Zur Funktion des Klingsohr-Märchens im Roman „Heinrich von Ofterdingen“ von Novalis - Yvonne Rollesbroich - E-Book

Zur Funktion des Klingsohr-Märchens im Roman „Heinrich von Ofterdingen“ von Novalis E-Book

Yvonne Rollesbroich

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Beschreibung

Magisterarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 2,0, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Sprache: Deutsch, Abstract: „Die Welt wird Traum, der Traum wird Welt.“ Dieser Satz aus dem Gedicht „Astralis“ ist die Quintessenz des fragmentarischen Romans „Heinrich von Ofterdingen“ von Novalis. So wie das Zitat für die Gesamtheit des Romans steht, so steht der Roman für die Gesamtheit seines Schaffens. Friedrich von Hardenberg vereint hier seine theoretischen Anschauungen zu Natur, Geschichte und Poesie und – exemplarisch – auch die zentralen Motive der Epoche, der Romantik. Als Inbegriff des romantischen Kunstmärchens, gilt die Geschichte des Dichters Klingsohr aus dem letzten Kapitel des „Ofterdingen“ . Ausgehend von der These, dass das Eingangszitat der Kern des „Ofterdingen“ ist, muss es darum gehen, das Verhältnis von Traum, Märchen, Poesie und Wirklichkeit darzulegen.

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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung.
2. Das Kunstmärchen.
2.1. Benennung.
2.2. Nähe zum Volksmärchen
2.3. Entstehungsgeschichte
2.3.1. Italienische und französische Einflüsse.
2.3.2. Aufklärung in Deutschland.
2.3.3. Romantik.
2.4. Der Wirklichkeitsbegriff im Kunstmärchen
3. Novalis’ Märchenpoetologie
3.1. Theoretische Zusammenfassung
3.2. Novalis’ Poesiekonzeption im Roman
4. Inhaltsanalyse des Klingsohr-Märchens.
4.1. Der Beginn in Arcturs Reich.
4.2. Der Anfang auf der Erde
4.3. Das Reich des Mondes
4.4. Unterdessen zu Hause
4.5. Erster Eintritt in die Unterwelt.
4.6. Arctur als Helfer Fabels
4.7. Das Opfer und der Weg nach Hause
4.8. Die Tanzkleider der Parzen.
4.9. Die Feuerblume
4.10. Untergang der Parzen
4.11. Fabels dritte Bitte
4.12. Die letzte Vereinigung
4.13. Das Bild des goldenen Zeitalters.
5. Die Funktion im Gesamtroman
5.1. Die Arion Sage
5.2. Die Geschichte von Atlantis.
5.3. Vergleich der drei Einlagen
5.4. Die Bedeutung der Einlagen im Gesamtroman.
5.5. Das Klingsohr-Märchen als Hersteller der poetisierten Welt
6. Zusammenfassung
7. Quellenverzeichnis

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Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Die dreizehn Szenen 24 Abbildung 2: Stundenglas und Hippe 36 Abbildung 3: Die Figuren und ihre Welten 50 2

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1. Einleitung

„Die Welt wird Traum, der Traum wird Welt.“1

Dieser Satz aus dem Gedicht „Astralis“ ist die Quintessenz des fragmentarischen Romans „Heinrich von Ofterdingen“ von Novalis. So wie das Zitat für die Gesamtheit des Romans steht, so steht der Roman für die Gesamtheit seines Schaffens. Friedrich von Hardenberg vereint hier seine theoretischen Anschauungen zu Natur, Geschichte und Poesie undexemplarisch - auch die zentralen Motive der Epoche, der Romantik. Das 1802 veröffentlichte Romanfragment gilt als Schlüsseltext für die originelle Ideologie dieser Zeit. Mit Hilfe der Nutzung einer bestimmten Gattung fasst Novalis in dem Werk die Dichtung und ihre Theorie zusammen. Diese besondere Gattung ist das Kunstmärchen, welches die romantische Dichtkunst weltweit berühmt gemacht hat2. Als Inbegriff des romantischen Kunstmärchens, gilt die Geschichte des Dichters Klingsohr aus dem letzten Kapitel des „Ofterdingen“3. Novalis als „Gesetzgeber des Märchen“ zu bezeichnen4, scheint jedoch etwas überzogen, da diese Form der Erzählung eine weitaus längere Tradition besitzt. Festzuhalten bleibt dennoch, dass kein anderer Text Hardenbergs so viele kontroverse Deutungen und Reaktionen hervorgerufen hat, wie das Märchen von Eros und Fabel. Eine wahre Flut an Interpretationen wurde durch die vielen verschiedenen Deutungsmöglichkeiten der verwendeten Symbole und Allegorien ausgelöst. So stellt das Werk aus literaturwissenschaftlicher Sicht eine große Herausforderung dar. Ganz gleich auf welche Weise man sich dem Text nähert und welche Aspekte man akzentuiert, es treten stetig neue Gesichtspunkte auf, die einer Untersuchung bedürfen. Bis heute gibt es keine Studie, die das Märchen in seiner gesamten Vielschichtigkeit erfasst, was unter anderem auch an einer mangelnden Definition des Begriffs „Kunstmärchen“5liegt. Somit ist eine Betrachtung des Textes anhand spezifischer Gattungsmerkmale keine Methode universelle Ergebnisse zu erlangen.

Auch die, in vielen Fällen der Forschung betriebene, Entschlüsselung des Märchens anhand der Allegorien, kann zu keinem befriedigenden Resultat führen, da in diesem Falle die

1Zitate und Stellennachweise nach: Novalis (Friedrich von Hardenberg): Heinrich von Ofterdingen. Hrsg. v. Frühwald, Wolfgang. Stuttgart. Reclam. revidierte Ausgabe. 1987. S. 157.

2Schanze, Helmut (Hrsg.): Romantik-Handbuch. Stuttgart. 1994. S. 257.

3Uerlings, Herbert: Friedrich von Hardenberg, genannt Novalis. Werk und Forschung. Stuttgart. Reclam. 1991. S. 495.

4Thalmann, Marianne: Das Märchen und die Moderne. Zum Begriff der Surrealität im Märchen der Romantik. Stuttgart. 1961. S. 17.

5Tismar, Jens: Kunstmärchen. Stuttgart. 1977. S. 3.

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weitaus bedeutendere Symbolik in den Schatten gestellt wird. Genauso ungenügend sind die Versuche, in dem Märchen eine Figur oder Allegorie als Christus zu identifizieren, wie es Friedrich Hiebel anhand der „Flamme“ versucht6. Zu viele verschiedene Auslegungsvarianten erlauben eine Projektion des Christus Charakters auf mehrere Personen oder Begriffe, so dass keine exakte Bestimmung dieses Merkmals erreichbar ist. Ein weiterer möglicher Versuch der Interpretation, ist die isolierte Darstellung der einzelnen Hauptpersonen. Wie Hans-Joachim Mähl jedoch bereits deutlich gemacht hat, geht es Novalis nicht so sehr um die allegorische Funktion der Figuren, sondern vielmehr um die symbolischen Vorgänge und die Handlung7. Folglich kann die Reduzierung der komplexen Handlung auf die Figuren zwar ein Einstieg in die Thematik sein, aber alleine nicht ausreichen für eine eingehende Untersuchung.

Es wird deutlich vor welchen Problemen die literaturwissenschaftliche Forschung bis heute stand und immer noch steht. Nähert man sich der Thematik des Klingsohr-Märchens, so muss man von Beginn an davon ausgehen, nicht den Anspruch erheben zu dürfen, das Werk in seiner ganzen Vielschichtigkeit behandelt zu haben. Ganz gleich welche Methodik man anwendet, es bleiben dennoch zahlreiche Gesichtspunkte unberücksichtigt, so dass es sinnvoll ist, sich auf bestimmte Aspekte zu beschränken.

Um eine genaue Analyse des Klingsohr-Märchens zu erstellen und den damit verbundenen Poesiebegriff Hardenbergs zu untersuchen, wird diese Arbeit die Funktion der Einlage im „Heinrich von Ofterdingen“ darstellen. Die Herausarbeitung der Aufgabe, die der Text im Roman übernimmt, soll zu dem Erkenntnisziel führen, welche Bedeutung dem Märchen innerhalb des Fragments zukommt und inwiefern Novalis hier seine theoretische Poetologie umsetzt.

Ausgehend von der These, dass das Eingangszitat der Kern des „Ofterdingen“ ist, muss es darum gehen, das Verhältnis von Traum, Märchen, Poesie und Wirklichkeit darzulegen. Zur Beantwortung dieser Fragestellung strukturiert sich diese Arbeit in sieben Kapitel. Der erste theoretische Teil folgt dem übergeordneten Prinzip, vom Allgemeinen zum Speziellen fortzuschreiten. So steht am Anfang der Betrachtung eine Charakterisierung der Gattung, die für diese Arbeit den Hintergrund bildet: das Kunstmärchen.

Warum ein neutraler Umgang mit dem Begriff „Kunstmärchen“ nötig ist, wird im ersten Punkt des zweiten Kapitels erläutert.

6Hiebel, Friedrich: Novalis. Der Dichter der blauen Blume. Bern, München. 1951. S. 138.

7Mähl, Hans-Joachim: Die Idee des goldenen Zeitalters im Werk des Novalis. Heidelberg. 1965. S. 403.

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Darauf folgt eine Darstellung der Nähe zum Volksmärchen. Der grobe Umriss der ursprünglichen Märcheneigenschaften zeigt das Basismuster, auf welches das Kunstmärchen zurückgreift.

Um die Besonderheiten der romantischen Kunstmärchen und die Unterschiede in der epochalen Entwicklung anzugeben, folgt eine chronologische Aufzeigung der Entstehungsgeschichte ausgehend von den italienischen Anfängen bis hin zu ihrer Hochzeit in der Romantik. Hier erscheint erstmals der Aspekt des Wunderbaren, welcher für die weiterführende Analyse von großer Bedeutung sein wird.

Von der Aufklärung zur Romantik wird letztere nur sehr kurz angeschnitten und gesondert als vierter Punkt des zweiten Kapitels anhand des Wirklichkeitsbegriffs erläutert. Er dient jedoch vielmehr als Einführung des nächsten Kapitels, da man schnell auf die Problematik stößt, dass eine Trennung des romantischen Wirklichkeitsverständnisses von der Poetologie Hardenbergs nicht möglich ist.

Diese Thematik liegt dem dritten Kapitel zugrunde und bildet das theoretische Fundament für die Betrachtung des Klingsohr-Märchens, welche in Kapitel Nummer vier anhand einer chronologischen Methode erfolgt. Die Erzählung erstreckt sich über vier Welten, wobei das Mondreich eine Unterwelt zu Arctus Gebiet darstellt. Da dreizehn Mal der Bereich gewechselt wird, erfolgt eine Gliederung des Märchens in dreizehn Teile. Abschnitt für Abschnitt werden hier die einzelnen Faktoren und Handlungen analysiert und verglichen, um dann im vorletzten Kapitel die Funktion der Texteinlage im Gesamtroman festzuhalten. Hierzu werden die weiteren Einlagen des Romans vergleichend hinzugezogen und die herausragende Position des Klingsohr-Märchens verdeutlicht. Das sechste Kapitel fasst abschließend die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung zusammen, bevor im siebten Kapitel die verwendete Literatur aufgeführt wird.

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2. Das Kunstmärchen

2.1. Benennung

Der Begriff „Kunstmärchen“ ist als Gattungsbezeichnung, trotz einer Vielzahl von Studien, bis heute nicht eindeutig definiert.

Etymologisch betrachtet bedeutet „Märchen“ Kunde oder Nachricht, so dass das Wort an sich zunächst keine Informationen über die Eigenschaften der Gattung enthält. „Märlein“ abgeleitet vom mittelhochdeutschen „maerlîn“ ist die Verkleinerungsform von „Mär“, mittelhochdeutsch „maere“ und heißt so viel wie „kleine Erzählung“8. Ursprünglich deutet der Begriff „Märchen“ demnach lediglich auf einen Bericht über etwas Geschehenes, ohne eine Aussage über einen besonderen Inhalt zu implizieren. Die Bezeichnung unterlag im Zeitraum vom 13. bis 16. Jahrhundert einer Bedeutungsverschlechterung. Mit dem Begriff „Lügenmärchen“ wurde auf den unwahren Gehalt der Erzählungen hingewiesen und dem „Märchen“ eine negative Konnotation hinzugefügt9. Die Auswirkungen dieser Auslegung werden noch heute in dem Satz „Erzähl mir keine Märchen“ deutlich.