13 SHADOWS, Band 21: DIE HERRIN DER SECHS PFORTEN - Robert Bloch - E-Book

13 SHADOWS, Band 21: DIE HERRIN DER SECHS PFORTEN E-Book

Robert Bloch

0,0
4,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

»Ich möchte, dass Sie all meine Spielzeuge in Aktion erleben, bevor ich mich intensiv mit Ihnen unterhalte«, schnurrte Hsui T'ang.

Und er sah diese Spielzeuge in Aktion. Eine Tortur nach der anderen mussten diese beiden bedauernswerten Kreaturen über sich ergehen lassen.

Sie wurden auf den Rücken gelegt und mit schweren Gewichten belastet, ihre Hände und Füße von eisernen Fesseln zusammengepresst - sie wurden gezwungen, auf Ketten zu knien, ihre Glieder in Behälter mit kochendem Öl gesteckt. Ja, er sah all diese Spielzeuge in Aktion, ihre eisernen Betten, die glühenden Nägel, das kochende Wasser, die glühenden Eisenstangen, auf denen die Opfer sitzen mussten.

Einmal blickte Paxton zu Hsui T'ang hinüber und sah, dass sie sich vorgebeugt hatte und jede Einzelheit dieser scheußlichen Folterungen gierig beobachtete. Ihre grünen Augen waren dabei wie von einem Schleier überzogen und schienen keinem Menschen mehr zu gehören. Eine Übelkeit stieg in Paxtons Kehle auf. In diesen Augen spiegelt sich keine Seele, dachte er, sondern eine Emanation der Hölle...

Die Anthologie DIE HERRIN DER SECHS PFORTEN, herausgegeben von Christian Dörge, enthält sechs ausgewählte Erzählungen von Robert Bloch, Daphne du Maurier, Hayatt Verrill, Mary Sinclair, Fred C. Smale sowie Emory Connor und erscheint in der Horror-Reihe 13 SHADOWS aus dem Apex-Verlag, die ganz in der Tradition legendärer Heftroman-Reihen wie GESPENSTERKRIMI und VAMPIR-HORROR-ROMAN steht.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



CHRISTIAN DÖRGE (Hrsg.)

DIE HERRIN DER SECHS PFORTEN

- 13 SHADOWS, Band 21 -

Erzählungen

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

Hyatt Verrill: DIE SEUCHE DER LEBENDEN TOTEN (The Plague Of The Living Dead) 

Daphne du Maurier: DAS ALIBI (The Alibi) 

Mary Sinclair: DIE VILLA DÉSIRÉE (The Villa Désirée) 

Robert Bloch: DIE KÄFER (Beetles) 

Fred C. Smale: DIE V- KRAFT (The V-Force) 

Emory Connor: DIE HERRIN DER SECHS PFORTEN (Mistress Of The Six Gates Of Horror) 

 

Das Buch

»Ich möchte, dass Sie all meine Spielzeuge in Aktion erleben, bevor ich mich intensiv mit Ihnen unterhalte«, schnurrte Hsui T'ang.

Und er sah diese Spielzeuge in Aktion. Eine Tortur nach der anderen mussten diese beiden bedauernswerten Kreaturen über sich ergehen lassen.

Sie wurden auf den Rücken gelegt und mit schweren Gewichten belastet, ihre Hände und Füße von eisernen Fesseln zusammengepresst - sie wurden gezwungen, auf Ketten zu knien, ihre Glieder in Behälter mit kochendem Öl gesteckt. Ja, er sah all diese Spielzeuge in Aktion, ihre eisernen Betten, die glühenden Nägel, das kochende Wasser, die glühenden Eisenstangen, auf denen die Opfer sitzen mussten.

Einmal blickte Paxton zu Hsui T'ang hinüber und sah, dass sie sich vorgebeugt hatte und jede Einzelheit dieser scheußlichen Folterungen gierig beobachtete. Ihre grünen Augen waren dabei wie von einem Schleier überzogen und schienen keinem Menschen mehr zu gehören. Eine Übelkeit stieg in Paxtons Kehle auf. In diesen Augen spiegelt sich keine Seele, dachte er, sondern eine Emanation der Hölle...

Die Anthologie DIE HERRIN DER SECHS PFORTEN, herausgegeben von Christian Dörge, enthält sechs ausgewählte Erzählungen von Robert Bloch, Daphne du Maurier, Hayatt Verrill, Mary Sinclair, Fred C. Smale sowie Emory Connor und erscheint in der Horror-Reihe 13 SHADOWS aus dem Apex-Verlag, die ganz in der Tradition legendärer Heftroman-Reihen wie GESPENSTERKRIMI und VAMPIR-HORROR-ROMAN steht.

  Hyatt Verrill: DIE SEUCHE DER LEBENDEN TOTEN

  (The Plague Of The Living Dead)

 

 

 

1.

 

 

Die erstaunlichen Geschehnisse, die sich vor vielen Jahren auf der Insel Abilone ereigneten und deren Dramatik sich zu einem Höhepunkt der Weltgeschichte steigerte, wurden nie in irgendeiner Form veröffentlicht. Selbst die vagen Gerüchte über das, was auf der Inselrepublik vorgegangen war, wurden als reine Erfindung beziehungsweise Phantasieprodukt betrachtet. Denn die Wahrheit wurde eifersüchtig und mit größter Sorgfalt gehütet. In diesem Fall arbeitete selbst die Presse mit der Regierung zusammen, obwohl man es normalerweise für selbstverständlich hielt, aus einer Sensation Kapital zu schlagen. Die Zeitungen gaben lediglich bekannt - damit handelten sie auf Anweisung der Regierung -, dass auf der Insel eine unbekannte ansteckende Krankheit ausgebrochen sei, welche die unerbittlichen Quarantänemaßnahmen erforderlich mache.

Doch selbst wenn diese Nachricht in alle Welt hinausposaunt wurde, so glaube ich nicht, dass sie von der Öffentlichkeit für bare Münze genommen worden wäre. Weil diese Ereignisse nun der Vergangenheit angehören, sehe ich keinen Grund, die Geschichte in allen Einzelheiten zu verbergen - ich werde sie erzählen.

Als der weltberühmte Biologe Dr. Gordon Farnham bekanntgab, dass er eine Möglichkeit gefunden habe, das Leben des Menschen auf unbegrenzte Zeit zu verlängern, löste diese Mitteilung in der Welt verschiedene Reaktionen aus. Viele Personen schimpften sogar darüber und waren der Meinung, dass Dr. Farnham entweder an Altersschwachsinn leiden müsse oder dass jemand die Meldung falsch interpretiert haben könne. Andere Leute, die von Dr. Farnhams unbestechlicher Intelligenz überzeugt waren, hielten es zwar für unglaublich, doch nichtsdestoweniger für wahr. Immerhin, die Mehrzahl der Menschen war eher geneigt, diese Mitteilung als reinen Witz zu betrachten. Und dieser Meinung waren fast alle Zeitungen; die Kommentare ließen kaum einen Zweifel darüber.

Nur der Examiner - ein konservatives Blatt - veröffentlichte den genauen Wortlaut der Erklärung des Biologen, enthielt sich aber jeglichen Kommentars. Ansonsten machte man sich weidlich über die Entdeckung lustig; man verwendete dieses Thema in heiteren Bühnenstücken, Musicals und hatte es sogar im Text eines sich lange haltenden Schlagers untergebracht. So sah sich Dr. Farnham gezwungen, in aller Öffentlichkeit eine detaillierte Erklärung abzugeben. Er stellte klar, dass er nie behauptet habe, das menschliche Leben ewig verlängern zu können, denn um diese Theorie zu beweisen, müsse ein Mensch zuerst einmal mehrere Jahrhunderte gelebt haben, selbst dann müsse die Behandlung ständig wiederholt werden. Seine Experimente, sagte er, hätten lediglich den Beweis erbracht, dass man die normale Lebenserwartung niederer Tierarten um das Vier- bis Achtfache verlängern könne. Demzufolge wurde ein Mensch, sollte die Behandlung auch bei ihm Erfolg haben, fünf- bis achthundert Jahre leben - lange genug also, um der Vorstellung von Unsterblichkeit Rechnung zu tragen. Gewisse Personen, deren Namen Dr. Farnham nicht nennen wollte, hatten sich bereits einer Behandlung unterzogen, aber natürlich konnte man die Wirksamkeit noch nicht beweisen. Er fügte hinzu, dass die Behandlung harmlos sei, bei der nur ein chemisches Präparat in die Blutbahn geschleust würde. Er wäre ohne weiteres dazu bereit, noch eine begrenzte Personenzahl zu behandeln, falls man den Wert oder den Unwert dieser Methode in Abrede stellen wolle. Für einen Mann wie Dr. Farnham, der stets sparsam mit Worten umging - sei es in der Rede oder in der Schrift war diese Bekanntgabe in der Tat ein Ereignis. So waren seine Anhänger fest davon überzeugt, dass etwas Wahres daran sein müsse. Aber die Psychologie des Durchschnittsmenschen ist so beschaffen, dass die logischen Erklärungen eines Wissenschaftlers nicht überzeugen, sondern eher eine noch größere Verwirrung stiften. Man lächelte also umso mehr je weniger man von dieser Materie verstand.

Neugierige Leute schlichen um Dr. Farnhams Labor herum. Sie starrten ihn an, wohin er auch ging, kicherten und beobachteten ihn. Von überall wurden Kameras auf seine Person gerichtet. Es verging kaum ein Tag, an dem kein Foto von ihm in den Zeitungen erschien, unter dem ein boshafter Text zu lesen war. Meistens erschien Dr. Farnhams Konterfei gemeinsam mit den Fotos von Verbrechern, Boxern und Mördern in der Rubrik Vermischtest Das war für einen Mann, der Dr. Farnhams Lebenseinstellung hatte, eine wahre Tortur. Schließlich konnte er diese Art von Publicity nicht länger ertragen, packte seine Habseligkeiten zusammen und flüchtete aus der Großstadt. Nur wenige seiner engsten Freunde kannten seinen Aufenthalt. Sein plötzliches Verschwinden wirbelte wieder Staub auf und bot den Zeitungsreportern genügend Stoff. Doch dann versickerten die Veröffentlichungen über die Person Dr. Farnhams. Nach einer gewissen Zeitspanne hörte man von ihm und seiner Entdeckung überhaupt nichts mehr.

Nun, Dr. Farnham hatte keineswegs die Absicht, seine Forschungsarbeiten aufzugeben. Als sich der Sturm im Zeitungsblätterwald endgültig gelegt hatte, zog er mit seinen mutmaßlich unsterblichen Versuchstieren und drei älteren Leuten, die sich für die Behandlung zur Verfügung gestellt und sich bereit erklärt hatten, ihr weiteres Leben in seiner Nähe zu verbringen, auf die Insel Abilone. Dort war sein Name so gut wie vollständig unbekannt, und kaum ein Inselbewohner hatte jemals etwas von seinen Forschungsarbeiten gehört. Er kaufte sich ein verlassenes Zuckerrohrgrundstück und glaubte, seine Arbeit unbemerkt und vor allem unbelästigt fortsetzen zu können. Aber er hatte nicht seine Experimente mit den drei Menschen in Erwägung gezogen.

Diese drei ehrenwerten Leute stellten fest, dass die Behandlung erfolgreich war. Sie wurden nicht älter, sondern sogar jünger und vitaler und waren davon überzeugt, dass sie ewig leben würden. Und dieses Wissen konnten sie nun einmal nicht für sich behalten. Sie prahlten damit allen Leuten gegenüber, die sie auf der Insel kennenlernten. Die Weißen auf der Insel lachten, hielten die Burschen für ein wenig verrückt, während die farbige Bevölkerung die Patienten Dr. Farnhams mit abergläubischer Ehrfurcht betrachteten und in Dr. Farnham selbst einen mächtigen und gefürchteten Medizinmann« sahen.

Die Tatsache, dass sein Geheimnis und damit der Grund seiner Anwesenheit auf der Insel durchgesickert waren, beeinträchtigte die Arbeit Dr. Farnhams nicht so stark, wie er anfangs angenommen hatte. Die intelligenten Leute, die natürlich in der Minderheit waren, machten ihre Witze über das, was sie gehört hatten, sobald sie den Wissenschaftler sahen. Aber sie erkundigten sich nie ernsthaft, ob an allen Legenden, die ihn umrankten, etwas Wahres war. Die Mehrzahl mied ihn, als sei er der Satan persönlich, und machte um sein Grundstück einen weiten Bogen, wofür Dr. Farnham nur dankbar sein konnte. Andererseits hatte er keine Gelegenheit, seine Unsterblichkeitsbehandlung an weiteren menschlichen Wesen auszuprobieren. Darum musste er sich zwangsläufig damit begnügen, seine Experimente an niederen Tierarten zu machen.

Schon zu Beginn seiner Experimente hatte er die Entdeckung gemacht, dass der Altersprozess aufgehalten wurde, aber die Jugend kehrte nicht wieder. Mit anderen Worten, ein Lebewesen, das mit seinem Serum behandelt wurde, blieb physisch und geistig auf der gleichen Entwicklungsstufe stehen, sobald man ihm eine Injektion gegeben hatte. Allerdings wurden die Muskeln und die Beweglichkeit der Gelenke günstig beeinflusst; ein Weicherwerden der verhärteten Arterien und eine stärkere Aktivität waren festzustellen.

Die älteste Versuchsperson war über neunzig Jahre alt. Sie war bei Beginn der Behandlung dreiundneunzig gewesen. Der Mann hatte keine Zähne mehr, sein spärliches Haar war schneeweiß, sein Gesicht so faltig und zerknittert wie eine Walnussschale. Er hatte auch einen faltigen, hageren Hals und ging vornübergebeugt. Aber er hatte seine Brille weggeworfen, konnte sehen wie jeder Mensch durchschnittlichen Alters, verfügte über ein scharfes Gehör, war so lebendig und beweglich wie seit langen Jahren nicht mehr und konnte essen wie ein Scheunendrescher. Wie Dr. Farnham die Dinge sah, würde dieser Zustand weiter anhalten. Tagtäglich wurden sein Blutdruck, seine Temperatur und sein Puls sorgfältig gemessen, mikroskopische Untersuchungen seines Blutes vorgenommen, und bis jetzt waren noch keinerlei Anzeichen einer Veränderung seiner Kondition festgestellt worden. Und nichts deutete darauf hin, dass er auch nur einen Tag gealtert war.

 

 

 

2.

 

 

Aber Dr. Farnham war damit nicht zufrieden. Wenn seine Entdeckung für die menschliche Rasse einen wirklichen Wert haben sollte, so musste er erforschen, wie man die verlorene Jugend wenigstens bis zu einer gewissen Grenze zurückholen konnte. Und er arbeitete Tag und Nacht, um dem offenbar Unmöglichen auf die Spur zu kommen und es seinen Zwecken gefügig zu machen.

Zahllose Kaninchen, Meerschweinchen, Hunde, Affen und andere Kreaturen wurden behandelt, unzählige Formeln ausgearbeitet und getestet, endlose und komplizierte Experimente wurden gemacht, dicke Tagebücher geschrieben, Forschungsberichte zusammengestellt und methodisch in die Regale der Bibliothek gestellt.

Doch nach wie vor schien er von einem Erfolg so weit entfernt wie immer. Er wollte nicht, nach seiner eigenen Schätzung, ein Wunder vollbringen und gewaltsam das Unmögliche erreichen. Das menschliche System, oder das System jeder Kreatur, war für ihn eine Maschine - eine Maschine, die über wunderbar perfekte und ökonomische Mittel verfügte. Die Nahrung war der Brennstoff, der Wärme, Kraft und Bewegung produzierte, und der die abgenutzten Teile des gesamten Organismus erneuerte. Ein Vorhandensein der Seele oder des Geistes stellte der Biologe in Abrede, obwohl er zugeben musste, dass es wohl eine die Maschine aktivierende Kraft geben musste, die man sich nicht ganz erklären konnte, und kein Mensch konnte sie künstlich erzeugen. Aber das, so argumentierte er, bedeutete noch lange nicht, dass man das Geheimnis allen Lebens nicht früher oder später entdecken würde. Seiner Auffassung nach war es die »Maschine« des Körpers, die das Leben selbst produzierte. Folglich sah er in dem Geist, der Seele oder der auslösenden Intelligenz, wie er das nannte, das Produkt der Gesamtmaschinerie des menschlichen Organismus.

Der ungeborene Embryo, hatte er einmal gesagt, ist einer unabhängigen Bewegung fähig, aber keines unabhängigen Gedankens. Es atmet nicht, produziert keine Laute, schläft nicht, wacht nicht und ist unabhängig von flüssiger oder kompakter Nahrung und es stößt keine Exkremente aus. Mit anderen Worten, eine komplette Maschine, obwohl noch inaktiv, was die eigene Kraft betrifft; ein Mechanismus wie eine Maschine mit stillgelegten Energien, doch bereit, aktiv zu werden und Resultate zu zeitigen, sobald die Energien wirksam werden. Dieser Augenblick ist der Zeitpunkt der Geburt. Mit dem ersten Atemzug beginnt die Maschine zu arbeiten; Schreie kommen aus den Stimmorganen, Nahrung wird verlangt - und dann beginnt die Maschine eine Intelligenz aufzubauen, bis sie das höchste Stadium erreicht hat. Hat die Maschine ihren Zweck erfüllt, läuft sie wieder langsamer, wechselt die abgenutzten Teile nicht mehr aus, regeneriert sie nicht, bis sie dann schließlich vollständig versagt.«

Nachdem Dr. Farnham sich zu der Erkenntnis durchgerungen hatte, dass jede lebende Kreatur im Grundprinzip eine Maschine war, musste das wiederum zu der Erkenntnis führen, dass man die abgenutzten Teile nur zu regenerieren brauchte, um die >auslösende Intelligenz auch dann mobil zu halten, wenn der Mechanismus seinen ursprünglichen Zweck erfüllt hatte. Und eine derartige Beeinflussung schien dem Wissenschaftler gelungen zu sein. Tiere, die er behandelt hatte und die jetzt seit Jahren unter Beobachtung standen, hatten ihre normale Lebenserwartung weit überschritten. Sie wiesen keinerlei Spuren von Gefäßverhärtungen, Verkalkungen oder einen Zerfall der Drüsen auf.

Außerdem hatte Dr. Farnham entdeckt, dass die behandelten Lebewesen Nachkommen erzeugen konnten, die gleichfalls gegen Alterserscheinung immun waren. Doch gerade hier stand Dr. Farnham vor einer unüberwindlichen Mauer. Ein Wurf junger Kaninchen blieb Monat um Monat das gleiche blinde, nackte und hilflose embryonische Etwas, das es zum Zeitpunkt der Geburt gewesen war. Zweifellos wären die winzigen Tiere wer weiß wie lange so winzig geblieben, hätte ihre Mutter sie nicht - ungeduldig oder angewidert - getötet. Wie dem auch sei, Dr. Farnham hatte den Beweis, dass das Resultat dieser Behandlung erblich war. Er war sicher, dass er mit der Zeit ein Schema entwickeln würde, das den Altersprozess in jeder x-beliebigen Lebensetappe zum völligen Stillstand bringen konnte. Und hierin lag die Lösung, was die Wiederherstellung der echten Jugend betraf. Nicht dass es ihm möglich war, einen alten Menschen in einen jungen zu verwandeln, aber alle künftigen Generationen würden - wenn sie es wünschten und er die endgültige Formel entdeckte - jung und vital bleiben, und zwar zu einem Zeitpunkt ihres Lebens, den sie selber bestimmen konnten. Sie konnten - je nachdem - zwanzig, dreißig oder auch vierzig Jahre alt bleiben. Für alle Zeiten! Kam jemand durch einen Unfall ums Leben, so stand das auf einem völlig anderen Blatt, der nichts mit Dr. Farnhams Erfindung zu tun hatte. Als Dr. Farnham seine Forschungsarbeit in diese Richtung lenkte, machte er eine erstaunliche Entdeckung, die seine weiteren Pläne veränderte.

Er hatte an einer völlig neuen Kombination seines Hauptziels gearbeitet und einem chloroformierten Meerschweinchen ein wenig Serum injiziert, um die Veränderungen in den verschiedenen Organen zu beobachten. Zu seinem größten Erstaunen sprang das Tier, das praktisch tot gewesen war, plötzlich auf und lief so quietschvergnügt herum wie immer. Dr. Farnham war sprachlos. Die kleine Kreatur war seit Stunden physisch tot gewesen - sein Körper war steif - und doch war es plötzlich in jeder Beziehung lebendig.

Konnte es möglich sein, dass das Meerschweinchen sich lediglich in einem Zustand der Betäubung befunden hatte?

Oder war es möglich - und Dr. Farnham zitterte bei diesem Gedanken vor Erregung -, dass sein Serum ein totes Lebewesen wieder lebendig gemacht hatte?

Er wagte kaum zu hoffen, dass dieses der Fall gewesen war. Um sicherzugehen, nahm er ein Kaninchen, setzte es unter eine Glasglocke und ließ eine Äthermenge einströmen, die ausgereicht hätte, mehrere Menschenleben zu zerstören. Dann zwang er sich zur Geduld, wartete, bis der Körper des Kaninchens erkaltet und die Leichenstarre eingetreten war. Selbst dann war Dr. Farnham noch nicht mit dem Ergebnis zufrieden. Er untersuchte die Augen des Kaninchens, horchte mit einem Stethoskop auf etwa vorhandene Herztöne und öffnete sogar eine Beinschlagader des Kaninchens. Kein Zweifel, das Tier war wirklich tot.

Mit nervösen, aber doch zielstrebig arbeitenden Fingern setzte er dann die Injektionsnadel in das Genick des Kaninchens und injizierte ihm eine kleine Menge Serum der neuen Zusammensetzung. Fast unmittelbar danach zuckten die Beine des Kaninchens. Es öffnete die Augen, und während Dr. Farnham noch ungläubig starrte, stand es auf den Beinen und hüpfte davon.

 

 

 

3.

 

 

Hier war eine Entdeckung gemacht worden! Das neue Serum zügelte nicht nur den Altersprozess, sondern erneuerte auch das Leben!

Aber Dr. Farnham war ein hartnäckiger Wissenschaftler und kein Mensch mit romantischen Vorstellungen. Er war sich vollkommen darüber im Klaren, dass seiner Entdeckung Grenzen gesetzt waren. Das Serum konnte nicht wirken, wenn eine Kreatur schwere organische Verletzungen hatte oder an einem organischen Leiden gestorben war. Angesichts dieser Perspektive verglich er, wie üblich, lebende Dinge mit einer Maschinerie.

Man kann einen Uhrpendel anhalten, schrieb er, und der Mechanismus hört auf zu funktionieren, bis der Pendel wieder in Bewegung gesetzt wird. Aber wenn die Uhr infolge einer gebrochenen Feder oder eines defekten Rädchens stehenbleibt, so wird sie nicht früher wieder funktionieren, bis man den beschädigten Teil entweder ersetzt oder repariert hat...

Aber würde seine Behandlungsmethode Tiere wiederbeleben, die auf eine andere Weise als durch Äther gestorben waren? Dieses Problem harrte der Lösung, und Dr. Farnham machte sich sofort an die Arbeit.

Für sein erstes Experiment brauchte er eine Katze, die er der Wissenschaft zu opfern gedachte. Er betäubte und ertränkte sie, um sie erst dann aus dem Wasser zu ziehen, wenn normalerweise jede Wiederbelebung scheitern musste. Nach vier Stunden wollte er die Injektionsnadel mit dem neuen Serum ansetzen. In der Zwischenzeit bereitete er einen weiteren Test vor. Er hatte die verschiedenen Ursachen eines verfrühten Todes überprüft. Abgesehen von organischen Leiden und Tod infolge Gewalteinwirkung gab es Todesfälle durch Ertrinken, Erfrieren, Vergiftungen. Man konnte auch vor Schreck, vor Angst oder aus ähnlichen Ursachen sterben.

Es würde nicht einfach sein, sich alle Menschen zu beschaffen, die auf eine derartige Weise ums Leben gekommen waren, aber er konnte indessen Tierversuche nach dem gleichen Muster machen. Er vergiftete, erfror und vergaste eine Anzahl Tiere.

Dann legte er zunächst die tote Katze auf den Labortisch und gab ihr, ungewohnt aufgeregt, eine Injektion. In genau achtundfünfzig Sekunden nach seiner Uhr begannen die Muskeln der Katze zu zucken, begann die Lunge zu arbeiten, das Herz zu klopfen - und nach zwei Minuten und achtzehn Sekunden saß die Katze auf dem Labortisch und leckte ihr nasses, strubbeliges Fell.

Die Experimente mit den erfrorenen, vergasten und vergifteten Tieren verliefen gleichermaßen erfolgreich. Dr. Farnham war nun fest davon überzeugt, dass - schwere Verletzungen, Zerstörungen lebenswichtiger Organe oder schwerer Blutverlust ausgenommen - jedes tote Tier zum Leben erweckt werden konnte. Natürlich war er nun eifrig bemüht, dieses wunderbare Serum auch an Menschen auszuprobieren. Er ging sofort zum Leichenschauhaus und sagte, er würde bei der nächsten ertrunkenen oder vergifteten Person eine neuartige Methode der Wiederbelebung ausprobieren. Dann suchte er das Krankenhaus auf in der Hoffnung, einen unglücklichen Patienten zu finden, der eines unnatürlichen Todes gestorben war, ohne dass seine lebenswichtigen Organe Schäden erlitten hatten. Wieder wurde er enttäuscht. Wie auch immer, die verantwortlichen Leute versprachen, ihn zu benachrichtigen, sobald ein von ihm gewünschter Fall eingeliefert würde. Anschließend kehrte er in sein Labor zurück und unternahm ausgedehntere Experimente.

Unter anderem wollte er in Erfahrung bringen, wie lange eine Kreatur tot bleiben und dann wiederbelebt werden konnte. Er tötete seine ganzen Versuchstiere, notierte jeweils die Uhrzeit und ließ eine bestimmte Zeitspanne verstreichen, um sie dann wieder zum Leben zu erwecken.

In der Aufregung und der spannungsgeladenen Neugier seines Entdeckungseifers hatte er vergessen, die ertränkte und wiederbelebte Katze einzusperren. Während seiner Abwesenheit hatte sein Diener - der jüngste Mann der drei Unsterblichen - die Katze herumlaufen sehen, sie genommen und einfach zu den anderen Katzen gesteckt. Als Dr. Farnham später ein halbes Dutzend gesund aussehende Katzen als Märtyrer der Wissenschaft auswählte, schloss er in dieser Zahl auch jene Katze ein, die er schon einmal dem Tod entrissen hatte.

Er sperrte die Katzen in eine luftdichte Kammer, die er mit tödlichem Gas füllte. Diesem Gas waren die Katzen eine Stunde lang ausgesetzt. Als das Gas seine Arbeit getan hatte, öffnete Dr. Farnham, der sich eine Gasmaske aufgesetzt hatte, die Kammer, um die Leichen der Katzen herauszunehmen. Man stelle sich seine Überraschung vor, als eine Katze fauchend und miauend, doch nichtsdestoweniger sehr lebendig aus der Kammer sprang und auf einen Tisch flitzte.

Ungewöhnlich! Äußerst ungewöhnlich!, war alles, was der Wissenschaftler sagen konnte. Er blickte vorsichtig in die Kammer und sah alle anderen Katzen leblos auf deren Boden liegen. Ein bemerkenswertes Beispiel einer natürlichen Immunität gegen ein normalerweise unbedingt tödliches Gas! Er schluckte einige Male vor Verwunderung. »Diese Tatsache muss ich notieren!«

Er benötigte einige Zeit, um die aufgeregte und nervös fauchende Katze zu beruhigen. Dann untersuchte er sie überaus sorgfältig und entdeckte dabei die kleine Einstichwunde am Hals der Katze. Nun wusste er, dass es sich um jenes Tier handelte, das er schon einmal wiederbelebt hatte! Die kleine Wunde stammte von der Injektionsnadel. Ein wilder, unmöglicher Gedanke durchzuckte sein Gehirn: Die Katze war unsterblich! Sie würde nicht nur ewig leben, sondern konnte auch nicht getötet werden!

Doch im nächsten Augenblick meldete sich der logische Verstand des Wissenschaftlers zu Wort. »Das ist natürlich unmöglich«, sagte er, »absolut absurd!«

Doch immerhin, dachte er dann, ist es viel absurder als die Tatsache, dass ich tote Kreaturen wieder ins Leben zurückholen kann? 

Vielleicht war das Tier nur gegen gewisse Gifte immun... Aber mit anderen Mitteln konnte man sein Leben gewiss vernichten. Und das muss ich ausprobieren, dachte Dr. Farnham. Er steckte die Katze in eine käfigartige Einrichtung, die er für eine volle Stunde im Wasser versenkte. Nun würde die Katze zum zweitenmal ertrinken. Nach einer vollen Stunde hob er den Käfig aus dem Wassertank - und die Katze saß fauchend in einer Ecke. Alles an ihrem Benehmen deutete darauf hin, dass sie keinerlei Schäden erlitten hatte, aber sich eine derartige Kaltwasserbehandlung ganz entschieden verbat.

 

 

 

4.

 

 

 

Dr. Farnham sank in einen Sessel. Er traute weder seinen Augen noch seinem Verstand. Die Katze quetschte sich durch das Käfiggitter, raste durch das Labor und verschwand schließlich unter einem elektrischen Heizkörper.

Endlich gewann Dr. Farnham seine gewohnte Selbstbeherrschung zurück und dachte über dieses einem Wunder gleichkommende Ereignis nach. War die Katze ertrunken und wiederbelebt worden, so konnte sie später nicht mehr ertrinken. Aber sie hatte ja auch die Gasvergiftung vollkommen heil überstanden. Er musste diese Tatsache gründlicher untersuchen. Ja, er würde die Katze erfrieren lassen... Er lächelte bei dem Gedanken an die Behauptung, dass eine Katze neun Leben habe. Darum würde er noch eine Reihe anderer Todesarten an der Katze ausprobieren. Aber die Katze schien von Dr. Farnhams Experimenten endgültig genug zu haben; sie entzog sich seinem Zugriff, flitzte durch das halb geöffnete Fenster und verschwand auf Nimmerwiedersehen im Gestrüpp.

Dr. Farnham seufzte. Ein überaus interessantes und wertvolles Experiment war buchstäblich zum Fenster hinausgesprungen. Aber er tröstete sich bald. Ihm fiel ein, dass er noch ein Kaninchen und ein Meerschweinchen hatte, die ebenfalls schon einmal wiederbelebt worden waren, und mit ihnen konnte er seine Experimente fortsetzen.

Und Dr. Farnham wunderte sich immer mehr und mehr. Die beiden Lebewesen waren so steif gefroren wie ein Brett. Doch kaum hatte er sie aufgetaut, waren sie so gesund und lebendig wie zuvor. Er vergaste sie, aber ohne jeden Erfolg. Es machte ihnen überhaupt nichts aus. So musste dem Wissenschaftler zwangsläufig der Gedanke kommen, dass seine Behandlungsmethode lebende Wesen unsterblich machte.

Als er sich schließlich davon überzeugt hatte, dass er nicht verrückt, sondern nach wie vor normal war, ließ er sich in den Sessel fallen und brach in ein brüllendes Gelächter aus.

Was würden die Zeitungen in den Vereinigten Staaten dazu sagen? Er konnte nicht nur Menschenleben für ewige Zeiten erhalten, sondern sie waren auch immun gegen viele Todesarten. Personen, die zur See fuhren, brauchten sich nicht mehr vor dem Ertrinken zu fürchten. Elektriker brauchten vor einer Berührung von Hochspannungsleitungen keine Angst mehr zu haben. Polarforscher konnten erfrieren und in diesem Zustand auf die Rettungsmannschaft warten, die sie dann wieder auftau- 4 ten. Ein Gaskrieg war praktisch nicht mehr denkbar.

Dr. Farnham schwirrte der Kopf, wenn er an all die zahlreichen Möglichkeiten dachte. Aber ganz zufrieden war er noch nicht. Bisher hatte er nur mit Tieren experimentiert - aber würde er dieses Wunder auch bei Men' sehen vollbringen? Er dachte daran, es bei seinen drei Getreuen auszuprobieren, doch er zögerte dann. Angenommen, er vergiftete, vergaste oder ertränkte einen der drei alten Männer und der Bursche ließ sich nicht wieder zum Leben erwecken? Hatte er sich dann vor den Augen des Gesetzes eines Mordes schuldig gemacht, selbst wenn der Mann sich freiwillig für dieses Experiment zur Verfügung gestellt hatte? Wagte er wirklich, ein derartiges Risiko in Kauf zu nehmen? Er schüttelte den Kopf, während er darüber nachdachte. Viele Experimente, die bei Tieren erfolgreich waren, konnten bei den Menschen mit einer Katastrophe enden.

Und wie konnte er dann beweisen, dass er imstande war, die Menschheit unsterblich zu machen?