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Welcher Airport ist der gefährlichste? Warum darf auch der Kapitän kein Messer mit an Bord nehmen? Warum verschwindet immer wieder Gepäck? Diesen und vielen anderen Fragen geht der ehemalige Fluglotse Andreas Fecker nach und überrascht mit Rekorden, Superlativen, mit Extremen und Kuriositäten, aber auch allen wichtigen grundlegenden Fakten dazu, wie ein Flughafen funktioniert. Informativ und unterhaltsam erlebt jeder Luftfahrtfan 101 Aha-Erlebnisse.
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Seitenzahl: 157
Andreas Fecker
die man über
Flughäfen
wissen muss
Vorwort
1Nautische Traditionen | Knoten, Meilen und andere Seefahrerbegriffe
2Gelände | Die Suche nach einem geeigneten Ort
3Klassifizierung der Flugplätze | Flughäfen, Flugplätze, Landeplätze
4Merkmale | Die Komplexität eines Airports
5Mega Airports | Das Wirtschaftssystem eines Großflughafens
6Drehkreuz | Airports im Verbund
7Zubringerflüge | Zubringer per Flug oder Schiene?
8Bevölkerungsmagnet Flughafen | Flughäfen generieren Wachstum
9Stadtflucht | Jobmotor Flughafen
10Fluglärm | Geräuschlos fliegen ist nicht möglich
11Wasserwirtschaft | Eingriffe in den Wasserhaushalt
12Abfallwirtschaft | Eigene Müllkonzepte
13Recycling-Management | Abfälle sind Rohstoffe
14Klimatechnik | Nicht sichtbar, aber durchaus spürbar
15Brandschutz | Im Notfall überlebenswichtig
16Freiflächen | Ohne Rodung und Landschaftspflege geht es nicht
17Bauschutz | Kontrolliert bauen
18Kalibrierfläche | Analog, digital und geomagnetisch
19Apron | Gewimmel von der Landung bis zum Start
20Runways | Höhe, Anzahl und Längen eines Pistensystems geben den Ausschlag
21Start- und Landebahn | Mehr als nur eine Betonfläche
22Schwelle | Die Elemente einer Flughafenpiste
23Asphalt und Beton | Eigenschaften der Piste
24Overrun | Wichtig zur Sicherheit
25Taxiway | Im Labyrinth zwischen Terminal und Piste
26High Speed Turnoff | Nichts wie runter von der Piste!
27Waschplatz | Stets unterschätzt: ein sauberes Flugzeug
28Beschilderung | Schilderwald in Grasnabenhöhe
29Grünflächen | Wichtig fürs Mikroklima
30Flughafenbefeuerung | Die Lightshow am Airport
31Management | Wer macht was?
32Steering Comittees | Mängel und Verbesserungen
33Flugsicherung | Manager der dritten Dimension
34Slots | Vorsortierung der kontinentalen Luftstraßen
35Luftraum | Ein staatenübergreifendes Kontinuum
36Anflugverfahren | Sicherheit aus dreidimensionalen Trapezen
37Abflugverfahren | So wenig Lärm wie möglich
38Fluglotsen | Nur sichtbar, wenn sie gerade streiken
39Tower | Stress pur. Manchmal.
40Vorfeldkontrolle | Planung und Überblick
41ILS & Co. | Unverzichtbar bei schlechtem Wetter
42Winterbetrieb | Eis und Schnee, der tägliche Kraftakt im Winter
43Flächenenteisung | Glatteis auf der Piste geht gar nicht
44Enteisung von Flugzeugen | Lebenswichtig!
45Aerodynamische Sauberkeit | Eis und Schnee verändern die Aerodynamik
46Hallen und Werften | Schutz vor Wind, Niederschlag, Sonne und Kälte
47Fracht und Cargo | Das zweite Standbein der Airlines
48Catering | Mehr als die Speisung der Passagiere
49Frischezentrum | Deutschlands größter Fischereihafen
50Kerosinfarm | Tanklager, Pipelines und Pumpstationen
51Energieversorgung | Strom, Wärme und Kälte
52Notstrom | Dem Blackout keine Chance
53Ground Handling | Fliegen beginnt am Boden
54Fuhrpark | Räder statt Flügel
55Flugzeugschlepper | Kraftprotze mit 700 PS
56Follow Me | Checkerboard von Volkswagen bis Lamborghini
57Flughafenfeuerwehr | Nicht nur wenn’s brennt
58Übung | Der Ernstfall verzeiht keine Fehler
59Crash | Reaktion in Sekundenschnelle
60Notfall | Triage – Rot-Gelb-Grün
61Passage | Schnittstelle zwischen Airline und Airport
62City Side – Air Side | Ab hier wird es ernst
63Autobahnanschluss | Verkehrspolitik im Alltag
64ÖPNV | Verzicht auf Privatverkehr
65Fernverkehr | Zubringer auf der Schiene
66Autovermietung | Wenn Flexibilität gewünscht wird
67Taxi! | Der schnelle Weg zum Hotel
68Parken am Flughafen | Die Gelddruckmaschine
69Kiss & Fly | Verständnis für den Herzschmerz
70Reisemarkt | Hier werden Reisen verscherbelt
71Reisebank | Letzte Chance zum Geldumtausch
72Terminal | Beginn und Ende einer Flugreise
73Anzeigetafel | Digitales Fernweh
74Einzelhandel | Shoppen statt Einkaufen
75Schlafen im Flughafen | Bequem geht anders
76Airport Hotels | Praktischer geht’s nicht
77Check-in | Digital ist Trumpf
78Gepäck | Abschied vom Koffer
79Gepäckcontainer | Rationelle Verladung
80Ankunftsgepäck | Geordnet nach Beförderungsklassen
81Umsteigergepäck | Diktat der Minimum Connecting Time
82Frühgepäck | Stundenlang im Kreis
83Originäres Abfluggepäck | Beginn eines komplizierten Prozesses
84Unterirdisches Schienensystem | Unsichtbar bis zur Verladung
85Gepäcksicherheit | Sprengstoff und Drogen haben keine Chance
86Lost and Found | Jacke oder Hut vergessen?
87Andachtsraum | Zeit zur Einkehr
88Gate Management | Wer parkt wo?
89Flughafensicherheit | Dem Terror keine Chance
90Bundespolizei | Allgegenwärtige Sicherheit
91Zoll | Kontrolle von Ein- und Ausreise
92Artenschutz | Neozoen und Neophyten
93Passkontrolle | Auch zur eigenen Sicherheit
94Gesichtserkennung | Posenunabhängige Biometrie
95Schengen | Freier Personenverkehr
96Security | Durchleuchten, röntgen, filzen
97Fahrsteige | Entspannung auf dem Weg zum Flugzeug
98Lounges | Oasen der Ruhe
99Fluggastbrücken | Der kurze Weg zum Flugzeug
100Anatomie der Flughäfen | Im Grunde sind sie alle gleich
101Zukunft der Flughäfen | Feudal oder spartanisch
Über den Autor
Bildnachweis
Impressum
Der O’Hare Airport in Chicago gilt als einer der größten Mega Airports der Welt. Mit vier Terminals und acht Pisten ist er alles andere als übersichtlich.
Raucherlounge am Flughafen in Dresden Klotzsche. In diesem geschmackvollen Ambiente wird beides vereint: Man fühlt sich im Freien, muss aber den Flughafen nicht verlassen. Die Fototapete zeigt den Hangar 25 des Bob-Hope-Airport von Burbank bei Los Angeles.
Die Piste des Aeropuerto Juana Azurduy de Padilla in Sucre ist eine Herausforderung für Mensch und Maschine, besonders an heißen Tagen. Auf 2900 Metern Höhe gelegen, 2835 Meter lang, 30 Meter breit, keine Befeuerung, keine Landehilfen. Nach dem Aufsetzen des Fahrwerks bringen manche Piloten ihre Maschinen trotz Umkehrschub erst mit rot glühenden Bremsen auf der abschüssigen Bahn zum Stehen. Dahinter geht’s abwärts in einen Graben. Beim Start wiederum liegen oft nur 50 Meter zwischen dem Rumpf und dem hügeligen Terrain jenseits der Piste. Im Pilotenjargon spricht man da vom »Schließmuskelfaktor 10«.
Wenn ich in meiner Zeit als Fluglotse einer Besuchergruppe unseren Job erklären musste, verwendete ich ein Beispiel, das jedem geläufig war: Wichtige Städte sind durch Schienen miteinander verbunden, die meist zweigleisig und ebenerdig über Land verlaufen. Vor den großen Bahnhöfen verzweigen sie sich über Weichen zu Gleisharfen, damit die Züge unterschiedliche Bahnsteige anfahren können.
Im Luftverkehr sind ebenfalls wichtige Städte miteinander verbunden. Sie laufen aus allen Himmelsrichtungen auf den Flughafen zu, wo sie sich allerdings nicht verzweigen, sondern auf einen Punkt vereinen, den Aufsetzpunkt auf der Landebahn. Es gibt noch einen Unterschied: Alles verläuft dreidimensional. Und drei- bis fünfmal so schnell. Damit das reibungslos funktioniert, ist die vierte Dimension ein wichtiger Faktor: die Zeit. Und wenn ein Zug ein Problem hat, kann er notfalls auf offener Strecke anhalten und um Unterstützung rufen. Auch das geht in der Fliegerei nicht.
Um Passagiere, Flugzeuge, Betankung, Gepäck, den Anschluss an das Straßensystem, den öffentlichen Nah- und Fernverkehr, Übernachtung und Verpflegung, Ein- und Ausreise von Millionen Menschen im Jahr sicherzustellen, um deren Gesundheit und Sicherheit zu gewährleisten, braucht es planerische Weitsicht und eine perfekte Organisation. Vieles davon läuft für den Reisenden unsichtbar im Hintergrund. Um dies mehr ins Licht zu rücken, gibt es dieses Buch.
Andreas Fecker
Immer wieder stößt man in der Fliegerei auf nautische Begriffe: Back- und steuerbord, Werft, Ballast, Beplankung, Bordküche, Bug, Deck, Fuß, Heck, Kabine, Kapitän, Knoten, Kompass, Luke, nautische Meilen, Offiziere, Ruder, Schott, Steward, Trimmung sind Begriffe, die sogar in der deutschen Übersetzung noch einen Bezug zur Seefahrt haben. Allein das Wort Navigation kommt vom lateinischen Wort navis für Schiff. Treibstoff wird noch immer gebunkert, die Besatzungen tragen Ärmelstreifen wie in der Seefahrt. Sogar die Orte, an denen man startet und landet, heißen Flug-HÄFEN! Das Flugzeug verlässt man über eine Brücke oder eine Gangway. Ja, in der englischen Sprache ist das noch viel signifikanter: abeam, aft, beacon, bearing, bulkhead, crew, cruise, drift, galley, hull, keel, log, purser, roll, pitch and yaw, wake. Wie kommt das?
Offenbar liegt es an den Ursprüngen der Fliegerei. Luft-SCHIFFE wurden zunehmend zu einem wichtigen Transportmittel. Die Navigation folgte nicht mehr Straßen, sondern Längen- und Breitengraden. Nachts wurde mithilfe der Sterne navigiert. Der Sextant spielte auch im Flugverkehr eine wichtige Rolle. Als sich parallel dazu die Motorfliegerei entwickelte, wurden alle diese Standards auch in den Pilotenkanzeln übernommen. Leuchttürmen gleich wurden nachts für den Luftpostverkehr in bestimmten Abständen Navigations- oder Leuchtfeuer entzündet. Heute heißen sie Funkfeuer.
Leuchtfeuer aus dem Jahr 1939. Drei dieser Hochleistungsstrahler wiesen einst den Piloten den Flugweg zum Leipziger Flughafen. Die Scheinwerfer waren hydraulisch in der Erde versenkbar. Als dieses Exemplar fünfzig Jahre später geortet und ausgegraben wurde, funktionierte die Hydraulik noch immer!
Der Franz-Josef-Strauß-Flughafen weit vor den Toren der Stadt München ist ein Beispiel, wie man mit viel Aufwand der Natur einen Flughafen abgerungen hat, ohne sie zu schädigen.
Lange bevor die erste Planung eines neuen Flughafens erfolgen kann, beginnt die Suche nach einem geeigneten Gelände. Gehen wir davon aus, dass festgestellt wurde, ob überhaupt ein Bedarf vorhanden ist. Welches Passagieraufkommen kann erwartet werden? Wie groß ist das Einzugsgebiet? Welche Flächen stehen zur Verfügung, die weit genug von einem Ballungsraum entfernt sind, aber nah genug liegen, um überhaupt angenommen zu werden? Gibt es Naturschutz-, Naherholungsgebiete oder Nationalparks in der Nähe? Welchen Platz werden die Bewegungsflächen einnehmen, wie lang müssen die Pisten sein?
Dann werden Bodenproben entnommen. Die Wetterdaten aus den vergangenen Jahren überprüft. Wie sind die vorherrschenden Windrichtungen? Das Gelände wird auf Umweltverträglichkeit geprüft (Frösche, Juchtenkäfer und Mopsfledermäuse lassen grüßen). Tritt regelmäßig Nebel auf? Mit welchen Widerständen muss man rechnen? Gibt es Risiken in den An- und Abflugsektoren, wie Kernkraftwerke, Chemiewerke, aber auch Müllkippen, die verlegt werden müssen, weil sie bevorzugtes Habitat von Vögeln sind? Die wiederum könnten ein erhöhtes Vogelschlagrisiko darstellen. Wie ist die Verkehrsinfrastruktur mit Bahn, Auto und ÖPNV?
Flugplatz ist ein Oberbegriff für einen Ort, an dem Luftfahrzeuge starten und/oder landen können. Er kann zu Wasser und zu Land angelegt sein. In Deutschland unterscheidet die Luftverkehrszulassungsordnung nach Flughäfen (Verkehrsflughäfen, Sonderflughäfen), Landeplätze (Verkehrs- und Sonderlandeplätze) und Segelfluggelände.
In Österreich fasst man darunter Flughäfen und Flugfelder zusammen. In der Schweiz unterscheidet man zwischen Landesflughäfen, Regionalflugplätzen, zivil mitgenutzten Militärflugplätzen, Flugfeldern, Segelflugfeldern, Wasserflugplätzen, Heliports und Winterheliports.
• Flughäfen dienen dem internationalen oder regionalen Passagier- und Frachtverkehr und besitzen im Allgemeinen die dafür notwendige Infrastruktur. Bei entsprechendem Verkehrsaufkommen ist der Luftraum um sie herum geschützt und wird durch die Flugsicherung kontrolliert. Bauvorhaben im Flughafenbereich unterliegen besonderen Auflagen und bedürfen einer luftrechtlichen Genehmigung (s. a. Freiflächen, Bauschutz).
• Verkehrslandeplätze dienen der Allgemeinen Luftfahrt (General Aviation). Sie unterliegen einer Betriebspflicht zu den im Luftfahrthandbuch veröffentlichten Zeiten.
• Segelfluggelände dürfen nur von Segelflugzeugen genutzt werden. Motorflugzeuge bedürfen dort einer Ausnahmegenehmigung (zum Beispiel zum Schleppen von Segelflugzeugen).
• Militärflugplätze sind in Deutschland, Österreich und der Schweiz grundsätzlich den Luftstreitkräften vorbehalten. In Einzelfällen werden sie zivil mitgenutzt (z. B. Rostock-Laage).
Der Konstanzer Flugplatz mag unscheinbar sein, aber er ist der älteste Verkehrslandeplatz Deutschlands, denn er wurde am 5. Januar 1910 trotz des Hohngelächters Konstanzer Bürger gegründet. Kein Geringerer als Graf Zeppelin unterstützte die Gründer mit 3000 Goldmark.
Flughäfen sind weitläufige, hochkomplexe Anlagen. Sie funktionieren meist derart reibungslos, dass der Passagier nichts davon mitbekommt, was hinter den Kulissen abläuft, während er am Schalter eincheckt und sich zum Flugsteig begibt. Es sind Städte ohne Einwohner, in denen zigtausend Menschen Arbeit finden, es sind pulsierende Lebensquellen, oft 24 Stunden am Tag geöffnet. Flughäfen und deren Wachstum sind aber auch Zankäpfel, Reizthemen und Gegenstand von Anwohnerprotesten, besonders in Ballungszentren, obwohl genau diese Städte, die Wirtschaftsstandorte, ganze Regionen und Staaten auf sie angewiesen sind.
Ohne Frage sind Flughäfen auch ökologische Faktoren. Allein der Frankfurter Flughafen hat eine Fläche von ca. 23 Quadratkilometern, davon entfallen auf die versiegelten Betriebsflächen etwa 18 Quadratkilometer. München beansprucht 16 Quadratkilometer Gesamtfläche. Ein Großteil dieser Flächen wird natürlich von dem Pistensystem eingenommen. Strategisch klug wird man außerdem Terminals anlegen, Bahnhöfe, Bussteige, Bankschalter, Parkhäuser, Flugzeughallen, Feuerwachen, Kerosinfarmen und Tankstellen, Flugsicherung, Navigationsanlagen, Werkstätten, Polizeiwache, Zollgebäude, Krankenstation, Catering, Betriebsgebäude, Garagen und Unterstände für die vielen Fahrzeuge, Gepäckhallen, Lagerhallen, Großküchen und Kantinen, Bürogebäude, Simulatoren, Lounges und Hotels, vieles davon auf mehreren Ebenen bis tief in den Untergrund.
Der Flughafen Frankfurt ist nicht nur der wichtigste Airport in Deutschland, er rangiert auch unter den Top Ten der Welt.
Der Titel Mega Airport ist weder geschützt noch definiert. Den muss sich ein Flughafen verdienen. Da kommen viele Komponenten zusammen:
•Zentrale Lage zu einer Hauptstadt oder einem Wirtschaftszentrum
•Erweiterungsfähige Planung am Reißbrett
•Prestigeträchtige Bauten
•Ansiedelung zahlreicher Airlines
•Direktverbindungen in alle Welt
•Flexibles Pistensystem
•Leistungsfähige Flugsicherung
•Großzügige Ausstattung
•Weitläufige Abflug- und Ankunftsbereiche, um auch bei Wetterkatastrophen, Flugausfällen und Streiks keine chaotischen Zustände aufkommen zu lassen
•Mehrere Terminals zur Entflechtung von Passagierströmen
•Leistungsfähiges Gepäcksystem
•Vorbildlicher Verkehrsanschluss an Straßen, Schienen und/oder Schiffsverkehr
•Anschluss an das internationale Pipelinesystem
•Hotels am Flughafen
Auch wenn unser Berliner »Großflughafen« nach 16 Jahren Bauzeit die Hauptstadt der größten Wirtschaftsmacht Europas bedient, spielt dieser Flughafen verglichen mit Amerika oder Asien in der Kreisliga. Aber Deutschland hat ja noch Frankfurt und München, die den anderen Großen der Welt nicht nachstehen. Zum Vergleich: Als Berlin noch mit Entrauchungsanlagen und Brandschutztüren herumgemurkst hatte, wurden in China 43 Flughäfen hochgezogen, in gerade einmal vier Jahren. Darunter der größte Flughafen der Welt: Beijing.
Hartsfield-Jackson Airport war 2019 mit 110 Millionen noch der Flughafen mit dem höchsten jährlichen Passagieraufkommen weltweit. Zwei Terminals, aber sieben Flugsteige, 176 Gates. Vor der Pandemie hatte er fast 1 Mio. Flugbewegungen im Jahr.
Als Mega Airports gelten gemeinhin: Amsterdam, Atlanta, Bangkok Suvarnabhumi, Barcelona, Beijing Daxing, Chengdu, Chicago O’Hare, Dallas/Fort Worth, Delhi, Denver, Dubai, Frankfurt, Guangzhou, Hongkong, Istanbul, Jakarta, Kuala Lumpur, Las Vegas, London Heathrow, Los Angeles, Madrid Barajas, New York JFK, Paris Charles-de-Gaulle, San Francisco, Seattle Seoul Incheon, Shanghai Pudong, Shenzen, Singapur und Tokyo Haneda. All diese Flughäfen hatten 2019 (vor der Pandemie) ein Passagieraufkommen zwischen 51 und 110 Millionen.
Unter dem Eindruck des Klimawandels verändert sich auch die Einstellung zum Flugverkehr. Stieg man früher noch ohne mit der Wimper zu zucken in Berlin ins Flugzeug nach Frankfurt, um von dort den Flieger nach Atlanta zu nehmen, wird man heutzutage die Bahn zumindest in die nähere Betrachtung ziehen.
Der Betrieb eines Drehkreuzes ist die umweltfreundlichste Variante. Ankommende interkontinentale Passagiere werden vom Hub zu ihren individuellen Zielen gebracht. Das Streckennetz ist aufgeräumter, als wenn jede größere Stadt weltweite Verbindungen hat.
Direktverbindungen zwischen Berlin und den USA wurden von der Bevölkerung nur zögerlich angenommen. Auch asiatische Airports wie Beijing, Hongkong oder Singapur wurden schnell wieder eingestellt. Zu nah liegen die Drehkreuze Amsterdam, Warschau, London und natürlich München, Düsseldorf und Frankfurt. Von hier kann man allein in den USA ein Dutzend Drehkreuze erreichen und ist in ein, zwei Stunden an seinem Ziel, und sei es noch so abgelegen.
Natürlich würden die meisten Reisenden gerne an ihrem nächstgelegenen Flughafen in ein Verkehrsmittel einsteigen und möglichst unverzüglich, ohne umzusteigen, an ihren Zielort gelangen. So etwas nennt man eine Point-to-Point-Verbindung. Klar ist aber auch, dass dies nicht geht, weder auf der Schiene, noch in der Luft. Wollte man beispielsweise 100 Städte direkt und nonstop miteinander verbinden, bräuchte man 4950 Direktverbindungen. Hin und zurück sind das 9900 Einzelflüge! Die Anwohner der Flughäfen hätten es dann mit knapp 10 000 Starts und Landungen pro Tag zu tun. Der Luftraum würde zum Bersten gefüllt, es gäbe Staus auf den Flughäfen, der Verkehrsinfarkt wäre imminent. Außerdem wären die meisten Flugzeuge nicht einmal annähernd ausgelastet. Verbindet man hingegen dieselben 100 Städte über ein Drehkreuz, das einem Wagenrad mit Nabe und Speichen ähnelt, sind das 100 Strecken, oder 200 Einzelflüge. Auch wenn man die Umsteigezeit hinzurechnet, ist Zeit gespart, weil der gesamte Flugbetrieb am Boden und in der Luft geordnet abläuft. Gleichwohl stehen besonders die fluglärmempfindlichen Anwohner der Drehkreuz-Funktion ihres Flughafens kritisch gegenüber.
Das oft genannte Argument, dass Flughäfen ja auch Umsätze generieren, Übernachtungen, Verzehr, Steuern, primäre und sekundäre Arbeitsplätze etc., käme bei Umsteigern nicht zum Tragen, die nichts am Ort ließen außer ihr »Pipi«. Dem Lärm aber seien die Anwohner ausgesetzt. Ohne die Umsteiger könne man kleinere und leisere Flugzeuge einsetzen, die nicht so oft starten und landen würden. Da aber die Städteverbindungen ohnehin bestehen, ist es nur vernünftig, die Flugzeuge auch zu füllen. »Umsteigen verboten« macht keinen Sinn.
Inlandsflüge stehen auf der Roten Liste von Umweltschützern, Klima-Aktivisten und Fridays for Future. Zusammengefasst sollten nach deren Vorstellungen alle Strecken unter 400 Kilometer mit der Bahn zurückgelegt werden. Gut fürs Klima. Gut fürs Umweltgewissen. Aber es gibt damit ein Problem: Plane ich, eine Reise mit der Bahn anzutreten, und die Lokführer streiken, verpasse ich womöglich meinen Flug. Für einen Ersatz zu einem späteren Zeitpunkt ist die Airline nicht verpflichtet. Habe ich einen Zubringerflug bei derselben Airline gebucht und der Flug wird bestreikt, kommt die Airline für die Kosten auf, bringt mich zur Not in einem Flughafenhotel unter und fliegt mich am nächsten Tag zu meinem Ziel. Mehrere Flüge bilden rechtlich immer dann einen Gesamtflug, wenn alle Flüge bei derselben Airline gebucht werden und es keine erhebliche zeitliche Zäsur zwischen den Teilflügen gibt.
Von welchem Gate geht mein Anschlussflug ab? Übersichtlichkeit bringt Ruhe ins Umsteigen. Je zahlreicher die Informationspunkte, desto besser.
Das Verkehrsministerium hat dieses Problem erkannt und unterstützt Airlines, Bahn und Fernbusunternehmen bei der Intermodalität und Vernetzung dieser Verkehrsmittel.
Der alte Flughafen »München Riem« war in den 1970er-Jahren zu klein geworden, die Stadt hatte sich gleichzeitig bis in die Nähe des Flughafenzaunes ausgedehnt. Also beschloss man, einen neuen Airport zu bauen, weit draußen vor den Toren der Stadt im Landkreis Freising. Ein paar Kilometer weiter gab es eine kleine ländliche Gemeinde namens Hallbergmoos, deren Bevölkerung schon seit 1950 nie mehr als 2600 Einwohner hatte. Man einigte sich mit den Bauern über das Gelände und begann mit der Erschließung.
Durch den Bau und den Betrieb des Flughafens ab 1992 entstanden natürlich neue Jobs, die entweder direkt oder indirekt mit dem Flughafen zusammenhingen. Der Einfachheit halber zog man nach Hallbergmoos, baute dort sein Häuschen oder bezog eine Wohnung. Mittlerweile hat sich die Bevölkerung in wenigen Jahren mehr als vervierfacht. Aus der einst bäuerlich geprägten Gemeinde wurde eine moderne internationale Wohngemeinde mit rund 1400 Unternehmen mit 11 000 Arbeitsplätzen. 30 Jahre nach der Eröffnung des Flughafens leben dort rund 11 000 Einwohner aus 70 Nationen in der Gemeinde und jedes Jahr kommen weitere dazu.
Man konnte aber darauf warten wie auf das Amen in der Kirche, denn dieselbe Geschichte wiederholt sich, solange es Flughäfen gibt: Die Menschen, die vom Flugverkehr leben, die wegen des günstigeren Baulandes, der Wirtschaftsförderung und der kürzeren Fahrtzeiten zum Arbeitsplatz in seine Nähe ziehen, wehren sich irgendwann gegen den damit verbundenen Fluglärm. Zum Nachtflugverbot werden weitere Auflagen erstritten. Überall, nicht nur in München.
Die Siedlung Hallbergmoos wuchs mit dem Bau des Flughafens München zu einem stattlichen Gemeinwesen mit 11 000 Einwohnern.