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Genug vom allzu 'modernen' Fußball? Keine Lust mehr auf Plastik-Clubs, fremde Investoren und fehlende Stimmung auf den Rängen? Sehnsucht nach wahrem Fußball, mit echten Fans, Tradition und völliger Identifikation? Gestatten, Galatasaray. Hier findet der Fußballliebhaber all das, was zu einem echten Verein gehört. Lange Tradition, Selbstbestimmung (ungeschriebenes Gesetz, dass der Präsident das vereinseigene Gymnasium besucht haben muss), eine waschechte Rivalität (kein Derby der Welt ist heißer als Galatasaray vs. Fenerbahçe). Und dann die Fans. 'Welcome to hell!' heißt es bei jedem Heimspiel, und das Motto ist Programm. Und das nicht nur auf den Rängen, denn mit totalem Pressingfußball bis zum Umfallen führte Fatih Terim die 'Löwen' im Jahre 2000 zum Triumph im UEFA-Cup, dem größten Erfolg des türkischen Fußballs. Kein Wunder also, dass die Vereinsgeschichte unzählige Helden und Geschichten hervorgebracht hat, Mythen, Skandale, Triumphe und Tragödien. Ein Blick in den Alltag und die Geschichte von Gala ist wie eine abendliche Querfahrt durch Istanbul: unberechenbar, überraschend, heftig, faszinierend. Machen wir uns auf die Reise! EINIGE GRÜNDEWeil 'die Hölle von Istanbul' in ganz Europa gefürchtet ist. Weil die Vereinsfarben einzigartig sind. Weil Jupp Derwall den Verein auf Vordermann brachte. Weil keiner weiß, welcher Spitzname der richtige ist. Weil Gala als einzige türkische Mannschaft den UEFA-Cup gewann. Weil keine Rivalität so intensiv ist wie die zwischen Galatasaray und Fenerbahçe. Weil Gala auch im Ruhrpott zuhause ist. Weil Gala auf deutsche Wertarbeit setzt. Weil Graeme Souness durch eine Fahne unsterblich wurde. Weil Gheorghe Hagi seinen zweiten Frühling erlebte. Weil Ribéry mehr als ein Mitbringsel war. Weil David Alaba dem Verein die Daumen drückt. Because we have Drogba, they don't. Weil der Verein seinen eigenen Torjubel hat. Weil man im Old Trafford fast das Unmögliche schaffte. Weil Metin Oktay Vorbild eines ganzen Vereins ist. Weil das Torwartproblem fast schon zur Vereinsphilosophie gehört. Weil Lincoln von 5000 Fans am Flughafen empfangen wurde. Weil Köln im Jahre 1989 zur zweiten Heimat wurde. Weil Melo bei Gala zum Pitbull wurde. Weil Özhan Canaydin dem Erzfeind applaudierte. Weil Gala eine Schwäche für Spielmacher hat. Weil Gala in Deutschland immer Heimspiele hat. Weil Christian Vieri Fenerbahçe nicht kennt. Weil Bruma für eine neue Vereinsphilosophie steht.
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Seitenzahl: 320
Cihan Acar
•Weil 15 Minuten den alten Glanz zurückbrachten 15
•Weil am 14. Mai 2011 die Zukunft begann 18
•Weil die Wende geschafft ist 21
•Weil Gala in Feners Stadion Meister wurde 24
•Weil wohl kein Verein mehr Namen hat 28
•Weil »Cimbom« ein mysteriöser Spitzname ist 30
•Weil die Vereinsfarben einzigartig sind 32
•Weil Gala heute eine Weltmarke ist 34
•Weil Istanbul einzigartig ist 36
•Weil Gala einen Rekord nach dem anderen aufgestellt hat 39
•Weil der Löwe durch Nihat Bekdik zum Symbol des Vereins wurde 41
•Weil Galas Geschichte bis 1481 zurückreicht 44
•Weil Monsieur Curel den Sport in die Türkei brachte 47
•Weil Gala der erste türkische Fußballverein war 49
•Weil Ali Sami Yen der Vater des Vereins ist 51
•Weil das Ali-Sami-Yen-Stadion für jeden Gegner die Hölle war 54
•Weil Europa immer das Ziel ist 58
•Weil Metin Oktay das große Vorbild ist 61
•Weil Baba Gündüz der Vater des Erfolgs war 65
•Weil »Leblebi« 14 Tore in einem Spiel machte 68
•Weil Boduri zwei Jahre reichten, um unvergesslich zu werden 70
•Weil Jupp Derwall Gala auf Vordermann brachte 72
•Weil Fatih Terim der Imperator ist 76
•Weil der »Panther von Berlin« im Tor war 80
•Because I love you Hagi! 84
•Weil Bülent Korkmaz 26 Jahre lang für Gala kämpfte 88
•Weil Hakan Şükür es von der Fankurve zum besten türkischen Stürmer brachte 91
•Weil Kalli Gala umkrempelte 95
•Weil Kalli sagt, was Sache ist (I) 98
•Weil Gala nicht nur Fußball ist 103
•Weil die Hölle umgezogen ist 105
•Weil Gala auf Deutsche steht 108
•Weil Gala jetzt auch im Ruhrpott zu Hause ist 111
•Weil Gala eine eigene Insel hat 113
•Weil Gala verrückt nach Spielmachern ist 116
•Weil Neuchâtel der Wendepunkt war 119
•Weil Gala in Köln Geschichte schrieb 122
•Weil im Old Trafford fast das Unmögliche gelang 125
•Weil im Ali-Sami-Yen dann das Unmögliche gelang 129
•Weil 1996 bis 2000 die goldenen Jahre waren 133
•Weil Gala ohne Niederlage durch den UEFA-Cup marschierte 135
•Weil Gala am 17. Mai 2000 Geschichte schrieb 139
•Weil Gala sich die Krone Europas aufsetzte 143
•Weil Gala 2001 die beste Mannschaft der Welt war 145
•Weil Arda den Sprung nach Europa gepackt hat 148
•Weil Kalli sagt, was Sache ist (II) 152
•Weil Harry Kewell vom Sündenbock zum Zauberer wurde 154
•Weil Falko Götz seine schönste Zeit bei Gala erlebte 157
•Weil Ribéry viel mehr als ein Mitbringsel war 161
•Weil Ribéry leider schnell wieder weg war 165
•Weil Mário Jardel eine Tormaschine war 166
•Weil Hayrettin immer für einen Patzer gut war 171
•Weil man sich nicht von Transferflops beirren lässt 174
•Weil Abramczik der erste deutsche Spieler in der Türkei war 177
•Weil man einen Hagi nicht verärgern sollte 180
•Weil Kalli sagt, was Sache ist (III) 182
•Weil Metin Oktay ein Loch ins Tor schoss 185
•Weil Adnan Polat vor Serkan flüchten musste 188
•Weil Güneş der erste Rivale war 191
•Weil Mourinho auf Galas Fans neidisch ist 195
•Weil ultrAslan der größte Fanklub der Welt ist 198
•Weil Gala-Fans die lautesten sind 201
•Weil Sezgin der Vorzeigefan war 203
•Weil Promis in aller Welt Gala-Fans sind 206
•Weil die Fans zu Terim hielten 209
•Weil der kleine Bertuğ hart blieb 211
•Weil Brian Birch Gala zum Erfolg schleifte 215
•Weil 1973 die längste Durststrecke begann 219
•Weil am 7. Juni 1987 der Fluch besiegt wurde 221
•Weil Gala mit einem 8:0 die Meisterschaft 1993 klarmachte 223
•Weil Lucescu den dritten Stern holte 226
•Weil Gala keinen Rade Zalad braucht 230
•Weil die 16. Meisterschaft erst nach 16 Minuten Nachspielzeit feststand 233
•Weil Nonda zur Meisterschaft einköpfte 237
•Weil Kalli sagt, was Sache ist (IV) 239
•Weil Gala gegen Fener das heißeste Derby der Welt ist 243
•Weil sieben Mann mit 7:0 gewannen 246
•Weil Fener die Gala-Pose imitiert 248
•Weil Christian Vieri Fenerbahçe nicht kennt 250
•Weil Gala Fener einen einzigartigen Pokal wegschnappte 251
•Weil Fener meistens einen Schritt hinterher ist 254
•Weil Emre erst bei Fener zum meistgehassten Spieler der Türkei wurde 256
•Weil Özhan Canaydın dem Erzrivalen applaudierte 259
•Weil Tugay Gerüchte auf seine Art beendete 261
•Weil Graeme Souness sich mit einer Fahne unsterblich machte 264
•Weil Simović durch einen Platini-Hattrick bei Gala landete 268
•Weil Prekazi zum Glück zu faul für Real Madrid war 271
•Weil Tanju Çolak den Goldenen Schuh bekam 274
•Weil Sir Alex Ferguson Tugays größter Fan ist 277
•Weil Kubilay zur Stelle war, wenn es darauf ankam 281
•Weil Sabri der Chef ist 284
•Weil Iorfa seine eigenen Flanken verwerten konnte 287
•Weil die Fans Wesley Sneijders Ehefrau per Twitter überredeten 290
•Weil Metin Kurt sich aus Protest einen Bart wachsen ließ 293
•Weil Tromsø zum Trauma wurde 295
•Weil Drogba zur Heldenfigur wurde 298
•Weil Brad Friedel bei Gala fürs Leben lernte 299
•Weil Hagi eine rumänische Welle auslöste 301
•Weil Gala ungeschlagen Vizemeister wurde 303
•Weil ein Kind nach Drogba benannt wurde 305
•Weil Kalli sagt, was Sache ist (V) 309
•Weil Melo bei Gala zum Pitbull wurde 312
•Weil ich mich bei Johan Elmander entschuldigen muss 315
•Weil Bruma für die neue Transferphilosophie steht 319
•Weil Alex Telles ein ewiges Problem löste 321
•Weil Muslera das grüne Trikot tragen darf 324
•Weil Gala auf zwei beste Freunde setzt 327
•Weil Sneijder der Hagi-Nachfolger ist 330
•Because we have Drogba, they don’t 333
•Weil Sneijder und Drogba gegen Juve zur Stelle waren 336
•Weil ein 1:6 am Ende völlig egal war 339
WIR SIND DER ZWÖLFTE MANN,FUSSBALL IST UNSERE LIEBE!
VORWORT
Je größer die Leidenschaft ist, die man für eine Sache, ein Hobby oder eben einen Fußballverein verspürt, umso genauer erinnert man sich an ihren Anfang. Bei mir war es am Mittwoch, den 23. Oktober 1993. Auf den ersten Blick ein historisch nicht sehr bedeutender Tag: Andorra wurde offiziell Mitglied der UNESCO, in den USA stellten die zwei Baseballteams Toronto Blue Jays und Philadelphia Phillies den Rekord für das höchste Finalergebnis der MLB auf, Brasiliens Fußballgott Pelé feierte seinen 53. Geburtstag.
Es war also vergleichsweise wenig los in der Welt, und so blieb genug Zeit, um am Abend mit meiner Familie gemeinsam die Champions-League-Partie zwischen Manchester United und Galatasaray vor dem Fernseher zu verfolgen. Ich war damals sieben Jahre alt und konnte deshalb noch nicht ganz einordnen, welche Sensation es war, dass der türkische Meister den englischen Giganten nach frühem 0:2-Rückstand an den Rand der Niederlage brachte. Trotzdem war ich fasziniert davon, wie sich die Mannschaft vom schlechten Auftakt und der Außenseiterrolle nicht einschüchtern ließ und nach den Gegentoren einen Angriff nach dem anderen startete. Davon, wie der türkische TV-Kommentator nach den drei aufeinanderfolgenden Toren mit Freudentränen zu kämpfen hatte, wie ausgelassen sich meine Eltern freuten, als aus dem 0:2 ein 3:2 für Gala wurde.
So lernte ich Galatasaray als einen Verein kennen, der mit Spektakel auf dem Platz für Freude und Euphorie sorgt, und meine Faszination für »die Löwen« nahm ihren Lauf. Mit den Jahren ist aus der kindlichen Begeisterung eine ausgeprägte Liebe zum Verein geworden, den ich wie einen guten Freund mit den Jahren immer besser kennen und schätzen lernte. Wie seine Heimat Istanbul ist Galatasaray ein Verein, der Welten verbindet, ein Klub mit aristokratischem Hintergrund, der es mit den Jahrzehnten von der Schulmannschaft zum Aushängeschild der Türkei brachte und heute mehr Fans hat als so mancher Staat Einwohner zählt. Der als bloße Idee im Klassenzimmer begann, es bis zur Spitze Europas schaffte und seitdem in aller Welt bekannt und beliebt ist.
Während der Arbeit an diesem Buch, während der Recherche und der zahlreichen Gespräche, konnte ich mehr denn je feststellen, was für jeden Weggefährten von Galatasaray gilt, egal ob Spieler, Verantwortlicher oder Fan: Ist man erst einmal von der Faszination Gala gepackt, dann lässt sie einen nicht mehr los.
So geht es Trainer-Legende Karl-Heinz Feldkamp, der die Mannschaft zusammenstellte, die mich zum Fan machte, und mir dankenswerterweise sehr ausführlich über seine Zeit am Bosporus berichtete.
So geht es einem Hardcore-Fan aus Istanbul, der seinen Sohn nach Didier Drogba benannte und mir stolz vom ersten Treffen zwischen seinem Neugeborenen und seinem Idol erzählte.
Oder Falko Götz, der seine Zeit bei Gala als die schönste seines Lebens bezeichnet und in unserem Gespräch immer noch von »Wir« sprach, wenn es um Gala ging.
So ging es der Vereinslegende Metin Oktay, für den Gala eine »grundlegende Lebenseinstellung« war, und seinem Trainer Gündüz Kılıç, der davon sprach, dass Galatasaray »ein Verein ist, den man fühlen muss«.
So geht es mir nun schon seit dem 23. Oktober 1993.
Ich hoffe, nach den folgenden 111 Gründen wird es dem Leser ganz genauso gehen.
Cihan Acar
KAPITEL 1
1. GRUND
Weil 15 Minuten den alten Glanz zurückbrachten
Am Ende hatte es nicht zum Weiterkommen gereicht: Galatasaray war nach dem Rückspiel im Champions-League-Viertelfinale 2013 gegen Real Madrid ausgeschieden, wurde nach dem Abpfiff von den Fans in der Türk Telekom Arena aber trotzdem ausgiebig gefeiert.
Trotz des Ausscheidens war es eine eindrucksvolle Rückkehr auf die große Fußballbühne Europas; dorthin, wo man zu Beginn des Jahrtausends schon einmal gestanden hatte. Die Mannschaft hatte ein Ausrufezeichen gesetzt, das endlich Galas Comeback im Konzert der Großen einläutete, und wenige Minuten hatten dazu gereicht.
Im Hinspiel hatte Real in Madrid mit 3:0 gewonnen, und nachdem Cristiano Ronaldo auch im zweiten Spiel gleich in der Anfangsphase zur Führung für die Königlichen traf, schien alles eigentlich schon entschieden. Nach dem frühen Gegentreffer waren die Löwen nämlich völlig aus dem Konzept und hatten Glück, dass der Rückstand in der ersten Hälfte nicht größer wurde.
In der zweiten Hälfte dann ein ganz anderes Bild, und Gala rannte unaufhörlich an, um das Unmögliche zu schaffen. Verein, Spieler, Fans, sie alle hatten zu lange darauf gewartet, sich endlich wieder mit den ganz Großen Europas messen zu dürfen, sie wollten sich gegen den großen Gegner beweisen und durften jetzt nicht zurückziehen – so einfach durften Ronaldo und Co. nicht davonkommen.
Das Feuerwerk, das Gala im zweiten Durchgang abfeuerte, beschrieb Real-Coach Mourinho nach dem Abpfiff so: »Das ist der Grund, warum Fußball so wunderbar ist und warum ihn so viele Menschen lieben. Sie haben fantastisch gespielt, mit Herz und Emotion. Sie haben alles reingeworfen und sind aufgetreten wie Champions.«1
Innerhalb von 15 Minuten stellte Gala die Partie völlig auf den Kopf, und die Verantwortung übernahmen jene Spieler, die eben genau dafür geholt worden waren, um in entscheidenden Momenten zur Stelle zu sein.
Die 57. Minute: Wesley Sneijder setzt sich auf links durch und legt den Ball flach nach innen, wo Emmanuel Eboué aus dem Rückraum herangerauscht kommt und den Ball aus 20 Metern in den Winkel jagt – Ausgleich zum 1:1. »Wie einen Nagel! Wie einen Nagel!«, habe Eboué den Ball ins Netz gehämmert, schreit der legendäre türkische TV-Kommentator Ercan Taner völlig außer sich ins Mikrofon.
13 Minuten später: Sneijder bekommt in der Mitte den Ball, legt ihn mit der Annahme durch die Beine seines Gegenspielers, ist frei vor dem Tor und schiebt flach ins Eck – 2:1.
Zwei Minuten nach Sneijders Treffer steht Didier Drogba im Strafraum, mit dem Rücken zum Tor und eng bewacht von Gegenspieler Raphaël Varane, und verlängert eine flache Flanke von Nordin Amrabat mit der Hacke ins lange Eck – 3:1.
Der Glaube ist wieder da! Die Arena dreht völlig durch, die Königlichen straucheln immer mehr. In der Türk Telekom Arena ist es grundsätzlich unglaublich laut, egal gegen wen und um was es geht, aber lauter als nach dem Drogba-Treffer war es nur selten. »Wir haben es mit der Angst zu tun bekommen«, sollte Mourinho später nach dem Spiel sagen.2 Das Wunder von Istanbul ist zum Greifen nah, Sneijder und Drogba haben noch weitere sehr gute Chancen – bis dann wieder Ronaldo zur Stelle ist und mit dem Treffer zum 2:3 in der Schlussphase alle Hoffnungen beendet.
Für Gala war die Champions-League-Saison damit zu Ende, doch die 15 außergewöhnlichen Minuten sorgten dafür, dass trotz des Ausscheidens ein weiteres, unvergessliches Kapitel in der langen Europapokal-Geschichte des Vereins geschrieben wurde. Gleichzeitig waren sie der Beweis dafür, dass der zwei Jahre zuvor eingeschlagene Weg der richtige war.
2. GRUND
Weil am 14. Mai 2011 die Zukunft begann
Nach der Saison 2010/11 war allen Verantwortlichen und Fans klar, dass ein Neuanfang her musste. Nachdem Gala zwischenzeitlich bis auf den 14. Platz abgerutscht war, schloss man die Saison auf dem achten Tabellenplatz ab, der gemessen an den traditionell hohen Ansprüchen des Vereins katastrophal war.
Die sportliche Misere wurde Adnan Polat zum Verhängnis, der 2008 zum Präsidenten gewählt wurde und eigentlich keine schlechte Arbeit lieferte – beispielsweise war er es, der den Bau des neuen Stadions, welches in seiner Amtszeit noch gebaut und Anfang 2011 eröffnet wurde, über Jahre vorantrieb.
Auch dass er sich um den Schuldenabbau bemühte, brachte ihm aufgrund der schwachen Leistungen der Mannschaft wenig – anderswo muss nach sportlichen Krisen ja meistens zuerst der Trainer dran glauben, bei Gala steht seit jeher der Präsident, der oberste Vertreter des Vereins, mindestens genauso im Fokus. Und so musste Polat sein Amt nach einem Misstrauensvotum räumen.
Wer sein Nachfolger werden würde, war schnell klar, denn schon Wochen vor der Wahl war Ünal Aysal der absolute Favorit.
Warum Aysal? Weil er seit Jahrzehnten das hatte, was für Gala seit jeher das höchste Ziel ist, nämlich internationalen Erfolg. Aysal absolvierte 1960 das Galatasaray-Gymnasium, studierte anschließend Jura, ging nach dem Abschluss in die Wirtschaft und wurde erfolgreicher Geschäftsmann. Ein unschöner Zwischenfall im Jahre 1974 bewegte ihn dann aber dazu, die Türkei zu verlassen: Vor Aysals Wohnung in Istanbul machte ein Polizeikommando Krach und raubte seiner kleinen Tochter den Schlaf. Als Aysal nach draußen ging und sich darüber beschwerte, wurde er kurzerhand aufs Polizeirevier verfrachtet, von der Polizei festgehalten und sogar verprügelt. Nach dem Vorfall packte er seine Sachen und zog mit seiner Familie nach Belgien, wo er 1974 die Unit Group gründete, die heute 23 Energieunternehmen in der Türkei und im Ausland umfasst und Aysal zum Milliardär machte.
1998 kehrte er schließlich in die Türkei zurück, wo er ein Jahr später für seine unternehmerischen Tätigkeiten im Ausland von der Regierung eine Ehrenmedaille verliehen bekam. 2004 rettete er das hoffnungslos verschuldete Gala mit einem Sofortkredit über 23,5 Millionen Dollar vor dem Ruin und war seitdem im Verein hoch angesehen.
Aysal ist reich, erfolgreich, ein Experte in Sachen Geschäftsführung, Investitionen und Marketing, spricht mehrere Sprachen und galt deshalb schon jahrelang als möglicher Präsidentschaftskandidat; als der Mann, der die glorreichen Zeiten zurückbringen könnte.
Als er von mehreren Mitgliedern das erste Mal darauf angesprochen wurde, ob er sich zur Wahl stellen wolle, war er zunächst skeptisch, denn immerhin war er zum Zeitpunkt der Wahl bereits 71 Jahre alt. Doch am Ende überwog die Leidenschaft für den Verein und die Lust an der Herausforderung, sodass sich Aysal schließlich zur Verfügung stellte.
Aufgrund seines Vermögens kam es schon vor der Wahl zu ersten Vergleichen mit anderen reichen Vereinspräsidenten oder -eigentümern im europäischen Fußball wie Roman Abramowitsch vom FC Chelsea. Von Anfang an stellte Aysal jedoch klar, dass er nicht vorhabe, sein Privateigentum in den Verein zu stecken. »Wer mich wegen meines Geldes wählen will, soll es nicht tun«3, sagte Aysal, und Ex-Gala-Präsident Faruk Süren, der Aysals Kandidatur unterstützte, pflichtete ihm bei: »Er ist ein sehr erfolgreicher Unternehmer mit internationalem Einfluss. Jeder vergleicht ihn mit Abramowitsch, doch seine Herangehensweise ist komplett anders. Außerdem kann man Galatasaray nicht kaufen.«4
Am 14. Mai 2011 konnte Aysal dann eine historische Mehrheit von 2.998 Stimmen erreichen und wurde mit diesem Rekord zum 34. Präsidenten seit der Gründung des Vereins gewählt. »Dass Galatasaray uns alle mehr denn je braucht, liegt auf der Hand«, sagte er kurz nach der Wahl zu den Mitgliedern, »wir müssen und werden es gemeinsam schaffen. Ich gebe ihnen ein einziges Versprechen ab: Erfolg, Erfolg, Erfolg.«5
3. GRUND
Weil die Wende geschafft ist
Ünal Aysals Auftrag war also klar, Gala sollte wieder zurück nach oben. Und das nicht nur national, wo die letzte Meisterschaft drei Jahre zurücklag, sondern vor allem international, denn dort hatten sich in den letzten Jahren die Fehler in der Kaderplanung und der Vereinsführung am meisten bemerkbar gemacht.
Nachdem das neue Jahrtausend noch mit großen Erfolgen begonnen und für große Hoffnungen gesorgt hatte, waren die folgenden knapp zehn Jahre für Gala in Europa eine einzige Enttäuschung. Von 1993 bis 2003 war Gala mit nur einem Jahr Unterbrechung neunmal in der Champions League vertreten, seitdem hatte man sich aber nur noch einmal qualifizieren können, 2006 war schon in der Vorrunde Schluss.
Was Aysal zum großen Hoffnungsträger machte, waren die Ziele, die er ganz offensiv formulierte, so auch bei seinem ersten öffentlichen Auftritt, zwei Tage nach der Wahl beim Sender Lig TV: »Zur Meisterschaft in der kommenden Saison gibt es keine Alternative, da wir schnellstmöglich zurück in die Champions League müssen. Ich kann garantieren, dass Galatasaray innerhalb der nächsten drei Jahre wieder zu einer erfolgreichen Mannschaft wird.«6
Also machte sich Aysal ans Werk und verpflichtete zunächst Vereinslegende Fatih Terim für eine dritte Amtszeit als Gala-Coach. Nach Terims Ankunft startete Gala eine selten gesehene Transferoffensive und verpflichtete vor der Saison 2011/12 gleich zwölf neue Spieler. Obwohl Gala in der ersten Saison unter Terim nicht international spielte, konnten einige namhafte Spieler eingekauft werden, die Galas Gesicht verändern und das Gerüst der Mannschaft in den nächsten Jahren bilden sollten. Mit Fernando Muslera konnte endlich ein Top-Torwart verpflichtet werden, mit Felipe Melo der gesuchte Abräumer vor der Abwehr. Neben ihm sollte Selçuk İnan im Mittelfeld das Spiel gestalten, der aus Trabzon kam, ebenso wie Ceyhun Gülselam und Engin Baytar. Die Abwehr wurde mit den gestandenen Namen Tomáš Ujfaluši und Emmanuel Eboué verstärkt, während Johan Elmander vorne für die Tore sorgen sollte.
Das Konzept ging auf. Mit ansehnlichem Fußball unter Terim holte Gala auf überzeugende Art und Weise und mit neun Punkten Vorsprung vor dem großen Erzrivalen Fenerbahçe die Meisterschaft.
Danach wurde das Team weiter verstärkt, um den Titel zu verteidigen und vor allem bei der Rückkehr in die Champions League eine gute Rolle zu spielen. So wurden vor und während der Saison 2012/13 weitere Stars wie Hamit Altıntop von Real Madrid oder Stürmer Burak Yılmaz von Trabzonspor sowie die in der Winterpause dazukommenden Weltstars Wesley Sneijder und Didier Drogba geholt, was mit einer erneuten Meisterschaft und dem Viertelfinaleinzug in der Königsklasse endete.
In der Saison 2013/14 musste man unter Fatih Terims Nachfolger Roberto Mancini in Sachen Meisterschaft zwar Fener den Vortritt überlassen, mit der dritten Qualifikation für die Champions League wurde aber das Minimalziel erreicht, zudem gab es als schönes Extra den Pokalsieg.
Damit kann sich die Bilanz seit Aysals Amtsantritt wirklich sehen lassen: In den ersten drei Jahren konnte zweimal die Meisterschaft, einmal der Pokal und einmal der türkische Supercup geholt werden, in der Champions League wurde zweimal hintereinander die Gruppenphase überstanden. Die Kehrtwende wurde also erfolgreich vollzogen, der Grundstein für hoffentlich noch größere Erfolge wurde gesetzt.
2013 wurde Aysal wiedergewählt, bis 2016 bleibt er voraussichtlich im Amt und will sich dann zur Ruhe setzen, wie er bereits angekündigt hat: »In meiner Lebensplanung nimmt Galatasaray noch die nächsten zwei Jahre ein«, sagte er im April 2014. Er hoffe, dass sich bis dahin ein »junger und dynamischer Nachfolger« finde. »Wenn ich 40 Jahre alt wäre, würde ich es mir vielleicht anders überlegen, aber ich denke nicht, dass mir etwas anderes übrig bleibt.«7
4. GRUND
Weil Gala in Feners Stadion Meister wurde
Die erste Meisterschaft, die in der neuen Ära unter Ünal Aysal und Fatih Terim gewonnen wurde, ist schon allein aufgrund des Austragungsortes der letzten Partie denkwürdig.
Gala hatte die reguläre Saison mit neun Punkten Vorsprung auf Fenerbahçeauf Platz eins beendet, doch da der Verband seinerzeit einen neuartigen Play-off-Modus namens Süper Final eingeführt hatte, in dem die vier Bestplatzierten den Titel unter sich ausspielten, war das noch nicht gleichbedeutend mit der Meisterschaft. Vielmehr gelang es Fener in diesen Play-offs, den Rückstand auf einen Punkt zu verkürzen, sodass es am letzten Spieltag in Feners Şükrü-Saracoğlu-Stadion zum alles entscheidenden Duell kam.
Nach 90 heiß umkämpften Minuten stand es 0:0, und Gala stand als Meister fest. Zum ersten Mal in der Geschichte des Istanbul-Derbys holte eine der Mannschaften mit einem Spiel im Stadion des Rivalen den Titel!
Zu den Eigenheiten, der Intensität und der Geschichte hinter der Rivalität zwischen den zwei Vereinen werden wir später noch ausführlich kommen, deshalb halten wir an dieser Stelle zur Einordnung des Geschehnisses nur kurz fest, dass sich kein Fan, Spieler oder Verantwortlicher auf beiden Seiten irgendetwas Schlimmeres vorstellen könnte, als dem großen Feind im eigenen Stadion dabei zusehen zu müssen, wie er den Meisterschaftspokal in die Höhe reckt. Der türkische Fußball lebt nach wie vor hauptsächlich von den Emotionen aller Beteiligten, deshalb schlägt eine solche Konstellation entweder auf den Magen oder sorgt für höchste Glücksgefühle – je nachdem, auf welcher Seite man steht.
Dementsprechend groß war die Freude bei den Löwen, die sich in der Mitte des Rasens zusammenfanden, Arm in Arm im Kreis sprangen und die 18. Meisterschaft feierten, während Sicherheitskräfte einen Schutzwall um sie bildeten. Unbegrenzter Jubel auf begrenztem Raum!
Kapitän Ayhan Akman wurde von der Mannschaft auf Schultern getragen und küsste das Wappen auf seinem Trikot, Felipe Melo weinte vor Freude, der Spanier Albert Riera machte den Torero, und die Spieler schwangen im Fener-Stadion eine große Galatasaray-Fahne. »Die Meisterschaft hier einzufahren, macht sie nur noch bedeutender«, sagte Mittelfeldspieler Selçuk İnan.8
Die Euphorie wurde auch nicht durch die zahlreichen Versuche gedämpft, Gala die Freude an der Feier über den gerade gewonnenen Meistertitel zu vermiesen. Bereits nach wenigen Minuten musste die Mannschaft zurück in die Kabine, da die Stimmung im Stadion immer aufgeheizter wurde, bis aufgebrachte Fener-Fans schließlich sogar den Platz einnahmen und sich Gefechte mit den Sicherheitskräften lieferten. Von Funktionären des Verbands bekam man dann das Angebot, die Pokalübergabe in den Katakomben abzuhalten, was von Galas Verantwortlichen aber abgelehnt wurde – man wollte schließlich dort feiern, wo man den Pott geholt hatte.
Erst drei Stunden nach Abpfiff war das ganze Stadion geleert und es konnte zur Pokalübergabe kommen. Kapitän Ayhan bekam die Trophäe von Verbandspräsident Yıldırım Demirören überreicht, der nicht gerade als Gala-Freund bekannt ist und dabei ein Gesicht machte, als würde er eine zutiefst traurige Botschaft überbringen. Zudem fand die Pokalübergabe im Dunkeln statt, da die Gastgeber die Stadionbeleuchtung ausgeschaltet hatten. Alles egal – Hauptsache Meister.
Und bevor die Truppe den Ort des Triumphes verließ, hinterließ sie dem Rivalen noch einen Gruß, der längst legendär ist. In der Kabine unterschrieben alle Spieler auf der Wand und schrieben folgende Botschaft dazu: »Zu jeder Zeit und überall, Cimbom ist das Größte, Meister GALATASARAY«. Dieser Vorgang ist inzwischen bei Gala-Fans Kult und als Kadıköy Hatırası (»Kadıköy-Erinnerung«) bekannt – nach dem Stadtteil, in dem Fener zu Hause ist.
KAPITEL 2
5. GRUND
Weil wohl kein Verein mehr Namen hat
Ein Vereinsname, der fünfmal den Buchstaben »A« beinhaltet, und das in sehr kurzen Abständen, geht keinem leicht über die Lippen. Deswegen haben sich auch für Galatasaray im Laufe der Jahre mehrere Alternativen gebildet. Wir wollen also zunächst einmal klarstellen, welche Gebilde benutzt werden sollten und welche nicht. Was komplett ausscheidet, ist »Galatasaray Istanbul«. Diese Bezeichnung schwirrt seit Jahren im deutschsprachigen Raum herum und ist der Gewohnheit deutscher Medien geschuldet, internationale Vereinsnamen einfach mit dem jeweiligen Ort des Klubs zu verbinden, auch wenn das sonst niemand tut. »Galatasaray Istanbul« gibt es also genau genommen nicht, genauso wenig wie »Arsenal London«. Streichen wir also.
Die offizielle türkische Bezeichnung des Vereins lautet »Galatasaray Spor Kulübü«. In der Türkei gibt es in der Umgangssprache die Abkürzung Galata, die früher recht häufig benutzt wurde, heute aber kaum mehr gebraucht wird. Ansonsten nennt man den Verein und die Mannschaft in der Türkei mitunter »Aslanlar« (Die Löwen), »Sarı-Kırmızılılar« (Die Gelb-Roten) oder ganz einfach »Cimbom« (Spitzname mit ungeklärter Herkunft, dazu gleich mehr). Die allermeisten Menschen in der Türkei sprechen aber den kompletten Namen einfach so schnell und einfach wie möglich aus, sodass im Alltag dann oft die Rede von einem »Gas’ray« ist.
Und dann hätten wir noch das international geprägte »Gala«. Diese Abkürzung wird in der Türkei zwar ebenfalls nicht benutzt, hat sich im deutsch- und auch englischsprachigen Raum in den letzten Jahren aber durchgesetzt. Einigen wir uns für den Rest des Buches auf diese Bezeichnung, wir wollen schließlich internationalen Standards genügen. Gala, das klingt schön, das klingt modern und es geht einem leicht über die Lippen.
Probieren Sie es einfach mal: Gala. Gala! Einfach schön. Die Sache mit den Namen ist also etwas verwirrend, die Lösung aber kurz und knackig: Gala. Alles klar?
6. GRUND
Weil »Cimbom« ein mysteriöser Spitzname ist
Bleiben wir kurz beim Thema Namen. Jetzt bitte festhalten, denn es wird abenteuerlich. Im Jahre 1957 begibt sich ein Gala-Fan namens Murtaza mit einem australischen Kumpel namens Jim nach Brasilien, um eine gemeinsame Flussfahrt auf dem Amazonas zu machen. Der arme Murtaza hat große Angst vor Krokodilen, doch kein Problem: Der tapfere Jim trägt eine Pistole bei sich.
Murtaza möchte, dass sein Kumpel Jim stets die Pistole für den Notfall bereithält. Da seine Englischkenntnisse recht brüchig sind, improvisiert Murtaza, beschreibt die Pistole anhand ihrer Soundeffekte und nennt sie einfach »Bom Bom«. Wann immer Murtaza also im Wasser ein gefährliches Krokodil entdeckt, dreht er sich ängstlich zu Jim und ruft: »Jim, Bom Bom!« Was so viel heißen soll wie: Hey Jim, knall den mal weg.
Wieder zurück in Istanbul, erzählt Gala-Fan Murtaza bei einem Stadionbesuch seinen Freunden die Geschichte und sorgt damit für viel Vergnügen unter den Anhängern. Die Geschichte verbreitet sich so schnell auf den Rängen im Ali-Sami-Yen-Stadion, dass sich Murtazas Slogan zum Schlachtruf der Tribünen und später dann sogar, mit der türkischen Schreibweise des Namens »Jim«, zum Spitznamen des Vereins entwickelt: »Cimbom«.
Die Geschichte ist schön, doch leider sie ist mit sehr großer Wahrscheinlichkeit erfunden. Denn sie ist zwar recht weit verbreitet, belegt ist sie aber nicht.
Sie steht dennoch sinnbildlich für die ungeklärte Herkunft der Bezeichnung »Cimbom« oder auch »Cim Bom Bom«, die in der Türkei für den Verein gebraucht wird. Neben der Murtaza-Story gibt es aber noch einige weitere Mythen und Legenden:
Von Französisch sprechenden Schülern des vereinseigenen Gymnasiums im Herzen Istanbuls, die früher vor dem Schulgebäude Süßigkeiten an Fußgänger verkauften und ihr Produkt mit einem unschuldigen »J’aime les bonbons« anpriesen, über einen amerikanischen Boxer namens Jim, der Galatasaray-Mitglied war und mit dem Schlachtruf von den Zuschauern angefeuert wurde, bis hin zur wohl am weitesten verbreiteten These, die den früheren Gala-Spieler Sabit Cinol als Urheber aufweist. Der ging als junger Mann in die Schweiz, um dort zu studieren, und spielte während seines dortigen Aufenthalts bei Servette Genf. Deren Fans sollen während der Spiele »Jim Bom Bom« gerufen haben, was Cinol so gefallen haben soll, dass er den Schlachtruf nach seiner Rückkehr zu Galatasaray im Jahre 1924 ebenfalls durchgesetzt habe.
Welche der genannten Versionen die richtige ist, bleibt bis heute leider unklar. Der Preis für den kreativsten Ansatz geht hiermit aber ganz klar an den Erfinder von Murtaza und Jim.
7. GRUND
Weil die Vereinsfarben einzigartig sind
Und damit weiter zum Thema Vereinsfarben, bei dem alle eingefleischten Gala-Fans jetzt bitte ganz kurz stark sein müssen: Ich will es ja eigentlich nicht ansprechen, doch passiert ist passiert, und ja, Gala lief in den Anfangsjahren nach der Gründung kurzzeitig in Gelb-Blau auf. Ganz recht, in den Fener-Farben.
Doch halt! Nicht gleich aus dem Fenster springen, das Leben hat noch einen Sinn. Denn genau genommen ist das gar nicht so schlimm, wie es klingt; als man sich damals für die Farben entschied, gab es Fenerbahçe noch gar nicht. Während Gala nämlich 1905 gegründet worden war und sich in den ersten zwei Jahren noch in der Selbstfindungsphase befand, wurde Fener erst 1907 gegründet. Also halb so schlimm das Ganze. Außerdem hatte sich die Sache schon nach zwei Jahren erledigt, denn nach einer Partie, die mit 0:5 verloren wurde, war man völlig zu Recht der Überzeugung, dass die Farbkombination Pech brachte, und entschied sich für einen erneuten Wechsel.
Die Suche nach neuen, endgültigen Vereinsfarben übernahm dann der Chef höchstpersönlich. Auf der Suche nach Inspiration begab sich Vereinsgründer und erster Gala-Präsident Ali Sami Yen auf die Straßen Istanbuls. Im Stadtviertel Bahçekapı kam er an einem Kleiderladen vorbei, der einem Bekannten gehörte. Dort sah er zwei nebeneinanderliegende Kleidungsstücke, das eine rot, das andere gelb. Der Verkäufer legte die Stücke zusammen, und Yen war sofort vom Anblick beeindruckt. Er habe sich an die »Schönheit eines Distelfinks« erinnert gefühlt und das Gefühl bekommen, »in das Farbenspiel eines Feuers zu blicken«, hielt er später schriftlich fest.9
Die Entscheidung stand dann schnell fest, Yen ließ umgehend von seiner Schwester und weiteren Angehörigen den ersten Satz Trikots in den neuen Vereinsfarben nähen, und endlich hatte Gala seine eigenen Farben gefunden.
Auch heute geben sie dem Verein noch ein Alleinstellungsmerkmal. Denn an was denkt man als Allererstes bei Gelb und Rot? Wrestlingfans denken vielleicht an Hulk Hogan, Fast-Food-Fans denken an Pommes mit Ketchup, alle anderen aber an Galatasaray.
Das weiß ich nicht zuletzt durch eine eher unschöne Erfahrung, die ich beim ersten (und letzten) Besuch eines Eishockeyspiels in meiner Jugend machte, als die Heimzuschauer die in gelben Trikots und roten Helmen aufgelaufene Gastmannschaft nämlich über die gesamte Spielzeit mit folgendem, doch etwas frechen Sprechchor bedachten: »Ihr seht aus wie Galatasaray, Galatasaray, Galatasaray!«
8. GRUND
Weil Gala heute eine Weltmarke ist
Unschöne Erfahrung damals in der Eishockeyhalle, aber inzwischen verspottet uns niemand mehr. Überlassen wir mal dem Wirtschaftsmagazin Forbes das Wort, das im Jahr 2007 die größten Marken in Ländern mit einer aufstrebenden Wirtschaft untersuchte: »In der Türkei ist Galatasaray die am meisten respektierte Marke«, hieß es dort, und dass Gala in der Untersuchung alle anderen türkischen Unternehmen oder Vereine hinter sich gelassen hatte, wurde im Artikel als »eindrucksvolle Leistung« bezeichnet, denn »selbst in fußballverrückten Ländern wie Argentinien oder Brasilien hat es kein einziger Sportverein in die Top 50 geschafft«.10 Nehmt das, ihr frechen Hallen-Hooligans von damals!
Galatasaray ist heute ein weltweit bekannter Verein und Begriff, was vor allem durch die internationalen Erfolge um die Jahrtausendwende begründet und durch die sportliche Renaissance der letzten Jahre begünstigt wurde. So weiß zum Beispiel der türkische Sportjournalist und Kolumnist Esat Yılmaer zu berichten: »Galatasaray kennt man auf der ganzen Welt, zum Beispiel in Kanada, wo man eigentlich mit Fußball nicht viel am Hut hat. Dort hat mich ein Chauffeur gefragt, woher ich komme. Sobald ich ›Türkei‹ sagte, fing er an, von Galatasaray und Hakan Şükür zu reden. In Sachen Zugkraft und Bekanntheit hat Galatasaray seine Kontrahenten weit hinter sich gelassen.«11
Das sieht man heute vor allem auch im Internet. Mit über 11,2 Millionen Facebook-Likes12 in der Türkei ist der Verein mit Abstand auf Platz eins der beliebtesten Sportklubs und europaweit in den Top Ten. Bei Twitter ist Gala noch weiter vorne. Wenn es um Fußballvereine geht, sind der FC Barcelona (11,6 Mio. Follower) und Real Madrid (11 Mio.) zusammen einsame Spitze, dahinter streiten sich drei Vereine um Platz drei: FC Chelsea, Arsenal – und Gala.
Zwischen diesen Vereinen geht der dritte Platz durch die ständig steigenden Nutzerzahlen hin und her, oft genug gelingt es Gala aber, die englische Konkurrenz zu überholen und sich den dritten Platz zu schnappen. So geschehen um den Jahreswechsel 2013/14.
Als Gala in Sachen Twitter-Follower um den Jahreswechsel 2013/14 mit 3,4 Followern Platz drei übernahm, verkündete die Hürriyet stolz: »Barça, Real, und dann schon Galatasaray«. Weiter hieß es: »Unser Vertreter hat nach Barcelona und Real Madrid die höchste Anzahl an Twitter-Followern erreicht. Damit haben die Gelb-Roten große Vereine wie Bayern München, Manchester United, Liverpool oder Paris SG hinter sich gebracht.«13
All diese Faktoren zusammengenommen machen Gala zu einem attraktiven Unternehmen mit internationaler Zugkraft. Als Forbes im Mai 2014 eine Liste mit den 20 wertvollsten Fußballklubs der Welt veröffentlichte, teilte sich diese hauptsächlich in Vereine aus den fünf großen Ligen Europas (England, Spanien, Deutschland, Italien, Frankreich) auf – bis auf Gala. Mit einem Wert von 347 Millionen Dollar belegt der Verein weltweit Platz 16. Kein Grund jedoch, sich auszuruhen – das Ziel für die kommenden Jahre ist es, noch weiter hochzukommen.
9. GRUND
Weil Istanbul einzigartig ist
»Wenn jemand nur eine Gelegenheit bekommen sollte, auf die Welt zu blicken, soll er sich Istanbul anschauen«, sagte einmal der französische Lyriker Alphonse de Lamartine.14
Über Istanbul liest man in Reiseführern und Artikeln ja oft die gleichen Begriffe: Bosporus, zwischen Orient und Okzident, zwischen Tradition und Moderne, Asien und Europa.
Das klingt natürlich erst einmal ganz schön und auch recht aufregend, aber erst, wenn man selbst mal dort ist und Zeit in Istanbul verbringt, bekommt man ein Gefühl für die Einzigartigkeit dieser Metropole. Sie ist an sich keine Stadt in herkömmlichem Sinne, sondern eine eigene, riesige, aufregende Welt, die einem auf jedem Meter etwas Neues bietet und einfach nicht mehr loslässt.
Istanbul ist alles auf einmal: Schönheit, Glück, Chaos, Lärm, Entspannung. Es gibt hier so viele Freizeitmöglichkeiten, dass man wohl Jahre dafür brauchen würde, um jede in Anspruch zu nehmen. Touristenorte und stille Ecken, antike Sehenswürdigkeiten und hochmoderne Nachtklubs, alles ist hier beieinander. Hier pulsiert das Leben, und zwar für jeden so, wie es ihm gefällt, jeder kann sich sein Istanbul aussuchen und selbst gestalten.
Der ständige Widerspruch, der einem in Istanbul begegnet, ist wohl das, was mit den größten Reiz ausmacht, denn bei all der Schönheit begegnet einem manchmal auch das blanke Chaos, nirgends berüchtigter und ermüdender als im Straßenverkehr. Da sitzt man dann manchmal im Auto und will eine zehn Kilometer lange Strecke hinter sich bringen, braucht dafür aber zwei Stunden, wird von anderen Verkehrsteilnehmern abgedrängelt und von frechen Mopedfahrern zurechtgewiesen, kommt einfach nicht voran. Und dann schaut man seitlich aus dem Fenster, erblickt in der Ferne den himmelblauen Bosporus, den man von fast jeder Ecke dieser Stadt sehen kann, und beneidet die Fischer, die schön entspannt auf ihrem Kutter sitzen und über das blaue Wasser tuckern. Abends geht man dann in eines der Restaurants unten an der Bosporus-Brücke und isst unter dem freien Nachthimmel eine der Mahlzeiten, zu denen die Beute der Fischer von vorhin verarbeitet wurde, und alles ist wieder gut. So ist das in Istanbul.
Wo könnte Galatasaray besser hinpassen als hierher?
Der Klub ist im Stadtteil Florya auf der europäischen Seite Istanbuls zu Hause und hat viele Parallelen mit seiner Heimat. Auch er ist ein Wahrzeichen der Türkei, auch er pendelt zwischen türkischer Tradition und dem Streben nach westlicher Entwicklung, und auch bei ihm ist dies durch die frühere Geschichte zu erklären, wie wir noch sehen werden. Und wie Istanbul hat auch Gala oft mit sich selbst zu kämpfen, wird zurückgeworfen durch innere Machtkämpfe, durch Fehler in der Vereinsführung, selbst verschuldetes Chaos.
Beide, Istanbul und Galatasaray, sind insgesamt faszinierend und eindrucksvoll, und beide profitieren voneinander. Denn so wie das Leben in Istanbul für die Verantwortlichen des Vereins bei Transferverhandlungen oft das beste Argument sind, so ist Gala seit Jahrzehnten eines der größten Aushängeschilder und Markenzeichen Istanbuls – Gala ist in der Stadt allgegenwärtig.
Auch wenn kein Gala-Spiel ansteht, sieht man Fans im Trikot durch die Innenstadt laufen, im Supermarkt haben sogar Spieler aus der zweiten Reihe des Kaders ihre eigenen Fanartikel wie Kalender oder Kaffeebecher, auf denen ihr Porträt zu sehen ist. Das berühmte Galatasaray-Gymnasium und das Vereinsmuseum, beide in unmittelbarer Nähe des zentral gelegenen Taksim-Platzes, bestimmen das Bild der Stadt ebenfalls mit.
Wer also Istanbul mag, wird Gala lieben, und umgekehrt, denn Gala verkörpert die ganze Faszination Istanbuls – zusammengefasst in einem Verein.
10. GRUND
Weil Gala einen Rekord nach dem anderen aufgestellt hat
Wer im Fußball international mitreden will, der muss natürlich erst mal nationale Hausaufgaben erledigen und dort der Maßstab sein, denn mit dem 13. Tabellenplatz hat sich noch niemand für die Champions League qualifiziert.
Dass der Anspruch Galatasarays, als Vertreter der Türkei im Ausland wahrgenommen zu werden, nicht nur heiße Luft ist, zeigt ein Blick auf die Rekorde und Bestleistungen, die in der Vereinsgeschichte errungen wurden:
1988 hat Gala die Meisterschaft mit zwölf Punkten Vorsprung auf den Zweiten geholt, mehr hat noch keine türkische Mannschaft geschafft.
2002 holte Gala die türkische Meisterschaft zum 15. Mal. Für fünf Meisterschaften gibt es in der Türkei jeweils symbolisch einen Stern, Gala war damit die erste türkische Mannschaft, die drei Sterne im Wappen tragen durfte.
Zwischen 1997 und 2000 holte Gala vier Meisterschaften in Serie, was noch keine … Sie wissen schon.
Dazu weitere Highlights wie: die meisten Tore in einer Saison (105 Tore in der Saison 1962/63), die meisten Pokalsiege mit 15 an der Zahl, die längste Auswärtsserie ohne Niederlage – 40 Partien vom 25. Januar 1998 bis zum 12. Mai 2000. Auch nicht zu verachten: erste türkische Mannschaft, die im Ausland antrat und einen Sieg holte (1911), erste türkische Mannschaft, die am Europapokal der Landesmeister (1956) und an der Champions League (1993) teilnahm, bisher die einzige Mannschaft, die in der europäischen Königsklasse das Halbfinale erreichen konnte. Der von Gala geholte UEFA-Cup sowie der UEFA-Supercup sind bis heute die zwei einzigen internationalen Titel, die eine türkische Mannschaft gewonnen hat. Kein türkischer Verein hat international mehr Tore geschossen, mehr Siege geholt oder ist länger ohne Niederlage geblieben als Gala, das einst 20 Europapokalspiele in Folge nicht verlor.
Wir sehen also: Gala ist ständig auf der Jagd nach dem nächsten Rekord, seit Jahrzehnten und quer durch alle Wettbewerbe.
Die Bedeutung von Galatasaray fasst die FIFA so zusammen: »Die Verbindung zwischen dem König des Dschungels und türkischem Fußball mag auf den ersten Blick nicht deutlich werden, wenn man aber genau hinschaut, wird es klar: Während der Löwe die Nummer eins in der Tierwelt ist, stellt Galatasaray, sein fußballerisches Ebenbild, den erfolgreichsten Verein in der Geschichte der Türkei dar.«15
11. GRUND
Weil der Löwe durch Nihat Bekdik zum Symbol des Vereins wurde
Bei der Gelegenheit stellt sich die Frage: Warum eigentlich der Löwe? Der gilt als das Symbol von Gala, die Spieler werden in der Öffentlichkeit häufig als »Aslanlar« (»Die Löwen«) bezeichnet und in Fahnen sowie Fan-Choreos ist der König der Tiere ebenfalls häufig zu sehen; außerdem heißt die größte Fangruppierung »UltrAslan«, was die Begriffe »Ultra« und »Aslan« vereinigt. Und wenn neu verpflichtete Spieler zum ersten Mal auf dem Vereinsgelände zu Besuch sind, posieren sie im Gala-Trikot zuallererst neben einer der zahlreichen dortigen Löwenstatuen, um damit zu signalisieren, dass auch sie jetzt ein echter »Aslan« sind.