50 Dinge, die ein Norddeutscher getan haben muss - Ulfert Becker - E-Book

50 Dinge, die ein Norddeutscher getan haben muss E-Book

Ulfert Becker

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Beschreibung

Es gibt Dinge, die nur im Norden möglich sind, und die man als Norddeutscher unbedingt einmal im Leben gemacht haben sollte! Dies sind zum Beispiel Dinge, wie: -Lütt un Lütt richtig trinken -nach Büttenwarder pilgern -eine Nacht auf der Davidwache verbringen -für einen Hotdog nach Dänemark segeln -bis zum Kopf in Sand eingebuddelt sein und, und und.. Das Buch für alle Norddeutschen und Fans vom platten Land!

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50 Dinge, die einNorddeutschergetan haben mussUlfert Becker | Werner Momsen

Inhalt

Vorwort

Die Obstblüte im Alten Land bestaunen

Das norddeutsche Wetter Wetter sein lassen

Einen Flachköpper

In den Süden gereist sein

Krabben pulen

In einem Theaterstück op Platt mitspielen

Weltumrundungen und anderes

Eine Hafenrundfahrt in Hamburg machen

Auf einem Leuchtturm heiraten

Skandinaviern beim Verladen von Bierpaletten helfen

Poppen am Strand

Konis DDR-Bar in Neu-Brandenburg besuchen

Boßeln

La Paloma singen

Den Skilift am Bungsberg bezwingen

Wattwandern

Norddeutsch essen

Am Anbaden teilnehmen

Nach Büttenwarder pilgern

Nord- und Ostsee gleichzeitig sehen

Bei Jessy auf dem Hamburger Fischmarkt einen Kaffee trinken

Vor Helgoland ausbooten

Beim Wacken-Open-Air rocken

Auf den Michel hoch

Angeln

Einen norddeutschen Wein verköstigen

Bis zum Kopf in Sand eingebuddelt sein und dann

„Moin“ sagen

Mit dem Tretboot nach Polen strampeln

Rock ’n’ Roll im Watt

Eine Brücke bauen

Mit Nordseewasser taufen

Sich auf der Alster sportlich betätigen

Lütt un Lütt richtig trinken

Seehunde und Robben beobachten

Gegen den Wind pinkeln

Für einen Hotdog nach Dänemark segeln

Eine Nacht in der Davidwache verbringen

Eine Strandburg bauen

Lesen

Bei einer Schiffstaufe dabei sein

Mit der Kutsche nach Neuwerk fahren

Die wahre Geschichte des Rattenfängers von Hameln erzählen

FKK

Schafe streicheln

Mit der Pünte fahren

Das Brockengespenst jagen

Am Müritzschwimmen teilnehmen

Auf ein Windrad steigen

Danksagung

Impressum

50 Dinge, die ein Norddeutscher getan haben muss ...

„... ach, die kann man doch ganz schnell an einer Hand abzählen!“

Das sagt sich so leicht – alsbald blickt man aber peinlich berührt auf die fünf Finger, die man gerade in die Höhe hält – und beginnt zu stottern …

Zumindest uns, den Autoren dieses Buches, ging es so, nachdem wir – unabhängig voneinander – von drei sehr netten Redakteuren des NDR-Fernsehens gefragt wurden, ob wir nicht Lust hätten, eine Sendung zu diesem Thema zu machen. Klar hatten wir Lust – als waschechten Nordlichtern war es uns eine Ehre, an diesem norddeutsch-fundamentalen Projekt teilnehmen zu dürfen!

Schon während der Planungsgespräche stellten wir jedoch fest, dass die Fragestellung des Projektes ihre Tücken hatte: Denn was sollte wirklich jeder Norddeutsche einmal gemacht haben? Was ist wirklich so einzigartig im Norden, dass man es nur hier und nur als Bewohner dieser Region unbedingt getan haben muss?

Was die Hand vorschnell hochtrieb – das waren am Ende doch zumeist eher regionale Angelegenheiten: einen Wunschbrief in den Hochzeitsbaum von Eutin stecken, ein sehr spezielles Getränk mit einem ausgesprochen ekeligen Namen in einem anrüchigen Lokal auf dem Hamburger Berg trinken, ein Fußballspiel von ... ja, was denn nun: dem FC Sankt Pauli oder doch eher Hannover 96? sehen ... Das alles war nicht generell norddeutsch, nur partiell ...

Klar, ein paar Sachen lagen schon auf der Hand: Ein Norddeutscher muss z. B. einfach mal im Watt gewesen sein, Grünkohl essen und auf das Wetter sch...! Den besonderen Kick lieferten aber erst die Fernsehzuschauer, Radio-Hörer und Internet-User des NDR, die dazu aufgerufen wurden, uns ihre persönlichen Favoriten mitzuteilen; am Ende hatten wir über 200 Vorschläge beisammen – und damit die Qual der Wahl. Diese mussten wir allerdings nicht alleine treffen: Im Internet konnte jeder ein Votum für seinen persönlichen Liebling abgeben – die meisten Stimmen gingen übrigens an den Vorschlag Poppen am Strand ...

Aus diesem allgemeinen Meinungsbild und den originellsten Vorschlägen jenseits des Normalen stellten wir eine – hoffentlich als allgemeingültig anerkannte – Liste von 50 Dingen zusammen, die man als Norddeutscher wirklich einmal getan haben muss.

Ein paar Einreichungen fassten wir zu einem Thema zusammen oder modifizierten sie leicht. Auf vieles wären wir aber von selbst niemals gekommen – ein großer Dank dafür an alle NDR-Freunde!

Viele Tage gingen wir danach auf Reisen durch den ganzen Norden, um die 50 Dinge persönlich Punkt für Punkt auf ihre Tauglichkeit und Wahrhaftigkeit zu überprüfen. Das Ergebnis dieser Reise ist der Film 50 Dinge, die man als Norddeutscher getan haben muss. Als großes Glück erwies es sich, dass wir Herrn Werner Momsen aus Hamburg als Führer durch den Pflichtenkatalog gewinnen konnten: Durch seine Spontaneität und Fragelust auch in heiklen Interviewsituationen konnten wir vielen Dingen noch tiefer auf den Grund gehen (man beachte allein, wie geschickt er die Sicht der Hessen auf die Norddeutschen auf den Punkt gebracht hat!). Dieses Buch schrieben wir parallel zu alledem – mal noch unter dem Eindruck des unmittelbar Erlebten, meist aber doch eher auf Basis von theoretischem Wissen, das wir uns zu den jeweiligen Punkten angelesen hatten.

Wir hoffen nun, dass das Ergebnis allen – egal, ob norddeutsch oder von anderswo, egal, ob begeisterter Zuschauer der Sendung 50 Dinge ... oder Fernsehmuffel – gefällt! Dass es dem eingefleischten Nordlicht neue Impulse zum Meistern der letzten Herausforderungen in seiner Region gibt. Und dass schon bald viele Menschen stolz ein Exemplar dieses Buches vorzeigen können, in dem alle 50 Dinge abgehakt sind ...

Viel Spaß dabei wünschen

Ulfert Becker & Christopher Braun!

(Und Herr Momsen natürlich.)

Das norddeutsche Wetter Wetter sein lassen

Der Himmel graut, als gäb’s kein Morgen, der Regen scheint wie eine Wand. Der Wind, der pfeift gar unaufhörlich, und trotzdem lieben wir das Land!

Das Wetter – ob nun nass, ob kalt, das ist uns schietegal.

Die Obstblüte im Alten Land bestaunen

... und dann vielleicht auch noch mal bei der Ernte dabei gewesen sein.

Es ist Ende April, vielleicht auch Anfang Mai – jene Zeit also, in der im Norden fast immer Kaiserwetter herrscht. Die Tage sind sonnig und warm, der Himmel strahlend blau, das junge Grün der Felder und Wälder leuchtet fast wie von selbst. Die Natur hat die graue Starre des Winters abgeschüttelt und scheint nun eine Art Jubellied auf das Leben zu singen.

Kommt man allerdings ins Alte Land, eine Region südwestlich von Hamburg, auf der anderen Seite der Elbe, dann scheint es einem, als sei man urplötzlich wieder in den Winter zurückversetzt – in einen traumhaften freilich: Boden und Bäume liegen, so weit das Auge reicht, über und über mit einem rosig strahlenden Schnee bedeckt, in der Luft wirbeln und tanzen seine Flocken im hellen Frühsommerlicht! Fast blendet einen diese Pracht – und so erkennt man, nachdem man sich verwundert die Augen gerieben hat, erst auf den zweiten Blick, dass es sich in Wahrheit nicht um einen geheimnisvollen Winterzauber, sondern um Blütenschnee handelt. Das Alte Land ist nämlich das Reich der Obstbäume – und die stehen in dieser Zeit halt gerade in voller Blüte. Ein fantastischer Anblick, den jeder Norddeutsche einmal genossen haben muss! Mit einer gewissen Ehrfurcht am besten – denn wahrscheinlich haben die meisten Äpfel, die er im Laufe des Jahres verzehrt, hier ihren Ursprung. Mit seinen gut 14.000 Hektar Anbaufläche gilt dieses Gebiet zwischen Jork und Francop nämlich als das größte zusammenhängende Obstanbaugebiet Mitteleuropas: Die Wetterbedingungen – mildes, feuchtes Seeklima – sind hier sehr günstig, der Marschboden unglaublich fruchtbar – perfekt für die Aufzucht von Äpfeln, Birnen und ein paar Kirschen! Bereits im 17. Jahrhundert wurde in dieser Gegend nachweislich Obst in großem Stil angebaut, zum ganz großen Boom kam es allerdings erst im 19. Jahrhundert, als die Früchte mithilfe moderner Transportmittel und -wege auch zu weit entfernten Abnehmern transportiert werden konnten.

Die leckeren Vitaminspender haben die Bewohner des Alten Landes sehr wohlhabend gemacht – man sieht es an den prächtigen Bauernhäusern und Kirchen in diesem Landstrich. Die Vorfahren der meisten dieser Obstbauern sind irgendwann im Mittelalter aus Holland hierher eingewandert – als Aufbauhelfer Nord, sozusagen. Damals lag nämlich das fruchtbare Marschland noch brach, weil die Elbe es regelmäßig überflutete. Die Holländer brachten ihr fortschrittliches Know-how in Sachen Landgewinnung und Deichbau ein – und machten die Gegend urbar. Aus dieser Zeit stammt übrigens auch der merkwürdige Name Altes Land: Als solches bezeichneten die Landgewinner damals nämlich jene Gebiete, die durch Deiche und Gräben für die Agrarwirtschaft bereits nutzbar gemacht worden waren. Das Gegenteil war das Neu Land, also die ungesicherten Marschwiesen. Irgendwann war die gesamte Elbaue kultiviert, bis direkt an das Flussufer heran gab es also nur noch Altes Land – und der einstmals rein technische Begriff blieb als Ortsbezeichnung einfach bestehen.

Die Blütenpracht des Frühjahrs ist natürlich unübertrefflich – aber einen besonderen Reiz hat auch die Erntezeit im goldenen Oktober, wenn überall an den schier endlosen Obstbaumreihen die köstlichen Früchte hängen. Sich unbemerkt ein paar davon zu pflücken und in die Tasche zu stecken, ist allerdings fast unmöglich, denn in den Plantagen herrscht emsiges Treiben: Weil das Obst punktgenau vom Baum muss, sind Tausende von Saisonarbeitern für einige Wochen fast rund um die Uhr mit dem Pflücken beschäftigt. Die guten Früchte werden entweder sofort an den Markt ausgeliefert oder aber in Kühlhallen in Stickstoffat mosphäre auf Abruf gelagert. Aus dem weniger guten Obst werden Säfte gefertigt – für die das Alte Land gleichfalls berühmt ist. Die sollte übrigens auch jeder Norddeutsche mal getrunken haben!

Einen Flachköpper

Der Flachköpper ist eine hoch komplexe Variation des gemeinen Kopfsprungs, die sich in Norddeutschland ausgeprägt hat. Das liegt vor allem an den topografischen Besonderheiten der Gewässer dieser Weltgegend. Anders als z. B. an bayrischen Bergseen oder den mediterranen Badebuchten der Insel Capri, wo die Küsten schroff abfallen, geht es an Nord-und Ostsee immer nur mit einem sehr sanften Gefälle in das Wasser hinein.

Am Strand von St. Peter-Ording beispielsweise, muss man fast eine Viertelstunde in das kühle Nass laufen, bis man auch nur bis zu den Hüften darin steht – zumindest bei Ebbe. Der Südländer hingegen steigt in seinen besonnten Landen einfach auf einen Felsen, jodelt einmal fröhlich und verschwindet mit einem beherzten Sprung kopfüber vollends im metertiefen Wasser. Ob er dies nun mit einem Einfallswinkel von 20 oder 85 Grad tut, ist herzlich egal: Sicher landet er immer im feuchten Element; seine Schwungenergie wird nämlich durch die Viskosität des H2O schnell und sanft abgebremst, sodass er keinen Bodenkontakt fürchten muss. Daher ist im Süden auch praktisch jede Art von Kopfsprung möglich.

Der Norddeutsche hingegen lebt in dieser Hinsicht ausgesprochen gefährlich: Will er sich, den Kopf voran, ins erfrischende Bad stürzen, muss er sehr genau den Eintrittswinkel zur Wasser oberfläche bedenken. Ist dieser nämlich zu klein, bremst das Wasser den Schwung nicht ausreichend ab – und der kühne Springer rammt mit dem Kopf in den Meeresgrund. Das kann im schlimmsten Fall mit Genickbruch – also: tödlich – enden oder zu einer Querschnittslähmung führen. Aber auch leichtere Unfälle – wie z. B. mit dem Kopf im schlammigen Wattboden stecken zu bleiben – sind unangenehm genug und schnell passiert.

Ist allerdings der Eintrittswinkel zur Wasseroberfläche zu groß, klatscht man mit zu viel Körperfläche auf die Wellen, was sehr schmerzhaft ist und zu inneren Verletzungen führen kann. Zudem geschieht es bei diesem sogenannten Bauchklatscher häufig, dass der Springer nicht genügend Vorwärtsschwung aufbringt, das Wasser ihn in der Folge also nicht ausreichend abbremst, und er mit seiner kompletten Vorderseite auf bzw. in den Grund gelangt. Diese letzte Variante ist besonders peinlich, wenn Umstehende von aufstiebenden Schlammspritzern beschmutzt werden.

Es ist allerdings möglich, auch in eine Wassertiefe von guter Kniehöhe mit einem eleganten Sprung einzutauchen: mit dem Flachköpper eben! Die Norddeutschen haben seit Jahrtausenden ihre Technik dafür perfektioniert. Das Geheimnis liegt in eben genau jenem Eintrittswinkel, mit dem der Körper ins Wasser gleitet: Es gibt nämlich einen idealen, mit dem der Sprung auch bei geringen Tiefen so großartig gelingt, wie bei den berühmten Todesspringern von Mexiko, die von 30 Meter hohen Klippen in die tosende Gischt tauchen. Nach einer Meldung der TU Niebüll hat eine Forschergruppe dort kürzlich den definitiv superoptimalen Winkel für den Flachwasser-Eintritt ermittelt: 62,4639°.

Diese Meldung ist noch nicht bestätigt, die Zahl scheint aber ganz plausibel. Aber egal, ob nun ein paar Grad mehr oder weniger: So halbwegs sollte jeder Norddeutsche einen eleganten Flachköpper hinbekommen – Kopfsprung kann ja jeder ...

In den Süden reisen

Süden ... Spanische Strände, italienische Olivenhaine – oder vielleicht gar karibische Inseln? Mindestens einmal im Leben sollte jeder Norddeutsche (der ja womöglich ein Nachfahre von kühnen Seefahrern oder weitreisenden Kaufleuten ist, die seine Weltgegend hervorgebracht hat) in die Ferne gereist sein. „Die Norddeutschen sind so tolerant, dass sie sich über ihren Horizont begeben und auch die anderen Ecken der Welt erkunden sollten“, schreibt Herr H. aus Algermissen zu seiner Einreichung des Themas an den NDR.

So zieht es denn auch Herrn Momsen eines Tages nach Süden: Er wagt den großen Schritt und übertritt die Grenze von Niedersachsen ... nach Hessen! Der erste Ort dieser fremden Welt, in den er im lieblichen Werratal gelangt, heißt Blickershausen. In der Mittagshitze – nennen die Einheimischen das nicht Siesta? – dösen Dorfhunde und Fachwerkhäuser, hinter den Fassaden vermutlich die Bewohner. Am Giebel des einen Gebäudes klafft ein Loch und überhaupt stapelt sich hier überall alter Krempel. So fremd kommt der Süden Herrn Momsen gar nicht vor: Ein wenig erinnert es ihn hier sogar an den Hof von Kurt Brakelmann (S. 62).

Da, endlich ein Mensch! Vor der Radler Ranch sitzt Dieter. Dieter kann viel über Hessen erzählen, denn er ist Hesse. So erfährt Herr Momsen schon beim Händedruck, dass die Hessen sich gut anfassen lassen. Ja, Dieter weist extra darauf hin, dass seine Hand kerniges Material sei.

Wie übrigens auch alles andere an ihm. Herr Momsen verzichtet dankend dar-auf, das nachzuprüfen. Unbeirrt davon fährt Dieter mit seiner anthropologi-schen Studie des Südländers fort: „Beim Hessen fangen die Menschen erst an! Der Hesse ist ein richtiger kerniger, vorstehender Mann!“ Herr Momsen kann den genauen Sinn dieser Worte nur erahnen; sie klingen zwar deutsch, sind aber eben ... hessisch. „Vor dem Hessen ist ja noch nichts gewesen“, doziert Dieter weiter. Schon gar nicht in Niedersachsen, auf der anderen Seite des Flusses. Da hat der gute Mann nämlich jahrelang gearbeitet. Aber Nachteiliges fällt ihm über die Bewohner des Nachbarlandes dann doch nicht ein: „Ich kann nichts anderes dazu sprechen, um diese Menschen in ein anderes Licht zu setzen.“ Herr Momsen hat langsam den Dreh mit dem Hessischen raus: Man muss es einfach wie Bundestagsreden – ansehen, sich die meisten Worte also schlichtweg wegdenken. „Der Hesse ist ein Mensch, der an erster Stelle steht, der den Niedersachsen mit Sicherheit überlegen ist. Ich möchte sagen: fast in allen Punkten. Wenn man abends Fernsehen anschaut, dann sieht man schon in der Hessenschau*: HESSEN VORN! Und jeder ist stolz, dass er ein Hesse sein kann.“

Herr Momsen stellt trocken fest, dass Eintracht Frankfurt in der 2. Bundesliga spielt und Hannover 96 in der Ersten. „Ja klar, das würden die doch freiwillig machen“, sagt Dieter, damit sie spielbar bleiben. Momsen entgegnet ein höfliches: „Aha“, mit bedeutender Generalpause im Anschluss. Dieter nickt noch lange gravitätisch – und schweigt dann ebenso. Ob ein Niedersachse denn Hesse werden könne, greift Herr Momsen den Faden endlich wieder auf. „Nein, ein Niedersachse kann kein Hesse werden, weil ihm Wissen fehlt, Elan, Dampf ...“ Ja genau, das habe er auch gleich gespürt, als er in das Dorf kam, bestätigt Herr Momsen: „Hier dampft, hier brennt die Hütte, die Aura, nein: die Dampfhülle der Menschen hier ... Da kommt man gar nicht durch.“

„So wird’s sein, ja!“, kann Dieter nur zustimmen. Aha, der Hesse versteht also keine Ironie, denkt sich Herr Momsen.

Das Gespräch kommt auf das Verhalten eines Nicht-Hessen in Hessen. Das sei eigentlich ganz einfach, erklärt Dieter: Man muss sich allem, was auf einen zukommt, anpassen. Trotzdem kann man „natürlich, selbstverständlich seine Meinung voll und ganz vertreten“ – sogar als Norddeutscher. Wenn man als solcher also sagt: „Der Hesse ist schlechter als der Niedersachse“, dann würde ihm der Hesse das gar nicht übel nehmen.

Nur glauben würde er es nicht. Er weiß ja schließlich, dass es nicht stimmt. Dieters Frau sitzt inzwischen ein wenig abseits bei uns und sagt kein Wort. „Sie ist etwas scheu, wenn fremde Männer da sind“, erklärt Dieter.

Vor vielen Jahren kam sie aus Niedersachsen – nein: aus Westfalen! – zu ihm und fühlt sich seitdem pudelwohl in Hessen. Vorsichtshalber hat Dieter ihr den Pass weggenommen. Herr Momsen – ganz Hanseat – geht auf dieses Thema nicht weiter ein, stellt dann aber trotzdem noch die Frage, wie denn die Hessin