144 Gewürze - Manuela Mahn - E-Book

144 Gewürze E-Book

Manuela Mahn

0,0
29,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Gewürze richtig anzuwenden ist eine Kunst. Mit dem richtigen Gewürzwissen lassen sich neue Aromenwelten entdecken. In diesem großen Standardwerk stehen die Gewürze im Fokus. Dr. Manuela Mahn, eine der namhaftesten Gewürzexpertinnen Deutschlands, stellt von A bis Z 100 Kräuter und Gewürze vor, von Anbau, Ernte, Qualität und Verkostung bis zur Verwendung in der Küche. Dazu gibt es ausführliche Infos zu Aromen-Pairing und Geschmacksakkorden.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 328

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Dr. Manuela Mahn

Fotografie: Maren Eicks

144

Gewürze

Warenkunde · Küchenpraxis · Gewürzkompositionen

Inhalt

Ist Würzen eine Kunst?

Einleitung

Warum waren Gewürze einst so kostbar wie Gold?

Warenkunde

Alles Gewürze, oder was?

Wo liegt der Unterschied zwischen Gewürzen und Kräutern?

Welcher Pflanzenteil wird zum Würzen verwendet?

Welcher Pflanzenfamilie wird das Gewürz zugeordnet?

Pflanzenfamilien

Gibt es Unterschiede bei Gewürzmischungen?

Wie betören Gewürze unsere Sinne?

Welche Grundausstattung benötigt die Gewürzküche?

Grundausstattung

On-Top-Gewürze (für die internationale Küche)

Wie werden Gewürze und Kräuter gut gelagert und routiniert angewendet?

Zehn goldene Regeln im Umgang mit Gewürzen und Kräutern

Wie werden Gewürz- und Küchenkräuter richtig konserviert?

Kräuter an der Luft trocknen

Kräuter in der Mikrowelle trocknen

Kräuter tiefkühlen

Welche Gerätschaften sind sinnvoll für die Gewürz- und Kräuterküche?

Was ist Aroma-Pairing? Was ist Food-Pairing?

Gewürzporträts

Ajowan

Anis

Annatto

Asant

Bärlauch

Basilikum

Beifuß

Berberitze

Bohnenkraut

Bockshornkleesamen

Borretsch

Brunnenkresse

Chilis & Gewürzpaprikas

Currykraut

Dill

Estragon

Fenchel/Gewürzfenchel

Galgant

Gewürznelke

Ingwer

Kapern

Kardamom

Kerbel

Knoblauch

Koriander

Kreuzkümmel/Cumin

Kümmel

Kurkuma

Lavendel

Liebstöckel

Lorbeer

Majoran

Mastix

Meerrettich

Minze

Mohn

Muskatnuss & Macis/Muskatblüte

Oregano

Petersilie

Das große Pfeffer-ABC

Pfeffer grün, schwarz, rot und weiß

Kubebenpfeffer

Urwaldpfeffer/Voatsiperifery

Langer Pfeffer

Schokopfeffer

Assampfeffer

Pfeffrige Konkurrenz

Szechuanpfeffer

Andalimanpfeffer/Indonesischer Zitronenpfeffer

Badrangpfeffer/Mandarinenpfeffer

Timutpfeffer/Nepalpfeffer

Cumeopfeffer/Sil-Timur-Beeren

Tasmanischer Pfeffer/Bergpfeffer

Meleguetapfeffer/Guineapfeffer/Paradieskörner

Kanipfeffer/Selimskörner

Mönchspfeffer/Keuschlamm

Piment

Rosa Beeren/Schinusbeeren

Rosmarin

Safran

Salbei

Schnittlauch

Schwarzkümmel

Senf

Sesam

Sternanis

Süßholz

Sumach

Tamarinde/Indische Dattel/Sauerdattel

Thymian

Tonkabohne

Vanille

Wacholder

Waldmeister

Ysop

Zimt

Zitronengras

Zitrusfrüchte

Zwiebel

Salz

Raffiniertes Tafelsalz

Unraffiniertes Natursalz

Alpen-Ursalz

Kala-Namak-Salz

Rauchsalz

Fleur de Sel/Flor de sal

Hawaii-Salz

Indisches Pyramidensalz

Murray-River-Salz

Aromenwelt Afrika

Berbere Gewürzmischung

Wat Gewürzmischung

Chakalaka Würzsauce

Aromenwelt Orient

Baharat Gewürzmischung

Baharat Barbecuesauce

Zhug Würzsauce

Ras el-Hanout Gewürzzubereitung

Ras-el-Hanout-Peperonata

Dukka Gewürzzubereitung

Tabil Gewürzmischung

Harissa Würzsauce

Harissa-Ananas-Würzsauce

Tahin Würzsauce

Zitronenpüree

Aromenwelt Europa

Kräuter der Provence Gewürzmischung

Tessiner Kräuter Gewürzmischung

Quatre épices Gewürzmischung

Bouquet garni Kräutersträußchen

Persillade Würzsauce

Café de Paris Gewürzmischung

Café de Paris Würzbutter

Italienische Kräuter Gewürzmischung

Gremolata Würzsauce

Salsa verde Würzsauce

Mojo rojo Würzsauce

Kapernsauce

Mediterrane Marinade

Lebkuchen-Gewürzmischung

Glühweinsirup

Wildgewürz

Wildbeize

Bärlauchpesto Würzsauce

Frankfurter Grüne Sauce

Fisch Gewürzzubereitung

Minzsauce Würzsauce

Cumberlandsauce Würzsauce

Zwiebel-Rhabarber-Relish

Aromenwelt Amerika

BBQ-Rub Würzmischung

BBQ-Marinade

Gewürzketchup Würzsauce

Cajun Gewürzzubereitung

Poudre de Colombo Gewürzzubereitung

Chimichurri Würzsauce

Salsa roja Würzsauce

Salsa verde

Aromenwelt Asien

Masala

Garam Masala Gewürzmischung

Chat Masala Gewürzzubereitung

Chettinad Masala

Süßscharfes Chutney Würzsauce

Panch phoron Gewürzmischung

Sambal oelek Würzsauce

Nam prik Würzsauce

Shichimi togarashi Gewürzzubereitung

Gomasio Gewürzzubereitung

Fünf-Gewürze-Pulver Gewürzmischung

Currymischungen

Basis-Currypulver

Scharfes Currypulver

Exotisches Currypulver

Currypulver für Rind Gewürzmischung

Currypulver für Hähnchen Gewürzmischung

Currypulver für Gemüse Gewürzmischung

Register

Über die Autorin/Dank

Impressum und Bildnachweis

Ist Würzen eine Kunst?

Der Begriff »Kunst« wird von nichts anderem als »Können« abgeleitet. Und so verdient die Kunst des Würzens dementsprechend Respekt, denn hier ist neben dem Können Sinnlichkeit und Fingerspitzengefühl gefragt. Entscheidend ist nicht nur »eine Prise hiervon« oder »eine Messerspitze davon«. Würzkunst ist ein komplexes Thema. Denn dieses schließt Kenntnisse mit ein über Herkunft und Anbau, Pflanzenfamilien und Sorten, Qualitätsstandards, Veredelungsprozesse und die relevanten Inhaltsstoffe, die für Geschmack, Aromatik und Schärfe sorgen. Hinzu kommt noch das Wissen über Aroma- und Food-Pairing, also die Kombinierbarkeit mit anderen würzenden Zutaten und Lebensmitteln, sowie der korrekte Einsatz in der Küche und die vielversprechenden Ansätze in der Gewürzheilkunde.

In meinem Buch möchte ich Sie auf diese spannende Reise mitnehmen und in die Welt der Gewürze, Kräuter und weiterer aromagebender Schätze entführen. Erleben Sie würzige Ausnahmetalente aus aller Welt in einer neuen Dimension. Tauchen Sie mit mir ein in die spannende Kulturgeschichte der Gewürze, die von aufregenden Entdeckungsreisen und kriegerischen Eroberungen erzählt, denn die Lieferkette der Gewürze hat einst die Globalisierung mit eingeleitet. Eignen Sie sich botanisches Basiswissen über die wichtigsten Gewürzpflanzen und -sorten an. Lernen Sie die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten von Gewürzen und Kräutern in Kochkunst und Phytotherapie kennen. Kurzum: Lassen Sie sich verzaubern von der Magie der Gewürze.

Erleben Sie in diesem Buch zudem die unterschiedlichen Aromenwelten und erfahren Sie, welche würzigen Kompositionen in den verschiedenen Ländern und Kulturkreisen der Erde traditionell zu finden sind. Tauchen Sie ein in die exotischen Geschmackswelten Asiens, die sinnlichen, opulenten Würzträume des Orients, die grünkräuterige Frische mediterraner Regionen, die kraftvollen Aromen Afrikas sowie in die temperamentvolle Schärfe südamerikanischer Esskultur.

Galten Gewürze früher als teure Luxusgüter, sind diese heute Kult und Trendsetter in Sachen guter Geschmack. Holen auch Sie sich die faszinierenden, facettenreichen Aromen dieser Welt in Ihre Küche und erheben Sie das Würzen zu dem, was es sein sollte: eine echte Kunst!

Spice up your life –

Ihre

Dr. Manuela Mahn

Warum waren Gewürze einst so kostbar wie Gold?

»Bevor der Fluss [Nil] nach Ägypten fließt, legen die Leute, wie dort üblich, am Abend ihre Netze aus, und wenn der Morgen anbricht, finden Sie in Ihren Netzen diese Waren, die man nach Gewicht kauft und dann hierherbringt, als da sind Ingwer […] und Zimt. Man sagt, dass diese Dinge aus dem irdischen Paradies kommen, wo der Wind sie von den Bäumen schüttelt …«

Woher die aromatischen Schätze, die auf den Märkten der Welt in früheren Zeiten angeboten werden, tatsächlich genau stammen, liegt noch weit bis ins Mittelalter hinein im Dunklen und in der Fantasie. Doch wo liegt er nun, der irdische Garten Eden, die Heimat der paradiesischen Gewürze?

Die Menschheit fand schon früh Freude an Gewürzen. Die Zugabe von aromatischen Pflanzenteilen machte die fade, eintönige Nahrung deutlich schmackhafter und so erlebbarer für den Gaumen. Zunächst werden Würzpflanzen dort eingesetzt, wo sie ursprünglich wachsen. Rund 7000 Jahre alte archäobotanische Funde von Chili in Ecuador und von Kümmel aus einer jungsteinzeitlichen Pfahlbausiedlung nördlich der Alpen belegen das.

Erst mit dem Aufkommen des internationalen Handels und der Etablierung weltweiter Handelsrouten werden Gewürze außerhalb ihrer Herkunftsgebiete verfügbar. Es sind zunächst die exotischen Gewürze aus Asien, die auf den langen Weg gebracht werden. Kassia, der Zimt aus China, gehört zu den ersten Gewürzen, die über abenteuerliche Handelswege wie die Seidenstraße bis an die Ufer des Mittelmeeres und des Roten Meeres kommen. Die alten Hochkulturen der Ägypter, der Griechen wie auch der Römer begeistern sich für die würzigen Rinden, die sie nicht nur in der Heilkunde, Kosmetik und Küche schätzen, sondern auch als Räucherwerk in den Tempeln verbrennen. Neben Kassiazimt sind Kardamom, Ingwer und Langer Pfeffer prägende Würzzutaten antiker Kochkunst.

Die Küche des alten Roms neigt zum maßlosen Würzen von Speisen und Getränken. Ein Trend, der sich im mittelalterlichen Abendland fortsetzen und dort seinen Höhepunkt finden wird. Ausschlaggebend hierfür ist sicherlich eine gewisse Eintönigkeit im täglichen Speiseplan. Exotische Speisearomen dienen aber auch dem Wunsch der Reichen und Mächtigen, sich durch eine mit sehr exklusiven und für alle anderen unerschwinglichen Zutaten verfeinerte Kochkunst vom einfachen Volk abzuheben. In einer überlieferten Kochrezeptsammlung aus dem 4. Jahrhundert, die auf den berühmten römischen Feinschmecker Marcus Gavius Apicius (* um 25 v. Chr.; † vor 42) zurückgeht, kommen Pfeffer, Kardamom und Ingwer in Hülle und Fülle zum Einsatz. Vor allem Schwarzer Pfeffer darf an keiner Speise fehlen, eine großzügige Zugabe vor dem Servieren ist offenbar kulinarische Pflicht. Sogar Süßspeisen werden mit den scharfen Pfefferbeeren verfeinert. Zurückhaltung in Sachen Schärfe führt sogar dazu, dass sich in einer Komödie der fiktive Feinschmecker Trimalchio darüber beschwert, dass sein Koch wohl den Pfeffer vergessen habe und somit seinen Ruf als exzentrischer und generöser Gastgeber ruinieren wolle.

Die Bedeutung von Essen und Trinken geht jedoch bereits in der Antike weit über die reine Nahrungsaufnahme hinaus. Neben dem lukullischen Genuss spielen die Gewürze bereits ernährungsphysiologisch eine wichtige Rolle: Gewürze dienen der Gesundheit und werden präventiv zur Vorsorge eingesetzt. So wird in heilkundlichen Schriften Ingwer bei Magen-Darm-Problemen empfohlen und Thymian mit Honig gegen Husten verabreicht.

Mit den Legionären gelangen exotische Gewürze schließlich in unseren Kulturraum, was Pfefferfunde im römischen Militärlager am Rhein belegen, und mit Beginn des Mittelalters will auch die heimische Bevölkerung nicht mehr auf würzige Speisen verzichten, allen voran die Männer der Kirche und der Adel.

Im Mittelalter werden die Begriffe Wurz, Spezerei und Gewürz mit Wohlleben und Luxus assoziiert. Bei den Hochwohlgeborenen gibt es kein Gericht, das nicht großzügig mit Pfeffer, Zimt oder Muskatnuss gewürzt wird. Aromatische Schätze begleiten eine mittelalterliche Mahlzeit über alle Gänge hinweg. Die Speisekarte eines bischöflichen Festmahls gibt Einblick in die opulente Vielfalt: Eiersuppe mit Pfeffer und Safran, gesottener Aal mit Pfeffer und eine Süßspeise mit Pfeffer und Anis. Zum Abschluss solch pompöser Schlemmereien wird süßes Confectum gereicht, zubereitet vom Zuckerbäcker oder Apotheker aus Kardamom, Pfeffer, Gewürznelken, Muskatnuss, Ingwer und Zucker. Diese Nascherei, ein Vorläufer unseres heutigen Weihnachtsgebäcks, wird oft sogar noch vergoldet oder versilbert und erfüllt zwei elementare Funktionen: Zum einen soll sie durch die zugefügten Gewürze den Verdauungsprozess in Gang bringen, zum anderen durch das intensive Aroma sowie die Schärfe auch den Durst der Gäste anregen. Denn auf das Essen folgen die traditionsreichen Trinkgelage, bei denen wichtige Verträge besiegelt werden sowie auf die Treue zu König und Papst angestoßen wird.

Aufgrund ihrer sehr hohen Preise bleiben Gewürze bis ins 15. Jahrhundert den Wohlhabenden vorbehalten. Sie finden sich ausschließlich in den Küchen der Adeligen, des gut betuchten Klerus sowie der reichen Klöster und ab dem 13. Jahrhundert auch bei den vermögenden Stadtbürgern, den Patriziern. Der Großteil der Menschen kann sich Gewürze nur in kleinen Mengen als Naturmedizin leisten. Erst im Spätmittelalter, im goldenen Zeitalter der Handwerker, als die Löhne und damit die Kaufkraft steigen, gönnen sich weitere Bevölkerungsgruppen zumindest an Fest- und Feiertagen zu ihrer Fleischspeise auch exotische Würzen.

Gewürze sind im Mittelalter vorrangig Statussymbole der Reichen, um bei Festgelagen zu protzen und mit ihrem maßlosen Einsatz Wohlstand und Autorität zu demonstrieren. Bei der berühmten Landshuter Hochzeit Georgs des Reichen von Bayern-Landshut im Jahr 1457 werden allein für die Bewirtung der Gäste 386 Pfund Pfeffer, 286 Pfund Ingwer, 205 Pfund Zimt, 105 Pfund Gewürznelken und 85 Pfund Muskatnuss verbraucht: Der Herzog leistet es sich, ein Vermögen für sein Prestige auszugeben.

Die Kochbücher des Mittelalters spiegeln die wichtige Rolle der Gewürze in den noblen Küchen wider. So empfiehlt das »Buoch von guoter Spîse« aus dem 14. Jahrhundert die Verwendung von Pfeffer, Safran, Ingwer, Muskatnuss und Zimt. Genaue Mengenangaben bei den Zutaten fehlen in den Rezepten jener Zeit. Die Köche müssen sich mit Anweisungen wie »versalcz es nit«, »würz es wol« und »so wirt es gut und wolgeschmack« begnügen. Die Würzkunst richtet sich damals also ganz nach dem Gaumen des Leibkochs sowie dem Geldbeutel seiner Herrschaft.

Aber bereits im Mittelalter kommt dem Koch eine über die bloße Essenszubereitung hinaus reichende Funktion zu. Denn »[e]in ordentlicher koch mit wol bereiteter natürlicher speiß ist hie in dieser Zeit der best arzt«.

Rezepte sind damals also weit mehr als reine Kochanleitungen, sondern obendrein konkrete Anweisungen zur guten Ernährung und Gesundheitsprophylaxe. Die mittelalterliche Ernährungslehre greift auf die antike Vier-Säfte-Lehre des griechischen Arztes Hippokrates zurück. Darin werden die Menschen in vier Charaktertypen unterteilt: Choleriker, Melancholiker, Sanguiniker und Phlegmatiker. »Erkennst Du deine Natur, so erkenne auch, was schlecht für Dich ist, und bereite danach Dein Essen zu«, lautet der Ratschlag. Das bedeutet nichts anderes, als dass ein Mensch mit hitzigem Temperament, eben ein Choleriker, besser auf erhitzende und somit anregende Zutaten, wie etwa den scharfen Pfeffer, verzichten soll. Stattdessen wird diesem Charakter angeraten, zu ausgleichenden Nahrungsmitteln zu greifen, die als feucht und kühl eingestuft werden, um Körper und Geist wieder in Balance zu bringen. Und noch heute finden sich klassische Nahrungsmittelkombinationen, die aus dieser Tradition hervorgegangen sind: Karotten mit Petersilie, Gurkensalat mit Dill oder Milchreis mit Zimt. Hier sorgen die Gewürze jeweils für Ausgewogenheit und dadurch für eine bessere Verträglichkeit.

Auch in der Heilkunde des Mittelalters spielen Gewürze eine zentrale Rolle. So wird etwa in den Zeiten der großen Pestepidemien zur Vorbeugung ein Sud aus Ingwer und Salbei empfohlen, auch Pfeffer, Muskatnuss und Nelken werden als Schutzmittel gegen die gefürchtete Seuche eingesetzt.

Die Exklusivität der Gewürze im Mittelalter erklärt sich auch durch deren Herkunft und Handelswege. Der Zugang zu den Gewürzanbaugebieten in Asien ist durch die Vormacht der Muslime und den sogenannten »islamischen Vorhang« blockiert. Bis die Gewürze die europäischen Kunden erreichen, gehen sie durch unzählige Hände, und jeder verdient an der kostbaren Ware, ob Zwischenhändler oder Zollbeamter. Um diesen Missstand zu beenden und auch, um selbst in das äußerst lukrative Geschäft einzusteigen, machen sich gegen Ende des 15. Jahrhunderts die ersten Europäer auf, um einen direkten Seeweg nach Indien, dem verheißungsvollen irdischen Gewürzparadies, zu finden. Es ist Vasco da Gama, der in den Diensten der portugiesischen Krone stehende Seefahrer, der 1498 in Calicut an der vorderindischen Westküste an Land geht und die Intention seiner abenteuerlichen Reise den überraschten arabischen Händlern vor Ort erklärt: »Wir suchen Christen und Gewürze!«

Und noch eine weitere europäische Nation mischt mit: die Spanier. Das Königspaar unterstützt den genuesischen Seefahrer Christoph Kolumbus dabei, einen westlichen Seeweg in das gelobte Gewürzland »Indien« zu finden. Kolumbus, mit einem Mustersäckchen Pfeffer an Bord ausgestattet, entdeckt diesen zwar nicht in der Neuen Welt, bringt dafür aber bisher völlig unbekannte Gewürze mit nach Hause: Vanille, Piment und Chili kommen erstmals nach Europa und sorgen dort in den Küchen schon bald für neue Würzimpulse.

Nach der Landung der Portugiesen in Indien kommen die würzigen Schätze Asiens über die Seerouten in großen Mengen nach Europa. Der Zwischenhandel durch muslimische Kaufleute entfällt, die Preise sinken deutlich. Nun entwickeln sich die Gewürze, allen voran der Schwarze Pfeffer, zu wahren »Volksgewürzen«, der Gewürzkonsum demokratisiert sich. Dieses vergrößerte Angebot wirkt sich jedoch auf die Nachfrage aus: Sind Gewürze im Altertum wie auch im Mittelalter noch hoch geschätzte, kostspielige Speisezutaten mit Exklusivcharakter, nimmt deren Prestige mit dem Preisverlust deutlich ab und findet im Laufe der folgenden Jahrhunderte demzufolge ihre Verwendung in der gehobenen Kochkunst.

Zum beliebtesten Geschmacksbringer ist mittlerweile das Speisesalz aufgestiegen, denn es gilt schon lange nicht mehr als Luxusgut, sondern zählt zu den gut verfügbaren und bezahlbaren Speisezutaten. Als neuer Gaumenkitzel kommt der Zucker hinzu, der aus Zuckerrohr gewonnen wird. Andere exotische Luxusgüter sollen nun die Sinne anregen und das soziale Prestige heben. Und so lösen Kakao, Kaffee und Tee die Gewürze als Statussymbole der Oberschicht ab. Dass diese Pflanzen und die daraus hergestellten Genussmittel auch stimulierende Stoffe beinhalten und gleichermaßen anregend wie aufmunternd wirken, trägt neben ihrer Exklusivität zur schnell wachsenden gesellschaftlichen Akzeptanz und Popularität bei.

Aristokratische Familien, stets Vorreiter in den Kochkünsten, bevorzugen seit dem 16. Jahrhundert Gerichte, die deutlich den Eigengeschmack der Zutaten unterstreichen, und lehnen fortan die Maßlosigkeit im Umgang mit Gewürzen strikt ab. Und so ändert der Adel seine Esskultur, einmal um sich gegenüber dem erstarkenden Bürgertum abzugrenzen, zum anderen, um weiterhin seine Vorbildfunktion zu wahren. Maßgeblich ist nun europaweit die französische Kochkunst, die den individuellen Charakter der Lebensmittel betont und auf eine exquisite Zubereitung der Speisen Wert legt. Nun gilt es als schick, ein »Gourmet«, also ein Feinschmecker zu sein, und nicht, wie bisher, ein »Gourmand«, ein Vielfraß. Die opulenten Gewürze Asiens wie Zimt, Galgant, Muskatnuss und Gewürznelke entsprechen nicht mehr dem vorherrschenden Zeitgeschmack, sind also nicht mehr in Mode. Zunehmender Beliebtheit erfreuen sich hingegen die duftigen Kräuter des Mittelmeerraums wie auch die der heimischen Gärten, und speziell die französische Küche setzt auf die frischen, aparten, grünkräuterigen Buketts, die die weiteren Zutaten eines Gerichts nicht übertönen, sondern deren eigene Dynamik perfekt unterstreichen. Doch nicht nur in der Esskultur verlieren Gewürze zusehends ihre epochenprägende Bedeutung. Ab dem 17. Jahrhundert werden sie in ihrer Funktion als natürliche Heilmittel nach und nach durch chemisch hergestellte Präparate abgelöst.

Erst im 19. Jahrhundert steigt die Nachfrage nach Gewürzen wieder deutlich an. Gründe hierfür sind große Exportmengen, niedrige Preise, Bevölkerungswachstum und ein ansteigender Fleischkonsum. Selbst weit gereiste Gewürze wie Muskatnuss sind nun für (fast) alle erschwinglich.

Noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein verbraucht das Lebensmittelhandwerk den größten Teil aller importierten Gewürze. Heutzutage ist es die Nahrungsmittelindustrie, die rund eine Hälfte aller Würzstoffe verarbeitet, die andere Hälfte verteilt sich auf das Handwerk, die Gastronomie und über den Einzelhandel auf die Verbraucher.

Der mittlerweile weltweite Anbau und die globale Vernetzung garantieren weitgehend eine gleichmäßige Belieferung mit Gewürzen. Damit gehören Gewürze in unserer Zeit zur Grundausstattung jeder guten Küche und Hausapotheke. Und das Repertoire erweitert sich ständig: Zimtblüten, Tonkabohnen sowie Badrang- und Andalimanpfeffer reisen aus weit entfernten Ursprüngen auf schnellem Weg in deutsche Küchen und bereichern die traditionelle Würzkunst um exotisch raffinierte Nuancen. Noch nie war die Vielfalt im Gewürzregal und in den Internetshops so groß wie heute. Beim Würzen ist alles möglich: Hauptsache schmackhaft und kreativ!

Warenkunde

Alles Gewürze, oder was?

Was genau bezeichnet man eigentlich als »Gewürz«? Alles, was das Essen schmackhafter macht? Im Prinzip ja. Aber natürlich gibt es auch hier die berühmten Ausnahmen, die sich aus verschiedenen Definitionsansätzen ergeben.

Umgangssprachlich wird mit dem Begriff »Gewürz« zunächst einmal all das bezeichnet, was zusätzlich Aroma und Geschmack an Speisen und Getränke bringt. Demzufolge zählen nicht nur Pfeffer, Paprika, Kümmel oder Schnittlauch dazu, sondern eben auch Salz. Und warum sollte Salz auch kein Gewürz sein?

Darauf geben die »Leitsätze für Gewürze« als offizielle Vorgaben eine genaue Antwort: »Gewürze und Kräuter sind Pflanzenteile, die wegen ihres Gehaltes an natürlichen Inhaltsstoffen als geschmack- und/oder geruchgebende Zutaten zu Lebensmitteln bestimmt sind. Gewürze sind Blüten, Früchte, Knospen, Samen, Rinden, Wurzeln, Wurzelstöcke, Zwiebeln oder Teile davon, meist in getrockneter Form. Kräuter sind frische oder getrocknete Blätter, Blüten, Sprosse oder Teile davon.« (BAnz. Nr. 183a vom 30.9.1998)

Es werden also ausdrücklich nur Pflanzenteile als Gewürze definiert. Salz, bekanntlich ein Mineral, ist demnach im engeren Sinn eben doch kein »Gewürz«, genauso wenig wie die würzigen Substanzen tierischen Ursprungs: Honig, Anchovis, Fischpaste oder Fleischextrakt.

Wo liegt der Unterschied zwischen Gewürzen und Kräutern?

Über die Feststellung hinaus, dass ein »Gewürz« ein geschmack- und geruchgebender Pflanzenteil ist, gibt es natürlich noch weitere Ansätze, den Begriff mit Inhalt zu füllen. Einer davon setzt das Augenmerk auf geografische Aspekte, genauer auf das Ursprungsgebiet, und unterteilt die würzenden Pflanzen in Gewürze, Gewürzkräuter und Küchenkräuter.

Als Gewürze werden nach dieser Kategorisierung all jene aromatischen Pflanzen eingestuft, die zum Wachstum tropisches oder subtropisches Klima benötigen und einst über lange Handelswege aus Asien oder Amerika nach Europa kamen: Gewürznelke, Muskatnuss, Macis, Zimt, Kardamom, Piment, Pfeffer und Vanille.

Alle diese Gewürze können bis heute nicht, außer in Gewächshäusern unter Einsatz hoher Energie, in unseren Breitengraden kultiviert werden. Sie gedeihen optimal nur in einer begrenzten Klimazone, die sich wie ein breiter Gürtel 20 Grad nördlich und 20 Grad südlich um den Äquator zieht.

Gewürzkräuter wie Rosmarin, Thymian, Salbei, Oregano oder Majoran sind im Mittelmeerraum beheimatet und finden dort bis heute ideale Wachstumsbedingungen vor. Inzwischen werden auch winterharte Sorten gezüchtet, denen die kalten Perioden in Mitteleuropa nichts mehr anhaben und die dann auch bei uns mehrjährig wachsen können.

Küchenkräuter sind in Mitteleuropa bereits heimisch geworden und wachsen problemlos auf dem Balkon und im Garten. Schnittlauch, Petersilie oder Dill können ohne großen Aufwand angebaut werden.

Welcher Pflanzenteil wird zum Würzen verwendet?

Würzende Pflanzen, ob aus den Tropen, der Mittelmeerregion oder der Nachbarschaft, lassen sich aber noch präziser spezifizieren. Als Kriterium gilt dabei der Pflanzenteil, der als Würzzutat verwendet wird. Natürlich kennt auch diese Gliederung Ausnahmen, denn beim Koriander werden sowohl die getrocknete Frucht als auch das frische Grün zum Würzen verwendet.

Blütengewürze: Gewürznelken, Kapern, Lavendel, Safran, Zimtblüten.

Fruchtgewürze: Berberitze, Chili, Gewürzpaprika, Kanipfeffer, Mönchspfeffer, Pfeffer, Piment, Rosa Beere, Sternanis, Sumach, Tamarinde, Wacholderbeeren, Vanille.

Umbelliferenfrüchte: Ajowan, Anis, Dill, Gewürzfenchel, Korianderfrüchte, Kreuzkümmel, Kümmel.

Krautgewürze: Basilikum, Bärlauch, Beifuß, Bohnenkraut, Borretsch, Brunnenkresse, Currykraut, Estragon, Dillspitzen, Kerbel, Koriandergrün, Liebstöckelblätter, Lorbeerblätter, Majoran, Minze, Petersilie, Oregano, Rosmarin, Salbei, Schnittlauch, Thymian, Waldmeister, Ysop.

Rhizomgewürze: Galgant, Ingwer, Kurkuma, Liebstöckelrhizom, Wasabi.

Rindengewürze: Ceylonzimt, Kassiazimt.

Samengewürze: Annatto, Bockshornklee, Kardamom, Muskatnuss, Mohn, Paradieskörner, Schwarzkümmel, Senf, Sesam, Tonkabohne.

Wurzelgewürz: Meerrettich, Wurzelpetersilie, Süßholz.

Zwiebelgewürze: Knoblauch, Schalotten, Zwiebel.

Innerhalb dieser Kategorien lassen sich die einzelnen Würzpflanzen nochmals botanisch unterteilen. So sind innerhalb der Gruppe »Krautgewürze« sowohl Lippenblütler wie Bohnenkraut als auch Korbblütler wie Beifuß zu finden.

Welcher Pflanzenfamilie wird das Gewürz zugeordnet?

Eine weitere Möglichkeit der Differenzierung ergibt sich durch die Zuordnung der Gewürze und Kräuter zu ihren botanischen Pflanzenfamilien. Die größte Gruppe bilden die Doldenblütler (Apiaceae/Umbelliferae) wie Anis, Kümmel oder Fenchel. Typisch für diese botanische Familie ist, dass ihre Mitglieder am Stängelende Blüten und Früchte an Dolden ausbilden. Am zweithäufigsten ist die Familie der Lippenblütler (Lamiaceae/Labiatae) vertreten. Dazu gehören Bohnenkraut, Majoran und Thymian, deren Charakteristikum eine »lippenförmige« Blüte mit angedeuteter Ober- und Unterlippe ist.

Pflanzenfamilien

Annattogewächse: Annatto

Annonengewächse: Kanipfeffer

Berberitzengewächse: Berberitzen

Borretschgewächse: Borretsch

Cassiengewächse: Tamarinde

Doldenblütler: Ajowan, Anis, Asant, Dill, Gewürzfenchel, Kerbel, Koriander, Kreuzkümmel, Kümmel, Liebstöckel, Petersilie

Hahnenfußgewächse: Schwarzkümmel

Ingwergewächse: Galgant, Ingwer, Kardamom Kurkuma, Paradieskörner

Kaperngewächse: Kapern

Korbblütler: Beifuß, Currystrauch, Estragon

Kreuzblütler: Brunnenkresse, Kresse, Meerrettich, Senf, Wasabi

Lauchgewächse: Bärlauch, Knoblauch, Schalotte, Schnittlauch, Speisezwiebel

Lippenblütler: Basilikum, Bohnenkraut, Lavendel, Majoran, Minze, Mönchspfeffer, Oregano, Rosmarin, Salbei, Thymian, Ysop

Lorbeergewächse: Ceylonzimt, Kassiazimt, Lorbeer

Muskatnussgewächse: Macis, Muskatnuss

Myrtengewächse: Gewürznelke, Piment

Nachtschattengewächse: Chili, Gewürzpaprika

Orchideengewächse: Vanille

Pfeffergewächse: Pfeffer, Kubebenpfeffer, Langer Pfeffer, Voatsiperifery Urwaldpffeffer

Rautengewächse: Andalimanpfeffer, Badrangpfeffer, Cumeopfeffer, Kaffirlimetten blätter, Szechuanpfeffer, Timutpfeffer

Sesamgewächse: Sesam

Schmetterlingsblütler: Bockshornklee, Süßholz, Tonkabohne

Schwertliliengewächse: Safran

Sternanisgewächse: Sternanis

Süßgräser: Zitronengras

Sumachgewächse: Mastix, Rosa Beeren, Sumach

Winteracea-Gewächse: Tasmanischer Pfeffer

Zypressengewächse: Wacholder

Gibt es Unterschiede bei Gewürzmischungen?

Gewürze und Kräuter können als Monogewürze, Gewürzkompositionen oder Gewürzsalze eingesetzt werden. Hier die wichtigsten Merkmale zur Einstufung würzender Produkte nach den »Leitsätzen für Gewürze«.

Gewürze: Teile würzender Pflanzen werden als Monogewürze angeboten und nach ihrer Art sowie dem Zerkleinerungsgrad eingeordnet, wie Pfeffer, schwarz, gemahlen. Hier schließt der Begriff auch Gewürz- und Küchenkräuter mit ein, etwa Bohnenkraut, gerebelt.

Gewürzmischungen: Dies sind aromatische Kompositionen, die zu 100 Prozent aus Gewürzen/Gewürzkräutern bestehen und nach ihrer Art (»Kräuter der Provence«) oder ihrem Verwendungszweck (wie »Suppengewürz«) bezeichnet werden.

Gewürzzubereitungen: Werden einem Gewürz oder einer Gewürzmischung noch weitere geschmackgebende und/oder geschmackbeeinflussende Ingredienzen zugefügt, so spricht man von einer Gewürzzubereitung. Der Anteil an Gewürzen in Gewürzzubereitungen muss aber dennoch bei mindestens 60 Prozent liegen.

Würzmischungen: Bei diesen Produkten, die fest oder flüssig sein können, ist alles möglich: Geschmacksverstärker, Speisesalz, Zucker und andere Trägerstoffe dürfen hier zu Gewürzen und Kräutern sowie deren Extrakten mit eingebracht werden, ebenso wie Hefen, Gemüse und Pilze. Hier machen zwei fehlende Buchstaben den großen Unterschied zu Gewürzmischungen: Diese müssen zu 100 Prozent aus natürlichen Gewürzen und Kräutern bestehen.

Gewürzsalze: Bei diesen Würzmitteln handelt es sich um Speisesalz, das mit Gewürzen und/oder Gewürzzubereitungen angereichert wird. Der Anteil an Speisesalz liegt bei über 40 Prozent, der Gewürzanteil bei mindestens 15 Prozent. Die Bezeichnung orientiert sich an der Art (»Mediterranes Gewürzsalz«) oder dem Verwendungszweck (»Gewürzsalz für Pommes frites«).

Würzen: Als Würze, Speise- oder Suppenwürze bezeichnet man flüssige, pastenförmige oder auch trockene Produkte, die den Geschmack von Lebensmitteln beeinflussen. Hergestellt werden diese Würzmittel durch Hydrolyse eiweißreicher Stoffe. Auch Sojasauce gehört zu diesen Würzen.

Würzsaucen: Unter diesem Begriff werden flüssige oder pastenartige Zubereitungen mit einem dominant würzigen Geschmack zusammengefasst. Sie werden aus diversen zerkleinerten und/oder flüssigen Zutaten hergestellt. Beispiele für Würzsaucen sind Curry- oder Grillsaucen.

Wie betören Gewürze unsere Sinne?

Sie erfreuen das Auge mit sattem Grün oder leuchtendem Gelb, sie kitzeln den Gaumen mit einem prickelnden Reiz und verführen die Nase mit Wohlfühlduft: Gewürze, Gewürz- und Küchenkräuter. Es sind deren ätherisches Öl, Scharf-, Bitter- und Gerbstoffe sowie spürbare Reize, die Zunge und Nase so aufregende Erlebnisse bescheren.

»Das Auge isst mit«, heißt es, und tatsächlich reagiert der Körper bereits auf farbige Merkmale. Das goldene Gelb der Kurkuma, das kraftvolle Rot der Gewürzpaprika, das appetitliche Grün frischen Basilikums lassen »das Wasser im Mund zusammenlaufen«, regen mit anderen Worten den Speichelfluss an und setzen somit den Verdauungsprozess in Gang. Wer dieses Potenzial für sich nutzen möchte, sollte auch auf die natürlichen Farbstoffe von Gelbwurzel, Safran und Paprikapulver setzen.

Wenn der warme, balsamische, holzige Duft einer frisch geriebenen Muskatnuss oder das süße, cremige Bukett einer geöffneten Vanilleschote »in die Nase steigen«, wird ein weiterer Prozess aktiviert. Die Geruchsmoleküle docken an den Riechzellen an und lösen Signale aus, die an das Gehirn weitergeleitet werden. Dort werden die Gerüche mit Assoziationen und Emotionen verknüpft. Nach Erkennen des Duftes kommt es zur Ausschüttung von körpereigenen Hormonen. Hier greift das »Geruchsgedächtnis«, das im Laufe eines Lebens unzählige Eindrücke gespeichert hat. So wird Vanille von den meisten Menschen mit Vertrautheit und Geborgenheit verknüpft, Zimt weckt Erinnerungen an Familienfeste und gemütliche Wintertage. Bei einigen Gewürzen wie Zimt, Gewürznelke und Muskatnuss ist mittlerweile bekannt, dass ihre Aromatik zur Freisetzung von Glückshormonen führt. Wer an kalten Tagen dem »Winterblues« verfällt, kann seiner Stimmung mit diesen Gewürzen, frisch im Mörser angestoßen, damit das jeweilige ätherische Öl bestmöglich freigesetzt wird, einen positiven Schub verpassen.

Neben den Aromen, die über die Nase (orthonasal) sowie durch die Mund-Rachen-Nasenverbindung (retronasal) wahrgenommen werden, spielt auch der Geschmack eine Rolle. Dies geschieht durch die Geschmacksknospen der Zunge, die unterscheiden können in:

süß, wie Zucker und Fructose.

sauer, wie Essig und Zitronensaft.

salzig, wie Salz.

bitter, wie Spargel oder Chicorée.

umami (vollmundig, herzhaft), wie getrocknete Steinpilze oder Parmesan.

Das sinnliche Spektrum wird bei einigen der Gewürze noch abgerundet durch Reize, ausgelöst durch scharfe, prickelnde, kühlende oder adstringierende Inhaltsstoffe, die die Schmerzrezeptoren aktivieren. Die feurige Schärfe einer Chilischote oder die mentholige Kühle der Minze wird nicht als Geschmack, sondern als Schmerz empfunden.

Letztendlich ist es aber immer das Zusammenspiel von Optik, Duft, Geschmack und Reiz, das Gewürze und Kräuter als Nahrungsmittel so einzigartig macht.

Welche Grundausstattung benötigt die Gewürzküche?

Nicht nur der Profikoch benötigt in seiner Küche ein solides Equipment zum Würzen. Wer gerne und viel kocht, wird sicher mit anderen Ansprüchen an seine Gewürzausstattung gehen als jemand, der die Welt des Kochens und Genießens gerade erst für sich entdeckt. Eine gewisse aromatische Bandbreite sollte aber in jedem Haushalt, in dem gerne gekocht wird, auf Vorrat vorhanden sein.

Grundausstattung

Naturbelassenes Meersalz, grob (Mühle)

Schwarzer Pfeffer, ganz (Mühle)

Paprika, edelsüß

Chiliflocken (Mühle)

Muskatnuss, ganz (Reibe)

Nelken, ganz (Mörser)

Kümmel, ganz (Mörser)

Wacholderbeeren, ganz (Mörser)

Lorbeerblätter

Vanilleschote

Ceylonzimt, gemahlen

Kräuter (frisch, in Öl eingelegt oder (gefrier-)getrocknet)

Basilikum

Thymian

Rosmarin

Dill

Oregano

Majoran

On-Top-Gewürze(für die internationale Küche)

Grüne Kardamomkapseln (Mörser)

Korianderfrüchte (Mörser)

Kreuzkümmel (Mörser)

Langer Pfeffer (Reibe)

Gewürzfenchel (Mörser)

Geräucherte Paprika (Mörser)

Zimtblüten (Mörser)

Lavendelblüten

Tonkabohnen (Reibe)

Frische Minze

Koriandergrün

Wie werden Gewürze und Kräuter gut gelagert und routiniert angewendet?

Gewürze und Kräuter sind hocharomatische Naturschätze und müssen entsprechend sorgfältig behandelt werden. Nur so ist gewährleistet, dass sie auch nach dem Kauf/der Ernte noch halten, was man sich von ihnen verspricht: hohe Würzkraft, intensive Farbigkeit, duftige Aromatik und einen exquisiten Geschmack.

Zehn goldene Regeln im Umgang mit Gewürzen und Kräutern

1Gewürze möglichst im Ganzen kaufen und erst kurz vor der Verwendung mahlen oder im Mörser zerstoßen. Dabei öffnen sich die Ölzellen und die aromatischen, duftenden Inhaltsstoffe werden freigesetzt.

2Gewürze und getrocknete Kräuter stets trocken, licht- und luftgeschützt aufbewahren. Am besten eignen sich hierzu gut verschließbare (ideal dunkle) Glasgefäße. So verpackt können die aromagebenden, leicht flüchtigen Substanzen nicht so schnell entweichen.

3Gewürze und Kräuter stets kühl lagern, wenn möglich nicht höher als 20 °C. Das bedeutet nicht in der Nähe der Kochstelle, des Backofens oder des Geschirrspülers, da heiße Dämpfe wertvolle Aromastoffe aus den Pflanzenteilen lösen und diese sich sehr leicht verflüchtigen.

4Ganze, getrocknete Gewürze wie Pfeffer, Zimtstangen, Nelken oder Muskatnüsse halten sich, geschützt aufbewahrt, bis zu 36 Monate ohne Aromaverlust.

5Gewürzpulver, ob Einzelgewürz oder Mischung, sind zwar zum täglichen Würzen sehr praktisch, sollten jedoch zügig verbraucht werden. Durch den Mahlprozess sind die Aromazellen bereits geöffnet. Daher können die wertvollen Inhaltsstoffe schnell entweichen. Nach einer Lagerung von neun bis zwölf Monaten lässt die Würzkraft deutlich nach.

6Gewürze lieber nicht in großen Mengen auf Vorrat, sondern häufiger in kleinen Einheiten kaufen.

7Das aufgedruckte Haltbarkeitsdatum (MHD) entspricht bei Gewürzen der Lagerfähigkeit in geschlossener, nicht geöffneter Originalverpackung.

8Getrocknete Kräuter können, richtig gelagert, rund zwölf Monate aufbewahrt werden.

9Für die schnelle Konservierung frischer Kräuter empfiehlt sich das portionsweise Einfrieren.

10Einmal pro Jahr lohnt sich die Inventur im Gewürzschrank. Was nicht mehr aromatisch duftet oder überlagert ist, kann in die Biotonne oder auf den Kompost.

Wie werden Gewürz- und Küchenkräuter richtig konserviert?

Mit etwas Platz und Geduld ist es ein Kinderspiel, den Sommer zu verlängern und Kräuter vom Balkon oder aus dem Garten einfach selbst zu trocknen. Bei den meisten Kräutern ist kurz vor der Blüte die perfekte Zeit zu ernten, da dann das Aroma noch gesammelt in den Blättern sitzt. Bei anderen Gewürzkräutern, wie etwa dem Lavendel, ist die Blüte das würzende Element.

Kräuter an der Luft trocknen

Die Kräuter je nach Wuchshöhe der Pflanze etwa 1–3 Fingerbreit über dem Boden abschneiden.

Beschädigte Blätter oder stark verholzte Stängel entfernen.

Die Kräuter von Erde befreien und Schädlinge entfernen.

Gewaschen werden sollten die Kräuter nicht, nur bei besonderer Verschmutzung. Sonst nur kurz abbrausen.

Je zehn Stängel zu einem lockeren Bündel zusammenfassen und am unteren Ende mit einer Schnur zusammenbinden.

Das Bündel an der Schnur kopfüber an einem schattigen, trockenen und luftigen Ort aufhängen.

Zum Schutz vor Staub und Umwelteinflüssen kann zusätzlich ein Stoffbeutel oder eine Papiertüte über das Kräuterbündel gezogen werden.

Die Kräuter für fünf bis sieben Tage trocknen lassen. Bei kühlen Temperaturen kann der Trocknungsprozess auch mal 14 Tage dauern.

Die Kräuter sind dann gut getrocknet, wenn die Blätter rascheln und beim Reiben leicht zerfallen.

Die getrockneten Blätter vorsichtig über einem Blatt Pergamentpapier von den Stängeln abstreifen.

Mithilfe des Papiers in ein (dunkles) Glas mit Schraubdeckel füllen.

Die getrockneten Blätter erst kurz vor der Verwendung im Mörser zerstoßen, mit den Fingern zerreiben oder in einer Kräutermühle zerkleinern.

Ein beschrifteter Aufkleber zeigt an, welches aromatische Gewürzkraut sich im Glas versteckt.

Kräuter in der Mikrowelle trocknen

Auch in der Mikrowelle lassen sich frische Gartenkräuter ohne großen Aufwand trocknen, um das Aroma zu bewahren.

Die frisch geernteten Kräuter säubern, holzige Stängel entfernen.

Falls nötig, die Kräuter kalt abbrausen, schütteln und zum Trocknen auf Küchenkrepp ausbreiten.

Küchenpapier mit den Kräutern auf einen Teller legen und diesen zusammen mit einem Glas Wasser auf die Drehscheibe der Mikrowelle stellen.

Die Mikrowelle auf voller Leistung für zwei Minuten laufen lassen. Dann die Kräuter einmal wenden und weitere zwei Minuten trocknen.

Die Kräuter aus der Mikrowelle nehmen, auf ein Stück Pergamentpapier legen und abkühlen lassen.

Die getrockneten Kräuter in (dunkle) beschriftete Schraubdeckelgläser füllen. Erst unmittelbar vor der Verwendung zerkleinern.

Kräuter tiefkühlen

Die frisch geernteten Kräuter säubern, holzige Stängel entfernen.

Falls nötig, die Kräuter kalt abbrausen, schütteln und zum Trocknen auf Küchenpapier ausbreiten.

Die Kräuter einzeln oder gemischt klein schneiden oder fein hacken.

Die zerkleinerten Kräuter entweder in Eiswürfelbehälter geben, diese mit Wasser auffüllen und portionsweise einfrieren. Oder die Kräuter in größeren Beuteln oder Behältern ohne Wasser einfrieren. Die Behältnisse sorgfältig beschriften.

Welche Gerätschaften sind sinnvoll für die Gewürz- und Kräuterküche?

Mörser und Stößel, bevorzugt aus Stein/Marmor ermöglichen die einfache Verarbeitung von Gewürzen und anderen Zutaten. Ein solides Gewicht sorgt für einen guten Stand und erleichtert die Arbeit.

Elektrischer Kräuterhacker, am besten kabellos, schneidet frische Kräuter mit superscharfer Edelstahlklinge blitzschnell.

Kräuter- und Gewürzmixer zerkleinert frische Kräuter und mahlt ganze Gewürze zu Pulver. Ideal auch zum Herstellen eigener Gewürzmischungen.

Wiegemesser aus Edelstahl mit Kräuterbrett: Die Arbeitsmulde im Brett erleichtert das Hacken insbesondere frischer Kräuter.

Pfeffermühle und Salzmühle mit justierbarem Mahlwerk, das sich von fein bis grob einstellen lässt und richtig mahlt, nicht nur quetscht.

Chilimühle für alle, die es gerne feurig mögen und am Tisch individuell nachwürzen möchten.

Edelstahlreibe, fein und ultrascharf, für alle harten Gewürze wie Tonkabohne, Muskatnuss und Langer Pfeffer, aber auch zum Abreiben von Zitronenschale.

Was ist Aroma-Pairing?Was ist Food-Pairing?

Sind Gewürze bereits solo ein Gaumenkitzel, erweisen sich Mischungen aus diversen Zutaten oft als wahre Sinfonie an Aromen. Seit Jahrhunderten sind in den Küchen dieser Welt unzählige würzige Kompositionen anzutreffen, die als typisch für die jeweiligen Länder oder Regionen gelten.

Wer Gewürzmischungen, Gewürzzubereitungen und Gewürzsalze selbst herstellen und kreieren möchte, der sollte nicht nur auf sein Gefühl, sondern auf die Wissenschaft setzen. Denn mittlerweile werden Gewürze auf eine ganz neue Weise miteinander kombiniert. War es früher oft ein »gefühlsmäßiges« Zusammenstellen von Einzelkomponenten zu Mischungen, das auf Tradition und individuellem Geschmacksempfinden beruhte, kommt heute die Forschung ins Spiel. Sie analysiert und bestimmt mit modernen Methoden die individuellen Aromakomponenten (Moleküle) und schafft somit die Basis für revolutionäre Variationen.

Gewürze und Kräuter besitzen eine Vielzahl an Aromastoffen im ätherischen Öl. Bei den unterschiedlichen Würzpflanzen lassen sich dennoch gemeinsame, übereinstimmende Schlüsselaromen finden. Werden diese wie im Aroma-Pairing miteinander kombiniert, vertiefen sich die jeweiligen Hauptaromen und treten stärker in den Vordergrund. Ein perfektes Beispiel hierfür sind die bekannten Kräuter der Provence: Thymian, Bohnenkraut, Basilikum und Estragon besitzen überschneidende Aromen, die durch die Paarung ein perfektes, sattes Kräuterbukett entfalten.

Bei der Herstellung von Gewürzkompositionen geht es oft weniger um Vertiefung eines speziellen Schlüsselaromas als vielmehr um einen ausgewogenen Mix unterschiedlicher Komponenten. Hierbei ergänzen sich einzelne Inhaltsstoffe im Aroma-Completing zu einem virtuosen Ganzen. Idealerweise kommen bei einer ausgewogenen Gewürzmischung mehrere Aromen, Geschmacksrichtungen und Reize ins Spiel, wie im Currypulver, wo das Arrangement von Kurkuma (bitter, erdig), Zimt (süß, würzig), Bockshornkleesamen (karamellig, bitter), Ingwer (zitrusartig, scharf) und Schwarzem Pfeffer (zitrisch, holzig, scharf) ein unübertreffliches würziges Feuerwerk erschafft.

Die Basis des Aroma- wie auch Food-Pairings ist die Aromaforschung. Hier steht die Kombination von Lebensmitteln und deren flüchtige Aromastoffe im Vordergrund: Gemeinsame Schlüsselaromen sorgen für eine Harmonie. Das gilt vor allem auch beim Würzen der Nahrungsmittel. Denn die Aromastoffe von Gewürzen und Kräutern unterstützen sich nicht nur gegenseitig, sondern können auch die sensorischen Eigenschaften anderer Lebensmittel beeinflussen. Und somit ergeben sich durch Food-Pairing manch überraschende und spannende Kombinationsmöglichkeiten wie Muskatnuss mit Banane sowie Vanille zu Schweinelendchen. Wer sich mit der Chemie der Gewürze und Lebensmittel auseinandersetzt, dem öffnet sich ein völlig neuer Spielraum für kulinarische Kreativität. Und hier werden letztlich nur zwei elementare Voraussetzungen benötigt: Wissen und Mut.

Gewürzporträts

Ajowan

Trachyspermum ammi L.

Wer mit geschlossenen Augen an frisch gemörserten Ajowanfrüchten schnuppert, wird sich leicht täuschen lassen: Ajowan duftet unverkennbar durchdringlich nach Thymian. Denn ein prägender Bestandteil seines ätherischen Öls ist Thymol, das auch das Aroma des mediterranen Gewürzkrauts Thymian dominiert.

Kulturgeschichte

Auch wenn Ajowan heute in Indien weit verbreitet im Anbau und dort als Heilmittel offiziell anerkannt ist, stammt diese Pflanze ursprünglich aus dem östlichen Mittelmeerraum und kommt erst durch Vermittlung der Griechen in antiker Zeit in das südasiatische Land. Darauf deutet auch der indische Name Yavana, der »Ionische« (Ionier sind ein altgriechischer Stamm) hin, von dem sich die deutsche Bezeichnung Ajowan ableitet.

Pflanzenporträt

Die einjährige Ajowanpflanze mit kahlen Stängeln und federartigen, zarten, dunkelgrünen Blättern gehört zur großen Spezies der Doldenblütler und ist so verwandt mit Kümmel, Kreuzkümmel, Anis sowie Gewürzfenchel. Sie alle teilen sich das charakteristische Merkmal des Blütenstands, der wie ein geöffneter Schirm anmutet. Aus den filigranen weißen Blüten bilden sich nach rund zwei Monaten ovale, flache, rauhaarige, miteinander verbundene Spaltfrüchte. Kurz vor der Reife werden diese geerntet, meist durch Mähdrusch, und getrocknet. Erst durch den Trocknungsprozess entwickeln die Ajowanfrüchte ihre interessante pfefferähnliche Schärfe.

Zum Wachsen und Gedeihen bevorzugt Ajowan, der auch als Äthiopischer Kreuzkümmel, Königskümmel, Kretischer oder Indischer Kümmel bezeichnet wird, sonnige wie trockene Standorte. Ein erfolgreicher Anbau gelingt deshalb nur in tropischen und subtropischen Regionen wie Indien, Pakistan, Ägypten, Äthiopien, Afghanistan, China, Indonesien sowie dem Iran. Trotz wiederholter Versuche seit dem frühen Mittelalter ist es bisher aufgrund des zu kühlen Klimas nicht gelungen, die Ajowanpflanze in nördlicheren Breitengraden anzusiedeln.

Würzprodukt

Gewürzt wird mit den reifen und getrockneten Früchten der Ajowanpflanze. Werden diese vor der Verwendung noch trocken geröstet, entfalten sie ein prägnantes Bukett, dominiert von tiefgründigen Röstnoten.

Küchenpraxis

Das aromatische Spektrum des Ajowan kommt erst richtig beim Anstoßen der ganzen getrockneten Früchte, am besten im Mörser, zur Geltung. Das Gewürz sollte stets erst zum Ende der Garzeit hinzugefügt werden, damit die sensiblen Aromen erhalten bleiben.

Werden die ganzen Ajowanfrüchte leicht trocken angeröstet, bilden sich nussige Aromen, die den Thymiancharakter zurücktreten lassen. Denn durch die Hitzeeinwirkung verflüchtigt sich ein Teil des aromaprägenden Inhaltsstoffs Thymol. Wer den bitteren Geschmack von Ajowan nicht mag, der sollte auf das gemahlene Gewürz zurückgreifen. Dieses ist weniger bitter als die ganzen Früchte und in der Aromatik zurückhaltender als das frisch angestoßene Gewürz. Besonders gut lösen sich die Inhaltsstoffe des Ajowan in Fett, sodass dieser sich in Verbindung mit Butter oder Kokosöl zu aromatischer Hochform entfaltet.

Ajowan ist ein Würzstar der indischen Küche und wird dort bei vielen Speisen verwendet, etwa den Fladenbroten Naan oder Parantha, dem Gemüsesnack Pakora und dem Hülsenfrüchtegericht Dal. Darüber hinaus verfeinern diese Umbelliferenfrüchte Speisen der Orientküche wie Pilaws (Reisgerichte) und eignet sich bestens zum Würzen von Hülsenfrüchten, Kartoffeln, Fisch, sauer eingelegtem Gemüse, salzigem Kleingebäck und in der Kombination mit Korianderfrüchten sowie Gewürzfenchel auch als Brotgewürz.

Aroma-Pairing

Charakter: thymianartig, krautig, holzig, zitrisch, terpentinartig.

Ajowan korrespondiert hervorragend mit dem pikanten, kräftigen Kümmel und Kreuzkümmel, der inspirierenden Schärfe von Ingwer und dem typischen Knoblauchcharakter. Er teilt sich Zitrus- wie Holznoten mit Grünem Kardamom und passt zu Koriandergrün und Minze. Als aromatisches Pendant harmoniert er zudem mit Lorbeerblättern, Muskatnuss sowie Schwarzkümmel und umspielt in Currypulvern all diese würzigen Komponenten.

Food-Pairing

Morcheln lassen sich prima mit Ajowanfrüchten würzen, denn beide verfügen über krautige, grüne, holzige und würzige Aromakomponenten. Bei Brombeeren unterstreichen die Umbelliferenfrüchte exzellent deren dunkelfruchtigen, zitrusartigen, kräuterigen wie holzigen Charakter.

Gewürzwissen

Aus dem ätherischen Öl der Ajowanfrüchte wird Thymol für Arzneimittel gegen Erkältungskrankheiten gewonnen. Ebenso wird das ätherische Öl zur Herstellung von Zahnpasten und Mundwasser genutzt.

Phytotherapie

Getrocknete Ajowanfrüchte sollen die Verdauung unterstützen, daher auch deren bevorzugter Einsatz bei Hülsenfrüchten. Sie sollen Magen- und Darmbeschwerden lindern und ebenso bei Husten oder Asthma bronchiale heilende Wirkung zeigen. Die Inhaltsstoffe, allen voran das Thymol, werden als antibakteriell, antiviral, desinfizierend und schleimlösend eingestuft.

Gaumenkitzel: Ajowan-Rub (Trockenmarinade) für Fisch

Zu gleichen Teilen (je ein Drittel Menge) ganze Ajowanfrüchte, rote Jalapeño-Chiliflocken und Kurkumapulver

Ajowanfrüchte und Chiliflocken im Mörser etwas anstoßen, dann Kurkumapulver untermischen. Vor dem Braten ganze Fische oder Fischfilets mit der Trockenmarinade einreiben. Etwas ziehen lassen und dann vorsichtig in Fett braten.

Anis

Pimpinella anisum L.

Hier heimisch, jedoch in der ganzen Welt zu Hause ist dieses Gewürz aus der Familie der Doldengewächse. Anis gehört zu den Würzpflanzen, die bereits in frühen Hochkulturen eine Rolle in Heilkunde und Esskultur spielen.

Kulturgeschichte

Als eine der am frühesten nachweisbaren Gewürzpflanzen wird Anis im Papyrus Ebers, einer altägyptischen Rezeptursammlung (um 1500 v. Chr.), zur Linderung von Harnwegsbeschwerden und Zahnschmerzen erwähnt. Im antiken Griechenland sowie im römischen Reich gilt Anis als Gewürz des Volkes und wird gerne zum Backen von Brot oder Kuchen verwendet. Auch sind Anisfrüchte eine beliebte Knabberei bei den Gladiatorenkämpfen in Rom. Archäobotanische Grabungsfunde aus dem Kolosseum lassen vermuten, dass die Zuschauer damals zur Beruhigung der Nerven die winzigen Gewürzfrüchte kauten.

Um 812 verfügt Kaiser Karl der Große in seiner Verordnung »Capitulare de villis« den Anbau von Anaesum auf seinen Gütern, und so etabliert sich der Anis als bedeutsame Heilpflanze der abendländischen Klostermedizin. Dies zeigt bereits im 8. Jahrhundert das »Lorscher Arzneibuch«, die älteste deutsche Schrift über Heilmittel, die zur Einnahme von Anis für eine bessere Verdauung, bei Erkältungssymptomen, aber auch zur Bekämpfung der Melancholie rät.

Pflanzenporträt

Anis ist die kleine, kugelige, hartschalige Frucht einer einjährigen Pflanze mit aufrechten Stängeln, die sich nach oben zu kleinen Ästen verzweigen. Die farnartigen Blätter können frisch gepflückt als Würzkraut verwendet werden. Typisch für die Anispflanze sind Doppeldolden mit kleinen weißen Blüten. Aus diesen entwickeln sich dann zweiteilige Spaltfrüchte. Sobald diese sich bräunlich-grün färben, werden die ganzen Pflanzen gemäht und gedroschen. Danach erfolgt noch die Trocknung der Umbelliferenfrüchte.

Seinen Ursprung hat der frostempfindliche Anis wohl in Ägypten sowie in Vorderasien. Die heutigen Hauptanbaugebiete liegen in der Türkei, in Spanien, Ungarn und Ägypten. Deutschland ist als Anbaugebiet einer regionalen Sorte, des Thüringer Anis, bekannt.

Gewürzwissen

Kümmel und Fenchel gehören wie der Anis zur Familie der Doldenblütler (Apiaceae oder Umbelliferae