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Seitenzahl: 174
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Barbara Messer
100 Tippsfür die Validation
4., aktualisierte Auflage
■ Grundlagen & Zielgruppen
■ Praktische Umsetzung im Alltag
■ Symbole & Symptome von A bis Z
Die Autorin:
Barbara Messer, Jg. 1962, ist Spezialistin für Change-Prozesse, Führungsarbeit und Train-the-Trainer, Resilienz und vieles mehr. Sie liebt echte Herausforderungen und macht Menschen Mut, sich diesen zu stellen. Als Altenpflegerin begleitete sie Menschen in ihren größten Lebenskrisen und war im Management tätig. Sie ist Bachelor of Business Administration, NLP-Master & -Trainer, Ausbildungstrainerin. Ihre Zusatzqualifikationen: Sozialmanagement, Management von Gesundheitseinrichtungen, TMS®-Beraterin, Systemische Strukturaufstellungen, Maskentheater und Clownstheater, Gewaltfreie Kommunikation. Seit 1999 ist sie als Beraterin, Trainerin, Coach und Autorin selbstständig. Mehr unter: www.barbara-messer.de.
Barbara Messer
Buchwaldzeile 45
14089 Berlin
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.ddb.de abrufbar.
ISBN 978-3-89993-840-1 (Print)
ISBN 978-3-8426-8858-2 (PDF)
ISBN 978-3-8426-8859-9 (EPUB)
© 2017 Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG,Hans-Böckler-Allee 7, 30173 Hannover
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle muss vom Verlag schriftlich genehmigt werden. Alle Angaben erfolgen ohne jegliche Verpflichtung oder Garantie der Autoren und des Verlags. Für Änderungen und Fehler, die trotz der sorgfältigen Überprüfung aller Angaben nicht völlig auszuschließen sind, kann keinerlei Verantwortung oder Haftung übernommen werden. Die im Folgenden verwendeten Personen- und Berufsbezeichnungen stehen immer gleichwertig für beide Geschlechter, auch wenn sie nur in einer Form benannt sind. Ein Markenzeichen kann warenrechtlich geschützt sein, ohne dass dieses besonders gekennzeichnet wurde.
Reihengestaltung:
Groothuis, Lohfert, Consorten, Hamburg
Vorwort zur 2., aktualisierten Auflage
Vorwort zur 4., aktualisierten Auflage
Einleitung
Die Sonne wecken
Was Validation tun kann
Was genau ist nun Validation?
1Grundsätzliches zur Validation
1. Tipp:Erkennen Sie die Gefühlswelt des alten Menschen an
2. Tipp:Schaffen Sie Vertrauen durch Wertschätzung
3. Tipp:Akzeptieren Sie die Rückkehr in die Vergangenheit
4. Tipp:Beharren Sie nicht auf Ihrer Wahrnehmung
5. Tipp:Machen Sie sich einige Grundannahmen der Validation bewusst
6. Tipp:Ändern Sie Ihre Perspektive
7. Tipp:Rechnen Sie immer mit der Vergangenheit
8. Tipp:Spielen Sie kein Theater
9. Tipp:Beachten Sie die Grundlagen der Validation
10. Tipp:Lernen Sie das Modell der Lebensaufgaben kennen
11. Tipp:Fördern Sie das Vertrauen
12. Tipp:Lernen Sie, Schuldgefühle zu verstehen
13. Tipp:Akzeptieren Sie pubertierendes Verhalten
14. Tipp:Lassen Sie Bindungen erlebbar werden
15. Tipp:Akzeptieren Sie Leid und Schmerzen
16. Tipp:Helfen Sie, eine Bilanz zu ziehen
17. Tipp:Verstehen Sie, was alte Menschen sagen wollen
18. Tipp:Lernen Sie von erfolgreichen Therapeuten
19. Tipp:Erinnerungen sind veränderbar
20. Tipp:Suchen Sie nach der (positiven) Absicht
21. Tipp:Akzeptieren Sie Entscheidungen
22. Tipp:Wenden Sie den Rapport an
23. Tipp:Erkennen Sie, ob Menschen im Rapport miteinander sind
24. Tipp:Für den Rapport brauchen Sie eine innere Haltung
25. Tipp:Werden Sie zum Ausgangspunkt des Rapports
26. Tipp:Lernen Sie das Repräsentationssystem kennen
27. Tipp:Nutzen Sie den bevorzugten Sinneskanal
28. Tipp:Wenden Sie das Reframing an
29. Tipp:Finden Sie die Bedürfnisse des alten, desorientierten Menschen heraus
30. Tipp:Sorgen Sie für Sicherheit und Geborgenheit
31. Tipp:Geben Sie Anerkennung
32. Tipp:Zeigen Sie den alten Menschen, dass sie gebraucht werden
33. Tipp:Lassen Sie Raum für Gefühle
2Die Zielgruppe der Validation
34. Tipp:Bestimmen Sie die Zielgruppe für eine Validation
35. Tipp:Erkennen Sie, wer nicht für eine Validation in Frage kommt
36. Tipp:Helfen Sie dabei, Lebensthemen zu bearbeiten
37. Tipp:Prüfen Sie Ihre eigenen Fähigkeiten hinsichtlich einer Validation
38. Tipp:Seien Sie ehrlich
3Die vier Stadien der Desorientiertheit
39. Tipp:Beachten Sie die Stadien der Aufarbeitungsphase
40. Tipp:Machen Sie sich Stadium 1 bewusst: Mangelhafte/unglückliche Orientierung
41. Tipp:Machen Sie sich Stadium 2 bewusst: Zeitverwirrtheit
42. Tipp:Machen Sie sich Stadium 3 bewusst: Sich wiederholende Bewegungen
43. Tipp:Machen Sie sich Stadium 4 bewusst: Vegetieren
4Die Methodik der Validation
44. Tipp:Nutzen Sie die validierende Grundhaltung
45. Tipp:Finden Sie heraus, was Sie über sich selbst denken
46. Tipp:Seien Sie kein Besserwisser
47. Tipp:Nutzen Sie das validierende Gespräch
48. Tipp:Seien Sie empathisch, aber leiden Sie nicht mit
49. Tipp:Schaffen Sie eine vertrauensvolle Atmosphäre
50. Tipp:Bestimmen Sie das bevorzugte sensorische System
51. Tipp:Spiegeln Sie, was Sie sehen und hören
52. Tipp:Nutzen Sie verbale Techniken
53. Tipp:Folgen Sie einem roten Faden
54. Tipp:Zentrieren Sie sich
55. Tipp:Stellen Sie Fragen
56. Tipp:Wiederholen Sie und fassen Sie zusammen
57. Tipp:Fragen Sie nach Extremen
58. Tipp:Fragen Sie nach dem Gegenteil
59. Tipp:Lassen Sie die Vergangenheit lebendig werden
60. Tipp:Halten Sie Augenkontakt
61. Tipp:Benutzen Sie eine mehrdeutige Sprache
62. Tipp:Sprechen Sie sanft und liebevoll
63. Tipp:Spiegeln Sie Bewegungen und Gefühle des alten Menschen
64. Tipp:Verhalten und Bedürfnis hängen eng zusammen
65. Tipp:Berühren Sie den anderen
66. Tipp:Setzen Sie Musik und Lieder ein
67. Tipp:Techniken für Stadium 1: Mangelhafte/unglückliche Orientierung
68. Tipp:Techniken für Stadium 2: Zeitverwirrtheit
69. Tipp:Techniken für Stadium 3: Sich wiederholende Bewegungen
70. Tipp:Techniken für Stadium 4: Vegetieren
71. Tipp:Akzeptieren Sie Ihre Ohnmachtsgefühle
72. Tipp:Lesen und nutzen Sie die Pflegeplanung
5Die Grenzen der Validation
73. Tipp:Sie müssen keine Psychologin werden
74. Tipp:Bestimmen Sie Ihren Zeiträuber – Validation oder Diskussion?
75. Tipp:Sie müssen keine symbolischen Deutungen vornehmen
76. Tipp:Vergessen Sie den Schauspieler in sich
77. Tipp:Erkennen Sie Ihre Grenzen, wenn es um die Lebensaufgaben geht
78. Tipp:Nutzen Sie Fortbildungen
79. Tipp:Spüren Sie, wann Validation erfolgreich sein kann
6Validation- Symbole und Symptome von A bis Z
80. Tipp:Erlauben Sie »Arbeitspapiere«
81. Tipp:Akzeptieren Sie den Baby-Ersatz
82. Tipp:Tolerieren Sie Stimmungswechsel
83. Tipp:Stillen Sie den Durst
84. Tipp:Erlauben Sie Flüche
85. Tipp:Achten Sie auf Handtaschen – es sind ständige Begleiter
86. Tipp:Beachten Sie Ihre Intuition
87. Tipp:Beachten Sie Jesus als Glaubenssymbol
88. Tipp:Erkennen Sie Krawatten als Statussymbol
89. Tipp:Beobachten Sie Machtspiele – und greifen Sie ein
90. Tipp:Klären Sie, wenn jemand nach Hause gehen will
91. Tipp:Lindern Sie Qualen
92. Tipp:Achten Sie auf Rituale
93. Tipp:Lassen Sie Schätze zu
94. Tipp:Tolerieren Sie Selbstbefriedigung
95. Tipp:Begleiten Sie im Sterben
96. Tipp:Lernen Sie die universellen Symbole kennen
7Validation in Beispielen
97. Tipp:Pflegen Sie verständnisvoll
98. Tipp:Üben Sie Toleranz
99. Tipp:Achten Sie auf Wünsche und Bedürfnisse
100. Tipp:Gehen Sie in Kontakt
Schlussbemerkung
Literatur
Register
Für Sarah Messer, meine Nichte. Sie ist ebenso begeistert von der Pflege und Begleitung alter Menschen, wie ich es damals war. Ich bin stolz auf ihre Haltung und ihre Gedanken und freue mich, dass diese Gabe in der Familie weiter wächst. Sehr gerne höre ich ihr zu, wenn sie aus Schule und Praxiseinsatz berichtet.
Vor einiger Zeit stellte ich während eines Seminars fest, dass ich die Validation wesentlich einfacher und schlichter erklärte, als ich es ursprünglich einmal bei Naomi Feil und Vicki de Klerk-Rubin erlernt hatte.
Durch die viele Praxis und die zahlreichen Fallbeispiele, die in unseren Trainings bearbeitet werden, haben wir die Erklärung nahezu unbemerkt vereinfacht.
Aus diesem Grunde bat ich den Verlag, das Buch überarbeiten zu dürfen.
Seit der ersten Auflage hat sich viel verändert. So habe ich unter anderem eine Ausbildung in systemischer Strukturauftstellung gemacht und durfte dabei wieder einmal erleben, wie wesentlich uns die Themen des eigenen Lebens begleiten. Nur wir allein können gewünschte Veränderungen vornehmen. Diese Erkenntnis begleitete mich bei der Überarbeitung dieses Buches.
Wennigsen, im September 2009
Barbara Messer
Nun wieder eine Neuauflage – ein weiteres Überdenken und Schreiben dieses praktischen Buches, das Sie, liebe Leserinnen und Leser, so schätzen gelernt haben.
Die praktischen Pflegejahre liegen hinter mir. Es überwiegen mehr und mehr die Jahre, in denen ich alte und auch verwirrte alte Menschen im normalen Alltag erlebe. Eltern von Freunden und Kolleginnen altern. Dadurch weitet sich mein Blick noch einmal. Ich habe meine Mutter verabschiedet (sie ist vor einigen Jahren gestorben) und auch ich werde älter. Mein Wissen, meine Erfahrung weiten sich.
Und jetzt bekommt dieses Buch seine mittlerweile 4. Auflage. Dies freut mich, denn die nicht versiegende Nachfrage ist ein Hinweis darauf, wie sehr die Menschen nach Lösungen und Bereicherungen für den Kontakt und den Austausch mit Menschen suchen, die nicht immer orientiert sind oder an einer demenziellen Symptomatik leiden.
Es gilt, mit diesen 100 Tipps die Validation, wie ich sie einmal vor vielen Jahren von Naomi Feil und ihrer Tochter Vicki de Klerk-Rubin gelernt habe, weiter in die Welt zu tragen. Nur hat sich bei diesem »weiter in die Welt tragen« die Validation etwas verändert. Das ist für mich durchaus stimmig. Denn auf jeder dieser Seiten ist die Anerkennung für das Lebenswerk von Naomi Feil nachzuvollziehen. In meinen Augen hat sie einen grandiosen Meilenstein in der Pflege von alten, desorientierten Menschen gesetzt. Mit ihrem Modell, ihrer Validation hat sie die Pflege enorm verbessert. Sie hat vielen, vielen Menschen deutliches und hilfreiches Rüstzeug an die Hand gegeben, Menschen mit tiefer Empathie zu begleiten und für deren Wohlbefinden positiv mit zu beeinflussen. Sie hat nach meinem Verständnis mit ihrem Konzept der Validation einen Paradigmenwechsel eingeläutet.
Nach wie vor ist der Begriff »Validation« immer im Zusammenhang mit der Begründerin Naomi Feil zu betrachten. Sie und ihre Tochter sowie ein internationales Netzwerk an Validationsexperten achten darauf, dass die »Validation nach Feil« auch die Validation nach Feil bleibt. Diese Sorgfalt und Professionalität möchte ich sehr achten, auch mit diesem Buch.
Dennoch schreibe ich nicht mehr ausschließlich nach dem Verständnis nach Feil. Ich erlaube mir, nach meiner eigenen Erfahrung zu schreiben, andere Denkhaltungen und Erfahrungen einfließen zu lassen. Es wirkt nicht nur die »Methode«, sondern auch der Mensch, der sie anwendet. Zumindest gilt diese Erkenntnis in der Pädagogik.
Jeder und jedem, der eine Ausbildung in Validation nach Feil absolvieren möchte, sei die Ausbildung über die Ausbildungsstätten der o. g. Association empfohlen.
Ich möchte Ihnen dagegen die Gedanken der Validation sehr alltagsnah und praxisbezogen darstellen. Deshalb habe ich dieses Buch vor Jahren geschrieben. Deshalb arbeite ich noch einmal an einer Neuauflage.
Auch der systemische Ansatz, der mir wichtiger denn je geworden ist, blitzt zwischen den Zeilen durch.
Virginia Satir, die Grand Dame der Familientherapie sagt es deutlich, worum es mir in der Validation geht: »Ich glaube, das größte Geschenk, das ich von jemandem bekommen kann, ist, dass er mich sieht, mir zuhört, mich versteht und mich berührt. Das größte Geschenk, das ich einem anderen Menschen machen kann, ist, ihn zu sehen, ihm zuzuhören, ihn zu verstehen und ihn zu berühren. Wenn das gelingt, habe ich das Gefühl, dass wir uns wirklich begegnet sind.«
Wer validiert, verlässt den Pfad der Pflege, in der oft gedacht wird, dass Pflegende die Gebenden und Klienten die Nehmenden sind. Bei der systemischen Validation findet eine Begegnung von Mensch zu Mensch statt. Oft genug ist die Pflegekraft, die beschenkt wird. In diesem Sinne lade ich Sie herzlich ein, sich von den Möglichkeiten der systemischen Validation inspirieren zu lassen.
Berlin, im August 2016
Barbara Messer
»In den alten Kulturen hatte jeder seine eigene Aufgabe, die ihm selbst Sinn und Bedeutung gab. So erhielt der Älteste des Stammes, wenn er zu alt und zu gebrechlich war, um noch andere Arbeiten zu verrichten, die verantwortungsvollste Aufgabe, nämlich jeden Morgen vor Sonnenaufgang die Sonne mit seinem Gesang und seiner Trommel zu veranlassen, auch tatsächlich aufzugehen. Ohne sein Ritual würde die Sonne verborgen bleiben und damit würde die Welt auch nicht weiter bestehen können …«
Diese Geschichte hörte ich 2002 von Dr. Henning Alberts, der sie wiederum von einem ihm bekannten Schamanen hatte, der sie von einem indianischen Freund aus dem Mittleren Westen der USA hörte, dessen Großvater dieses Ritual noch vollzogen hatte. So ist das eben bei der mündlichen Tradition. Ein bisschen stille Post.
Es ist aber eine Geschichte, die so ganz gegensätzlich ist zu dem, was ich vor meiner Begegnung mit der Validation in der Altenpflege erlebte.
Es ist eine Geschichte, die den alten Menschen in einen ganz anderen Rahmen setzt, als wir ihm gemeinhin in unserer Gesellschaft zubilligen. Diese Geschichte erzählt von der Achtung vor dem Alter, von der Bedeutung der Rolle und der Kompetenz alter Menschen.
Validation, für manche fast ein »Unwort«, passt in diesen Rahmen hinein. Für mich definiere ich Validation als Anerkennung dessen, was ist. »Ein Mensch kann vier Wochen lang ohne Nahrung überleben. Aber er verkümmert sofort, wenn er nicht täglich eine Dosis Aufmerksamkeit erhält.«1 Um diese Aufmerksamkeit geht es in der Validation und in diesem Buch. Menschen, vor allem Helferinnen und Pflegende, die mit Validation arbeiten, versuchen nicht, einen alten Menschen, der in seiner Orientierung eingeschränkt ist, zu ändern. Sie lassen ihn einfach so, wie er ist, und finden einen Weg, mit ihm in einen echten Kontakt zu kommen! Das ist ihr Können!
Hinweis
Wenn ich das Wort Validation verwende, dann im Sinne der Validation nach Feil, ergänzt durch mein Verständnis des systemischen Denkens. Deshalb finden Sie auch ab und an den Begriff der »systemischen Validation«.
Validieren ist keine Arbeit, keine Methode im eigentlichen Sinne. Es ist vielmehr eine Grundhaltung, die spürbar beim anderen ankommt; eine Haltung der liebevollen und fokussierten Aufmerksamkeit, geprägt von tiefer Empathie und Toleranz, aber auch von bewusst eingesetzten Interventionen und Formen der Kommunikation.
Dieses Buch ist als ein kleiner Alltagsratgeber gedacht, der Sie in ihrem beruflichen Alltag inspirieren und begleiten soll. Für mich begann die Validation 1994, als ich zum ersten Mal Naomi Feil kennen lernte und tief berührt war von ihrer ganzen Art und ihrer großen Fähigkeit, Echtheit in Begegnungen zu leben.
Was Validation tun kann, möchte ich Ihnen an einem kurzen Beispiel erklären:
Berlin-Charlottenburg (für die Nichtberliner/innen: ein recht vornehmer Stadtteil von Berlin), Karfreitag: Eine 84-jährige Dame im Pflegeheim ruft uns Pflegekräfte laut und dringend herbei. Sie erzählt uns, dass sie nun ein Baby bekäme und die Geburt nunmehr kurz bevorstünde.
Wir Pflegekräfte sind vorerst verwirrt, entscheiden uns dann, einen Arzt zu rufen. Wir haben Glück, es kommt eine verständnisvolle Ärztin vom ärztlichen Notdienst.
Sie spricht allein mit der alten Dame und berichtet uns anschließend, dass die Bewohnerin seit ein paar Tagen nicht mehr abgeführt habe und sich nun im Bauchraum »voll« anfühle.
Erst nach Ostern ermöglicht mir die alte Frau ein Gespräch. Ich bin in ihrem Zimmer und räume nach der morgendlichen Körperpflege noch ein wenig auf, als sie auf einmal meine Hand fasst und zu erzählen beginnt: »Als ich 17 Jahre alt war, da gab es einen jungen Mann. Meine Eltern wussten nichts davon, auch nicht, dass ich schwanger wurde. Keinem konnte ich es erzählen, das tat man damals nicht. Mit der Schwangerschaft gab es Komplikationen, es war eine Eileiterschwangerschaft. Ich vertraute mich einem Krankenhaus an, danach konnte ich nie wieder schwanger werden.«
Ich sehe sie an, ihre Augen sind voller Tränen, sie atmet hastig und erzählt weiter: »Als mein damaliger Freund davon erfuhr, ließ er mich sitzen. Ich habe ihn schmerzlich vermisst und noch oft an damals gedacht. Auch als ich Jahre später verheiratet war. Meine Eltern haben es nie erfahren.«
Mittlerweile haben wir uns hingesetzt, mir sind die Beine schwer geworden, denn ich bin im sechsten Monat schwanger. Was bleibt uns anderes übrig, als gemeinsam zu weinen. Über ihr verlorenes Kind, die ersehnten und nie geborenen Kinder, die Scham, die womöglich erfahrene oder erinnerte Demütigung bei der Operation, den schmerzhaften Verlust, die vermisste Liebe, die fehlende Geborgenheit der Eltern.
Dieses Miteinander-Sitzen und -Weinen ist bereits Validation, ohne dass ich als Pflegende etwas Besonderes tue. Meine Aufgabe besteht schlicht und einfach darin, mich für den Schmerz und ihr Thema oder auch Anliegen zu öffnen. Ich spreche hier von einem Mitfühlen, ohne mitzuleiden. Dies geschieht nahezu automatisch, wenn ich eine professionelle empathische Grundhaltung einnehme.
In der Auseinsetzung mit dieser besonderen Haltung der systemischen Validation ist es auch von besonderer Bedeutung, nicht mehr zu werten. Eine Wertung, die uns Menschen doch recht zu eigen ist, unterteilt schnell in Aspekte wie gut oder schlecht, »Das tut man nicht!«, etc. Wir urteilen, vielleicht sogar um uns zu distanzieren und nicht zu sehr einlassen zu müssen. Stattdessen sollten wir in unserem Alltag, in der Pflege von Menschen und in unserem eigenen Leben, sensibel und achtsam sein. Ich weiß, der Begriff der Achtsamkeit beginnt derzeit gerade »auszuleiern«, inflationär zu werden. Für mich steht Achtsamkeit für: Wir sind sensibel, haben feine Antennen, wissen, was wir fühlen, was uns beschäftigt, was wir ausstrahlen; kurzum: Wir sind uns unserer selbst bewusst (soweit das überhaupt geht) und sind so auch gut für Andere. In diesem Falle für die alten Menschen, die manchmal verwirrt oder orientierungslos sind. Denn dann fällt uns die Annahme und Akzeptanz der Lebenswelt des Anderen, das Validieren, leicht.
Sind wir selber innerlich blockiert oder einfach mal schlechter Laune, kann es gut sein, dass wir die Bedürfnisse des Gegenübers, des alten Menschen, nicht spüren können oder wollen. Dann führt selbst eine gut ausgeführte klassische Validationstechnik nicht zum erwünschten Erfolg. Es fehlt das Gespür und die rechte innere Haltung. Wir sind dann mit uns selbst beschäftigt.
So ist es auch mit Humor. Zum Teil löst ein Lachen, ein auf den ersten Blick albern anmutendes Winken eines Patienten oder einer Bewohnerin, Verwirrung bei dem einen oder anderen Pflegenden aus. Mit einer entsprechenden inneren Haltung baut es aber eine Brücke zwischen zwei Menschen und genau darum geht es bei der Validation: Brücken bauen von Menschen zu Mensch.
Lassen Sie mich einige Aussagen zur Validation exemplarisch vorstellen, um Ihnen verschiedene Aspekte dieser Art zu arbeiten deutlich zu machen:
1. Validation ist eine Methode aus der Sozialen Arbeit
»Die Validation ist eine Methode aus der Sozialen Arbeit, mit alten, an einer Demenz erkrankten Menschen zu kommunizieren.«2 Auf der sehr aussagekräftigen Internetseite der European Validation Association heißt es weiter: »Validation bedeutet: Glauben schenken, anerkennen. Es ist eine Methode, die von Naomi Feil entwickelt worden ist und die Er-Lebensqualität von nicht-orientierten Menschen verbessern möchte.«
Eine weitere Definition, die mir sehr gut gefällt, besagt: »Validation – eine Methode, sich in die Realität Dementierender hineinzudenken und deren momentane Befindlichkeit zu akzeptieren.«3 Wobei ich den Begriff »Dementierender« nicht schätze. Nach wie vor plädiere ich für eine Bezeichnung wie »Der alte Mensch mit Demenz«. Es ist in erster Linie ein Mensch, in zweiter Linie ist er vielleicht nicht mehr orientiert.
2. Validation ist eine Methode der Kommunikation
»Validation ist eine Methode, um mit desorientierten, sehr alten Menschen zu kommunizieren. Diese Technik hilft Streß abzubauen und ermöglicht diesem Personenkreis, Würde und Glück wiederzuerlangen. Validation basiert auf einem empathischen Ansatz und einer ganzheitlichen Erfassung des Individuums. Indem man »in die Schuhe« eines anderen Menschen schlüpft und »mit seinen Augen sieht«, kann man in die Welt der sehr alten, desorientierten Menschen vordringen und die Gründe für ihr manchmal seltsames Verhalten enträtseln.«4
3. Validation erzeugt Verständnis
»Die Validations-Theorie hilft uns zu verstehen, daß viele sehr alte, desorientierte Menschen mit der Diagnose Demenz vom Typus Alzheimer sich im Endstadium ihres Lebens befinden und danach streben, unerledigte Aufgaben aufzuarbeiten, um in Frieden zu sterben. Diese letzten Anstrengungen sind von wesentlicher Bedeutung und wir Validations-Anwender können sie dabei unterstützen. Mittels der Validations-Techniken bieten wir ihnen die Möglichkeit, sich verbal oder nonverbal auszudrücken. Validations-Anwender sind fürsorglich, sie urteilen nicht und stehen den geäußerten Gefühlen offen gegenüber. Wenn Ältere, desorientierte Menschen Gefühle ausdrücken können, die sie oft jahrelang unterdrückt hatten, nimmt die Intensität dieser Gefühle ab, sie kommunizieren besser und werden weniger häufig in ein fortgeschrittenes Stadium der Desorientierung abgleiten.«5
4. Die integrative Validation nach Richard® (IVA)
Die Gerontologin Nicole Richard entwickelte einen eigenen Ansatz, die integrative Validation. Dabei geht sie nicht von der Theorie der unerledigten Aufgaben aus, sondern akzeptiert viel eher das Verhalten.
Auf der Internetseite www.integrative-validation.de findet sich die folgende Erklärung: »Die Integrative Validation nach Richard® ist eine ressourcenorientierte Methode für den Umgang und die Kommunikation mit Menschen mit Demenz, die als Basis und Haltungsbeschreibung für die im Wohnbereich, in Gruppenräumen, bei der Begleitung und Pflege stattfindenden Kontakte zu verstehen ist.
Die Integrative Validation nach Richard® (IVA) geht in der Begleitung von Menschen mit Demenz von den zugrundeliegenden hirnorganischen Abbauprozessen und den damit in Verbindung stehenden Verlusten und Einbußen aus.«6
Auch wenn ich bei Naomi Feil und ihrer Tochter gelernt habe, so gefallen mir auch die Gedanken und Ansätze von Nicole Richard. Meines Erachtens geht es darum, für sich als professionell Pflegende die geeigneten Tools, Haltungen, Gedanken und Möglichkeiten zu finden, die die eigene Kompetenz erweitern. In diesem Sinne ist dieses Buch kein Anti-Nicole-Richard-Buch.
5. Validation – der systemische Ansatz
Für mich bedeutet Validation, der Welt, in der mein Gegenüber gerade lebt, Glauben zu schenken und die Situation als wichtig und wesentlich zu erachten. Wie viel ich von einer Situation verstehe, ist dabei nicht immer wichtig. Es ist wichtig, was funktioniert!
Mein Verständnis der Validation, aus einer systemischen Haltung heraus agierend, lautet so:
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