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Additive Manufacturing (AM) ist der weltweit genormte Begriff für die Fertigungstechnik der Schichtbauverfahren, die als Rapid Prototyping Ende der 1980er-Jahre bekannt wurden und ihren Siegeszug durch alle Branchen angetreten haben. AM ist heute nicht nur ein unverzichtbares Werkzeug zur direkten digitalen Herstellung von Modellen und Prototypen, sondern auch ein Fertigungsverfahren zur Produktion von Endprodukten aus Kunststoff und Metall sowie zur Herstellung von Werkzeugen, Lehren und Formen.
Mit der Vorstellung kleiner und preiswerter Maschinen und dem Vordringen des AM in private Bereiche hat sich der Begriff 3D-Drucker (dreidimensionaler Drucker), 3D Printer, einfach Drucker oder Printer, häufig auch Fabber (von Fabricator; der etwas herstellt) durchgesetzt. Alle Welt spricht daher heute nur noch vom Drucken, wenn es die Anwendung von AM meint. Am anderen Ende der Skala entwickeln sich Industrial Printer zur Serienfertigung individueller Produkte und läuten die Industrialisierung des 3D-Druckens ein.
Das Buch befasst sich mit diesen technischen Aspekten des 3D-Druckens, aber auch mit seinen Auswirkungen auf eine veränderte Methode der Herstellung und damit verbundene Aspekte einer neuen Art der Organisation von Produktion.
Das Buch wendet sich an alle, die mehr über die AM Technologie oder das 3D-Drucken wissen wollen, um die gesamte Breite vom Anschauungsmodell bis zum komplexen, aus Metall gesinterten Produkt kennen zu lernen. Es ist für Studierende, aber auch für Praktiker geeignet und vermittelt schnell und anschaulich die wesentlichen Fakten.
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Andreas Gebhardt Julia Kessler Laura Thurn
3D-Drucken
Grundlagen und Anwendungen des Additive Manufacturing (AM)
Die Autoren:
Prof. Dr.-Ing. Andreas Gebhardt, Geschäftsführer der CP – Centrum für Prototypenbau GmbH, Erkelenz/Düsseldorf Professor an der Fachhochschule Aachen Lehrgebiet: Hochleistungsverfahren der Fertigungstechnik und Additive ManufacturingJulia Kessler, M. Eng., Geschäftsführerin der IwF GmbH, Institut für werkzeuglose Fertigung, Aachen Doktorandin an der Fachhochschule Aachen Lehrgebiet: Hochleistungsverfahren der Fertigungstechnik und Additive ManufacturingLaura Thurn, M. Eng., Doktorandin an der Fachhochschule Aachen Lehrgebiet: Hochleistungsverfahren der Fertigungstechnik und Additive Manufacturing
Alle in diesem Buch enthaltenen Informationen, Verfahren und Darstellungen wurden nach bestem Wissen zusammengestellt und mit Sorgfalt getestet. Dennoch sind Fehler nicht ganz auszuschließen. Aus diesem Grund sind die im vorliegenden Buch enthaltenen Informationen mit keiner Verpflichtung oder Garantie irgendeiner Art verbunden. Autoren und Verlag übernehmen infolgedessen keine juristische Verantwortung und werden keine daraus folgende oder sonstige Haftung übernehmen, die auf irgendeine Art aus der Benutzung dieser Informationen – oder Teilen davon – entsteht.
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© JAHR Carl Hanser Verlag Münchenwww.hanser-fachbuch.de
Herstellung: Jörg Strohbach Umschlagdesign: Marc Müller-Bremer, www.rebranding.de, München Umschlagrealisation: Stephan Rönigk
Print-ISBN: 978-3-446-44672-4 E-pub-ISBN: 978-3-446-45237-4
Verwendete Schriften: SourceSansPro und SourceCodePro (Lizenz) CSS-Version: 1.0
Titelei
Impressum
Inhalt
Vorwort
Danksagung
Über die Autoren
1 Grundlagen der 3D-Druck-Technologie
1.1 Grundbegriffe und Definitionen
1.1.1 Additive Fertigungsverfahren
1.1.2 Prinzip der Schichtbauverfahren
1.2 Anwendungsebenen
1.2.1 Direkte Prozesse
1.2.2 Indirekte Prozesse
1.3 Maschinenklassen für die additive Fertigung
1.3.1 Generische Bezeichnung für AM-Maschinen
1.3.2 Maschinenklassen und Bauteileigenschaften
1.4 Schlussfolgerungen
1.5 Fragen
2 Additive Fertigungsverfahren/3D-Drucken
2.1 Direkte additive Verfahren
2.1.1 Polymerisation
2.1.2 Sintern und Schmelzen
2.1.3 Extrusion/Fused Layer Modeling
2.1.4 Pulver-Binder-Verfahren
2.1.5 Layer Laminate Manufacturing (LLM)
2.1.6 Hybridverfahren
2.1.7 Weitere Verfahren
2.2 Indirekte Verfahren ‒ Folgeprozesse
2.3 Schlussfolgerung
2.4 Fragen
3 Die additive Prozesskette und Maschinen für die Fertigung
3.1 Datenfluss und Prozessketten
3.1.1 Allgemeine AM-Prozesskette
3.1.2 Datenstrukturen und Fehlerbehebung
3.2 Maschinen für die additive Fertigung
3.2.1 Personal Printer
3.2.2 Professional Printer
3.2.3 Production Printer
3.2.4 Industrial Printer
3.3 Schlussfolgerungen und Ausblick
3.4 Fragen
4 Anwendungen der additiven Fertigung
4.1 Automobilindustrie und Zulieferer
4.1.1 Automobilkomponenten ‒ Interieur
4.1.2 Automobilkomponenten ‒ Exterieur
4.2 Luftfahrtindustrie
4.3 Konsumgüter
4.4 Spielzeugindustrie
4.5 Kunst und Kunstgeschichte
4.6 Formenbau (Rapid Tooling)
4.7 Medizintechnik
4.8 Architektur und Landschaftsgestaltung
4.9 Verschiedene Anwendungen
4.9.1 Mathematische Funktionen
4.9.2 3D-Dekorationsobjekte und Ornamente
4.9.3 Aerodynamische und Freiformobjekte
4.10 Schlussfolgerungen
4.11 Fragen
5 Perspektiven und Strategien additiver Fertigung
5.1 Potenziale additiver Herstellungsverfahren
5.1.1 Komplexe Geometrien
5.1.2 Integrierte Geometrie
5.1.3 Integrierte Funktionalität
5.1.4 Multi-Material-Bauteile und Gradientenmaterialien
5.2 Strategien additiver Herstellungsverfahren
5.2.1 Individualisierte Massenfertigung
5.2.2 Persönliche Produktion
5.2.3 Verteilte individualisierte Produktion
5.3 Schlussfolgerungen
5.4 Fragen
6 Materialien und Konstruktion
6.1 Materialien
6.1.1 Anisotrope Eigenschaften
6.1.2 Isotrope Grundmaterialien
6.1.3 Individuell zugeschnittene (graded) Werkstoffe und Kompositwerkstoffe
6.2 Konstruktion
6.2.1 Toleranzen ‒ Vom digitalen Entwurf zum Objekt
6.2.2 Designfreiheit
6.2.3 Relative Passgenauigkeit
6.2.4 Flexible Bauteile, Gelenke, Clips
6.2.5 Lage und Positionierung der Bauteile im Bauraum
6.2.6 Bohrungen (Löcher), Spalte, Stifte und Wände
6.3 Auswahlkriterien und Prozessorganisation
6.4 Schlussfolgerungen und Ausblick
6.5 Fragen
7 Glossar: Begriffe und Abkürzungen
8 Literatur
Rapid Prototyping, Additive Fertigungsverfahren, 3D-Drucken, und die englischen Varianten Additive Manufacturing, 3D Printing, Desktop Manufacturing, sind identische Bezeichnung für die Technologie der Schichtbauverfahren und ihre Anwendung
Die unterschiedlichen Begriffe bezeichnen jene neuen Fertigungsverfahren, denen nachgesagt wird, sie begründeten eine weitere industrielle Revolution. Sie sind geeignet die Produktentwicklung durch schnelle Verfügbarkeit komplexer Prototypen zu beschleunigen und in ihrer Qualität zu verbessern. Sie versetzen uns aber auch in die Lage, direkt und losgrößenunabhängig Endprodukte herzustellen. Damit markieren sie tatsächlich eine Revolution der Fertigungstechnik: Die Wandlung von einer Fertigungstechnologie zur Herstellung großer Serien von gleichen Teilen hin zu einer Serienfertigung von unterschiedlichen Teilen, seien es Einzelteile, beliebige Chargen oder auch Mischungen daraus.
Das 3D-Drucken ist in allen Branchen einsetzbar. Jeder, der mit Konstruktion und Fertigung, aber auch mit strategischer Planung zu tun hat, sollte daher über diese Technologie so viel wissen, dass eine qualifizierte Bewertung und Auswahl erfolgen kann.
Dieses Buch vermittelt in knapper, der Praxis angemessener Form die Grundlagen der Verfahren und zeigt exemplarische Anwendungen. In die Betrachtung werden alle heute verfügbaren Verfahren aufgrund einer Systematik einbezogen, die auch die Einordnung und Bewertung zukünftiger Verfahren ermöglicht. Die große und schnell wachsende Vielfalt unterschiedlicher Maschinen für additive Herstellungsverfahren werden klassifiziert.
Neben den Verfahren werden neue Arbeitsformen diskutiert, die sich aus der digitalen ortsunabhängigen Fertigung ergeben und eine dezentrale Fertigung ermöglichen, die die heutige Produktionsorganisation gründlich verändern könnte.
Ein Glossar unterstützt die tägliche Arbeit mit dem 3D-Drucken und den schnellen Zugang.
Aachen, Oktober 2016
Andreas Gebhardt, Julia Kessler und Laura Thurn
Der interdisziplinäre Charakter des Additive Manufacturings oder 3D-Druckens, aber auch die sehr hohe Entwicklungsgeschwindigkeit weltweit, machen es für eine einzelne Person nahezu unmöglich, das Gebiet vollständig und richtig wiederzugeben.
Deshalb freuen wir uns über vielfältige Hilfe.
Vielen Dank an die Spezialisten vom Centrum für Prototypenbau (CP-GmbH), Erkelenz, die vor allem für den Kontakt zur Praxis sorgten. Besonderer Dank gilt Frau Besima Sümer, Herrn Christoph Schwarz und Herrn Michael Wolf.
Beiträge lieferten die Mitglieder des „GoetheLab for Additive Manufacturing“ der Fachhochschule Aachen. Namentlich bedanken wir uns bei Dawid Ziebura, Alexander Schwarz, Prasanna Rajaratnam, Miranda Fateri (jetzt DLR), Jan-Steffen Hötter (jetzt Overath GmbH), Mirjam Knothe (jetzt MAN), Max Kunkel (jetzt Siemens) und Stefan Thümmler (jetzt CP-GmbH).
Besonderer Dank geht an den Hanser Verlag, insbesondere an unsere Lektorin Frau Monika Stüve.
Andreas Gebhardt, Julia Kessler und Laura Thurn
Dr.-Ing. Andreas Gebhardt, Jahrgang 1953, studierte an der Rheinisch Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen Maschinenbau mit dem Schwerpunkt Motoren- und Turbinenbau. Er promovierte 1986 bei Professor Dibelius mit einer Arbeit über das instationäre Verhalten konventioneller Dampfkraftwerksblöcke.
Von 1986 bis 1991 war er Geschäftsführer eines Spezialbetriebes für Motoreninstandsetzung und die Fertigung von Spezialmotoren und Motorenteilen.
1991 wechselte er in die Geschäftsführung des Laser Bearbeitungs- und Beratungszentrums NRW GmbH (LBBZ‑NRW). Das LBBZ ist auf die lasergestützte Fertigung spezialisiert und beschäftigt sich bereits seit 1992 mit dem Rapid Prototyping.
1997 wurde die CP ‒ Centrum für Prototypenbau GmbH, Erkelenz/Düsseldorf, gegründet, deren Geschäftsführung Andreas Gebhardt übernahm. Die CP-GmbH ist ein Rapid Prototyping-Dienstleister und fertigt Prototypen aus Kunststoff und Metall als Einzelstücke und in kleinen Serien. Vom 3D-CAD über additive Fertigungsanlagen bis hin zum Werkzeugbau verfügt die CP-GmbH über alle Elemente einer vollständig geschlossenen Additive Manufacturing-Prozesskette.
Die praktischen Erfahrungen in der CP-GmbH bilden das fachliche Rückgrat für die in diesem Buch aufbereitete Thematik.
Zum Sommersemester 2000 wurde Andreas Gebhardt als Professor für „Hochleistungsverfahren der Fertigungstechnik und Additive Manufacturing“ an die Fachhochschule Aachen berufen. Dort leitet er im Rahmen des „GoetheLab für Additive Manufacturing“ eine Forschergruppe zum Lasersintern von Metallen (SLM Verfahren), Polymerdrucken, 3D-Drucken (Pulver-Binder-Verfahren), Extrusionsverfahren (FDM) und zum Einsatz unterschiedlicher Fabber. Zum GoetheLab gehört auch der weltweit erste Technologiebus, ein rollendes Labor in einem Doppeldeckerbus, FabBus genannt.
Seit dem Wintersemester 2000 ist Andreas Gebhardt Gastprofessor am City College der City University New York. Im Herbst 2014, wurde er von der Tshwane University of Technology, TUT, in Pretoria, Südafrika zum „Professor Extraodinaire“ ernannt.
Seit 2004 ist Andreas Gebhardt Herausgeber des RTeJournals (www.rtejournal.de), einer „open-access peer review“ online-Zeitschrift für Rapid Technologie.
Julia Kessler, M. Eng. studierte an der Fachhochschule Aachen und hat einen Bachelor in Biomedizinischer Technik und einen Master in Produktentwicklung.
Sie arbeitet seit 2012 als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschergruppe „GoetheLab for Additive“ Manufacturing der Fachhochschule Aachen. Seit 2015 leitet Sie das Team des GoetheLabs, das sich mit der additiven Fertigung von Metallen, Kunststoffen und Keramiken befasst.
Julia Kessler hat sich intensiv mit der Konzeption eines Studiengangs für digitale Zahntechnik befasst und ein Forschungsprojekt zur Kieferaugmentation geleitet. Gemeinsam mit Laura Thurn hat sie das Projekt „FabBus“ ein mobiles 3D-Druck-Labor initiiert und umgesetzt. Auch die Umsetzung eines Online-Moduls „Additive Fertigung/3D-Drucken“ haben Julia Kessler und Laura Thurn gemeinsam geleistet.
Aktuell befasst sich Julia Kessler fachlich und im Rahmen ihrer Promotion mit der konstruktiven Optimierung und der additiven Fertigung von bionischen Gitterstrukturen aus Titan und Edelstahl, sowie neuen Anwendungsbereichen dieser Konstruktionselemente.
Julia Kessler hat 2015 die Geschäftsführung der IwF GmbH (Institut für werkzeuglose Fertigung), einem An-Institut der Fachhochschule Aachen, übernommen. Die IwF GmbH unterstützt Industriepartner besonders bei der Optimierung und Gestaltung der gesamten Prozesskette im Bereich der Additiven Fertigung. Kundenorientierte Forschung & Entwicklung, praxisrelevante Schulungen und individuelle Beratungsleistungen gehören zu den Kernkompetenzen der IwF GmbH.
Laura Thurn, M. Eng. studierte an der Fachhochschule Aachen und hat einen Bachelor als Wirtschaftsingenieurin mit der Vertiefung Maschinenbau und einen Master in Produktentwicklung.
Als Projektingenieurin am Institut für werkzeuglose Fertigung (IwF) hat sie an der Studie: „Generative Fertigung in Deutschland (GENFER)“ gearbeitet, in der der Entwicklungsstand, die Potenziale und Herausforderungen, die Auswirkungen und Perspektiven der 3D-Drucktechnologie in Deutschland durchleuchtet wurden.
Laura Thurn arbeitet seit 2014 als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschergruppe „GoetheLab for Additive Manufacturing“ der Fachhochschule Aachen. Sie leitet dort die Abteilung „Kunststoffe für AM“, die sich u. a. mit dem Aufbau, der Entwicklung und Optimierung von Personal Printern beschäftigt. Die Arbeiten ihrer Gruppe umfassen auch werkstoffkundliche Untersuchungen zur Verarbeitbarkeit der Extrusionsmaterialien und zu den mechanisch technologischen Verhalten der gedruckten Bauteile im Hinblick auf ihre Verwertbarkeit als Produkte.
Laura Thurn hat sich intensiv mit Fragen der Aus- und Weiterbildung auf dem Gebiet des 3D-Druckens befasst und konzipiert Lehrgänge im Bereich AM für unterschiedliche Zielgruppen. In Zusammenarbeit mit Julia Kessler hat Laura Thurn unter anderem ein Online-Modul „Additive Fertigung/3D-Drucken“ entwickelt. Sie ist Mitinitiatorin des rollenden 3D-Drucklabors „FabBus“. Sie war für die Umsetzung der Idee mitverantwortlich, konzipiert zusammen mit Julia Kessler die Lehrgänge und organisiert mit ihr gemeinsam den Einsatz.
Im Rahmen dieses Buches werden das Thema 3D-Drucken aus der Sicht des Anwenders betrachtet und industrielle Anwendungen der „Additiven Fertigungsverfahren“ (im englischen Additive Manufacturing, abgekürzt AM) vorgestellt.
Kapitel 1 enthält einen kurzen Überblick über die Technologie der additiven Fertigungsverfahren und das ihr zugrunde liegende Prinzip der Schichtbauverfahren einschließlich der wesentlichen Definitionen sowie eine Einteilung in Maschinenklassen für die additive Fertigung.
Alle Begriffe werden durch den stufenweisen Aufbau der „AM-Anwendungsebenen“ als Übersichtsschema verknüpft, welches die Definitionen und Abhängigkeiten der verschiedenen Anwendungen zusammenfasst. Im weiteren Verlauf werden diese in Form von typischen Anwendungsbeispielen verdeutlicht. Das vollständige Übersichtsschema der „AM-Anwendungsebenen“ ist in Bild 1.1 dargestellt.
Bild 1.1 Additive Fertigungsverfahren (Additive Manufacturing, AM),Übersichtsschema: Definition der Technologie- und Anwendungsebenen
Ein „Additives Fertigungsverfahren“ (AM) ist ein automatisierter Prozess zur Herstellung maßstäblicher dreidimensionaler physischer Objekte unmittelbar aus einem 3D-CAD-Datensatz (computer-aided design). Er basiert auf dem Schichtbauprinzip und benötigt keine bauteilabhängigen Werkzeuge, wie beispielsweise einen Fräser oder Bohrer. Die Bauteile entstehen durch Auf- und Aneinanderfügen von Volumenelementen (Voxeln). Ursprünglich wurde dieses Verfahren als „Rapid Prototyping“ bezeichnet, wie es auch heute noch häufig genannt wird.
Zusammen mit den „Subtraktiven Fertigungsverfahren“, wie Fräsen oder Drehen und den „Formativen Fertigungsverfahren“, wie Gießen oder Schmieden, stellen „Additive Fertigungsverfahren“ die dritte Säule der gesamten Fertigungstechnologie dar /Bur93/.
Als die ersten Ansätze für „Additive Fertigungsverfahren“ 1987 auf den Markt kamen, wurden diese „Rapid Prototyping“ oder „Generative Herstellung“ genannt. Beide Begriffe sind noch in Gebrauch und in den folgenden Jahren wurden viele abweichende Namen präsentiert und häufig weitere hinzugefügt (z. B. Desktop Manufacturing, Freeform Manufacturing, usw.). Obwohl jede der Bezeichnungen aus dem besonderen Blickwinkel der Erfinder als perfekt betrachtet wird, rufen viele von ihnen Verwirrung hervor. Dies ist oft einer der Gründe, warum sich besonders Neulinge in diesem Industriezweig auf dem Gebiet des 3D-Druckens, der „Additiven Fertigungsverfahren“ verloren vorkommen.
Additive Manufacturing ist das englische Pendant zum deutschen Begriff Additive Fertigungsverfahren. Beide Bezeichnungen sind genormt; in Deutschland in der VDI Richtlinie VDI 3405 [VDI 3405] und in den USA durch die gemeinsamen ISO/ASTM Standards [ISO/ASTM 52900:2015].
3D Printing, im Deutschen 3D-Drucken, verdrängt zurzeit alle anderen Bezeichnungen. Das liegt vor allem daran, dass dieser Begriff sehr einfach zu vermitteln ist. Jeder, der ein Textprogramm (einen Word-Prozessor) bedienen und das Ergebnis mithilfe eines 2D-Druckers als Brief ausdrucken kann, versteht unmittelbar, dass mithilfe eines Konstruktionsprogramms (eines Part Prozessors) und eines 3D-Druckers ein dreidimensionales physisches Bauteil entstehen kann.
Es zeichnet sich heute schon ab, dass ungeachtet gültiger Normen, der Begriff 3D-Drucken in wenigen Jahren als generische Bezeichnung für alle automatisierten Schichtbauverfahren und die Bezeichnung 3D-Drucker oder 3D Printer weltweit akzeptiert sein werden.
3D-Drucken und 3D Printing als generischer Begriff ist nicht mit dem gleichnamigen Pulver-Binder-Verfahren (Abschnitt 2.1.4 „Pulver-Binder-Verfahren“ zu verwechseln.
Um einen ersten Überblick zu erhalten, wird eine kleine Auswahl häufig benutzter Begriffe einer ganzen Gruppe einhergehender Schlüsselbegriffe zugeordnet.
Tabelle 1.1 Übersicht ausgewählter Begriffe mit Schlüsselbegriffen
„additiv“
3D-Drucken (3D Printing) Additive Fertigungsverfahren (Additive Manufacturing, AM) Schichtbauverfahren (Additive Layer Manufacturing, ALM) Direkte additive Fertigung (Additive Digital Manufacturing, DM)
„Schicht“ (layer)
Schichtbauverfahren (Layer Manufacturing, Layer Based Manufacturing) Schichtorientierte Fertigungsverfahren (Layer Oriented Manufacturing)
„schnell“ (rapid)
Schnelle additive Fertigungsverfahren (Rapid Technology) Additive Herstellung von Modellen und Prototypen (Rapid Prototyping) Additive Herstellung von Werkzeugen und Werkzeugeinsätzen (Rapid Tooling) Additive Herstellung von Produkten (Rapid Manufacturing)
„digital“
Direkte additive Herstellung von Produkten (Digital Fabrication) Additive Herstellung von Konzeptmodellen zur Visualisierung (Digital Mock-Up)
„direkt“ (direct)
Direkte additive Herstellung von Produkten (Direct Manufacturing) Direkte additive Herstellung von Werkzeugen, Werkzeugeinsätzen, Lehren, Formen (Direkt Tooling)
„3D“
Additives Herstellungsverfahren „3D-Drucken“ (3D Printing) Generatives Herstellungsverfahren „3D-Modellherstellung“ (3D Modeling)
Darüber hinaus gibt es alle möglichen (und sogar zunächst unvorstellbare) Kombinationen dieser Schlüsselbegriffe. Hinweis: Einige dieser Begriffe unterliegen dem Copyright-Schutz! Außerdem sind zusätzliche Begriffe in Gebrauch, die im Zusammenhang mit neuen und innovativen Herstellungsverfahren gebildet wurden, wie
Desktop Manufacturing (Herstellung im Büro/auf dem Schreibtisch)
On-Demand Manufacturing (Herstellung nach individueller Anforderung)
Freeform Manufacturing (Herstellung von Bauteilen mit beliebigen Freiformflächen)
Da immer viel Zeit verstreicht, bis neu definierte Begriffe allgemein akzeptiert werden, ist nach wie vor eine große Vielfalt verschiedener Begriffe, vermehrt durch Marken- und von Herstellern propagierte Bezeichnungen, in Gebrauch; manchmal sogar in gegenseitiger Konkurrenz.
1.1.2 Prinzip der SchichtbauverfahrenDer Begriff „3D-Drucken“, „Additive Manufacturing, AM“ beinhaltet jeden denkbaren Prozess der Anordnung von Material zur Herstellung eines dreidimensionalen physischen Bauteils (part). Die technische Realisierung des „AM“ gründet aber ausschließlich auf Schichten und wird deshalb als „Schichtbautechnologie“ (layer-based technology oder layered technology) oder „schichtenorientierte Technologie“ (layer-oriented technology) bezeichnet. Daher werden heute Begriffe wie „3D-Drucken“, „Additive Fertigung“, „Additive Manufacturing“, „und „Schichtbautechnologie“ (layer-based technology) gleichbedeutend angewendet.
Wenn zukünftig neue additive Technologien verfügbar sein sollten, wird es erforderlich sein, diese in die gegenwärtige Struktur der „AM“-Begriffe einzuordnen. So wurde zum Beispiel ein Prozess, genannt „Ballistic Particle Manufacturing, BPM“ bereits in den frühen 1990er-Jahren eingeführt, verschwand aber bald darauf wieder. Der Prozess führte dem Bauteil Material aus allen Raumrichtungen zu, indem diskrete Volumina (Voxels) auf das entstehende Objekt mittels Freistrahl aufgetragen („aufgeschossen“) wurden. Diese Technologie war zwar additiv, aber nicht schichtenbasiert.
Additive Herstellungsverfahren (AM) ‒ Prozesskette
„Additive Herstellungsverfahren“ (AM) sind automatisierte und schichtweise wiederkehrende Prozesse, die auf dem Prinzip der Schichttechnologie aufbauen. Sie werden durch eine Prozesskette charakterisiert, die in Bild 1.2 dargestellt ist.
Der Prozess beginnt mit einem (virtuellen) dreidimensionalen CAD-Datensatz, der das herzustellende Bauteil wiedergibt. In der Engineeringphase wird der Datensatz typischerweise mittels 3D-CAD Konstruktion (CAD), durch Scannen oder durch bildgebende Verfahren wie Computer-Tomografie (CT-Scanning) erzeugt.
Bild 1.2 Additive Herstellungsverfahren (AM): Prozesskette
Unabhängig davon wie der 3D-Datensatz erzeugt wurde, wird dieser im ersten Schritt mittels Computer und spezieller Software in Scheiben oder Schichten zerteilt. Als Ergebnis wird ein Satz konturierter virtueller Schichten gleichmäßiger Dicke gewonnen.
Der Datensatz, bestehend aus den Konturdaten (x-y), der Schichtdicke (dz) und der Schichtennummer (oder Z-Koordinate) jeder Schicht wird anschließend einer Maschine übermittelt, die zwei grundsätzliche Prozessschritte je Schicht ausführt, um das Teil zu erzeugen.
Im ersten Schritt wird jede Schicht gemäß der vorgegebenen Kontur und Schichtstärke hergestellt. Dies kann in unterschiedlicher Weise unter Anwendung verschiedener physikalischer Grundlagen erfolgen. Die einfachste Methode ist, die Kontur aus einer Folie oder einer Platte (aus)zuschneiden. Im zweiten Schritt wird jede Schicht mit der vorhergehenden verbunden und bildet dann die oberste Lage des teilweise erzeugten Bauteils.
Schicht um Schicht wächst so das physische Modell vom Boden bis zur Spitze (von unten nach oben), bis das Bauteil fertiggestellt ist.
Bedingt durch die gleichmäßige Dicke der Schichten, weisen alle mittels Schichttechnologie gefertigten Bauteile einen sogenannten Treppenstufeneffekt entsprechend Bild 1.3 (rechts) auf.
Bild 1.3 Prinzip der Schichtbauweise: Konturierte Schichten (links),3D-Objekt erzeugt durch versetzte Schichten (rechts)Quelle: HASBRO/MB Puzzle
Diese grundsätzlichen Schritte, Prozesskette genannt, sind für alle etwas mehr als 200 verschiedenen, heute erhältlichen AM-Maschinen gleich. Die Maschinen unterscheiden sich lediglich in der Art der Erzeugung jeder einzelnen Schicht und in der Weise, wie benachbarte Schichten verbunden werden, um das Bauteil zu formen. Daher sind alle Maschinen, die später in Kapitel 3 „Die additive Prozesskette und Maschinen für die Fertigung“ erläutert werden, durch einige gemeinsame Eigenschaften gekennzeichnet.
Alle Maschinen verwenden einen 3D-Datensatz also ein dreidimensionales, virtuelles Objekt, das auch als „Digitales Produktmodell“ bezeichnet wird.
Die von ihnen gefertigten Bauteile entstehen alle unter Verwendung von Schichten gleicher Stärke, entsprechend der Querschnitte des Produktmodells. Die additive Fertigung ist somit prinzipiell ein 2 ½D-Prozess.
Die Bauprozesse haben keine Wechselwirkung mit der Produktentwicklung, sind also lediglich Faksimiles des digitalen Produktmodells.
Die Maschinen können daher in jedem Stadium der Produktentwicklung und zur Produktion eingesetzt werden.
Die Bauprozesse verwenden prozessorientierte und daher meist auch maschinenspezifische Materialien. Dadurch entsteht eine enge Verknüpfung zwischen Maschine, Prozess und Baumaterial.
In diesem Zusammenhang soll nochmals betont werden, dass additive Herstellungsverfahren Fertigungsprozesse sind.
1.2 AnwendungsebenenDie Mehrheit der an additiven Herstellungsverfahren (AM) Interessierten möchte in erster Linie wissen, wie diese neue Technologie genutzt werden und welche Art von neuen und unterschiedlichen Produkten mithilfe ihrer Anwendung entwickelt werden kann. Darüber hinaus ist es von Vorteil, korrekte und einheitliche Begriffe in den Diskussionen innerhalb der Produktentwicklungsgruppen zu verwenden.
Vielfach wird angenommen, dass jeder der unterschiedlichen additiven Fertigungsprozesse, die im Einzelnen in Kapitel 2 „Additive Fertigungsverfahren/3D-Drucken“ beschrieben werden, an eine bestimmte Anwendung dergestalt gebunden ist, dass ein bestimmter AM-Prozess lediglich für eine einzige oder eine kleine Anzahl von Anwendungen genutzt werden kann, während ein anderer Prozess einzig für eine andere Anwendung geeignet ist. Diese Auffassung führt dazu, dass Interessierte zuerst alle möglichen Prozesse studieren und sich erst danach mit geeigneten Anwendungen beschäftigen.
In der Praxis beginnt aber die Auswahl des am besten geeigneten additiven Fertigungsverfahrens mit der Festlegung der geeigneten Anwendung. Anschließend führen bestimmte Anforderungen wie Abmessungen, gewünschte Oberflächengüte, zulässige mechanische Belastungen, Temperaturen, usw. zur Auswahl des geeigneten Materials und schließlich zur Wahl eines Prozesses oder einer Maschine, die diese Anforderungen in zufriedenstellender Weise erfüllen kann. Grundsätzlich sind unterschiedliche additive Prozesse geeignet, eine bestimmte Aufgabenstellung alternativ zu lösen.
Bevor die unterschiedlichen additiven Herstellungsverfahren (AM) dargestellt werden (Kapitel 2 „Additive Fertigungsverfahren/3D-Drucken“), werden daher die Anwendungsgebiete strukturiert dargestellt.
Dazu müssen die Begriffe „Technologie“ und „Anwendung“ unterschieden werden. „Technologie“ wird definiert als die Wissenschaft von einem technischen Prozess. Sie beschreibt den wissenschaftlichen Ansatz.
Unter „Anwendung“ wird der Einsatz der Technologie zum Nutzen des Anwenders verstanden und dies dementsprechend auch als praktischer Ansatz bezeichnet. Für einen besseren Überblick werden sogenannte „Anwendungsebenen“ definiert. Diese Definitionen werden allgemein akzeptiert, obwohl sie bislang nicht standardisiert sind und trotz aller Bemühungen um Standardisierung teilweise unterschiedliche Begriffe in Gebrauch sind. Wie in Bild 1.4 dargestellt, werden die AM-Technologien durch die Hauptanwendungsebenen, „Rapid Prototyping“ und „Rapid Manufacturing“, charakterisiert.
„Rapid Prototyping“ umfasst alle Anwendungen, die zu Prototypen, Modellen oder zur Visualisierung von Konzepten führen. „Rapid Manufacturing“ wird angewendet, wenn Endprodukte oder schlicht Produkte erzeugt werden.
Bild 1.4 AM: Technologieebene und die beiden Anwendungsebenen „Rapid Prototyping“ und „Rapid Manufacturing“
Alle additiven Fertigungsprozesse werden „Direkte Prozesse“ genannt, um auszudrücken, dass aus dem digitalisierten Datenmodell mittels einer additiven Maschine auf direktem Wege ein physisches Objekt ‒ genannt „Bauteil, englisch: part“ ‒ erzeugt wird. Im Gegensatz dazu werden einige Verfahren als „Indirekte Prozesse“ bezeichnet. Bei diesen Prozessen wird nicht das Prinzip der Schichtbauweise angewendet, sodass sie folgerichtig nicht als AM-Prozesse gelten. Tatsächlich sind indirekte Prozesse Kopiervorgänge, die in der Regel auf Vakuumguss aus Silikonformen (siehe Abschnitt 1.2.2 „Indirekte Prozesse“) beruhen. Da für die indirekten Prozesse additiv gefertigte Bauteile (Prototypen) als Modelle benutzt werden, wurde der Begriff „Indirekte Rapid Prototyping Prozesse“ eingeführt, vermutlich weil er innovativer klingt. Die Verfahrensweise wird in Abschnitt 1.2.2 „Indirekte Prozesse“ beschrieben.
1.2.1.1 Rapid PrototypingMit Bezug auf die Anwendungsebene „Rapid Prototyping“ können zwei Unterebenen festgelegt werden: „Solid Imaging“ (Erzeugung einer dreidimensionalen Abbildung, oder einer Skulptur) und „Concept Modeling“ (Erzeugung eines Konzeptmodells) einerseits und „Functional Prototyping“ (Erzeugung eines Funktionsprototyps) andererseits (Bild 1.5 und Bild 1.8).
Bild 1.5 AM: Anwendungsebene „Rapid Prototyping“;Unterebene „Solid Imaging“ und „Concept Modeling“
„Solid Imaging“ oder „Concept Modeling“ erzeugen eine Bauteilfamilie, die zur Verifizierung eines Basiskonzeptes dienen. Die Teile ähneln einer dreidimensionalen Abbildung oder einer Plastik. In den meisten Fällen können sie nicht belastet werden. Sie vermitteln lediglich einen räumlichen Eindruck zur Beurteilung der allgemeinen Erscheinung und der Proportionen. Daher werden diese Teile auch „show-and-tell models“ (Anschauungsmodelle) genannt. Maßstäbliche Konzeptmodelle werden oft eingesetzt, um komplexe CAD-Zeichnungen zu veranschaulichen. In diesem Zusammenhang werden sie auch als „Datenkontrollmodelle“ (data control models) bezeichnet (Bild 1.6): Die Überprüfung der Bemaßung dient nicht nur der Kontrolle der CAD-Daten, sondern ist auch die Grundlage für sich entwickelnde interdisziplinäre Diskussionen dar, z. B. hinsichtlich Verpackungsfragen. Im Falle des Faltdach-Zusammenstellungsmodells für ein Cabriolet gemäß Bild 1.6 erlaubte das Konzeptmodell, die Ideen der Fachabteilungen für die verschiedenen Aspekte eines Faltdaches ‒ der elektrische Antrieb sowie die Kinematik ‒ abzugleichen.
Bild 1.6 Anschauungs- oder Konzeptmodell: maßstäbliche Zusammenstellung einerDachkonstruktion für ein Cabriolet; „Laser-Sintering“ (Lasersintern), Polyamid1(Quelle: CP-GmbH)
Farbige Modelle, hergestellt mittels des Pulver-Binder-Prozesses „3D Printing“ (3D-Drucken) ‒ Abschnitt 2.1.4 „Pulver-Binder-Verfahren “‒ stellen geschätzte Werkzeuge für die Konzeptentwicklung dar. Die Einfärbung unterstützt das Erkennen problematischer Zonen eines Produktes und dient der Straffung der Diskussion. Bild 1.7 zeigt ein Anschauungsmodell einer aufgeschnittenen Verbrennungskraftmaschine. In der Wirklichkeit ist das Teil natürlich nicht farbig. Die verschiedenen Farben des Modells können z. B. mit den Hauptpunkten der Diskussionsagenda verknüpft werden.
Bild 1.7 Anschauungs- oder Konzeptmodell: Aufgeschnittenes Demonstrationsmodell einer Verbrennungskraftmaschine; „3D Printing“ (Quelle: Z-Corporation)
Bild 1.8 AM: Anwendungsebene „Rapid Prototyping“; Unterebene „Functional Prototyping“
„Functional Prototyping“ (Erzeugung eines Funktionsprototyps) ‒ siehe auch Bild 1.8 ‒ wird angewendet, um eine oder mehrere voneinander getrennte Funktionen des späteren Produktes zu überprüfen und darzustellen oder die Produktionsentscheidung zu treffen, auch wenn das Modell nicht als endgültiges Teil genutzt werden kann /Geb16/.
Wie in Bild 1.9 dargestellt, kann das verstellbare Luftauslassgitter der Klimaanlage eines Pkws dazu verwendet werden, die Luftverteilung in einem sehr frühen Stadium der Produktentwicklung zu überprüfen. Das Bauteil wurde mittels Laser-Stereolithographie in einem Stück gefertigt.
Bild 1.9 „Functional Prototyping“: Einstellbares Luftauslassgitter für einen Pkw;Laser‑Stereolithographie (Quelle: 3D Systems)
Der Stereolithographie Prozess erzeugt eine glatte Oberfläche, die die spätere Serienqualität imitiert. Allerdings ist diese Art der Herstellung bedingt durch die mechanischen und besonders die thermischen Eigenschaften des Materials sowie die Farbe und den resultierenden hohen Preis für eine Serienfertigung nicht akzeptabel. Die beweglichen Teile wurden angefertigt, indem eine Verbindungsschicht innerhalb der Lagerung teilausgehärtet blieb (siehe Abschnitt 6.2.4 „Flexible Bauteile, Gelenke, Clips“). In einem abschließenden Schritt wurde das fertiggestellte Teil gereinigt und speziell das nicht ausgehärtete Material von Hand entfernt. Danach war der Mechanismus zum Test bereit.
Bild 1.10 zeigt das Gehäuse eines Mobiltelefons, das für die Einrichtung eines örtlichen Telekommunikationsnetzes für arme Kommunen entworfen wurde. Das Mobiltelefon wurde von einem niedrigpreisigen Walkie-Talkie (tragbares Wechselsprechgerät) abgeleitet. Um es als Mobiltelefon einsetzen zu können, mussten Lautsprecher und Mikrofon neu angeordnet werden, damit simultanes Sprechen und Hören sowie eine angemessene ergonomische Handhabung ermöglicht wurde. Das zweiteilige Testgehäuse aus ABS-Kunststoff wurde mittels Extrusionsverfahren (FDM, siehe Abschnitt 2.1.3 „Extrusion/Fused Layer Modeling“) erzeugt. Das Unterteil ist zur Aufnahme der elektronischen Bauteile konzipiert, während das obere Teil als Gehäuseabdeckung dient. Für beide Bauteile ist eine perfekte Passform erforderlich.
Der Gehäuseprototyp wurde für den Nachweis der perfekten Passform sowie zur Überprüfung der Handhabung genutzt. Bedingt durch die deutlich sichtbare Extrusionsstruktur sowie die Herstellkosten, die für eine Serienfertigung zu hoch liegen, ist eine Verwendung als Produkt ausgeschlossen.
Bild 1.10 Gehäuse für ein Mobiltelefon; Extrusionsverfahren „Fused Deposition Modeling, FDM“ (Quelle: GoetheLab, Fachhochschule Aachen)
Die Anwendungsebene „Rapid Manufacturing“ umfasst alle Prozesse, die Endprodukte herstellen oder Bauteile liefern, die anschließend zu einem Produkt montiert werden müssen.
Ein durch additive Herstellungsverfahren (AM) erzeugtes Bauteil wird als (End-)Produkt bezeichnet, wenn es alle Eigenschaften und Funktionen aufweist, die im Produktentwicklungsprozess festgelegt wurden. Wenn das erzeugte Teil ein Positiv ist, wird der Prozess „Direct Manufacturing“ (Direktes Herstellungsverfahren) genannt. Ist es ein Negativ, d. h. eine Matrize, eine Form oder eine Lehre, wird es als „Direct Tooling“ (Direkte Herstellung von Werkzeugen, usw.) bezeichnet.
„Direct Manufacturing“ führt zu Produkten, die direkt im AM-Prozess erzeugt werden (Bild 1.11). Dazu ist eine schon recht große Materialauswahl aller wichtigen Materialarten (Kunststoffe, Metalle und keramische Materialien) verfügbar (siehe Abschnitt 6.1.2 „Isotrope Grundmaterialien“).
Für die Funktion des Bauteils ist es wesentlich, dass das Material und der Herstellungsprozess genau die mechanisch-physikalischen Eigenschaften erzeugen, die bei der Konstruktion (allgemein dem Engineering) festgelegt wurden. Ist das gewährleistet, dann ist es weniger wichtig, dass die verwendeten Materialien mit denjenigen identisch sind, die in einem vergleichbaren konventionellen Prozess verwendet werden.
Bild 1.11 AM: Anwendungsebene „Rapid Manufacturing“; Unterebene „Direkt Manufacturing“
Bild 1.12 „Direct Manufacturing“: Dreiteilige Dentalbrücke, direkt nach der Fertigung, ohneEntfernung der Stützstrukturen (links), nach dem Finishing (rechts), Selektives Laserschmelzen (SLM); CoCr-Legierung (Quelle: GoetheLab, Fachhochschule Aachen)
Bild 1.12 zeigt eine dreiteilige Dentalbrücke aus einer CoCr-Legierung, die durch Selektives Laserschmelzen (Selective Laser Melting, SLM) hergestellt wurde. Der Datensatz wurde durch einen digitalisierten Abdruck des Patienten generiert. Unter Anwendung einer professionellen Dentalsoftware (3Shape) wurde die Dentalbrücke konstruiert und mittels SLM direkt angefertigt. Nach der Feinbearbeitung und Anpassung war die Brücke fertig zur Applikation beim Patienten. Im Vergleich zu herkömmlichen Vorgehensweisen war die Anfertigung der direkt hergestellten Brücke schneller bei perfekter Passform und vergleichbaren Kosten.
Ein Scharnier für die Abdeckung eines Flugzeugtriebwerks (Bild 1.13, oben) wurde für die Anfertigung mittels „Direct Manufacturing“ überarbeitet und getestet. Es wurde ein bionisch orientierter Entwurf ausgearbeitet, der zu einer Gewichtsreduzierung von 50 % führte, jedoch mittels mechanischer Bearbeitung nicht mehr herstellbar war. Das Teil ist in Bild 1.13 unten abgebildet. Das Teil wurde dann mittels AM-Metallverarbeitungsprozess durch Selektives Laserschmelzen (SLM) angefertigt. Es bestand die herkömmlichen Tests und arbeitete tadellos.
Bild 1.13 Direct Manufacturing: Scharnier einer Abdeckung eines Flugzeugtriebwerks (unten) im Vergleich zu einem herkömmlich gefertigten (oben), Selektives Laserschmelzen, SLM, Edelstahl (Quelle: EADS)
„Rapid Tooling“ umfasst alle additiven Fertigungsprozesse, die zu Kernen, Kavitäten oder Einsätzen für Werkzeuge, Matrizen oder Formen führen. Dabei müssen zwei Unterebenen unterschieden werden: „Direct Tooling“ (Direkte Werkzeugherstellung) und „Prototype Tooling“ (Herstellung von Werkzeugprototypen).
„Direct Tooling“ ist aus technischer Sicht gleichwertig mit „Direct Manufacturing“, wobei allerdings Werkzeugeinsätze, Matrizen und Formen in Serienqualität erzeugt werden (Bild 1.14).
Obwohl die Werkzeugkonstruktion vordergründig lediglich die Inversion des Produktdatensatzes (Umkehrung Positiv zu Negativ) ist, ist es angesichts der komplexen Detailkonstruktion gerechtfertigt, sie einer eigenen Unterebene zuzuordnen.
Dazu ist es für die spätere Produktion mit dem Werkzeug erforderlich, die Trennebenen festzulegen, Schrumpfvorgänge zu berücksichtigen, Entformungsschrägen einzubringen, Auswerfer zu dimensionieren, etc. Die Werkzeugherstellung erfordert in der Regel einen metallbearbeitenden Prozess und Maschinen, die für diesen Prozess konstruiert wurden.
„Direct Tooling“ bedeutet nicht, dass ein komplettes Werkzeug hergestellt wird. Tatsächlich werden vor allem Werkzeugeinsätze (Kavitäten) oder Schieberelemente erzeugt. Das gesamte Werkzeug entsteht durch Zusammenbau der Einsätze und Standardkomponenten oder Einsätzen wie bei einer herkömmlichen Werkzeugfertigung.
Bild 1.14 AM: Anwendungsebene „Rapid Manufacturing“, Unterebene „Direct Tooling“
Bild 1.15 Direct Tooling: Formeneinsatz mit konturangepassten Kühlkanälen (dunkel) und pneumatischer Auspresseinrichtung (weiß); Lasersintern/Laserschmelzen (Laser Cusing), Werkzeugstahl (Quelle: Concept Laser GmbH)
Die schichtenbasierte Technologie aller additiven Herstellungsverfahren erlaubt die Erzeugung werkzeuginterner Hohlstrukturen. So können zum Beispiel Formeneinsätze mit inneren Kühlkanälen hergestellt werden (Bild 1.15, rechts), die der Kontur des Werkzeugeinsatzes unterhalb dessen Oberfläche folgen (Bild 1.15, links). Diese Methode wird „Conformal Cooling“ (konturangepasste Kühlung) genannt, da die Anordnung der Kühlkanäle der Kontur der Form folgt. Aufgrund der verstärkten Kühlung kann die Zykluszeit für ein Kunststoff-Spritzgussbauteil erheblich verkürzt und so die Produktivität deutlich gesteigert werden. Darüber hinaus kann mithilfe der Anordnung von Heiz- und Kühlkanälen ein integriertes Wärmeverteilungssystem konstruiert und damit wirkungsvollere Werkzeuge gestaltet werden.
Bild 1.16 Stahlform für Blasformen; Direktes Laserschmelzen (SLM) (Quelle: EOS GmbH/Agie Chamilles)
Um eine Stahlform für die Herstellung von Golfbällen zu erzeugen, ist eine hohe Präzision erforderlich. Mithilfe des direkten Laserschmelzens (SLM) wurde eine endformnahe Struktur (near netshape) additiv hergestellt (Bild 1.16). Es ist ein gutes Beispiel dafür, wie mit additiven Herstellungsverfahren und anschließender hochpräziser mechanischer Bearbeitung wie Hochgeschwindigkeitsfräsen und Erodieren (EDM) der Gesamtprozess optimiert werden kann.
„Prototype Tooling“: Eine Form in Serienqualität ist häufig zu zeit- und kostenintensiv für die Fertigung von Kleinserien. Werden nur wenig Teile benötigt oder häufig Details verändert, genügt in der Regel eine aus einem Ersatzmaterial hergestellte vorläufige Form den Anforderungen. Diese Art von Form weist die Qualität von Funktionsprototypen auf, entspricht jedoch zumindest teilweise der „Direct Tooling“-Anwendungsebene. Die entsprechende Anwendungsebene bewegt sich zwischen „Rapid Prototyping“ und „Rapid Manufacturing“. Diese Unterebene wird als „Prototyp Tooling“ (Herstellung von Prototyp-Werkzeugen) bezeichnet Bild 1.17). Sie wird auch „Bridge Tooling“ genannt, obwohl diese Bezeichnung auch für nachrangige Rapid Prototyping Prozesse verwendet wird (siehe Abschnitt 1.2.2 „Indirekte Prozesse“).
Ein aus Polyamid hergestellter Werkzeugprototyp ist als Beispiel in Bild 1.18