A. N. G. E. L. Band 1 - Kyles Auferstehung - Carolina Möbis - E-Book

A. N. G. E. L. Band 1 - Kyles Auferstehung E-Book

Carolina Möbis

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Beschreibung

Die Notärztin Taurie Kellahan und ihr Team von schwer bewaffneten Kämpfern reisen in ihrem Schiff, der Silver Lining, auf entlegene Planeten und sogar in Kriegsgebiete, um den Kunden der A.N.G.E.L. Corporation das Leben zu retten. Doch als Taurie auf einem Schlachtfeld ihren seit Jahren totgeglaubten Bruder findet und entgegen den Vorschriften heimlich mitnimmt, wird ihr gewohntes Leben aus dem Gleichgewicht gerissen. Der unerwartete Tod eines wichtigen Patienten ruft skrupellose Konzernkiller auf den Plan, die Jagd auf die A.N.G.E.L machen. Schließlich ist allen klar, dass Taurie und ihre Crew sich einen mächtigen Feind geschaffen haben. Die Frage nach dem Warum führt sie auf eine gefahrvolle Reise durch die Galaxis.

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Kapitel 1 - Routineeinsatz

Kapitel 2 - Totgesagte leben länger

Kapitel 3 - Unbedeutende Details

Kapitel 4 - Station Trafalgar

Kapitel 5 - Troubleshooter

Kapitel 6 - Violence

Kapitel 7 - Gejagt

Glossar

Impressum

Copyright © Yellow King Productions 2022

Mario Weiß

Neuöd - Gewerbepark 12a

D - 92278 Illschwang

E-Mail: [email protected]

Web: www.yellow-king-productions.de

Autorin: Carolina Möbis

Herausgeber: Mario Weiß & Christian Renner

Lektorat: Annie Wilkes, Mario Weiß

Cover: Colin Winkler

eBook-Erstellung: Birgit Arnold

ISBN: 978-3-946309-67-3

Carolina Möbis

A.N.G.E.L.

Band 1

Kyles Auferstehung

Einleitung

Im Jahr 2998 ist die Menschheit längst zu den Sternen vorgestoßen und hat hunderte fremder Welten besiedelt. Nationalstaaten haben ausgedient, stattdessen wird das Sternenreich der Menschen von den Big Five regiert: fünf mächtigen Megakonzernen, auch Pentos genannt, die ihre Streitigkeiten vor dem Konzernrat der Sol-Allianz auf der Erde austragen oder, wenn das nicht funktioniert, ihre Konzerntruppen oder Söldnereinheiten gegeneinander schicken.

Die außerirdischen Spezies, denen die Menschen begegnet sind, wurden im Lauf der Geschichte entweder ausgelöscht oder unterjocht. „Angegliedert“ nennen es die Konzerne. „Sklavenarbeit“ nennen es die wenigen Aufrührer und Anarchisten, die es in der Galaxis noch gibt.

Einige hundert Jahre zuvor entdeckten die Menschen einen supraleitfähigen Grundstoff, der von der Spezies der Alyachai auf verschiedenen Planeten für die Konzerne abgebaut wird.

Das leicht formbare, widerstandsfähige Material, genannt Ambrosiapolymer oder kurz Ambrosia, besitzt die Eigenschaft, Emotionen in Energie umzuwandeln. Durch diese Technologie werden Menschen zu ihren eigenen Batterien. Dieser unbegrenzte Vorrat an Energie begünstigte den Siegeszug der Konzerne durch die Galaxis. Seither brüsten sie sich damit, dass die Energiegewinnung mit Ambrosia „sauber“ ist und im Gegensatz zu allen anderen Formen gänzlich ohne schädliche Rückstände oder Materialverschleiß auskommt.

Aufgrund dieser Entwicklung stehen emotionsverstärkende Drogen wie Bombshell hoch im Kurs der Vergnügungsmittel. Diese sind zwar illegal, werden aber von vielen Menschen zur Verbesserung ihrer Leistungsfähigkeit regelmäßig benutzt. Doch den Konsumenten fällt es zunehmend schwerer, ihre Emotionen zu kontrollieren, was immer häufiger zu extremen Gewaltausbrüchen führt.

Aber Leistung ist alles. Denn die Konzerne haben das Leistungsprinzip auf die Spitze getrieben. Dank verbesserter Medizin- und Diagnosetechnik können Erbanlagen-Prüfungen, die im Säuglingsalter, zum Teil jedoch schon pränatal vorgenommen werden, die Eignung des zukünftigen Konsumenten für bestimmte Tätigkeitsgruppen feststellen. So entstanden fünf Klassen, die von Geburt an den Werdegang eines Menschen bestimmen.

Während nur die höchsten Konzernangehörigen, Menschen der Klasse 5, absoluten Luxus genießen und viele Personen der Klassen 3 und 4 ein konsumfreudiges Auskommen haben, arbeiten Menschen der Klasse 2 in schweren, körperlichen Berufen. Insbesondere Klasse 1 Menschen stehen auf der untersten Stufe der Konsumleiter und bilden ganze Clans von Fabrik- oder Minenarbeitern: Buddler, die auf großen Containerschiffen von Schürfplanet zu Schürfplanet geflogen werden, und selten bis nie echtes Sonnenlicht sehen. Dennoch kann sich bis auf wenige Außenseiter kein Mensch mehr ein Leben außerhalb der Konzernhabitate und ohne den Luxus schnell verfügbarer Kommunikation und einer überbordenden Unterhaltungsindustrie vorstellen. „Mankind is Corporate“, heißt es seit Jahrhunderten.

Und die Konzerne geben sich redlich Mühe, alle Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen: Nahrung, Einkommen, Energie, Schutz.Sollte trotz dieses Versprechens ein gut betuchter Bürger der Sol-Allianz krank oder in Kämpfen verletzt werden, kommt die unabhängige A.N.G.E.L. Corp. ins Spiel.

Die Bezeichnung steht für „Ambulatory Neosurgical General Emergency Logistics“ und umschreibt hochmobile, reaktionsschnelle und exzellent bewaffnete Einheiten von Ersthelfern, die in Kampfzonen, Katastrophengebieten oder in anderen Notfallsituationen das Überleben der Kunden ihres Konzerns garantieren.

Ein teurer Kontrakt garantiert, bei lebensbedrohlichen Umständen innerhalb kürzester Zeit von einem A.N.G.E.L. Team gerettet zu werden – selbst aus Kriegsgebieten.

Die Teams bestehen aus zwei Ärzten, zwei Piloten und vier Verteidigern, deren Kampfrüstungen mit Granaten und Gatlings ausgestattet sind. Diese Ärzte ohne Grenzen schießen scharf, um das Leben eines A.N.G.E.L. Kunden unter allen Umständen zu schützen.

Kapitel 1 - Routineeinsatz

„Das ist die Zukunft. Wut? Angst? Eifersucht? All diese nutzlosen Gefühle, die dich runterziehen? Liebeskummer, PMS, Versagensangst, Stresshormone, die dich auf einen Höllentrip mitnehmen? Mach daraus jetzt deinen persönlichen Höhenflug.“ Die holografische Sprecherin lächelte das schönste Lächeln, das je ein Algorithmus errechnet hatte. „Mit Ambrosia Supersun optimierst du dich noch effizienter, jede Sekunde deines Lebens. Denn deine Reise in die Zukunft der Menschheit beginnt heute. Sichere dir sofort deine neue persönlich angepasste Ambrosia mit der innovativen Supersun Technologie – nur von Takoradi Energy. Optimierter Energiegewinn. Reduzierte Nebenwirkung. Sei deine eigene Sonne, denn dein Herz bringt die Welt zum Leuchten. Takoradi – Lebe intensiver.“

“Sei deine eigene Sonne?“ Markus, der bisher auf seinem Sessel entspannt ins Leere gestarrt hatte, während er wahrscheinlich wieder irgendeiner Uraltfolge der Transmundial in der VR gefolgt war, richtete sich auf. „Die Werbeslogans werden auch immer dämlicher. Was hatten die letztes Jahr? Fuse Up Your Power?“

„Das war Nanjing.“ Taurie wandte sich kurz dem Werbehologramm zu, das für alle sichtbar über Ivis Pilotenstation schwebte. Dann schaltete sie ihre Kontaktlinsen auf AR um. Sofort flackerte vor ihren Augen der Timer, der ihre Ankunftszeit auf Heloth III herunterzählte. Sie hatten bereits den Orbit erreicht. Das spürte sie am leichten Vibrieren des Schiffs, als es auf Atmosphärenantrieb umschaltete. Noch wenige Minuten bis zum Einsatz. „Und das ist doch mindestens fünf Jahre her. Warum zieht ihr euch diesen Werbemist überhaupt rein?“ Mit einer schnellen Abfolge von Lidschlägen klinkte sich Taurie aus der virtuellen Realität. Stattdessen musterte sie ihr Team. Kurz vor dem Einsatz hockten alle in der Steuerungskanzel des Raumschiffs Silver Lining, so wie es die Vorgaben verlangten.

David lümmelte in seinem Sitz, versunken in der VR, Amar nippte schweigend an einem Becher mit tellurischem Kaffee. Markus schien noch zu überlegen, ob das Gespräch der anderen einen weiteren Kommentar wert war, während Shavaun tief in ihren Sessel zurückgelehnt schlief.

Desmond widmete als einziger außer Ivy der Holoübertragung Aufmerksamkeit. Seine Finger klopften rastlos einen unhörbaren Rhythmus auf der Armlehne seines Sitzes. Er war noch immer vor jedem Einsatz nervös. Der Unterschied zu früher bestand lediglich darin, dass man es ihm inzwischen weniger anmerkte.

Der Einzige, der tatsächlich arbeitete, war Shane, denn einer musste ja das Schiff fliegen und seine Co-Pilotin interessierte sich gerade mehr für Ambrosia als den Anflug ins Einsatzgebiet.

„Ach komm schon, Taurie, nur weil du Ambrosia nicht verträgst, heißt das nicht, dass der Rest der Welt hinterm Rand lebt.“ Ivy schmollte angesichts der mangelnden Begeisterung ihrer Vorgesetzten für das neue Supersun. Wobei sie sich wahrscheinlich weniger über ihre Vorgesetzte, die Ärztin Taurie Kellahan ärgerte, sondern eher über das lakonische Desinteresse ihrer Freundin Taurie. „Man kann sagen, was man will, aber aus seinen eigenen Emotionen Energie gewinnen zu können und von der Gehirnleistung, bis zu den Reflexen alles zu powern, war ein Geniestreich. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie die Menschen das früher gemacht haben. Die hatten nur Adrenalin und das war armselig und scheiße im Vergleich zu dem, was Ambrosia drauf hat. Heute kannst du mit einer Panikattacke deinen VR-Helm aufladen, der dir gleichzeitig Musik auf 432 Hertz zum Runterkommen vorspielt.“

„Und das findet keiner außer mir paradox?“

„Ach Taurie. Du klingst ja schon wie meine erzkonservative Oma. Oder wie eine von diesen durchgeknallten Erdkindern, die sich auf irgendwelchen Planeten abschotten, um da zu leben wie vor dem Exodus.“

„Da muss ich Ivy Recht geben.“ Desmond grinste. „Ich habe mir damals mit den Anxietyattacken, die ich während meines ersten Jahrs im Krankenhaus geschoben habe, die Stromrechnung um ein Drittel verringert. Und die neueren Modelle sind ästhetisch. Nicht mehr diese Klötze an den Armen wie noch vor zehn Jahren.“ Zufrieden strich er über sein eigenes Ambrosia, das sich wie blaumetallische Haut um seine Unterarme schmiegte. Der restliche Teil der Ambrosiatechnologie, den man sich wie ein Funktionshemd überzog, war unter seiner Kleidung verborgen. Lediglich am Kragen schimmerte ein metallisch glänzender Streifen durch. „LM Industries hatte letztes Jahr eine Ausführung, die man wie Schmuck zum Abendkleid tragen konnte. Komplett rückenfrei. Nicht so effektiv, aber im Abendkleid will man ja auch zumeist keine Höchstleistungen bringen. Also ich bin gespannt darauf, wo die Reise hingeht.“

Nun schlüpfte auch David aus der virtuellen Realität in das Gespräch der anderen. Er war der Jüngste im Team und teilte Ivys und Desmonds Begeisterungsfähigkeit für neue technologische Spielzeuge. „Vielleicht kommen sie irgendwann ja mal mit der Kopplungstechnologie weiter. Stellt euch mal vor, wieviel Energie man aus Gruppenemotionen gewinnen könnte. Mit genug Leuten bekommst du vielleicht sogar ausreichend Energie für einen Sprung in die Jetbahnen hin. Kein ewiges Aufladen mehr an irgendwelchen Sonnen. Wir könnten die gute alte Silver Lining selbst durchs All schießen.“

„Unser David.“ Markus lachte trocken. „An großen Träumen mangelt’s ihm nicht. Von den Nebenwirkungen bei den Testprobanden hast du aber schon gehört?“

„Vorübergehende Rückschläge. Das gab es doch bei jeder erfolgreichen Technologie.“

Markus grinste breit. „Also wenn die Kopplung wirklich kommt, dann wird sich die Chefetage von Nanjing oder welchem Pento auch immer das zuerst gelingt, auf ihrer Releaseparty dermaßen einen auf ihre Gewinne abwichsen, dass sie damit die Konzernzentrale drei Jahre komplett beleuchten können.“

„Apropos Wichser.“ Shane lehnte sich im Cockpit zurück. „Ich unterbreche euer Geplauder nur ungern, ihr kleinen Ambrosiajunkies, aber die Annäherungssensoren melden den Abschuss einer Boden-Luft-Rakete. Einschlag in 8 … 7 …“

„Die mögen uns hier wirklich nicht. Setze Störkörper aus.“ Während Ivy sprach, gab sie dem Bordcomputer bereits die entsprechenden Befehle. Die Werbesprecherin erlosch.

„Check.“ Shane stieß einen abfälligen Laut aus. „Immer dasselbe auf diesen Hinterwäldlerplaneten, die schießen auf alles, was fliegt. Wozu haben wir eigentlich den Funkspruch?“

„Die haben da unten vielleicht noch nicht mal ein Funkgerät.“

„Chef, soll ich den Funkspruch jetzt nochmal einspielen, oder sollen wir denen in einer Sprache antworten, die sie auf jeden Fall verstehen?“

„Funkspruch ein weiteres Mal auf allen Frequenzen senden.“ Taurie beobachtete die beiden Piloten der Silver Lining. Die Zwillinge funktionierten im Cockpit fast wie ein Wesen. Die vertraute Art, mit der sie sich umeinander bewegten, sich blitzschnell und wortlos an den Steuerungs- und Überwachungspads abwechselten, erinnerte an einen Tanz. Hier spricht das Landungsschiff X-6749-Q8/23890921C - Silver Lining von der A.N.G.E.L. Corporation. Gemäß dem Mars-Sperrvertrag fordern wir freies Geleit in Ihrem System. Dies umfasst sowohl Ein- und Abflug, als auch alle nötigen Bodenoperationen zur Ausübung unserer vertraglich zugesicherten Aufgaben. Wir sind berechtigt, unsere Kunden, sowie unsere Mitarbeiter mit notwendigen Defensiv- und Offensivmaßnahmen zu schützen. Ich wiederhole, hier spricht das Landungsschiff …

Während die angenehme computergenerierte Frauenstimme den Funkspruch in einer Schleife wiederholte, nahm Taurie einen Schluck Tee aus ihrer Trinkflasche, die das Getränk auf perfekte 52 Grad temperierte. Dabei beobachtete sie auf dem Rundumsichtschirm der Pilotenkanzel, wie sich die glühenden Störkörper um das Schiff zu einer kurzlebigen, feurigen Blüte entfalteten, dann hinter der Silver Lining zurückblieben, und so die Wärmesensoren des Flugabwehrgeschosses in die Irre führten. Es explodierte in ungefährlichem Abstand hinter dem Schiff wie ein Feuerwerk im heller werdenden Morgenhimmel.

„Chef, die nächste Rakete loggt gerade auf uns ein.“

Taurie stellte ihre Flasche ab. „Jetzt reichts. Schickt ihnen Grüße zurück.“

„Sag ich doch“, Shane grinste. „Wir müssen nur in einer verständlichen Sprache sprechen.“ Die Silver Lining vibrierte, als das Schiff mit einem dumpfen Summen beide Raketenlafetten ausfuhr.Nur wenige Augenblicke später stürzten zwei Lichtpunkte der Planetenoberfläche entgegen. Sofort meldete Shane den Einschlag. „Jetzt herrscht da Ruhe.“

„Bereitmachen zur Landung.“ Taurie löste ihren Anschnallgurt. „Landezone ist heiß. Wir springen ab.“ Sie verließ ihren Zuschauerplatz in der Pilotenkanzel und joggte den schmalen Fluren des Schiffs folgend zur Außenschleuse. Das Team folgte. Nur die beiden Piloten blieben im Cockpit.

„Och nö!“ David schnaufte in die Sprechanlage seines Helms. „Ich hasse den Gefechtsabwurf.“

„Heul leiser!“, erklang Amars‘ dunkler, immer ein wenig gelangweilt klingender Bariton in den Headcoms. „Bist doch so ein mutiger Klasse 4 Typ. Außerdem gibt jede Sprungstunde eine Sonderzahlung.“

„Das heißt Gefahrenzuschlag“, erwiderte David. Der verspiegelte Helm verbarg sein Gesicht, aber die Stimme troff vor Sarkasmus. „Hat mit besonderen Gefahren zu tun, weißt du.“ Ungeachtet des Murrens nahm er wie die anderen drei Operatoren seinen Platz über der Abwurfluke ein. Auf einem Knie, die Waffen im Anschlag, falls es bereits während der Landung zu einem Feuergefecht kam.

Taurie hatte sich inzwischen ihren Rucksack übergeworfen und griff nach dem Koffer mit der ausfahrbaren Patientenkapsel. Neben ihr vollführte Desmond die gleichen Handgriffe mit derselben, in zahllosen Einsätzen eingeübten Routine. Man merkte inzwischen kaum noch, dass er erst seit einem knappen Jahr dabei war.

Sie überprüften gegenseitig noch einmal den korrekten Sitz sämtlicher Gurte und Magnetverbindungen, dann traten sie in die Abwurfzone zwischen die Operatoren. Tauries Rucksack dockte automatisch an Markus‘ schwerer Kampfrüstung an. Er würde sie, die Leichtgerüstete, während des Gefechtsabwurfs schützen. Mit seinen Schilden, und zur Not mit dem Einsatz der integrierten Gatling. Ein Hoch auf die vielseitige Verwendbarkeit der A.N.G.E.L. Operatorenrüstungen. Nahezu unzerstörbar konnten sie es mit den besten Rüstungen aus den Pento-Waffenschmieden aufnehmen.

Desmond dockte bei David an. David war der jüngste im Team, das merkte man immer wieder an seinen Kommentaren. Immerhin hatte er sich im Kampf bisher als ebenso professionell erwiesen, wie man es von einem A.N.G.E.L. Operator erwarten durfte, daher ließ ihm Taurie seine flapsige Art meistens durchgehen.

Durch die Anwesenheit der Operatoren sorgte der A.N.G.E.L. Konzern dafür, dass seine Ärzte bei den Einsätzen beweglich blieben und dennoch optimale Sicherheit genießen konnten. Tauries Schutz bestand neben ihrer eigenen leichten, beweglichen Rüstung aus vier Ein-Personen-Armeen, deren Rüstungsschilde einer Panzerwand gleichkamen und deren Feuerausstattung ausreichte, um eine mittelgroße Stadt in Schutt und Asche zu legen.

Kaum hatte Taurie einen letzten prüfenden Sicherheitsblick über die Ausrüstung der Kampfgruppe schweifen lassen, erklang Shanes Stimme im Headcom. „Abwurf in Drei … Zwo … Eins …“

Die Abwurfluke glitt auf und die sechs A.N.G.E.L. befanden sich im freien Fall in der planetaren Atmosphäre. Die G-Kräfte des Planeten entsprachen dem 1,4-fachen der Erde, aber auch diesen Umstand glichen die hochtechnisierten Gefechtsanzüge aus. Der Himmel strahlte in einem schmutzigen Blaugrau. Das war nichts gegen das Purpurfirmament von Ingema Alpha.Sie durchdrangen silbern schimmernde Wolkenschichten, und rasten der dunklen Planetenoberfläche entgegen.

Kaum hatten sie die Wolken hinter sich gelassen, fuhren die Operatoren die Hybridkristallschilde ihrer Rüstungen aus, die sicher nicht ganz zufällig an Engelsflügel erinnerten. Markus’ Flügel bildeten einen schützenden Kokon um Taurie.

In einem hatte David Recht. Niemand mochte den Gefechtsabwurf. Kurz vor der Oberfläche setzte der magnetisch gesteuerte Landeausgleich der Rüstungen ein, was ein sanftes Aufsetzen auf den Füßen ermöglichte. Aber dies verursachte selbst beim stärksten Magen Übelkeit. Zwar sorgten die Rüstungen, auch die leichten Gefechtsrüstungen der beiden Ärzte, für einen eigenständigen Druckausgleich, der die Wirkung der Gravitationskräfte auf ein erträgliches Maß abschwächte. Doch erträglich hieß nicht zwangsläufig angenehm.

Sie landeten in einer bizarren Szenerie. Dunkles Gestein von glitzernden Mineralien durchzogen, ließ den felsigen Boden, abhängig vom Lichteinfall, in grünen und blauen Farben schimmern. Eine fotosynthetisierende Vegetation schien der Planet nicht zu besitzen, Pilze stellten offenbar die vorherrschende Spezies dar. Wie Baumgruppen ragten ganze Haine in der Ferne auf. Die unmittelbare Umgebung war einigermaßen leergefegt. Einige mit Geröll und Schutt gefüllte Krater zeugten von Raketeneinschlägen, die nicht lange zurücklagen.

Sofort ließ sich Taurie den Standort des Patienten als virtuellen Marker in der Landschaft im Headup Display ihres Helms anzeigen. Shanes und Ivys Abwurfberechnungen hatten sich wieder einmal als exakt erwiesen. Das Ziel war weniger als zweihundert Meter entfernt. Tauries Helmsensor registrierte jedoch nur noch besorgniserregend schwache Lebenszeichen. Eile war geboten. Wie immer also.

„Hindernisse?“, fragte sie knapp.

„Minen voraus.“, klang Shavauns Stimme über das Intercom. Die Operatorin stammte vom Planeten Walkyr, entsprechend den dortigen Gepflogenheiten sprach sie nie ein Wort zu viel. Aber sie hatte bereits im Anflug die Umgebung gescannt.

Das Reden erledigte David für sie. „Moment, Boss. Das haben wir gleich.“ Mit einer lässigen Bewegung des Handgelenks aktivierte er eine Sprühvorrichtung im linken Arm der Rüstung. Zischend löste sich eine Wolke aus Flextitan und nieselte auf den Boden herab. Der Kunststoff brauchte nur Sekunden, um auszuhärten. Er versiegelte die Oberfläche und bildete innerhalb weniger Augenblicke einen belastbaren, sicheren Pfad. David sprühte weiter, während sie so schnell wie möglich vorrückten. Markus folgte Taurie wie ein riesiger Schatten, Shavaun heftete sich an Desmonds Fersen. Amar bildete die Nachhut, während David nach vorne sicherte. „Wer prügelt sich hier eigentlich mit wem?“

Markus antwortete, bevor Taurie es konnte. „Hättest du das File gelesen, wüsstest du, dass LM Industries Anspruch auf diesen Kontinent erhebt, weil sie ihn angeblich entdeckt haben wollen. Wogegen Nanjing Eco vor einigen Jahren eine Klage beim Konzernrat eingereicht hat. Die sitzen seit einer Dekade auf dem Nachbarkontinent und suchen in diversen Expeditionen bisher mehr oder weniger erfolglos nach Bodenschätzen. Vor rund zweihundert Jahren haben sich hier Siedler ausgebreitet, die ihr Wohnzimmer weder LM noch Nanjing überlassen wollen. Ich nehme an, denen haben wir auch den Beschuss und die Minen zu verdanken.“

„Randweltler!“, schimpfte David. „Minen – das ist ja wie im Mittelalter. Wen bitte hält das heute noch auf?“

„Den Fußtrupppen der Pentos macht das schon noch Probleme“, erinnerte ihn Markus. „Du bist zu verwöhnt, Kiddo.“

„Schon klar, alter Sack.“

„Weniger Labern, mehr Sprühen.“