mit beiden Händen greife ich in den Sand und balle meine Finger darin zu Fäusten. Ständig wiederholt sich mir das Bild vor Augen, wie sich die lange Narbe über Seths Auge verzerrt, nachdem er sie erschossen hatte. Er grinste. Purer Hass schießt durch meinen Körper, bis in meine Fingerspitzen, in meine Kehle, in meine feuchten Augen. Ich dachte, Theos Rachsucht immer nachempfinden zu können, doch nun weiß ich, dass meine Empathie nicht im Geringsten dazu ausgereicht hatte, sie wirklich zu verstehen. Nun fühle ich sie selbst. Die Rachsucht, die in mir wie ein nach Blut dürstenden Monster schreit. Ich werde dich rächen, Ava. Und wenn ich dafür die gesamte Zone 0 in Schutt und Asche legen muss. Seth wird sterben.

Die Sandkörner rutschen unter meine Fingernägel und doch bohre ich sie tiefer hinein. Auch habe ich nicht vergessen, dass ich Siran ein Versprechen gab. Der einzige Bote aus der neunten Zone, der von der Residenz abgeholt wurde. Kurz vor den Sprengungen. Und nun als Testobjekt im Labor Qualen erleidet. Ich werde ihn dort rausholen. Ihn und all die anderen Menschen, die in den Glasboxen leiden. An dem Ort, an dem Keno uns verraten hatte. Dieser verdammte Sinister. Wieso habe ich ihm vertraut? Hoffentlich sehe ich diesen Scheißkerl nie wieder. Denn wenn ich es tue, werde ich ihn umbringen.

 

***

 

Als ich die Gemeinschaftshalle der Verschollenen betrete, kribbelt mein ganzer Körper. Ächzer und Schluchzer füllen den Raum mit Schmerz. Dutzende Verletzte liegen nebeneinander und flicken ihre Wunden. Einige auf Pritschen, andere auf Matratzen und diejenigen, die in besserem Zustand sind, sitzen auf dem Boden, oder streifen umher. Blasse Mort Gesichter dazwischen, die nie die Sonne zu spüren bekommen, weil die verseuchte Luft sie umbringen würde, suchen verzweifelt nach Freunden oder vielleicht auch Familienmitgliedern. Nicht jeder ist zurückgekehrt. Die Verwundeten breiten sich am Rand der Halle aus und füllen die alten Läden, die sich ringsherum auftun. Ladenschilder und Neonröhren leuchten über den ansonsten leergeräumten Räumen in allen Farben. Das ist gut. So sticht Rot auf den hellen Bodenfliesen weniger hervor.

Unter einem pink und grün leuchtenden Neonschild steht eine Frau. Die blassen Wangen lassen mich darauf schließen, dass sie ein Mort ist, und die dunkelroten Fingerspitzen darauf, dass sie die Verwundeten versorgt. Mit den Händen kämmt sie sich die blonden Locken nach oben, verklebt die Strähnen rücksichtslos mit Blutresten, ehe sie sich über einen ächzenden Mann beugt. Mit einem Messer schneidet sie den Stoff seiner Hose am Oberschenkel auf. Rot kommt zum Vorschein. Vermutlich eine Schusswunde, denn sie greift zu einer Pinzette. Ihr kalter aber auch routinierter Gesichtsausdruck verrät mir, dass sie das schon öfters tun musste. Mir hingegen droht beim Anblick der roten Handgelenke die Magensäure aufzusteigen. Selbst wenn ich nicht direkt auf die Wunde starre, habe ich wieder das Gefühl, das Blut riechen zu können. Es ist schlimmer als der Schweißgeruch.

Stattdessen betrachte ich den Mann, der die Hand des Verletzten hält. Zak. Seine Anwesenheit überzieht meine Arme mit einem kalten Schauer. Vielleicht weil ich ihn immer noch vor mir sehe, wie er den Befehl gegeben hat, auf uns zu schießen, kurz bevor Nala starb. Ein Moment, den ich nie vergessen werde. Genauso wie jene kurz zuvor, als Balbor uns in die Zelle sperren ließ, Keno uns geholfen hat auszubrechen und wir dann auf der Flucht um unser Leben gerannt sind.

Zaks Blick trifft mich wie ein scharfes Messer in der Brust, sodass ich wegsehen muss. Allerdings ist sein Blick nicht der Einzige, der auf meiner Haut brennt. Die Rebellen, die noch die Kraft dazu haben, sehen mich an, als wäre ich diejenige gewesen, die die Kugeln in ihre Körper geschossen hätte. Und vielleicht war ich das auch. Meine zittrigen Finger sind bedeckt mit Blut. Es ist Avas, aber was macht das für einen Unterschied?

Mit schnellen Schritten gehe ich weiter, fühle jeden ihrer Blicke in meinem Nacken, jogge fast zu dem Korridor mit den Schlafnischen. Als ich an Avas altem Zimmer vorbeigehe, sehe ich Soela mit Balbor darin. Es ist für mich okay, wenn sie in Avas altem Zimmer schläft, doch ich bleibe nicht stehen und gehe nur daran vorbei. Selbst wenn ich nicht lange weg war, ist es eigenartig, wieder hier zu sein. Ich hatte mit diesem Ort abgeschlossen und doch realisiere ich, wie sehr ich ihn vermisst habe. Die dunklen Spinde. Der kalte Steinboden.

»Kyra?« Ein Ruf direkt hinter mir lässt mich stehenbleiben.

Erst zögere ich, denn ich erkenne die Stimme. Was will Balbor jetzt von mir? Schnaufend drehe ich mich um. Er tritt aus Soelas Schlafraum hinaus. Enger Stoff umwickelt seinen linken Oberarm. Blutige Stellen drücken sich hindurch. Immer noch wortlos blicke ich in seine Augen, die bemitleidend wirken. Wie ich diesen Ausdruck hasse. Sonst verschleiert er doch auch so gekonnt all seine Gefühle. Wieso also nicht jetzt?

»Die anderen warten schon auf uns«, sagt er.

Mein Blick fällt auf meine roten Finger. Alles, was ich möchte, ist sie unter kaltes Wasser zu halten und zu vergessen, was sie taten, dennoch nicke ich. Darum zu bitten und es auszusprechen wäre schlimmer. Wir gehen die stillliegende Rolltreppe der Gemeinschaftshalle nach oben und machen uns auf den Weg zu seinem Büro.

»Letzte Nacht …« Stöhnend verzieht Balbor das Gesicht. »Falls du eine Pause brauchst, ist das okay. Oder vielleicht möchtest du mit jemandem sprechen?«

Bestimmt werde ich mit keinem der Verschollenen über meine Gefühle sprechen. Balbor würde denjenigen sofort ausquetschen. Ich zwinge mich zu einem Kopfschütteln.

Mein Blick gleitet aus den großen Fenstern des Flurs in die Wüste. Die ersten Sonnenstrahlen reflektieren auf dem Stück Metall mit Avas Namen. Es leuchtet so hell, dass ich daran glauben möchte, sie würde es strahlen lassen, damit ich sie sehen kann.

»Es tut mir leid.« Balbors Worte reißen meinen Blick vom grellen Licht zurück in den Flur.

Statt einer Antwort beiße ich mir fest auf die Unterlippe. Denkt er ernsthaft, eine Entschuldigung würde alles wieder gut machen? Er hat uns festnehmen lassen und seine eigenen Leute für eine Ampulle des Gegenmittels verraten. Doch das Schlimmste ist, er hätte Soela im Labor verrotten lassen. Nein, das würde ihm nie verzeihen.

Er fasst mich am Arm und bringt mich zum Stehen. Ich starre an ihm vorbei zu Boden, vielleicht weil ich müde bin. Vielleicht weil ich ihn nicht ansehen will.

»Kyra, hätte ich gewusst, dass Soela noch lebt …« Zwei tiefe Falten graben sich zwischen seine Augenbrauen. »Ich hätte der Residenz nicht glauben sollen. Ich hätte auf dich hören sollen … Du warst immer mein kluges Mädchen.«

Ein wütender Rausch strömt durch mich. Nun funkle ich ihn scharf an.

Ich streife seine Finger von meinem Arm. »Du kennst mich nicht.« Das ist das Erste, dass ich seit langem sage und meine Stimme hört sich erstaunlich klar an.

Er verengt die Augen. »Ich bin dein Vater.«

»Mein Vater?« Ich schüttle den Kopf. »Mein Vater ist vor acht Jahren gestorben.« Ich hätte mehr Zorn in diesen Satz gelegt, wenn ich die Kraft dazu aufgebracht hätte.

Ohne auf eine Reaktion zu warten, gehe ich weiter. Der Flur kommt mir endlos vor. Er gibt Balbor zu viel Zeit, um mir zu Antworten. Am liebsten würde ich seine Stimme nie wieder hören.

 

 

 

 

Kapitel Zwei

 

 

 

Es erleichtert mich die Flügeltür zu Balbors Büro zu öffnen und Theo und einen weiteren Rebellen zu sehen. Theo steht vor dem hölzernen Schreibtisch mitten im Raum. Unwillkürlich drängt sich mir das Bild vor Augen, wie Balbor bei unserer ersten Begegnung genau dort gestanden und sich nach mir umgedreht hat. Wie er erkannt hat, dass ich noch lebe. Wie ich erkannt habe, dass er noch lebt. Auch ansonsten ist es eigenartig. Ich bin nur eine einzige Nacht fortgewesen.

Alles sieht genauso aus wie gestern. Der Tierschädel zwischen den zugenagelten Fenstern, der Globus auf dem hölzernen Sockel, die losen Glühbirnen, die von der Decke hängen. Selbst das Weinglas steht noch auf dem Couchtisch vor dem Tierfell überzogenen Sofa. Auch wenn es inzwischen leer ist. Dabei fühlt es sich an, als wäre ich eine halbe Ewigkeit weg gewesen und alles müsste anders sein.

»Theo.« Balbor lässt die Tür hinter sich ins Schloss klicken. »Gut, dass du Nelio schon kennengelernt hast.«

Nelio steht mit zurückgezogenen Schultern neben Theo. Die Konturen seiner Muskeln drücken sich durch den schwarzen Baumwollstoff. Seine dunklen Haare sind gerade so lang, dass er sie zusammenbinden kann und an der Nackenlinie zu einem Undercut rasiert.

»Er ist meine neue rechte Hand«, sagt Balbor und geht an mir vorbei.

Wer wohl vor Nelio auf diesem Posten stand? Vielleicht Zak? Zumindest war der ständig bei Balbor.

Er bleibt vor ihnen stehen und atmet einmal durch. »Ich weiß, es war eine lange Nacht. Danke, dass ihr gekommen seid. Wir haben einiges zu besprechen.«

Theo verschränkt die Arme vor der Brust und lehnt sich gegen den Schreibtisch. Sein schwarzes Shirt verrutscht und etwas Weißes blitzt hinter dem Kragen hervor. Ein Verband, der um seine Schulter führen muss. Auch der Cut an seiner Schläfe und Lippe ist deutlich zu erkennen, selbst wenn er sich inzwischen das Blut, das darum lag, aus dem Gesicht gewaschen hat.

Sein Blick fixiert Balbor. Ich hatte nicht aktiv darauf gehofft, dass er mich ansehen würde, doch jetzt, wo er es nicht tut, fühlt es sich erdrückend an.

»Du hast immer noch etwas, das mir gehört«, sagt Theo.

Erst runzelt Balbor die Stirn, doch dann nickt er und geht hinter den Schreibtisch.

Seine Hand verharrt an der Kante des Tisches. Nachdenklich schaut er jeden von uns an, bis sein Blick fest wird. »Na ja, ich schätze, ich kann euch vertrauen.«

Seine Finger wandern am Holz abwärts. Mit zwei Fingern presst er dagegen, wodurch sich ein kleines Fach im Tisch öffnet und holt einen goldenen Schlüssel hervor.

Sieh mal einer an, er vertraut uns also soweit, uns seine geheime Schublade zu offenbaren.

»Man kann nicht vorsichtig genug sein, hm?«, sagt er und schließt die Lade auf.

Ich beuge mich etwas vor, um hineinsehen zu können. Von hier aus erkenne ich nur das schwarze abgegriffene Leder seines bescheuerten Notizbuchs, doch seine Finger wandern daran vorbei, tiefer in die Lade.

Meine Augenbrauen zucken hoch, als er eine Waffe hervorzieht. Balbor wirft sie in die Luft, sodass sie sich um die eigene Achse dreht, fängt sie am Lauf wieder auf und streckt sie Theo entgegen. Dann erkenne ich ihn. Den eingravierten Löwenkopf am Griff der Pistole. Theo greift zu, doch Balbors Finger verharren auf dem Eisen.

»Gut, dass ich sie sicher bewahrt habe, hm? Wäre zu schade, wenn sie in der Residenz verrottet wäre.«

Sein Blick bohrt sich in Theos Augen. Hat er den Löwenkopf darauf erkannt? Weiß Balbor über die Caput Leonis Bescheid?

»Wie wahr.« Mit einem kurzen Ruck entreißt Theo ihm die Waffe.

»Du solltest damit nichts Dummes anstellen.« Balbor geht zu einem Regal, das rechts von mir an der Wand steht. »Ich will euch etwas zeigen.«

Theo verfolgt ihm mit seinem durchdringenden Blick, bis er einmal mit dem Daumen über die Gravierung streift. Er zieht das Magazin aus dem Griff und zählt die Kugeln. Etwas, das nicht sonderlich lange dauert, denn es ist nur eine einzige drin.

Ich runzle die Stirn. Theo schleppt eine Waffe überall mit sich, die mit nur einer einzigen Kugel beladen ist? Mein Herzschlag beschleunigt sich. Natürlich! Er hebt sie auf. Das ist die einzige Erklärung. Die Patrone ist für jemanden bestimmt. Seth.

Ein Ächzen zieht meine Aufmerksamkeit nach rechts. Balbor versucht vergeblich, das Regal von der Wand wegzuschieben.

»Nelio?«, bittet er stöhnend und schüttelt den verwundeten Arm aus.

Nelios Schritte geben nicht einmal einen Ton von dem normalerweise so knarrenden Fischgrätenparkett ab. Während er beide Hände gegen das Regal stemmt, sieht Balbor mich erneut an. Diesmal finde ich keine Reue mehr in seinem Blick, selbst wenn ich ihn nur kurz erwidere. Vielleicht unterlässt er von nun an den Versuch, sich zu entschuldigen oder er spielt vor den anderen den großen Anführer.

Das Regal kratzt über den Boden und gibt eine hölzerne Tür mit Reliefverzierungen frei. War ja klar. Balbor hatte immer schon einen Hang zu Geheimnissen. Ich wundere mich erst gar nicht über dieses.

Er holt einen kleinen Schlüssel aus seiner Jackentasche und steckt ihn in das Schlüsselloch. »Ich vertraue euch. Ich möchte, dass auch ihr mir vertraut.«

Die Tür öffnet sich knarrend und entblößt eine kleine Kammer mit einem überladenen Regal. Balbor greift nach einer metallenen Kiste, so lang wie mein Unterarm, und öffnet sie. Ein Zischen gefolgt von einem frostigen Nebel dringt aus der Box.

»Hier sind die Ampullen, die wir Kyra … und auch Ava zu verdanken haben.«

Meine Magendecke spannt schlagartig, als er ihren Namen sagt. Immer noch kann ich sie vor mir sehen. Wie ich das Gegenmittel in ihren Rucksack gestopft habe. Wie sie angeschossen worden ist. Wie sie in meinen Armen gestorben ist. Ein Teil von mir möchte schreien, sich auf den Boden zusammenrollen und weinen. Ich mache gar nichts davon, bleibe stumm und ertrage das eisige Kribbeln, das meine Haut überzieht.

Balbor streckt uns die geöffnete Kiste entgegen. Das Blau des Gegenmittels strahlt. Ich werfe nur einen flüchtigen Blick darauf, der ausreicht, um die Übelkeit hoch zu meiner Kehle zu drücken. In acht Monaten wird es unser Leben retten und uns gleichzeitig wieder einsperren.

»Ich werde sie aufbewahren, bis ihr die ersten Symptome zeigt. Bis dahin wird es noch nützlich sein, wenn ihr euch durch die Seuche bewegen könnt.«

»Wie geht es jetzt weiter?« Meine Stimme klingt emotionslos. Vermutlich, weil ich gerade angestrengt versuche, jedes Gefühl in mir abzutöten. Wenn ich das nicht täte, bestünde die Gefahr eines kollabierenden Tränenausbruchs.

Balbor schließt die hölzerne Tür wieder zu und lässt den Schlüssel in seine Jackeninnentasche fallen. Nelio schiebt das Regal davor und Balbor kehrt hinter seinen Schreibtisch zurück und stützt sich auf seinen rechten Arm.

Er nickt in meine Richtung, schaut jedoch an mir vorbei. »Eins nach dem anderen.«

Mein Blick wandert über die Schulter. Soela hält die Tür auf. Sie trägt ein graues T-Shirt, das viel zu groß für sie ist und bis zu ihren Knien reicht. Das ist besser als das Weiß der Residenz. Dennoch schießt mein Puls bei ihrem Anblick hoch. Auch wenn sie nur wenige Wochen von mir getrennt war, scheint sie mir verändert. Die dunkelblonden Haare hängen offen bis zu ihrem Schlüsselbein. Sonst hat sie sie immer geschlossen getragen. Doch das ist es nicht. Es sind ihre braunen Kulleraugen. Ihr Blick, in dem sich das Leid spiegelt.

»Ist alles okay?«, frage ich und sinke auf ein Knie.

Zögerlich nickt sie, doch wir beide wissen, dass nichts okay ist und sobald ich meine Frage ausgesprochen habe, komme ich mir dumm vor.

Ich streiche ihr mit einer Hand die Haarsträhnen hinter das Ohr. »Solltest du nicht etwas schlafen?«

Statt einer Antwort sieht sie hinter mich. »Ist es wahr? Ist er unser Vater?«

Mein Blick schießt zu Balbor. Wie konnte er sie mit dieser Information überrollen, bevor sie verdauen konnte, was passiert ist? Bevor sie überhaupt weiß, was sonst noch alles passiert ist?

»Ja, mein Kind«, erwidert Balbor, ehe ich etwas sagen kann und kommt auf uns zu. »Ich bin euer Vater.«

Er fasst ihr an die Schulter und führt sie an mir vorbei. Zorn brodelt in mir auf. Er hat es verdammt nochmal nicht verdient, sich ihren Vater zu nennen. Er hätte sie in der Residenz sterben lassen. Und nun stellt er sich vor sie, als der Held, der sie gerettet hat? Am liebsten würde ich ihm genau das entgegenbrüllen. Doch ich schlucke die Worte herunter. Dieser Fakt würde Soela zerreißen. Ich kann ihr nicht die Wahrheit sagen. Das hat sie nicht verdient.

»Setz dich«, sagt er leise, als sie vor dem Sofa stehen und Soela tut, was er sagt. »Ich werde dir alles in Ruhe erklären. Aber zuerst ist es wichtig, dass du uns erzählst, was in der Residenz mit dir passiert ist, okay?«

Angst zeichnen ihre Züge. Sie reißt die ohnehin schon großen Augen auf.

»Ich denke nicht, dass das der richtige Zeitpunkt ist«, fauche ich. »Gib ihr eine Pause.« Gib mir eine Pause. Mein Puls rast.

»Der richtige Zeitpunkt?« Balbor hebt beide Brauen. »Ich denke nicht, dass es dafür einen richtigen Zeitpunkt gibt. Und die Zeit, nun ja, die läuft uns davon.«

Ich presse die Lippen aneinander und die Nägel in meine Handflächen. Jedes Wort, das Soela sagen wird, wird etwas in mir zerbrechen. Balbor wendet sich ihr wieder zu und nickt auffordernd. Sie sieht mich an. Ich will den Kopf schütteln, doch bewege mich keinen Millimeter.

Dann weicht ihr Blick von mir. »Sie haben mich in einen Raum gebracht … Es war hell. Überall waren Lichter auf mich gerichtet. Ich konnte nichts sehen.« Der Kloß in ihrer Kehle wird mit jedem Wort deutlicher. »Zuerst haben sie mir Blut abgenommen. Hier.« Sie zeigt auf ihre linke Armbeuge. »Danach haben sie mir noch eine Spritze gegeben. Hier.« Nun deutet sie auf ihren Nacken. »Dann wurde mir heiß.«

Die unerträglichen Schmerzen kommen mir in den Sinn, die das Gegenmittel in mir auslöste. Auch mir wurde heiß.

Soela knetet ihre Finger. »Sie sagten, das ist normal. Auch, dass ich müde werden würde. Aber ich war nicht müde. Ich weiß nicht, warum.«

Er legt seine Hand auf ihre Schulter. »Das ist okay … Was ist dann passiert?«

»Sie brachten mich in ein Zimmer mit einem Bett.«

»In das Zimmer, in dem wir dich gefunden haben?«

Soela nickt. »Ich konnte nicht schlafen … Es tat weh.«

Meine Augen brennen. Ich fahre mir mit der Hand über mein gesamtes Gesicht, um die Tränen aus meinem Augenwinkel zu reiben, bevor sie mir die Wange hinunterlaufen. Dann verschränke ich die Arme.

»Als der Schmerz weg war, kamen sie wieder und brachten mich in den Raum mit den Lichtern.«

Meine Halsmuskeln ziehen sich zusammen. Ich atme ein, aber nicht aus.

»Sie haben mir wieder Blut abgenommen und mir eine Spritze gegeben. Ich wollte das nicht.«

Eine Träne löst sich aus Soelas Augenwinkel. Atemlos starre ich den Tropfen an, der langsam an ihrer Porzellanhaut entlanggleitet und in dem schwachen Deckenlicht glitzert. Ich habe das Gefühl, ihn an meinem eigenen Gesicht spüren zu können, wie ein scharfes Messer, das mir die Wange aufschneidet. Soela reckt ihr Kinn und die Träne kullert über ihre Kieferlinie.

Bevor das Gefühl der Klinge meine Kehle erreichen kann, hole ich tief Luft. »Das reicht!«

Soelas Blick schnellt als erstes zu mir, dann Balbors.

»Es ist gerade mal ein paar Stunden her, dass wir hier sind«, fauche ich durch die Zähne. »Du gibst ihr eine Pause!«

»Du solltest tun, was sie sagt«, fügt Theo hinzu.

Balbor mustert mein Gesicht, dann schnauft er. »Also schön.« Er wendet sich Soela wieder zu. »Geh nach unten in deinen Schlafraum, okay? Wir reden morgen.«

Soela steht wortlos auf. Erst als sie den Raum verlassen hat, schließe ich meine Augen und atme aus. Wir hätten sie nicht so lange in der Residenz lassen dürfen. Erst gab ich Balbor die Schuld, doch nun bin ich wütend auf mich selbst. Wieso habe ich auf ihn gehört? Ich lausche Soelas Schritten, bis sie verblassen und öffne erst dann meine Augen wieder.

»Sie war nicht wie die anderen in Glaskästen eingesperrt.« Nachdenklich zieht Theo die Brauen zusammen.

Balbor nickt. »Sie ist eine Plag und damit schon immun gegen die Seuche geboren. Kein Semi, die erst durch das Seuchenserum Immunität erhalten. Sie können das Seuchenserum aus den Plags ziehen … Das Gegenmittel aus den Semis in den Glasboxen.«

Ein Schauder rinnt mir den Rücken hinunter, als Erinnerungsfetzen gegen meinen Verstand hämmern. Siran liegt immer noch in einer dieser Kästen.

»Also gut.« Balbor geht um den Schreibtisch herum und stellt sich dahinter, stemmt seinen guten Arm gegen das Holz. »Wir haben die Residenz angegriffen, wir müssen damit rechnen, dass sie zurückschlagen werden.«

»Sie wissen nicht, wo sich unser Quartier befindet«, sagt eine weibliche Stimme hinter mir.

Mein Blick zuckt über die Schulter. Ich starre auf einen Hinterkopf und eine Hand, die die Tür ins Schloss drückt. Braune schulterlange Haare, zur Hälfte nach oben gebunden? Muskulöse Schultern? Bronzene Haut. Seyla. Wie viele Rebellen, die gestern ihr Leben gelassen haben, hat sie selbst trainiert? Es würde mich nicht wundern, wenn sie die meisten der Toten und Verletzten kannte.

»Vielleicht wissen sie es doch«, sage ich.

Ohne mich anzusehen, geht sie an mir vorbei. »Sie suchen uns schon seit acht Jahren … ohne Erfolg.«

»Keno lebt noch. Und er ist in der Residenz.«

Diesmal sieht sie mich an. Erschrocken. Finster. Wütend. »Was meinst du?«

»Er hat uns verraten«, sagt Theo. »Und er weiß, wo wir sind.«

Seyla stockt. »Dieser miese Scheißkerl! Ihr denkt, er wird Elvira Pure zu uns führen?«

Ich zucke mit den Schultern. Er wollte an das Gegenmittel. Ob ihm das gereicht hat?

Balbor presst die Lippen zusammen. »Auch wenn noch ein letzter Funke Vernunft in ihm auflodert und er es nicht wollen würde. Elvira Pure wird ihn so lange foltern, bis sie ihre Antworten bekommt. Wir sind zu einer dunkelroten Zielscheibe geworden.«

»Können wir woanders hin?« Ich versuche, meinen Ärger auf Balbor für einen Moment herunterzuschlucken. Vergebens. Die Worte kommen nur gepresst über meine Lippen.

Er schüttelt den Kopf.

»Die Morts können die Mall nicht verlassen«, sagt Nelio. »Und von den Immunen haben wir zu viele Verletzte. Sie würden es nicht durch die Wüste schaffen.«

Wie ein Kälteschauer durchfließt mich das Bild der Halle und ich nicke, um es hinauszuwerfen.

»Aber du, Kyra …« Für einen Moment schweift Balbors Blick zu Nelio, ehe er wieder bei mir landet. »Es gibt ein Versteck. Sie nennen es ›Das Loch‹. Zugegeben, es ist ein Stück entfernt, aber es ist machbar. Du und Soela werdet von hier fortgehen. Ihr könnt dort untertauchen, bis die Angelegenheit vom Tisch ist.«

Untertauchen? Einen Scheiß werde ich! »Was?«

Wie könnte ich weglaufen und das Chaos einfach so zurücklassen? Seth damit davonkommen lassen? Nein, ich bin kein Feigling mehr.

»Vielleicht wärst du dort sicherer.« Theos Worte treffen mich wie ein Hammerschlag.

Zum ersten Mal sieht er mich an. Und das Erste, was er zu mir sagt, ist, dass ich verschwinden soll?

»Ich werde nirgendwo hingehen.« Fest schaue ich Balbor an und lehne mich über den Schreibtisch zu ihm vor. »Und was ist mit Soela? Sie hat gerade erst erfahren, wer du bist.« Auch wenn es mir nicht gefällt, ich habe das kleine Funkeln in ihren Augen gesehen, als sie ihn Vater nannte, und es würde sie zerbrechen, jetzt zu gehen.

Balbor presst die Lippen aneinander und schnaubt. Langsam geht er um den Schreibtisch. Ich verfolge jeden seiner Schritte, bis er endlich vor mir steht. Sein Arm zuckt in meine Richtung, doch bevor seine Finger mich berühren, zieht er sie wieder zurück. Besser so. Sonst hätte ich sie von mir geschlagen.

»Ich will euch doch nur schützen«, sagt er leise.

Schützen? Er meint wohl eher wegsperren. Schon wieder! »Wir können gut auf uns selbst aufpassen.« Schließlich taten wir das acht Jahre in der Zone.

»Wenn die Residenz uns findet …« Balbor schluckt laut. »Es wäre euer Tod.« Er wendet sich den anderen zu. »Wir müssen uns auf das Schlimmste einstellen. Sie werden kommen. Wenn auch nicht sofort. Schließlich haben wir ihnen ganz schön zugesetzt. Sie werden Zeit brauchen, um sich zu erholen. Ein Monat, vielleicht zwei. Dann werden sie uns suchen … Wir müssen uns auf einen Krieg vorbereiten.«

Seyla zuckt schnaubend mit den Achseln. Ihre dunklen Haare wellen sich dabei an ihren Schultern. »Wir haben unser Leben lang nichts anderes getan.«

Für einen kurzen Moment meine ich, Angst in Balbors sonst so kontrollierten Gesichtsausdruck aufflackern zu sehen. Doch vielleicht bilde ich mir das auch nur ein, denn nun zieht er die Brauen tief. »Du hast recht … aber wir dürfen die Residenz nicht unterschätzen. Sprecht mit niemandem darüber.«

Nelio runzelt die Stirn. »Wieso nicht?«

»Wir können keine Panik gebrauchen. Wir wissen nicht, ob Keno wirklich plaudert.«

Panik? Wieso sollte bei den Rebellen Panik ausbrechen? Ist der Krieg nicht das, wieso sie hier sind? »Wir haben die Residenz angegriffen. Es wird nichts mehr normal sein. Es ist jedem klar, dass wir bald Krieg haben werden.«

»Sie wissen aber nichts von Kenos Verrat!«, blafft Balbor. »Die Residenz ist uns deutlich überlegen. Ich kann mich nicht vor meine eigenen Leute stellen und ihnen ihr Todesurteil verkünden! Ich brauche einen Plan. Etwas, das ihnen Hoffnung gibt.«

»Und ich werde mit euch kämpfen«, sage ich. »Ich habe es lebend aus der Residenz geschafft, ich werde auch das hier überleben. Und wenn nicht –«

»Was erwartest du von mir?«, brüllt Balbor plötzlich und streckt die Arme zur Seite. »Denkst du, ich lasse dich sterben? Auch wenn du es nicht wahrhaben willst, ich bin dein Vater! Und du bist meine Tochter. Das ist mein Quartier und du wirst tun, was ich sage. Das werdet ihr alle!« Sein Blick schweift einmal über unsere Gesichter, ehe er wieder bei mir landet. »Du hast einen Soldaten aus drei Metern Entfernung verfehlt! Du hast auf die verdammte Tür geschossen.«

Okay, der Satz hat gesessen.

»Du kannst nicht kämpfen.« Balbor schlägt so fest mit der Faust auf den Tisch, dass ich zusammenzucke. »Und solange das so ist, kannst du nicht hierbleiben.«

Hitze steigt mir ins Gesicht. »Es waren deine eigenen Worte. Falls du dich daran erinnern kannst? Du sagtest, wenn wir wieder zurück sind, müsste ich an meinen Schießkünsten arbeiten.« Ich kneife die Augen zusammen. »War das auch gelogen?«

Balbor fletscht die Zähne. »Geh!« Er nickt in Richtung Tür. »Morgen werden du und Soela von hier fortgehen.«

Ich starre ihn an, und er starrt zurück. Seine Faust liegt immer noch geballt am Tisch und seine Armmuskeln versteifen vor Anspannung. Er wird nicht mit sich reden lassen.

 

 

 

 

Kapitel Drei

 

 

 

Ich stürme aus dem Quartier. Meine Hände ballen sich zu Fäusten und ich presse die Lippen aneinander, um nicht vor Zorn loszubrüllen. Wie kann Balbor mich einfach so wegschicken? Zu einem verfluchten Loch mitten im Nirgendwo? Was soll das überhaupt sein? Sobald ich durch die Schleuse bin, renne ich so schnell es der tiefe Sand zulässt. Die Morgensonne prallt mir auf den Kopf und zieht lange Schatten hinter mich. Um mich herum erstreckt sich das immer gleiche Beige der endlosen Wüste. Mein Herz hämmert fest gegen meine Brust und nach einiger Zeit keuche ich. Doch ich bleibe nicht stehen. Alles, was ich will, ist rennen. Vollgas. Erst als meine Lunge brennt, werde ich langsamer.

Soelas Worte hallen durch meine Gedanken. Die Qualen, die sie erleiden musste, lassen blanke Wut feurig durch meinen Körper rasen. Gegen Elvira Pure. Gegen das Labor. Gegen die ganze verdammte Residenz. Mir schießen alle die Gründe durch den Verstand, wieso ich nicht zu diesem Loch fahren kann. Siran, dem ich mein Versprechen gegeben habe, ihn aus der Glasbox zu befreien. Ich sehe die Schläuche vor mir, die zuckenden Muskeln in seinem Gesicht und höre immer noch die schmerzverzerrten Schluchzer. Die verletzten Rebellen in der Halle, die ich wie ein Feigling zurücklassen würde. Die Menschen, die gestorben sind und die, die es noch werden, während ich in irgendeinem Loch vor mich hinstarre. Nichts tue. Vielleicht hat es einmal einen Zeitpunkt gegeben, an dem ich dieses Angebot ohne zu zögern angenommen hätte. Diese Linie habe ich schon lange überschritten.

Keuchend breche ich auf die Knie. Ich brülle so laut, dass meine Kehle kratzt und meine Augen sich mit Tränen füllen. Erleide den emotionalen Zusammenbruch, den ich die letzten Stunden so angestrengt unterdrückt habe. Inzwischen bin ich zu weit von dem Quartier entfernt, um gehört zu werden. Dann sinke ich auf meine Fersen.

Der größte Grund, der mich hier ankettet, ist er. Es mag selbstsüchtig sein, dennoch ist es unumgänglich. Er hat es zu etwas Persönlichem gemacht. Der Soldat, der Ava erschossen hat und dabei grinste. Seth.

 

***

 

Als meine Augen nur noch emotionslos vor mich hinstarren, merke ich, dass immer noch Avas Blut auf meinen Fingern klebt. Ich sehe an mir herab, auf die roten Flecken an meiner Kleidung, die verdammte weiße Hose, die ich knapp über den Knien abgeschnitten habe, und ich weiß, dass ich aufstehen muss. Ein letztes Mal atme ich tief durch und drücke mich auf die Beine. Langsam gehe ich los. Ich muss ziemlich schnell gerannt sein, denn das Quartier ist ein ganzes Stück entfernt.

Während ich einen Fuß vor den anderen setze, ist mein Kopf wie blankgefegt. Nicht mehr daran denken zu müssen, wie ich es schaffen soll, Siran zu befreien oder Seth zu töten, erfüllt mich mit Leere. Schon morgen werden meine größten Sorgen sein, woher ich frische Kleidung bekomme und wo ich den Rest meines Lebens schlafen werde. Kleinigkeiten, die mir dann wichtig erscheinen werden, weil sonst nichts mehr wichtig ist.

Als ich nach einer Weile zurück in das Quartier komme, ist alles, an was ich denke, unter die Dusche zu steigen und danach ins Bett zu fallen.

Mit wackligen Beinen gehe ich durch die Halle, vorbei an den verwundeten Rebellen. Ihre Blicke schnüren mir die Kehle zu. Vielleicht wissen sie, dass ich sie morgen verlassen werde, und hassen mich dafür umso mehr. Ihr seid mir in die Residenz gefolgt und nun werde ich von hier verschwinden und euch eurem Schicksal überlassen. Mit hochgezogenen Schultern husche ich in den Korridor mit den Schlafnischen und bleibe vor Soelas stehen. Sie liegt im Bett. Die Decke reicht ihr gerade mal über die Knie.

Sie öffnet die Augen. »Kyra? Wo ist Mutter?«

Mein Herz setzt einen Schlag aus, nur um im nächsten Moment doppelt so schnell zu pochen. Verdammt. Dass Soela noch gar nicht weiß, dass unsere Mutter tot ist, hatte ich völlig verdrängt. Alles, was ich will, ist sie zu schützen und doch fühlt es sich so an, als könnte ich nichts dagegen tun, ihr beim Zerbrechen zuzusehen. Ich lege meine Hände ineinander und kratze mir die Blutreste von den Handflächen.

Langsam setzt sich Soela auf, sodass ihre nackten Füße knapp über dem Boden baumeln. Ihre rot schattierten Augen verraten mir, dass sie geweint hat. Das wird das Schwierigste sein, das ich ihr je sagen musste. Ich mache einen Schritt auf sie zu und öffne meine Lippen, doch die Worte bleiben mir im Hals stecken. Sofort fällt ihr Blick zu Boden, als würde sie die Antwort meinem Gesicht ablesen können. Mir ist klar, dass ich es aussprechen muss. Zumindest dieses eine Mal. Ich setze mich neben sie an die Bettkante und spüre den Kloß in meiner Kehle wachsen.

»Nachdem dich die Residenz mitgenommen hat, haben sie unser altes Zuhause zerstört«, sage ich so ruhig wie möglich. Aber es fällt mir schwer, meine Stimme vom Zittern abzuhalten.

Das Bild von Mutter drängt sich mir vor Augen, der letzte Blick, den sie mir schenkte. Ich sehe sie unter den Trümmern verschwinden.

Soela kullert eine einzelne Träne an der Wange hinab und ich beiße fest auf meine Lippe, um nicht selbst loszuheulen.

»Sie hat es nicht geschafft.«

Der Schmerz auf meiner Lippe verhindert nicht, dass meine Sicht verschwimmt. Ich lege meinen Arm um Soelas Schultern, drücke ihren Kopf an meine Brust und blinzle das Feuchte aus meinen Augen.

Sanft gebe ich ihr einen Kuss auf die Stirn und stehe auf. »Versuch noch etwas zu schlafen.«

Ohne mich noch einmal umzudrehen, gehe ich aus dem Zimmer. Vielleicht hätte ich noch ein wenig länger bleiben sollen, um sie gerade jetzt nicht allein zu lassen, aber ich kann nicht. Es schmerzt. Es schmerzt in meiner Brust. Es schmerzt in meinem ganzen Körper. Und ich kann diesen Schmerz gerade nicht zulassen, ohne den restlichen Tag schreiend auf dem Fußboden zu verbringen.

Wieder in meiner Schlafnische zu stehen, fühlt sich eigenartig an. Auf dem kleinen Holztisch stehen zwei Wasserflaschen. Genauso wie ich sie zurückgelassen habe. Eine halb leer, die andere voll. Es wirkt beinahe so, als wäre ich nie weg gewesen. Auf dem Boden liegen schwarze Sneakers und auf dem Bett drei Stapel mit Kleidung. Meine alten Sachen. Frisch gewaschen. Zwei Hosen, zwei T-Shirts, eine Sportjacke mit Zip, ein langärmliges Shirt und frische Unterwäsche. Alles in schwarz. Alles ordentlich zusammengefaltet. Im dritten Stapel liegt ein graues Shirt, lockerer als die anderen, vermutlich etwas zu groß für mich, und eine kurze Short mit Gummizug. Wieso stellen mir die Verschollenen die ganze Kleidung zur Verfügung, wenn ich morgen schon abreisen soll?

Ich greife mir eines der schwarzen T-Shirts und eine der Hosen und lege den Rest in den Spint vor meiner Schlafnische. Mit schnellem Schritt gehe ich durch den langen Korridor, vorbei an den restlichen Schlafnischen, zu den Duschräumen. Auf die kleinen Symbole für Geschlechtertrennung achte ich erst gar nicht, denn ich weiß bereits, dass ich in die linke Tür muss. Der weiß geflieste Raum fühlt sich kleiner an, als ich es in Erinnerung habe. Zu klein für die Menge an Rebellen, doch diesmal bin ich allein. Direkt gegenüber der Tür hängen zwei Waschbecken mit Spiegeln, von denen einer einen Sprung hat. Ich sehe nicht hinein. Blutige Erinnerungen kleben immer noch in meinem Gesicht. Hinter der Trennwand mit den Waschbecken hängen sechs Duschköpfe, separiert von dünnen Wänden. Kein Vorhang. Nachdem ich die Stiefel von den Füßen ziehe, fühle ich die Kälte der Bodenfliesen. Stöhnend denke ich an das Wasser, das mir gleich eisige Stiche über den Körper jagen wird. Für einen Moment halte ich die dreckigen Klamotten über den großen runden Korb mit der Schmutzwäsche der anderen Rebellen, aber dann beschließe ich, sie in den Müll zu werfen. Ich will diese Kleidung nie wieder sehen.

Ein letztes Mal atme ich aus, ehe ich mich unter die eiskalten Tropfen wage. Das Wasser schmerzt auf meinem Körper, aber ich gebe keinen Laut von mir. Lasse es über mein Gesicht rinnen, um das Rot von mir zu spülen. Mit dem Versuch, jeden Blutfleck von meinem Körper zu schrubben und jedes Sandkorn aus meinen Haaren zu waschen, will ich die letzte Nacht endgültig hinter mir lassen. Es ist nur noch eine Erinnerung. Schon bald werde ich zu diesem bescheuerten Loch fahren. Dann ist das alles ohnehin nicht mehr von belangen. Ich kann mich förmlich schon sehen, wie ich mich dort in einem viel zu harten Bett zusammenkauere und nichts weiter tue, als um Ava zu trauern. Nein, vermutlich werde ich durchdrehen. Endgültig verrückt werden. Innerlich sterben.

Kurz nachdem ich den Wasserhahn zudrehe, wird die Tür zum Duschraum aufgestoßen. Mein Blick wandert über die Schulter, aber von der Kabine aus kann ich niemanden sehen.

»Was denkst du, wird jetzt passieren?«, fragt eine Frau.

Ich greife das Handtuch, das neben der Dusche hängt, und trockne mich ab.

»Ich weiß es nicht. Aber wenn es nach mir ginge, hättet ihr diese Idioten schon längst angreifen sollen.«

Reden sie über letzte Nacht? Meine frischen Klamotten liegen neben dem Waschbecken, also binde ich mir das Handtuch um.

Die andere Frau grummelt. »Du warst nicht dort. Hättest du gesehen, was ich sah … Ich denke, das war ein Fehler. Ich denke –«

»Auf welcher Seite stehst du?«, unterbricht die andere Frau sie schroff.

»Ich? Hast du die Gemeinschaftshalle gesehen? Du bist diejenige, die sich auf die falsche Seite stellt. Wem denkst du haben wir das zu verdanken?«

Meine Kehle schnürt sich zu. Am liebsten würde ich mich in dieser Duschkabine vergraben, doch mir bleibt nichts anderes übrig, als hinauszutreten. Sie würden mich ohnehin bald entdecken und ich will nicht den Eindruck vermitteln, sie zu belauschen.

»Pah, wäre ich eine Plag, würde ich –« Die blasse Frau schluckt ihre Worte hinunter, als ich aus der Kabine steige.

Sie kniet vor der anderen Frau, deren Arm bandagiert an einem Stück Stoff um die Schulter hängt, und zieht ihr den Stiefel vom Fuß. Ihre Ablehnung schlägt mir eisiger entgegen als das Duschwasser. So schnell wie möglich tapse ich zu den Waschbecken und streife mir die frischen Klamotten über, ohne das Handtuch von meinem Körper zu nehmen. Ich bemühe mich, nicht zu den beiden hinüberzublinzeln. Die plötzliche Stille ist mehr als erdrückend.

»Du solltest das Handtuch mit dir nehmen. Nach dem dritten Mal kannst du es in den Wäschekorb werfen«, sagt die kniende Frau mit der blassen Haut. Ein Mort.

Ich nicke, ohne sie anzusehen, und verschwinde aus dem Raum. Während ich den Korridor entlang gehe, merke ich, wie fest sich meine Finger in das Handtuch krallen. Die falsche Seite. Ich schlucke, um das beengende Gefühl in meiner Kehle zu beseitigen. Erfolglos. Doch dann wird mir etwas klar. Die Kleiderstapel auf meinem Bett? Das Handtuch soll ich erst nach dem dritten Mal in den Wäschekorb werfen? Die Verschollenen wissen nicht, dass ich gehen soll. Balbor hat es niemandem gesagt. Vielleicht weil ein Teil der Rebellen wirklich hinter mir und meiner Tat steht? Den Angriff befürwortet?

Als ich das nasse Handtuch auf den kleinen Tisch in meinem Zimmer werfe, beschließe ich, unter keinen Umständen in dieses Loch zu fahren. Verflucht, ich werde alles dafür tun, um hierzubleiben. Solange ich nicht in diesem Jeep sitze, ist es nicht zu spät.

 

***

 

Als ich die metallene Tür zur Trainingshalle aufreiße, wird es laut. Kurze Schreie dröhnen durch die Halle, bevor Fäuste gegen Boxbirnen knallen. Der Gestank von Schweiß schlägt mir ins Gesicht, doch für mich ist es der Geruch, etwas zu bewirken.

Seyla steht breitbeinig etwas abseits und wendet mir den Rücken zu. Sie spricht mit der Blondine, die mir die Schuld daran gibt, nun in der Küche zu arbeiten. Dabei sehe ich es immer noch nicht als mein Vergehen an, dass sie aus dem Training geflogen ist. Und jetzt? Soll sie meinen Platz hier einnehmen? Blondchen sieht mich an, und Seylas Schulterblick folgt.

Ein Gewitter bildet sich auf Seylas Gesicht und sie stürmt mir entgegen. »Was machst du hier?«

Die knallenden Fäuste verstummen. Alle starren mich.

»Ich werde kämpfen. Entweder du bereitest mich darauf vor, oder ich gehe unvorbereitet in –«

Seyla packt mich schmerzhaft am Arm und zerrt mich aus der Halle.

»Macht weiter!«, ruft sie den anderen zu und bevor die Metalltür ins Schloss fällt, höre ich wieder die Fäuste gegen die Boxbirnen knallen.

Nach ein paar Schritten reiße ich meinen Arm aus Seylas Fingern. »Ich kann selbst gehen.«

»Gut.« Sie nickt und eilt weiter.

Schweigend gehen wir nebeneinanderher. Den Flur entlang, durch die Gemeinschaftshalle, die stillliegende Rolltreppe nach oben und an den großen Fenstern vorbei. Knapp vor Balbors Büro wird mein Magen flau.

Seyla reißt die dunkle Flügeltür auf. »Ich kann mich nicht auf die anderen fokussieren, wenn sie beim Training stört.«

Balbor sitzt hinter seinen Schreibtisch. Sein Blick wandert zuerst verwundert zu Seyla, dann zu mir. »Kyra –«

»Ich bin nicht mehr das kleine Mädchen, dass du damals verlassen hast«, unterbreche ich ihn, bevor er mir sagen kann, was er mir schon vor einer Stunde gesagt hat. »Ich treffe meine eigenen Entscheidungen.«

Eine unangenehme Stille breitet sich im Raum aus. Die Spannung zwischen uns könnte eine klare Nacht mit einem Schlag zu einem Gewitter wenden. Es ist mir egal. Ich werde mich verdammt nochmal nicht in einem Loch verstecken. Nein, ich werde lernen, mich zu verteidigen. Ich werde lernen, Menschen umzubringen. Ich werde lernen, mich an Seth zu rächen.

Seyla mustert meinen Körper von oben bis unten. »Das Training ist zu hart für dich. Das war es damals schon.«

»Ich schaffe das«, sage ich und verenge die Augen. »Ich bitte nicht um mehr als eine Chance.«

Balbor atmet einmal lange aus, dann sieht er zu Seyla. »Wann ist der nächste Test?«

Welcher Test? Mein Puls steigt.

»In drei Monaten«, erwidert Seyla.

»Verkürze die Vorbereitungen«, sagt er und wendet sich wieder mir zu. »Du hast bis Ende des Monats Zeit. Wenn du den Test bestehst, kannst du bleiben.«

»Bis Ende des Monats?«, bricht es aus Seyla heraus. »Sie sind noch nicht bereit dafür. Und sie?« Mit dem Daumen deutet sie auf mich. »Sie schon gar nicht.«

»Mehr Zeit wird uns Elvira nicht geben. Die Umstände haben sich geändert. Wir müssen schneller werden, besser …« Seine Hände ballen sich auf dem Tisch liegend zu Fäusten. »Die Auszubildenden müssen bereit sein, wenn sie kommen. Leite die Endphase ein.«

Seyla schnauft und ich kann ihre Kieferkontur hervorstechen sehen, als sie die Zähne aufeinanderpresst.

Er sieht mich warnend an. »Ein Monat.«

»Einverstanden!« Was auch immer das für ein Test ist. Ich kann das schaffen. Ich muss das schaffen.

Seyla verdreht die Augen. »Du weißt ja, wo die Trainingshalle ist. Fünf Minuten!« Dann flieht sie förmlich aus dem Büro.

Als die Tür hinter ihr zufällt, realisiere ich, dass ich mit Balbor alleine bin. Bloß weg!

»Kyra.« Er nimmt seine Brille von der Nase und faltet die Bügel ineinander. »Es tut mir leid, was mit Ava passiert ist.«

»Nein … tu das nicht.« Ich wende mich ab und gehe auf die Tür zu.

»Ich will nur, dass dir klar ist, wie schnell das gehen kann. Ich will nicht, dass dir etwas zustößt. Ist das so unvorstellbar?«

Ich drehe mich nicht mehr zu ihm um.

 

 

 

 

Kapitel Vier

 

 

 

Meine Füße rennen wie von selbst die Stiegen hinunter und doch habe ich das Gefühl, dass meine Knie bei jedem Schritt mehr schlapp machen. Meine erschöpften Muskeln treiben ein Gefühl von Unruhe durch meinen Brustkorb. Was, wenn ich es nicht schaffe? Wenn ich bereits am ersten Tag zusammenbreche? Ich habe die letzte Nacht nichts geschlafen und in der Residenz um mein Leben gekämpft. Jede schmerzende Stelle meines Körpers lässt die Frage, ob ich mich überschätze, lauter in mir brüllen. Doch sobald ich die metallene Tür zur Trainingshalle sehen kann, höre ich diese kleine motivierende Stimme in meinem Kopf, die mich vorantreibt. Ich kann nicht genau verstehen, was sie zu mir sagt, doch ich fühle sie. Wie eine Melodie, die sich in Endlosschleife wiederholt. Ein Rhythmus, schneller als mein Herzschlag und schneller als jeder klare Gedanke, den ein Mensch je fassen könnte. Nur Seylas Worte kratzen daran. Das Training ist zu hart für dich. Es stimmt. Schon die eine Woche Training vor unserem Aufbruch in die Residenz ist hart gewesen und es wird vermutlich noch härter werden.

Als ich die Halle betrete, blicke ich in mir schon bekannte Gesichter, doch Seyla ist nirgends zu sehen. Vier Jungs und das Mädchen mit den abrasierten Haaren. Yara. In der Woche, in der ich mit Ava hier war, ist ihr Name am deutlichsten bei mir hängen geblieben. Sie mag mich nicht. Wieso auch immer. Ich habe mit ihr, sowie mit den anderen noch kein Wort gewechselt. Mit Ava an meiner Seite war das einfacher. Nun bin ich allein.

Mit geballter Faust boxt Yara einem Jungen spielerisch an der Schulter. Kai, denke ich, hat Seyla ihn genannt. Sie hat keinen so oft ermahnen müssen wie ihn. Nicht weil er kein guter Kämpfer wäre, viel eher, weil er den Mund meistens zu voll nimmt. Meine Schritte hallen durch den Trainingsraum und es dauert nicht lange, bis die Gruppe mich bemerkt. Als Yaras grüner Blick meinen trifft, sinken ihre grinsenden Mundwinkel zu einem Strich.

»Balbors Tochter«, sagt Kai neben ihr.

»Kyra.« Ich recke mein Kinn, doch er zuckt nur desinteressiert mit den Schultern.

Yara verschränkt ihre Arme. Sie ist größer und breiter als ich. Ihrem abschätzigen Blick zufolge würde sie mir jeden Moment eine Kopfnuss verpassen. Egal. Ich lasse mich nicht einschüchtern.

»Tut mir leid, was mit deiner Freundin passiert ist«, sagt ein Junge zu meiner Linken.

Mein Blick schwenkt zu ihm. Er hat einen Mond über der rechten Augenbraue tätowiert und bronzene Haut. Aber ich kann mich nicht mehr an seinen Namen erinnern.

Hat sich das mit Ava bereits herumgesprochen? Ich will verdammt nochmal nicht täglich daran erinnert oder bemitleidet werden. Also nicke ich nur knapp, um das Thema nicht zu vertiefen.

»Wir haben nicht mehr viel Zeit.« Eine strenge Stimme ertönt hinter mir und ich drehe mich um.

Mit ernster Miene betritt Seyla die Halle. Ihre schnellen Schritte dröhnen durch den Raum, bis sie sich vor uns aufbaut. »Am Ende der Woche werden wir euch testen.«

Yara schüttelt den Kopf. Das kalte Deckenlicht reflektiert in den Schweißperlen, welche sich zwischen ihren Haarstoppeln fangen. »Wir sollten noch drei Monate haben.«

»Jetzt nicht mehr«, antwortet Seyla knapp und wirft uns Sturmgewehre in die Hände.

Mein Herzschlag verdoppelt sich bei dem Gewicht. Jeder Schuss, der letzte Nacht durch die Straßen der Zone 0 gefetzt ist, schießt mir in die Gedanken zurück. Es ist nur eine Erinnerung. Es ist nur eine Erinnerung.

»Wieso nicht? Hat es etwas mit dem Angriff auf die Residenz zu tun?« Yara wirft mir einen Blick zu, missachtend.

Statt einer Antwort dreht sich Seyla um und wir folgen ihr aus der Halle. Ich gehe neben dem Jungen mit dem Mond-Tattoo. Er ist der Einzige, der mir das Gefühl gibt, dass es für ihn in Ordnung ist, dass ich hier bin. Wir marschieren einen schmalen Tunnel entlang, dessen einzige Beleuchtung aus dünnen Leisten am Boden besteht. Die Schatten auf dem Gesicht des Mond-Kerls ziehen sich abnormal nach oben und das Licht errötet seine Nasenlöcher. Er grinst mich an und es sieht unheimlich aus.

»Wie heißt du?«, frage ich.

»Echt jetzt?« Verblüfft zieht er die Brauen hoch. »Du weißt meinen Namen nicht mehr? Wie lange warst du nochmal weg? Eine Nacht?«

Ich zucke mit den Schultern. »Du hast nie mit mir gesprochen.«

Seine Augen wandern umher, als würde er nach einem Moment suchen, der meine Aussage widerlegt. Mir ist klar, dass er keinen finden wird.

»Touché!«, sagt er schlussendlich. »Caspar.«

Ich lege mir ein leichtes Grinsen ins Gesicht, auch wenn sich das nach all dem, was passiert ist, falsch anfühlt. »Kyra.«

Nun entblößt er die Zähne und stößt ein kurzes Lachen aus. »Ich weiß!«

Von hinten streckt sich eine Hand über seinen Kopf und fährt ihm wild durch die dunklen Haare.

Caspar krümmt sich abwehrend. »Du weißt, was letztes Mal passiert ist, als du das getan hast?«

»Trau dich doch, das vor Seyla zu tun«, erwidert ein blonder Junge dicht neben seinem Ohr.

»Du fühlst dich eindeutig zu sicher, Taro! Das Training wird heute irgendwann enden. Und na ja … ich weiß, wo du schläfst!«

Erst erwartete ich ein Schnauben oder einen Konter von Taro, doch nun … lachen sie. Beide.

Wir gehen durch eine Tür, die in einen kleinen quadratischen Raum mündet. Automatisch fällt sie hinter dem letzten von uns zu. Dieselben dunklen Fliesen ziehen sich über die Wände und den Boden. Keine Möbel, nur eine weitere Tür auf der gegenüberliegenden Seite. Sie wirkt gigantisch. Dunkler Stahl, der im Spotlight schimmert. Zwei tiefe Kratzer darin durchbrechen den Glanz. Davor reihen sich schwarze Rucksäcke.

Seyla bleibt stehen und dreht sich zu uns um. »Hinter dieser Tür befindet sich der Test. Ende des Monats wird hoffentlich jeder von euch antreten.«

Was meint sie damit? Gibt es ein Ausschlussverfahren?

»Was befindet sich hinter der Tür?«, fragt Caspar und ich starre selbst gespannt auf das zerkratze Metall.

»Wieso fragst du?«, erwidert Seyla. »Hast du Angst?«

»Pff!« Caspar schnaubt ein Lachen. »Kein bisschen.«

»Nun, dann habt ihr schon mal mindestens einen Idioten unter euch. Gratulation.« Seylas Blick weicht von Caspar. »Ihr seid auf dem besten Weg, Wüstenläufer zu werden. Also benehmt euch auch so. Keine unnötigen Fragen, sondern Befehle ausführen.«

Wüstenläufer? Diesen Ausdruck habe ich noch nie gehört.

»Nehmt euch jeder einen Rucksack.« Mit einer kurzen Kopfbewegung deutet Seyla darauf.

Ich greife den naheliegendsten vor mir und streife ihn wie alle anderen über die Schultern.

»Das Einzige, was ihr darin findet, ist eine Wasserflasche. Teilt sie euch ein. Ich will niemanden von euch vom Sand kratzen müssen.« Seyla dreht sich herum und legt ihre Hand auf ein Display neben der Tür. »Es geht jetzt in die Abschlussphase.«

Eine der dunklen Wandfliesen öffnet sich und eine weiße Nische erscheint, in der Armbänder hängen.