Eden Park – Das schwarze Loch - Tobias Elsäßer - E-Book

Eden Park – Das schwarze Loch E-Book

Tobias Elsäßer

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Beschreibung

Eden Park: die modernste Stadt der Welt. Hier läuft alles digital und mit hyperentwickelterTechnik ab. Hier lebt auch der elfjährige Vincent. Zusammen mit seinen Freunden Leonieund Yashie ist es ihm gelungen, die Bewohner der Stadt vor dem Untergang zu bewahren.Vorerst. Doch die Bedrohung ist noch lange nicht abgewendet. Im Gegenteil – denn seit erden geheimen Würfel in den Krater geworfen hat, wird Vincent von seinem eigenenDoppelgänger verfolgt, und er begreift, dass er sein Leben erneut aufs Spiel setzenmuss, um die gesamte Erde, wie wir sie kennen, zu retten.Der zweite und abschließende Band der spannenden SerieBei Antolin gelistet.

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Seitenzahl: 245

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Tobias Elsäßer

Eden Park – Das schwarze Loch

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Inhalt

WidmungPrologErster TeilErstes Kapitel Der KraterZweites Kapitel Der Tag danachDrittes Kapitel Der FeindViertes Kapitel PingpongFünftes Kapitel Der goldene SchnittSechstes Kapitel Das Doppelspalt-DesasterSiebtes Kapitel Am Ende der WeltZweiter TeilAchtes Kapitel Zwischen den WeltenNeuntes Kapitel Das PortalZehntes Kapitel Tot und am LebenElftes Kapitel Im Tal der melodiösen SehnsuchtZwölftes Kapitel Das KlavierDreizehntes Kapitel Die BegegnungVierzehntes Kapitel Im EinklangFünfzehntes Kapitel Der AuftrittSechzehntes Kapitel Die SonneninselDritter TeilSiebzehntes Kapitel Die RückkehrAchtzehntes Kapitel Der CountdownNeunzehntes Kapitel Das GewitterVierter TeilZwanzigstes Kapitel Tunneln hoch zweiEpilogDanksagung

Für alle Außerirdischen, die unsere Welt beobachten und sie nicht verstehen. (Das geht auch vielen Erdlingen so.)

Prolog

Der Rat der inneren Welt hatte bis zum Morgengrauen getagt. Jetzt schritt Kashia, die Präsidentin, zum Rednerpult. Sie wusste, was ihre Entscheidung für die Bewohner bedeutete, aber nach allem, was passiert war, konnten sie nicht länger an diesem Ort im Kern dieses kriegerischen Planeten namens Erde bleiben. Sie mussten weiterziehen, nach einer neuen Heimat suchen, bevor die Wellenstürme noch schlimmer wurden und es kein Entkommen mehr gab.

Sie hatten gehofft, es wäre vermeidbar gewesen. Doch dieser Junge mit dem Namen Vincent war leider nicht stark genug gewesen, um die Verbindungen ihrer beiden Welten zu trennen, damit sie den Schutzmantel ein letztes Mal reparieren konnten. Der Superbote hatte sich getäuscht. Und dabei hatte sein letzter Bericht noch so hoffnungsvoll geklungen. Als könnte dieses besondere Kind tatsächlich ihre Rettung sein.

Kashia holte tief Luft. Nur noch wenige Tage, dann war das schwarze Loch nahe genug, um sie von hier aus in ein neues Universum zu transportieren, wo sie vorerst bleiben würden.

Fünf Tage. So lange mussten sie noch durchhalten und hoffen, dass der Schutzmantel, der ihre Welt umgab, hielt. Und in dem neuen Universum würde alles darauf ankommen, dass die Navigatoren[1] einen besseren Standort für sie finden konnten.

Im Saal war es still geworden. Kashia stieg auf das kleine Podest am vorderen Bühnenrand und blickte in die Gesichter der Anwesenden. Angst. Verzweiflung. Und in den hinteren Reihen Wut und vereinzelt sogar Hass, etwas, das es sehr selten in ihrer Welt gab. Hass auf die Fremden, die Erdenbürger. Der Anblick war kaum auszuhalten. Sie wollte gerade ihre Stimme erheben, als ihr der Saaldiener vom Bühnenrand aus Zeichen gab zu warten. Neben dem Diener erschien ein dürrer Mann in Anzug. Sein Gesicht war so blass, dass man den Eindruck hatte, es würde von innen heraus leuchten. Die kantigen Umrisse seines Kopfes umgab ein bläuliches Schimmern. An seiner linken Hand blitzte ein glänzender Ring auf. Ein Beobachter! Kashia lächelte kurz auf. Vielleicht hatte er etwas herausgefunden, was einen zweiten Versuch rechtfertigte, diesen Planeten etwas später, auf sanftere Weise zu verlassen. Ohne dass die Erde bleibende Schäden davontrug oder das Klima verändert wurde. Aber das würde schon fast an ein Wunder grenzen. Sie räusperte sich, dann erhob sie ihre Stimme und versuchte, in ihrer Ansprache möglichst viel Hoffnung mitschwingen zu lassen. »Beginnen möchte ich mit dem neuesten Bericht eines Beobachters, der soeben aus der oberen Welt eingetroffen ist.«

Der Mann trat hastig in das Licht der schwebenden Scheinwerfer. Kashia las aus seinen Bewegungen, dass es wohl leider doch keine guten Neuigkeiten waren, die er von seiner Reise mitbrachte.

»Also …«, begann der Mann, kaum dass der Saaldiener das Mikrophon (eine sendefähige Butterblume) am Revers seines Jacketts befestigt hatte. Seine kleinen Augen schimmerten grün in unterschiedlichen Schattierungen. Die Folge eines unvollständigen Quantensprungs. Eine seiner Pupillen war geweitet, die andere klein wie bei einem Stecknadelkopf. »Wir haben den Kontakt verloren. Sowohl zu dem Erdenjungen Vincent Parker als auch zu dem Superboten Äsch Flux Underwood. Die Wellenstürme zwischen unseren Welten sind so stark, dass wir keine aktuelle Aufenthaltswahrscheinlichkeit haben. Ihr Standort ist unbekannt. Momentan können wir nicht mal sagen, ob der Junge und der Bote überhaupt noch am Leben sind.«

Er machte eine Pause und räusperte sich. »Und selbst wenn dem so ist, glaube ich nicht, dass es eine Möglichkeit gibt, die Kräfte des Kinds ein zweites Mal zu verstärken, um die Folgen des Ausstiegs für seine Welt und ihre Bewohner abzumildern. Die Vorbereitung würde zu lange dauern.« Er senkte den Blick. »Es wird hier und da Tote geben. In unserer Welt und bei den Erdlingen, wenn sie die Bohrungen nicht stoppen.«

Sofort meldeten sich aus den hinteren Reihen aufgebrachte Stimmen: »Wir wollen nicht wieder flüchten!«, »Auch wir haben ein Recht auf Heimat!«, »Nieder mit dem Rat! Nieder mit den Erdbewohnern«, »Wir werden nicht nachgeben. Dieser Planet ist auch unser Planet!«

Kashia breitete die Arme aus, bis die Zwischenrufe verstummt waren, dann nickte sie dem Beobachter zu. »Bitte fahren Sie fort.«

Der Saaldiener reichte dem Mann ein Glas Wasser, das er mit einem Schluck leerte. Ein Zischen war zu hören, kurz darauf stieg eine Dampfwolke über seinem Kopf auf. »Ich sehe keine andere Möglichkeit, als den Exit durchzuführen, bevor es in unserer inneren Welt und in der Zwischenwelt Betwedew zu weiteren Verschränkungen und Auslöschungen kommt. Unser Schutzschirm kann den negativen Wellen nicht mehr lange standhalten. Er ist zu dünn. Immer mehr Sektoren sind davon betroffen.«

Er tippte gegen das Glas seiner klobigen Armbanduhr. Ringsum im Saal gingen die Lichter aus. Über den Köpfen der Zuhörer erschienen aus der Vogelperspektive erstellte Aufnahmen zerstörter Landstriche, Wohnsiedlungen und Wälder, die nur noch durch ihre Umrisse zu erkennen waren: dünne, feingezackte Linien ohne Inhalt. Es sah aus, als hätte ein gigantischer Radiergummi über Häusern, Feldern, Wiesen und Hügeln gewütet. Doch ohne das Alarmsystem, das die tödlichen Wellen angekündigt hatte, hätte es deutlich mehr Opfer gegeben. So war es meist bei oberflächlichen Verletzungen geblieben, die man mit Klangtherapien[2] oder Partikel-Salben heilen konnte. Aber das Loch zwischen den beiden Welten durfte bis zum Ausstieg auf keinen Fall größer werden.

Das Auge der Kamera stürzte zurück zum Boden und jagte durch eine abgesperrte Straße. Im Vorbeiflug erkannte man die Silhouette eines Hundes, der gerade sein Bein an einem Baum hatte heben wollen, als ihn der unsichtbare Tod ereilt hatte und er ebenfalls zu einer Linie verblasst war.

»Die Vorbereitungen zum Verlassen dieses Planeten sind bereits angelaufen«, sagte Kashia und war nicht überrascht, als aus den hinteren Reihen lautstark ihre Absetzung gefordert wurde. »Wir haben nicht das Recht, diesen Planeten zu übernehmen«, sagte sie bestimmt. »Das können und dürfen wir nicht tun. Das steht so in unseren Gesetzen.«

»Aber sie werden ihren Planeten doch ohnehin zerstören«, rief eine faltige Frau mit knarzender Stimme. Ein Mikrophon, das aussah wie eine kleine Sonnenblume und von einem großen Vogel gehalten wurde, der wie ein Kolibri auf der Stelle schweben konnte, bewegte sich lautlos vor ihr in der Luft. Sie lächelte und sprach weiter. Ihre Stimme wurde laut in die Halle hinausgetragen. »Warum sollen wir Rücksicht nehmen? Warum können wir uns ihnen nicht zeigen? Vielleicht würde das ihr Verhalten ändern. Sie denken ja tatsächlich, dass sie fortschrittlich sind.«

Applaus brandete auf.

»Weil auch das so in unserer Verfassung steht«, entgegnete Kashia erschöpft. »Die Vorbereitungen laufen. Und ich bitte Sie, dem Notfallplan Folge zu leisten. In spätestens drei Tagen werden wir diesen Planeten verlassen.«

Erster Teil

Erstes KapitelDer Krater

Das Knistern kam von allen Seiten. Ein Geräusch wie von unzähligen Chips-Tüten, in denen ein Heer aus spitzen Fingern vergeblich nach Krümelresten suchte. Nur der Geruch fehlte. Es roch nach nichts, nach gar nichts und noch weniger davon[3], und das machte Vincent traurig. Er wünschte sich, eine Spur von Erdnussflips aus der trockenen Luft herauszufiltern. Dann wäre Äsch, der Superbote aus der Zwischenwelt, noch in der Nähe. Aber Äsch war tot. Hatte sich selbst geopfert, um die Zerstörung von Eden Park zu verhindern und Menschenleben zu retten.

Vincent war ihm dankbar. Äsch, seinem Freund. Es war nicht fair, dass keiner je erfahren würde, dass Äsch ein echter Held war, der sein Leben für sie geopfert hatte. Ein Märtyrer oder wie das hieß. Man sollte ihm ein Denkmal bauen und auch gleich noch einen Feiertag nach ihm benennen. Das wäre das mindeste. Ohne ihn hätte es in Eden Park Verletzte, vielleicht sogar Tote gegeben. So war die Stadt von der drohenden Schwerelosigkeit, von Chaos und Zerstörung verschont geblieben.

Der neunte Würfel. Nur dank Äsch war es Vincent gelungen, ihn rechtzeitig in den Krater vor dem Haupteingang zu werfen und die Katastrophe abzuwenden. Der Krater, dachte Vincent verwirrt. Der Krater, in dem er sich seit der Explosion des Würfels und dem Sturz vom Hoverboard noch immer befinden musste. Sein Herz tat einen schweren Schlag, als wollte es ihn daran erinnern, dass er trotz der Bemühungen des Boten sehr wahrscheinlich selbst bald sterben würde, auch wenn sich das komischerweise gar nicht so anfühlte, so bedrohlich.

Konnte man wirklich so gelassen bleiben, wenn man gerade kilometerweit in die Tiefe stürzte und jederzeit an einer schroffen Felswand oder auf dem Boden zerschellen konnte? Sein Onkel hatte einmal von einem verschütteten Bergsteiger erzählt, der nur deshalb überlebte, weil er bis zum Eintreffen der Rettungskräfte mit aller Macht dafür gekämpft und sich von Käfern, Moos und Spinnen ernährt hatte. Vielleicht lag es an den Auslöschungen, vielleicht hatten sie sein Gehirn erreicht und dort den Ort zerstört, an dem die Angst zu Hause war und das, was sein Onkel Cornelius mit dem merkwürdigen Wort Selbsterhaltungstrieb beschrieben hatte.

Jedenfalls konnte Vincent weder Arme noch Beine bewegen, geschweige denn sie sehen. Und trotzdem sagte ihm seine innere Stimme, dass es keinen Grund gab, sich darüber mehr als nötig aufzuregen. Das war verrückt. Vincent hatte außerdem jegliches Zeitgefühl verloren. Vielleicht waren Stunden seit der Explosion vergangen, vielleicht auch nur Minuten. Er dachte sehnsüchtig daran, zu schlafen, und stellte sich sein kuschelig warmes Bett vor. Was war nur mit ihm los?

Er erinnerte sich daran, dass er gerade durch einen Krater stürzte, und hoffte, damit irgendeine normale Reaktion auszulösen. Fehlanzeige. Da war nur die Trauer um Äsch, die zu ihm vordrang und seine innere Stimme, die ihm zuflüsterte, dass er selbst sich in Sicherheit befand.

Vincent überlegte, was seit dem Sturz in den Krater passiert war. In den ersten Sekunden nach der Explosion des Würfels und dem Sturz vom Hoverboard hatte er geschrien. Aber dann war die Feuerhitze verschwunden, mit ihr das schreckliche Brennen in den Augen und irgendwann auch die Angst. Seit einiger Zeit war es dunkel. Dunkler noch als in der dunkelsten Ecke eines Oligaten-Badezimmers[4]. Vielleicht war er blind?! Blind, aber – zumindest im Augenblick noch – am Leben.

Lag es an der nachlassenden Erdanziehungskraft, dass sein Sturz nun schon so lange dauerte und es sich fast wie ein Schweben anfühlte? Nur ein kleiner Luftzug sagte ihm, dass sein Körper noch in Bewegung war. Das anfängliche Ziehen in der Magengegend war einem bohrenden Hungergefühl gewichen, als hätte er schon ewig nichts mehr gegessen. Wie lange dauerte so ein Fall zum Erdmittelpunkt? Mehr als sechstausend Kilometer durch einen riesigen Trichter? Wochen? Und wo genau würde er ankommen, sollte er auf dem Weg nicht verbrennen? Endete sein Sturz gar in einer anderen Dimension? Vielleicht in Äschs Heimat, der Zwischenwelt Bedwedew, wo auch immer die sich befand? Jedenfalls nicht in der inneren Welt, denn die existierte ja nun nicht mehr. Sie war fort.

In Vincents Kopf überschlugen sich die Gedanken. Was sich im einen Augenblick logisch anhörte, klang im nächsten Moment wie aus einem verrückten Science-Fiction-Abenteuer. Wenigstens spürte er endlich einen Anflug von Bedauern, wenn er an sein Leben dachte und daran, dass es schon bald vorbei sein könnte. Ausgerechnet jetzt, wo er zum ersten Mal richtige Freunde gefunden hatte. Leonie und Yashi. Auch sie würde er nie wiedersehen. Seinen Onkel und seine Eltern. Sogar seine nervige Schwester Marlene würde er vermissen.

Plötzlich jedoch verschwand das Knistern. Es wurde still. Unangenehm still. Eine Stille, als würde dahinter eine böse Überraschung lauern. Vincent hörte das Blut in seinen Ohren rauschen. Im Gesicht spürte er einen kühlen, stärker werdenden Luftzug. Hieß das, dass sein fallender Körper beschleunigte? Vincent riss die Augen so weit auf, wie er konnte. Doch nicht einmal die Winzigkeit eines Lichtscheins ließ sich in der Dunkelheit erhaschen. Um ihn herum war nur rabenschwarze Nacht, die mit unsichtbarem Gewicht gegen seine Augäpfel drückte.

Vincent kam ein schrecklicher Gedanke. Was, wenn er sich aufgelöst hatte? Wenn er nur noch ein Geist war? Wenn Äsch sich getäuscht hatte und ihn die Strahlung in dem Krater gar nicht vor der Auflösung bewahrte, sondern das Gegenteil der Fall war?

Vincent spürte ein unangenehmes Gefühl im Bauch. Dann drückte etwas gegen seine Wirbelsäule. Gegen seine Arme. Gegen seine Beine. Gegen seinen Kopf. Licht! Grelles Licht, als hätte jemand einen Vorhang aufgerissen, gefolgt von einem kühlen Windhauch. Vincent blickte nun auf eine dunkel glänzende Fläche, in der langsam die Umrisse eines Gesichts zum Vorschein kamen. Es dauerte einen Moment, bis er erkannte, dass der blasse Junge, der ihn aus zu Schlitzen verengten Augen anstarrte, er selbst war. Sein Spiegelbild. Zurückgeworfen vom abgeschalteten Monitor, der neben seinem Bett in die Wand eingelassen war. Kurz war er erleichtert. Er lag also in seinem Bett. Zu Hause. In Sicherheit. Am Leben.

Nur die Augen, seine Augen, sahen irgendwie verändert aus. Fremd. Einschüchternd. Erfüllt von einem feindseligen Funkeln. Vincent spürte, wie sich der eisige Blick in seinen Kopf bohrte. Etwas berührte ihn an der Schulter. Eine Hand?

»Guten Morgen«, sagte eine Stimme. Es dauerte einige Sekunden, bis Vincent sie erkannte. Sie gehörte zu seinem Vater. »Mach die Augen auf, mein Junge. Der Sturm ist vorbei. Draußen erwartet dich ein herrlicher Sonnentag und das leckerste ungesunde Frühstück der Welt.«

Zweites KapitelDer Tag danach

Vincent und Leonie saßen an einem der Betontische neben dem Basketballfeld und schauten den Reinigungsrobotern dabei zu, wie sie die Überreste abgestürzter Drohnen, verbeulte Pakete, aufgerissene Medikamentenpackungen und allerhand anderen Müll davonkarrten. Man hatte die Mittagspause auf eine Stunde verlängert. Die Roboter wurden vom Sicherheitspersonal gesteuert und liefen trotzdem immer wieder in die falsche Richtung, als hätten sie über Nacht einen eigenen Willen entwickelt. Der kleine Springbrunnen vor der Mensa schäumte rosa. Dem Geruch nach zu urteilen, war Waschmittel mit besonders kräftigem Kirschduft dafür die Ursache. Die Überwachungskameras hatten ihre Köpfe nach unten geneigt. Systemausfall. Ob wirklich alle Kameras von diesem Ausfall betroffen waren, konnte auch Leonie nicht sagen. Ihr Handy zeigte nur die beiden englischen Wörter an:

FATAL ERROR

Das Surren der Drohnen war ebenfalls verstummt und mit ihm die künstlichen Vogelgeräusche und die langweilige Kaufhausmusik.

»Ich kann immer noch nicht glauben, dass wir es geschafft haben«, raunte Leonie Vincent zu. Sie zwirbelte an ihren Haarsträhnen und grinste breit. Dann blickte sie sich verstohlen um, als würde sie jemand vom Sicherheitspersonal beobachten.

»Das war ich nicht, Leonie«, entgegnete Vincent. »Wie oft soll ich das noch sagen? Das war Äsch. Er hat uns gerettet. Er hat mir geholfen, den neunten Würfel abzuwerfen.«

Leonie schüttelte den Kopf. »Dein Freund in allen Ehren, aber ohne dich läge hier kein Stein mehr auf dem anderen. Du musst nicht so bescheiden tun. Freu dich doch, dass du etwas Besonderes bist.« Sie knuffte ihn kumpelhaft in die Seite. »Und aufgelöst hast du dich auch nicht. Das hat wirklich krass ausgesehen gestern.«

»Ja, ja.«

Wie durch ein Wunder war in der vergangenen Nacht kein Bewohner von Eden Park ernsthaft zu Schaden gekommen. Weder durch das Erdbeben noch durch den heftigen Sturm. So stand es zumindest in der offiziellen Mitteilung, die überall auf den riesigen Displays im Wechsel mit Rabattangeboten aufleuchtete.

Niemand, außer Äsch. Äsch, für den sich niemand interessierte, weil er aus einer anderen Welt kam. Hatte sein Freund eigentlich eine Familie? Gab es so etwas überhaupt dort, wo er zu Hause war? Warteten seine Angehörigen und Freunde vergeblich auf seine Rückkehr? Vincent wusste so wenig über den Superboten. Er hätte ihm mehr Fragen stellen sollen. Aber jetzt war es zu spät. Jetzt würde er ihn nie wiedersehen.

Die Sonne schien von einem wolkenlosen Himmel, die Luft war ungewöhnlich klar. In wenigen Stunden würde hier alles wieder aussehen wie vorher. Nur die Risse in den Straßen und Verbindungsröhren und der mächtige Krater vor dem Haupteingang, in den er vor wenigen Stunden gestürzt war, würden nicht so schnell verschwinden. Vincent war gespannt, wie die Alpha-Gruppe das den Bewohnern erklären würde.

Den Vormittagsunterricht hatte man in die Aula verlegt und den Schülern aller Klassen Filme und Schaubilder über den weltweiten Klimawandel gezeigt. Am Ende wurde ein prominenter Wissenschaftler zugeschaltet, der Fragen zu Naturkatastrophen beantwortete, bevor er jedem von ihnen ein handsigniertes E-Book schenkte und von der Zukunft der Wetterbeeinflussung schwärmte. »Städte wie Eden Park, die es sich leisten können, werden mit dieser Technologie vor schlimmen Unwettern verschont bleiben und sich dadurch von der Willkür der Natur abkoppeln.«

Viel mehr hatte Vincent von dem Vortrag nicht behalten. Alle paar Minuten waren neue Bilder von der vergangenen Nacht vor seinem inneren Auge aufgetaucht. Szenen wie aus irgendeinem Film und nicht aus seinem eigenen Leben. Als hätte er das alles nur geträumt. Warum hatte sein Onkel den Boten so angeschnauzt? Hätte er auf Cornelius gehört, wäre er wahrscheinlich gar nicht mehr am Leben oder weit fort in einer anderen Welt, wo er nicht sein wollte. Das alles würde er seinem Onkel vorhalten, wenn er sich wieder bei ihm meldete. Aber wahrscheinlich war Cornelius eingeschnappt, dass er bei dem Streit im Labor nicht auf ihn, sondern auf den Boten gehört hatte, und ging deshalb nicht an sein Handy. Das würde ihm ähnlich sehen. Mittlerweile war sich Vincent nicht mal mehr sicher, ob gestern Nacht tatsächlich sein Leben auf dem Spiel gestanden hatte. Jetzt, Stunden später, fühlte sich alles wie ein Traum an, ein Abenteuer, das er dank Äsch und seiner Freunde unbeschadet, nein vielleicht sogar geheilt, überstanden hatte. Komisch war es trotzdem, dass sich sein Onkel nicht bei ihm meldete, nach allem, was passiert war. Wollte er denn gar nicht wissen, wie es ihm ging?

Geistesabwesend hörte sich Vincent Leonies übertrieben actionreiche Zusammenfassung der letzten Nacht an. Hier und da ergänzte er die Lücken. Dass er sich nicht daran erinnern konnte, wie er es aus dem Krater zurück in sein Bett geschafft hatte, ließ er unerwähnt. Obwohl die Auslöschungen an seinem Körper, ja sogar die dunkle Narbe an seinem Finger, restlos verschwunden waren, fühlte er sich den ganzen Morgen schon wie in Watte gepackt, als sei er nicht richtig da. Als würde dieses Gespräch gar nicht wirklich stattfinden, sondern nur in seinen Gedanken. Vielleicht träumte er ja tatsächlich immer noch. Er kniff sich unauffällig in den Arm. Der Schmerz kam verzögert bei ihm an. Das war seltsam.

Leonies Handy vibrierte. Hektisch loggte sie sich in ihren Account ein. Fast zeitgleich kehrten die künstlichen Vogelstimmen wieder zurück, und aus den unsichtbaren Lautsprechern plätscherte leise Musik.

»Wie es aussieht, gibt es von uns keine Aufzeichnungen in der Cloud-Datenbank«, sagte Leonie erleichtert. »Allem Anschein nach haben wir es geschafft, unter dem Radar zu fliegen. Nicht mal die fehlenden Hoverboards haben sie bemerkt. Das war alles total undercover. Das macht uns keiner so schnell nach. Einfach perfekt.«

»Es gibt also auch keine Aufzeichnungen von Äsch oder meinem Onkel?«, vergewisserte sich Vincent. Auch seine Stimme hörte sich für ihn fremd an. Sie klang tiefer und härter.

An Leonies verdutztem Blick erkannte er, dass auch ihr die Veränderung nicht entgangen war. Sie bot ihm ein durchsichtiges Pfefferminzblättchen an. Vincent legte das hauchdünne Blättchen auf seine Zunge, bis es sich zischend auflöste und ihm die kratzige Schärfe in die Stirn stieg. Vielleicht hatte er sich ja gestern Nacht auch einfach nur erkältet.

»Danke«, sagte er, räusperte sich mehrmals hintereinander und wünschte sich seine alte Stimme zurück.

Leonie hielt ihm ihr Armband hin. Das Statuslämpchen leuchtete grün. »Sie haben die Tracking-Systeme hochgefahren. Wird nicht mehr lange dauern, dann schalten sie auch den Rest wieder ein.« Sie klickte durch ein Menü, in dem ihre Aufenthaltsorte der letzten zwanzig Stunden vermerkt waren. »Keiner von uns hat Spuren hinterlassen. Damit sind wir aus dem Schneider.«

»Aber Yashi wurde doch in der Altstadt markiert?«, wunderte sich Vincent. Er erinnerte sich daran, wie sich sein Freund selbstlos einer Drohne in den Weg gestellt hatte, um ihn zu beschützen.

»Schau selbst«, sagte Leonie und hielt ihm das Handy hin. Über dem Zeitstrahl, auf dem Yashis Aufenthaltsorte vermerkt waren, blinkten überall Fragezeichen. »Das System hatte ja einen Total-Absturz. Da werden die Sicherheitsabfragen gelöscht.«

Da trat Yashi zu ihnen. Als Sohn des Hausmeisters kam er dorthin, wo sonst nur die Angestellten der Alpha-Gruppe Zugang hatten, und wusste als Erster, wenn es etwas Neues in Eden Park gab. Er hatte den Vormittag geschwänzt. Weil das System erst jetzt wieder aktiviert wurde, würde sein Fehlen unentdeckt bleiben. Sein T-Shirt war verschwitzt, seine Hände schmutzig. Offensichtlich hatte er seinem Vater bei den Aufräumarbeiten geholfen. Er streckte den Rücken durch und stieß einen tiefen Seufzer aus.

»Schade, dass wir keinem davon erzählen können, was gestern Nacht wirklich passiert ist. Dass wir gewissermaßen die Welt und Vincent gerettet haben.« Mit einem überheblichen Grinsen ließ er seinen Blick über die anderen Tische schweifen, an denen sich die Schüler gegenseitig die Videoausbeute der vergangenen Nacht zeigten. Einige prahlten damit, unter welchen Gefahren sie die Filmaufnahmen gemacht hatten. Die Stimmung war regelrecht aufgeheizt, seit sich herumgesprochen hatte, dass es ein paar Videos unter die Top10 der internationalen Real-Life-Video-Charts geschafft hatten und damit viel Geld verdient wurde.

»Schaut sie euch an, diese ahnungslosen Langweiler«, raunte Yashi Leonie und Vincent zu. »Die haben nicht die geringste Ahnung, was wirklich hinter dem Sturm steckt. Hätten wir das gestern Nacht gefilmt, hätten wir ausgesorgt. Da müssten wir nie wieder in die Schule gehen und könnten Autogramme verteilen. Wir wären Superstars.« Er klopfte sich gegen die Brust. Leonie verpasste ihm einen Stoß in die Rippen. »Jetzt komm mal wieder runter. Ich sehe hier nur einen, auf den die Bezeichnung Superstar zutrifft.« Sie lächelte Vincent an.

»Schon gut«, schnaubte Yashi. »Du kannst einem auch echt die Laune verderben.« Er wandte sich Vincent zu. »Wie bist du eigentlich wieder nach Hause gekommen, nachdem du den Würfel in den Krater geworfen hattest? Und wo ist dein schräger Freund abgeblieben? Hast du ihn noch mal gesehen, bevor er in eine andere Galaxie abgedüst ist?«

Vincent schüttelte den Kopf. »Nein. Er ist tot.«

»Tot?« Leonie blickte Vincent skeptisch an. »Das würde bedeuten, dass er richtig gelebt hat. Aber jemand, der lebt, kann nicht einfach so an mehreren Orten gleichzeitig sein und zu einem Insekt oder sonst was mutieren. Das ist beim besten Willen nicht möglich.«

»Da ist was dran«, pflichtete ihr Yashi bei. »Vielleicht ist er mehr so eine Art Geist, ein Alien oder so und kann sich bloß nicht mehr in unserer Welt sichtbar machen.« Er blickte nach oben und grinste. »Oder er hört uns gerade zu und sucht noch nach einem Weg, mit uns in Kontakt zu treten. Meine japanische Oma kann mit Geistern sprechen. Soll ich sie mal fragen, wie sie das macht? Sie kann das wirklich –«

»Äsch ist kein Geist!«, unterbrach ihn Vincent barsch. Er erschrak, wie kalt und wütend seine Stimme klang. Er musste sich richtig beherrschen, ruhig zu bleiben. Das war keine Erkältung. Das war etwas anderes.

»Hey, entspann dich, war ja nur ein Vorschlag. Kein Grund, gleich so auszurasten«, sagte Yashi erschrocken und hob beschwichtigend die Hände.

»Woran kannst du dich denn noch erinnern, außer an die Explosion des Würfels und diesen ewigen freien Fall, wie du das genannt hast?«, wollte Leonie wissen.

»An … an eine Melodie.« Plötzlich fiel Vincent das Reden schwer. Vielleicht weil er sich dazu zwang, seine Stimme ruhig klingen zu lassen. Er schloss kurz die Augen und meinte zu spüren, wie sein Herz stolperte. Das war ein schreckliches Gefühl.

»Alles okay?«, fragte Yashi.

»Hab nur Kopfschmerzen«, log Vincent.

»Da war also Musik?«, sagte Leonie. »Was für eine Art von Musik denn? Hiphop, Klassik, Jazz, Techno, Dance? Oder war es Heavy Metal? Mit Gitarren? Instrumental oder mit Gesang?«

»Warte.« Vincent suchte nach den richtigen Worten. »Es war einfach nur eine Melodie gewesen, einzelne Töne wie von einer ziemlich lauten Gitarre. Etwas, das man am ganzen Körper spürt.« Er versuchte sich an dieses Gefühl zu erinnern, das der Klang bei ihm ausgelöst hatte.

Yashi hob einen Mundwinkel. »Am ganzen Körper, alles klar.«

»Jetzt lass ihn doch mal«, pflaumte ihn Leonie an.

»Okay. Erzähl weiter.« Yashi verschränkte trotzig die Arme vor der Brust.

Vincent begann zu summen. Aber die Töne, die da aus seinem Mund kamen, waren falsch. Obwohl sich die Melodie in seinem Kopf richtig anhörte, war es unmöglich, sie korrekt wiederzugeben. Sosehr er sich auch anstrengte. Seine Stimmbänder schienen ihm nicht zu gehorchen.

»Wenn du mich fragst«, sagte Yashi grinsend. »Klingt das eher nach dem Vorzimmer zum Stimmbruch.«

»Warte mal.« Leonie zückte ihr Handy. »Yeah! Das Internet geht wieder.« Sie öffnete eine Musikerkennungs-App. »Kannst du das noch mal wiederholen? Vielleicht erkennt das Programm, was es damit auf sich hat. Sind ja alle Melodien abgespeichert, die jemals von einem Menschen oder einer Maschine komponiert wurden.«

Vincent versuchte erneut, die Tonfolge wiederzugeben, aber es war unmöglich. Je mehr er sich anstrengte, umso schräger klangen die Töne, die aus seinem Mund kamen.

Leonie starrte auf ihr Handy, das eine Fehlermeldung nach der nächsten ausspuckte. »Ich glaube, so wird das nichts.« Sie steckte es weg.

»Feind im Anmarsch«, flüsterte Yashi.

Kaum hatte er das gesagt, baute sich Maja von Sittgenstein vor ihrem Tisch auf. Die Präsidentin von Eden Park lächelte übertrieben.

»Ach, da sind ja meine übermotivierten Schützlinge.« Sie blickte vielsagend von einem zum anderen. »Schön, dass es euch allen gutgeht. War ja für alle von uns eine aufregende Nacht.« Sie hob die feingezupften Brauen, wurde ernst und starrte Vincent an, als würde sie von ihm eine Erklärung erwarten.

»Sie müssen mit den Erdbohrungen aufhören«, sprudelte es aus seinem Mund. »Sie werden damit alles zerstören. Das Beben und der Sturm waren nur der Anfang. Die Wellen breiten sich immer schneller aus. Sie werden damit eine Katastrophe auslösen.« Vincent wunderte sich über seine eigenen Worte. Sie waren direkt auf seiner Zunge gelandet, ohne dass er überhaupt das Gefühl hatte, sie zu verstehen. Die innere Welt war doch verschwunden und damit auch die Gefahr. So hatte Äsch es ihnen erklärt – dass man die Würfel brauchte, um die Schwerelosigkeit zu verhindern, wenn sich die innere Welt aus dem Kern der Erde herauslöste. Oder stimmte das gar nicht? Vincent war verwirrt.

»Die Wellen also.« Maja von Sittgenstein tauschte wissende Blicke mit ihrem Begleiter, einem dürren Mann vom Sicherheitsdienst. Dann verzog sie den Mund zu einem ironischen Lächeln. »Höre ich da etwa die Stimme deines Onkels?« Sie fuhr sich arrogant durch das Haar. »Das Klima wird sich durch die Bohrungen nicht verändern. Hättest du unserem Experten heute Morgen zugehört, hättest du das mitbekommen.« Sie schwenkte den Blick zu Leonie. »Es wird nur günstige Energie für alle geben und auch bald eine Möglichkeit, das Klima zu steuern, was bei dieser unerträglichen Hitze ja nicht das Schlechteste wäre.« Sie tippte auf ihr Handy, wo eine Übersichtskarte von Eden Park erschien, auf der überall grüne und rote Punkte blinkten. »Vincent, wenn du deinen Onkel das nächste Mal siehst, sag ihm bitte, dass wir ihn der Polizei überstellen, wenn er noch einmal ohne Erlaubnis einen Fuß nach Eden Park setzt.« Sie machte eine Pause. »Sollte er jedoch bereit sein, mit uns zu kooperieren und uns Zugang zu seinem Labor und seinen Forschungen zu gewähren, so stünden ihm – und natürlich auch euch – alle Türen offen. Schließlich müssen wir uns um das Wohl aller Bürger von Eden Park sorgen. Und wenn wir keine Kontrolle darüber haben, was vierzig Meter unter der Erde geschieht, ist das nicht möglich. Das werden auch die Gerichte bald einsehen. Natürlich könntest du Vincent auch jetzt schon – aus Verantwortung für die Allgemeinheit – den Zugang öffnen. Das würde das Verfahren abkürzen und deinem Onkel einiges an Unannehmlichkeiten ersparen. Und wie wir wissen, sind die Sicherheitssperren auch auf dich kalibriert.«

Vincent, Leonie und Yashi hatte es die Sprache verschlagen. Die Alpha-Gruppe, Frau von Sittgenstein, wusste also doch Bescheid, wo sie vergangene Nacht gewesen waren. Irgendwelche Bodendrohnen mussten sie beobachtet haben. Die Sensoren hatten sie ja alle deaktiviert. Oder hatte sie der Bienenschwarm verraten?

»Auf keinen Fall!«, sagte Vincent schroff. »Sie dürfen da nicht rein. Das Labor gehört meinem Onkel!«

»Wenn das so ist, hast du sicher nichts dagegen, mir den Schlüssel für die Bibliothek zurückzugeben.« Sie hielt Vincent ihr Handy hin. Über der 3-D-Ansicht seines Gesichts stand der Text:

ALLERGIEWERTE NEUTRAL

Darunter gleichmäßige Wellenlinien, wie er sie von der Messapparatur seines Onkels kannte, mit der er seine Haut untersuchte.

»Deine Allergiewerte haben sich nach unseren Erkenntnissen wie durch ein Wunder neutralisiert. Eine Sonderbehandlung brauchst du also nicht mehr. Zur Sicherheit kannst du dich nachher gerne im Ärztezentrum untersuchen lassen. Ein entsprechender Bericht wird deinen Eltern zugestellt.«

»Aber –«, setzte Yashi an und wurde von Maja von Sittgenstein mit einer Handbewegung zum Schweigen gebracht. »Den Schlüssel, bitte.« Sie streckte Vincent die Hand entgegen. »Oder willst du uns vielleicht jetzt doch die Schleuse zum Labor öffnen? Leonie werden die Bücher sicher fehlen. Vielleicht solltest du ihr diesen Gefallen tun.« Ihr Handy piepste. Sie schaute kurz darauf und nickte. »Im Übrigen mussten wir leider Frau Silberfuchs entlassen. Es gab einfach zu viele Beschwerden über ihre Unterrichtsmethoden. Ihre Umfragewerte sind nach ihrer letzten eigenmächtigen Unterrichtsänderung unter den erforderlichen Mindestwert gesunken. Das tut mir wirklich leid. Sie musste – ganz nach Vorschrift – soeben den Park verlassen.«

»Das haben Sie nicht wirklich getan«, sagte Leonie fassungslos. »Sie gehört zu den Besten!«