A Touch of Light (Der geheime Orden von New Orleans 2) - Ana Woods - E-Book

A Touch of Light (Der geheime Orden von New Orleans 2) E-Book

Ana Woods

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Beschreibung

**Sei der Schlüssel zur Rettung der Welt** Nach den traumatischen Ereignissen im Herzen von New Orleans ist Elayne am Boden zerstört. Denn obwohl im Kampf gegen das Böse ein entscheidender Sieg davongetragen wurde, ist der Mann, der ihr inzwischen so viel bedeutet, nicht mehr an ihrer Seite. Entführt von einem dunklen Gott ist Blake in der Schattenwelt gefangen, ohne Hoffnung auf Rettung. Doch Elayne weigert sich, ihn einfach so aufzugeben. Zusammen mit ihren neu gewonnenen Freunden reist sie nach Haiti und stößt dort nicht nur auf weitere Verbündete, sondern auch auf ein Portal in die Schattenwelt. Aber es zu durchschreiten, würde bedeuten, nicht nur ihr eigenes Leben aufs Spiel zu setzen, sondern die Zukunft der gesamten Welt … Bist du bereit, dich im Orden des Lichts zu beweisen und die Dunkelheit zu bekämpfen? Textauszug: »Shit, ich habe oben etwas vergessen«, rief er plötzlich und blieb so abrupt stehen, dass ich das Gefühl hatte, mir würde der Arm auskugeln. »Geh schon mal vor, Tiff. Wir sind gleich da.« Tiffany schaute kopfschüttelnd über ihre Schulter und rollte mit den Augen. »Beeilt euch.« Dann stapfte sie weiter und bog am Ende des Flurs rechts ab. Fragend schaute ich Blake an. »Was hast du vergessen?« »Das hier.« Er fasste mir so unerwartet in den Nacken, dass mir ein erschrockenes Quietschen entfuhr. Doch ehe der Laut davongetragen werden konnte, legte Blake seine Lippen auf meine. Ein Feuerwerk der Gefühle explodierte in meinem Inneren. //Dies ist der zweite Band der mitreißenden Urban-Fantasy-Dilogie »Der geheime Orden von New Orleans«. Alle Bände der Buchreihe bei Impress: -- A Whisper of Darkness (Der geheime Orden von New Orleans 1) -- A Touch of Light (Der geheime Orden von New Orleans 2)// Diese Reihe ist abgeschlossen.

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Ana Woods

A Touch of Light (Der geheime Orden von New Orleans 2)

**Sei der Schlüssel zur Rettung der Welt**

Nach den traumatischen Ereignissen im Herzen von New Orleans ist Elayne am Boden zerstört. Denn obwohl im Kampf gegen das Böse ein entscheidender Sieg davongetragen wurde, ist der Mann, der ihr inzwischen so viel bedeutet, nicht mehr an ihrer Seite. Entführt von einem dunklen Gott ist Blake in der Schattenwelt gefangen, ohne Hoffnung auf Rettung. Doch Elayne weigert sich, ihn einfach so aufzugeben. Zusammen mit ihren neu gewonnen Freunden reist sie nach Haiti und stößt dort nicht nur auf weitere Verbündete, sondern auch auf ein Portal in die Schattenwelt. Aber es zu durchschreiten, würde bedeuten, nicht nur ihr eigenes Leben aufs Spiel zu setzen, sondern die Zukunft der gesamten Welt …

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Vita

Danksagung

© privat

Ana Woods lebt am grünen Stadtrand von Berlin, wo sie von Inspiration zu ihren Romanen nur so umgeben ist. Bereits in jungen Jahren fing sie mit dem Schreiben an und verzauberte mit ihren fantasievollen Kurzgeschichten nicht nur Freunde und Familie, sondern ebenfalls ihre Lehrer und Klassenkameraden. 2017 hat Woods sich ihren Traum erfüllt und sich als Autorin selbstständig gemacht.

Für MomWeil du Blake deine Liebe zu Alabasterstatuen von griechischen Göttern vermacht hast.

PROLOG

Blake

Es dauerte ein paar Wimpernschläge, ehe sich Blakes Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Sein Kopf schmerzte, als hätte man ihn durch einen Fleischwolf gedreht, und auch sein restlicher Körper war lädiert und von Schrammen übersät. Mit den Fingern ertastete er eine kleine Platzwunde an seiner rechten Schläfe. Bei der Berührung entfuhr ihm ein leises Zischen.

Ganz vorsichtig richtete er sich auf und lehnte sich mit dem Rücken gegen die kühle, feuchte Mauer der kleinen Zelle, in die man ihn geworfen hatte. Blake war sich nicht sicher, wo genau er sich befand, vermutete allerdings, dass es sich um die Schattenwelt handelte, in der die Petro-Loa und auch die restlichen Kreaturen der Nacht zu Hause waren. Denn seit sie durch das Portal getreten und hier angekommen waren, hatte Kalfu wieder eine der Gestalten angenommen, die Blake aus Büchern kannte – ein breitschultriger Mann, in dessen Augen das Höllenfeuer zu lodern schien und dessen Muskelkraft ausreichte, um jemandem mit einem gezielten Hieb sämtliche Knochen zu brechen.

Hier unten musste Blake Vorsicht walten lassen. Es war nicht seine Welt und vermutlich trieb sich hier auch nicht zufälligerweise ein Mannaz herum, der ihn mit seinen Heilkräften versorgen konnte. Sollte Blake also etwas zustoßen, wäre das gewiss sein Ende.

So weit würde es aber nicht kommen, daran glaubte er fest. Er dachte an Elayne, die ihn aus ihren glasigen blauen Augen angeschaut hatte, als Kalfu ihn mit sich genommen hatte. Sie hatte ihm versprochen, dass sie einen Weg finden würde, ihn zu retten. Und wenn das jemandem gelingen würde, dann Elayne.

Trotzdem würde auch er nach einem Weg suchen, zu ihr zurückzugelangen. Es brach ihm das Herz, wenn sie litt. Und ganz vielleicht würde er es schaffen, diesem Ort des Schreckens bald zu entfliehen.

Blake schüttelte den Kopf, was dem dröhnenden Schmerz darin nicht gerade förderlich war.»Vielleicht« war ein Wort, an das er nicht denken wollte. »Vielleicht« war keine Option. Eine Zwischendimension war kein Ort für Sterbliche. Und eine Welt ohne Elayne erst recht nicht. Aber was sollte er tun?

Er umklammerte den Anhänger um seinen Hals fest mit der Hand und schloss die Augen. Zum Glück war die Kette ihm nicht gerissen, denn ohne seine Rune wäre er kaum mehr als ein Schatten seiner selbst. Blake atmete tief durch die Nase ein, spürte, wie der Sauerstoff seine Lungen füllte und ihn mit neuem Leben versorgte. Dann atmete er durch den Mund wieder aus. Dabei konzentrierte er sich auf das sanfte Kitzeln in seinem Inneren, das einsetzte, wann immer er seine Gabe anwandte.

Stirnrunzelnd streckte er die Fühler weiter aus, suchte nach dem Gefühl, das dort irgendwo zu finden sein musste, aber nichts passierte. Weder leuchtete seine Rune auf noch gab seine Intuition ihm den entscheidenden Hinweis, den er so bitternötig hatte.

»Shit«, fluchte Blake und öffnete die Augen wieder. Er war bestimmt zu kraftlos, um sich auf seine Gabe zu fokussieren. Sein Magen rumorte, sein Körper schmerzte. Es ging ihm einfach durch und durch dreckig.

Morgen war auch noch ein Tag. Sobald er neue Kraft geschöpft hatte, konnte er sich sicherlich wieder ganz auf seine Intuition verlassen. Sie war schließlich sein einziger Freund in dieser modrigen, leicht verschimmelt riechenden Tristesse.

Ihm blieb im Moment also nichts anderes übrig, als wenigstens zu versuchen, zur Ruhe zu kommen. Was bei der Kälte kaum möglich war. Dennoch rutschte Blake ein Stück an der Mauer hinunter, bettete den Kopf auf seine Schulter, umschlang den Körper fest mit den Armen und schloss die Lider. Seine wild umherkreisenden Gedanken machten es schwer, Schlaf zu finden.

Er dachte an die Ereignisse der vergangenen Wochen, daran, dass sie mehr als einmal gescheitert waren und sich alle selbst in Gefahr gebracht hatten. Blake hatte in seiner Rolle als Ausbilder mit Vorbildfunktion wahrlich versagt, aber er hatte sein Bestes gegeben. Nur manchmal war auch das Beste nicht gut genug. Es war nicht allein seine Schuld gewesen und doch machte er sich Vorwürfe. Dass diese Gefühle ihn von innen heraus zerfraßen, bis sie auch das letzte bisschen von ihm verschluckt hatten, musste er verhindern. Sonst würden sie früher oder später ein unabdingbarer Teil von ihm werden.

Trotzdem dachte er an die Dinge, die passiert wären, hätten sie das eine oder andere Mal anders gehandelt, hätten sie manchen Menschen kein Vertrauen geschenkt, das diese ohnehin bloß mit Füßen getreten hatten und von denen sie hintergangen worden waren.

All die Zeit hatte Blake geglaubt, seine Intuition wäre ausgeprägt genug, um ihn nicht in die Irre zu führen. Aber sie hatte ihn nicht davor gewarnt, dass der Verräter nur einen Katzensprung entfernt gewesen war. Vielleicht war das Kalfu zu verschulden gewesen. Ein Loa sollte genügend Macht besitzen, die Gaben der Gesegneten zu schwächen. Schließlich waren sie es, die ihnen diese Fähigkeiten überhaupt erst verliehen hatten.

Sacht schüttelte Blake den Kopf und verbannte den Gedanken wieder. Er würde ihm nämlich nicht dabei helfen, einen Fluchtweg zu finden, und das war es, worauf er sich konzentrieren musste.

Schlurfende Schritte näherten sich seinem Gefängnis, weshalb Blake sich schnell aufrichtete und weiter in die Schatten trat. Dass er sich in ihnen nicht verstecken konnte, war ihm bewusst, dennoch gaben sie ihm paradoxerweise ein Gefühl von Sicherheit, auch wenn es eigentlich das Licht war, das ihn beschützte.

Vor den verrosteten Gitterstäben blieb Kalfu stehen. Dass ein Petro-Loa sich selbst die Mühe machte, hierherzukommen, um nach seinem Gefangenen zu sehen, verblüffte Blake. Er hätte gedacht, der Loa besäße genügend Lakaien, die ihm jeden Wunsch erfüllten, in der Hoffnung auf mehr Macht im Gegenzug. Keinen anderen Grund konnte sich Blake vorstellen, weshalb die Nachtmahre für Kalfu die Drecksarbeit erledigt hatten. Er musste sie mit Versprechungen nur so überschüttet haben, denn normalerweise waren sie Einzelkämpfer.

»Iss!« Laut scheppernd warf Kalfu einen Teller vor die Zelle. Wenn man ihn so dastehen sah, in seiner Nadelstreifenhose, dem langen Mantel, den er über seinem nackten Oberkörper trug, und dem Hut auf seinem Kopf, unter dem seine dunklen Haare hervorlugten, konnte man ihn für einen gewöhnlichen Menschen halten. Lediglich seine glühenden Augen und die scharfkantigen Zähne zeichneten ihn als jemanden aus, der nicht von dieser Welt stammen konnte.

Blake wollte sich nicht anmerken lassen, dass Kalfu ihm Angst einjagte. Üblicherweise fürchtete er sich vor nichts und niemandem, immerhin hatte er sein Leben dem Orden des Lichts verschrieben. Es war für ihn zur Normalität geworden, jeden Tag dem Tod ins Auge zu blicken. Doch der Petro-Loa war ein anderes Kaliber – viel grausamer und erschreckender als jede Kreatur, der Blake bisher gegenübergestanden hatte.

»Iss!«, wiederholte Kalfu. Blake dachte nicht daran, ihm diesen Wunsch zu erfüllen. Würde er den Teller jetzt an sich nehmen und das zu allem Übel auch noch köstlich riechende Essen zu sich nehmen, käme das Aufgeben gleich. Aber er wollte unter keinen Umständen aufgeben. Daher entschied er sich, in den Schatten zu bleiben und dort so lange zu verharren, bis der Loa fort war.

Blake atmete tief durch, ließ Kalfu keine Sekunde aus den Augen und lauschte seinem viel zu schnell schlagenden Herzen. Ein weiteres Mal versuchte er, seine Gabe einzusetzen, jedoch blieb sie fortwährend stumm.

Kalfu trat einen Schritt auf die Zelle zu und umklammerte die verrosteten Gitterstäbe mit seinen langen Fingern. Er verzog die Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln, das auf seinem Gesicht fehl am Platz aussah. Dann blitzte etwas in seinen Augen auf, etwas, das Blake nicht gänzlich zuordnen konnte. Eine Mischung aus Belustigung und Zuversicht? Mit einer raschen Bewegung griff er hinter sich und zog einen Gegenstand aus dem hinteren Bund seiner Hose, wie Blake vermutete.

Als Kalfus Hand wieder zum Vorschein kam, lag ein silberner Dolch darin. Mit der Klinge fuhr er die Gitterstäbe entlang, die einen schrillen, in keiner Weise melodischen Klang erzeugten. Blakes Atmung beschleunigte sich. War das etwa der Dolch?

»Dachtet ihr wirklich, dass es so leicht wäre?« Das bestialische Knurren, das in Kalfus Stimme lag, wies ihn als das aus, was er war: ein Monster. Eine dämonische Kreatur, die einzig und allein ihr eigenes Bestreben im Sinn hatte, der alles andere vollkommen gleichgültig war – der Schmerz, das Leiden, das Sterben von Unschuldigen. Einfach alles.

Ein weiteres Mal fuhr Kalfu die Gitterstäbe mit dem Dolch entlang, lief dabei vor der Zelle auf und ab und fokussierte Blake eingehend. Dann schnalzte er amüsiert mit der Zunge. »Ich bin euch immer einen Schritt voraus und daran wird sich nichts ändern. Oder meinst du, du wärst hier, wenn es nicht Teil meines Plans wäre?« Er lachte dumpf und schüttelte den Kopf. »Sicher nicht, aber das weißt du bereits, nicht wahr? Ich bin gespannt, wie lange deine kleine Freundin brauchen wird, um hier zu sein. Eine Woche? Zwei?«

Mit einem Satz sprang Blake aus den Schatten. »Halte Elayne da raus.« Ein dunkles Grollen drang aus seiner Kehle. Er streckte den Arm durch die Gitterstäbe und versuchte den Dolch zu greifen, aber Kalfu trat lachend einen Schritt zurück und schob die Klinge zurück in seinen Hosenbund.

»Du Narr. Denkst du wirklich, ihr Sterblichen habt nur den Hauch einer Chance? Eine Chance, gegen mich zu bestehen? Wenn du das wirklich glaubst, bist du noch dümmer, als du aussiehst.« Kalfu wandte sich schnaufend ab und ging zurück Richtung Ausgang. Während er die eiserne Klinke hinunterdrückte, warf er noch einen letzten Blick über seine breite Schulter. »Und nun iss, Mensch. Oder willst du verhungert sein, bevor deine Liebste hier ist?«

Mit einem lauten Knall fiel die Tür hinter Kalfu ins Schloss. Noch immer stand Blake an den Gitterstäben, hielt diese fest umklammert und starrte zu dem Fleck, an dem der Loa noch vor wenigen Augenblicken gestanden hatte.

Kurz überlegte Blake, wie er am besten vorgehen sollte. Die ganze Situation eben war ihm so surreal vorgekommen wie ein weit entfernter Traum. Doch das war es nicht. Es war Realität, bitterer Ernst. Er musste etwas unternehmen, konnte aber kaum einen klaren Gedanken fassen.

Er schaute den Teller zu seinen Füßen an. Es lag im Bereich des Möglichen, dass Kalfu das Essen vergiftet hatte. Doch Blakes Magen rumorte. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er zuletzt etwas zwischen die Zähne bekommen hatte. Und wenn er dem Loa Glauben schenken konnte, dann wäre er ihm tot vermutlich weniger von Nutzen als lebendig. Von daher war ihm wahrscheinlich nur daran gelegen, Blake am Leben zu erhalten. Was genau Kalfu mit ihm vorhatte, konnte er nur vermuten.

Blake befeuchtete seine Lippen und schluckte. Er brauchte dringend etwas im Magen. Also griff er unter die Stäbe und zog den Teller in seine kleine Zelle. Das Fleisch war zäh wie eine alte Schuhsohle und ließ sich kaum mit dem stumpfen Messer durchschneiden. Aber es war besser als nichts.

Morgen würde Blake nicht nur ausgeschlafen, sondern auch gesättigt sein. Und dann würde er sich einen Plan zurechtlegen und zu Elayne zurückkehren.

Morgen.

KAPITEL 1

Blake war fort.

Es waren diese drei Worte, die in meinen Gedanken widerhallten. Ich wollte sie nicht wahrhaben. Obwohl ich wusste, dass sie es waren.

Mein Körper zitterte unaufhörlich. Vor Kälte. Vor Wut. Vor Trauer. Vor Verzweiflung. Es war ein Haufen gemischter Emotionen, die mich zu verschlingen drohten.

Mit zitternden Händen fixierte ich noch immer den einen Punkt an der Wand. Den Punkt, in dem Blake verschwunden war. Den Punkt, an dem es vor wenigen Augenblicken noch ein Portal gewesen war, das ihn sonst wohin gebracht hatte. Das war das Schlimmste daran – nicht zu wissen, wohin Blake verschleppt wurde.

»Lay!« Fiora saß neben mir und redete auf mich ein. Seit Minuten versuchte sie, mich anzusprechen, aber ihre Worte kamen nicht bei mir an. Zu konzentriert war ich auf meine Gefühle und mein nunmehr zerbrochenes Herz, das in meiner Brust schmerzte.

Tröstend legte meine Freundin mir den Arm um die Schulter und ließ zu, dass ich von meiner Trauer übermannt wurde. Es war zu viel. Es war alles viel zu viel. Blake war mein Stützpunkt. Der Mensch, auf den ich mich immer verlassen konnte. Nun war Kalfu zwar vorerst besiegt, aber er würde zurückkehren, daran bestand kein Zweifel. Wie sollte ich das alles ohne Blake schaffen? Das war unmöglich.

»Lay«, flüsterte Fiora noch einmal und strich mir über den Rücken. »Wir sollten gehen.«

Mechanisch nickte ich, jedoch wollte mein restlicher Körper mir einfach nicht gehorchen. Er verharrte weiterhin an Ort und Stelle und fixierte den Punkt an der Wand.

Ich wollte meine Finger ausstrecken, jeden einzelnen Stein aus der Mauer reißen und nach einem Hinweis auf Blakes Aufenthaltsort suchen. Dass es nichts brachte, wusste ich. Ich konnte nichts an der Tatsache ändern, dass er fort war.

Zwei starke Arme griffen unter meine Achseln und halfen mir auf die Füße. Brian. Ich hob den Kopf und sah Mitgefühl und Verzweiflung in seinem Blick. Dunkle Schatten hatten sich unter seine Augen gelegt und an seiner Schläfe klebte ein kleiner Fluss bereits vertrockneten Blutes.

Ich schwieg, genauso wie er. Trotzdem ließ ich mich von Brian und Fiora langsam Richtung Ausgang des Zeremoniensaals führen. Von allen Seiten spürte ich die Blicke der anderen Ordenskrieger auf mir ruhen.

Als wir an den auf dem Boden liegenden Körper von Lester vorbeikamen, versteifte ich einen Moment. Es fiel mir schwer, mich nicht von Brian und Fiora loszumachen, um auf ihn einzuprügeln. Wie von selbst ballten sich meine Hände zu Fäusten. Ich atmete tief durch, konzentrierte mich auf den Sauerstoff, der meine Lungen füllte, und schluckte den Zorn herunter. Er führte mich nirgendwohin.

Lesters rechter Arm war nichts weiter als ein Stumpen, an dessen Knochen noch verbrannte Fleischreste hingen. Doch das Gröbste war bereits provisorisch verödet worden. Seine Lider flackerten unruhig, aber er atmete in einem beständigen Rhythmus.

»Ich konnte ihn nicht sterben lassen«, hauchte Fiora mit leicht zittriger Stimme.

Ich nickte, denn ich verstand. Zwar hatte Lester uns hintergangen, trotzdem hatte Fiora Gefühle für ihn. Und Gefühle konnte man nicht mit einem Schalter einfach abstellen und dann waren sie fort. Ganz gleich, was die Person auch getan oder nicht getan hatte. Tief in Fioras Inneren gab es einen Teil, der noch an das Gute in Lester glaubte, und das konnte ich ihr nicht verübeln.

Auch wenn er einer der Gründe war, aus dem wir uns in dieser Situation befanden. Im Moment konnte ich nicht daran glauben, dass auch nur ein Hauch von Güte in ihm steckte. Aber ich konnte und wollte Fiora nicht die Illusion daran nehmen.

»Was sollen wir denn jetzt tun?« Die Stimme einer mir unbekannten Ordenskriegerin drang an meine Ohren.

»Wir müssen mit dem Hohepriester reden!«

»Er ist tot!«

Abrupt hielt ich inne. Mein Herz hämmerte weiter unaufhörlich gegen meinen Brustkorb. Langsam wandte ich mich der Gruppe zu, die sich miteinander unterhielt. Eine junge Frau deutete auf den leblosen Körper von St. Alamosa, der in seiner eigenen Blutlache im Zeremoniensaal lag. Das zersplitterte Holzstück steckte noch immer in seinem Herzen. Ich drehte meine linke Handfläche nach oben und betrachtete die kleinen Späne, die sich vermischt mit Schorf und Blut darin befanden. Diese Hand war es gewesen, die in ihrer Verzweiflung nach dem Holzstück gegriffen hatte.

Ich hatte einen Mann getötet. Das war mein Werk. Das Werk einer grausamen Mörderin.

Instinktiv schüttelte ich Brian und Fiora ab. Meine Beine bewegten sich in Richtung des Hohepriesters und blieben erst stehen, als ich vor ihn auf den Boden sank. Ich streckte meine Finger nach ihm aus, wagte es aber nicht, den Körper zu berühren. Um mein Schluchzen zu unterdrücken, legte ich mir eine Hand auf den Mund.

Ich hatte einen Mann getötet. Ich war ein Monster.

»Shhh, es ist nicht deine Schuld«, sagte die mir unbekannte Ordenskriegerin. »Manchmal müssen Opfer für die Rettung vieler gebracht werden. Nicht mehr und nicht weniger ist hier geschehen.«

Durch den Tränenschleier war meine Sicht verschwommen. Trotzdem sah ich das Lächeln, das an ihren Mundwinkeln zupfte. Sie strich mir sacht über den Kopf, während sie neben mir in die Hocke ging. Ihre kurzen dunklen Haare standen in alle Richtungen ab und der Schweiß auf ihrer Stirn war bereits getrocknet.

»Danke«, flüsterte ich leise schniefend. Und ich meinte es auch so. Ihre Worte hatten mir wenigstens einen kurzen Moment des inneren Friedens geschenkt.

»Wir haben dir zu danken, Elayne. Durch deinen Mut und deine Gabe konnten wir es mit einem Loa und seiner Armee von Nachtmahren aufnehmen. Ohne dich wäre mit Sicherheit noch weitaus Schrecklicheres über uns gekommen.« Sie stand auf und reichte mir eine Hand. Ich ergriff sie und ließ mir aufhelfen. Sie war etwa so groß wie ich und vermutlich in ihren Zwanzigern. Ihre blauen Augen waren so hell, dass sie beinahe durchscheinend waren. »Ich bin Jenna. Das sind Kenny und Theo.«

»Freut mich«, erwiderte ich nickend. Die beiden Männer standen etwas abseits, aber ich erkannte sie. Sie gehörten den Kena an und waren dabei gewesen, als der Energiestrahl auf den Dolch abgefeuert wurde. »Danke für eure Hilfe.«

»Nichts zu danken«, sagte Kenny. Auch unter seinen braunen Augen lagen tiefe Schatten und seine blonden Haare lagen vom Schweiß durchnässt platt an seinem Kopf.

»Den Dolch zu schmelzen war eine großartige Idee«, sagte Theo und kaute auf dem Lippenpiercing, das er sich zwischen die Zähne geschoben hatte. Verständlicherweise sah er ebenfalls müde und erschöpft aus. Ähnlich wie bei Gideon schlängelten sich auch um seinen kahlen Kopf zahlreiche Tätowierungen von Runen und anderen Symbolen. »Hut ab!«

Ich nickte und versuchte mich an einem Lächeln, aber ich brachte es nicht über mich. Wir hatten zwar einen kleinen Sieg davongetragen, doch dieser tröstete mich in keiner Weise darüber hinweg, was ich verloren hatte.

»Wollen wir los?«, rief Fiora mir zu.

Noch einmal wandte ich mich an Jenna, Kenny und Theo und verabschiedete mich von ihnen. Dann ging ich zurück zu Fiora und Brian, die mich hinausbegleiteten.

In den Fluren tummelten sich unzählige Ordensmitglieder und riefen wild durcheinander. Noch nie zuvor hatte ich so viele von ihnen auf einen Schlag gesehen, meine Runenzeremonie ausgenommen. Normalerweise herrschte hier kein so geschäftiges Treiben. Aber wenn einer der eigenen Götter sich plötzlich gegen einen wandte, sich ein Verräter in den eigenen Reihen aufhielt und eine dunkle Seele Besitz vom Körper des Hohepriesters ergriff, dann sah die Sache wohl ganz anders aus.

Es mussten sicher viele Dinge geklärt und Angelegenheiten besprochen werden. Was genau in so einem Fall getan wurde, konnte ich nur spekulieren. Ich bezweifelte, dass es ein solches Vorkommnis in der Vergangenheit des Ordens schon einmal gegeben hatte.

»Ein paar Tage Ruhe tun uns allen sicher gut«, sagte Fiora gedämpft, während sie mich vorsichtig an den Ordensmitgliedern vorbeischob. »Wir müssen den Kopf frei kriegen und uns überlegen, wie wir vorgehen sollen.«

»Nein!«, entgegnete ich schneller, als ich denken konnte. Die Lautstärke meiner Stimme überraschte selbst mich, weshalb ich erschrocken zusammenfuhr. »Blake ist in Gefahr. Wir wissen nicht, ob er überhaupt noch am Leben ist. Wir dürfen keine Zeit verlieren!«

Brian schnaufte und massierte sich langsam die Schläfen. »Natürlich wollen auch wir ihn zurückholen, aber jeder von uns ist geschwächt, Elayne. Wir können uns nicht schon wieder Hals über Kopf irgendwo reinstürzen. Dazu fehlt uns die Kraft.«

»Uns rennt die Zeit davon!«, drängte ich.

»Morgen ist auch noch ein Tag«, sagte Fiora beruhigend. Es war beneidenswert, wie es ihr gelang, die Fassung zu bewahren, nach allem, was wir durchgemacht hatten. Sie hätte ein seelisches Wrack sein müssen. Vielleicht war sie das auch innerlich und versuchte nun lediglich, die Starke von uns beiden zu sein. Irgendjemand musste es schließlich sein.

Ich schluckte die Erwiderung runter, die mir eigentlich auf der Zunge lag. Stattdessen nickte ich. »In Ordnung.« Ein Tag Pause. Ab morgen würde es oberste Priorität haben, Blake zu finden.

Es war bereits Abend, als wir aus der Kathedrale traten. Die Luft war warm und stickig, trotzdem wackelten meine Knie bei jedem Schritt. Dass Blakes Motorrad am Ende der Straße stand, war nicht förderlich für mein gebrochenes Herz und die Tränen, die ich in den vergangenen Minuten hatte zurückhalten können. Nun drohten all die Gefühle wieder an die Oberfläche zu kommen und mich unter einer Lawine zu begraben.

»Lay!« Mein Knopf schnellte in die Höhe – es war Mom. Sie und Dad standen lediglich ein paar Meter entfernt und kamen nun auf mich zugerannt. Als sie mich in eine feste Umarmung schlossen, konnte ich die Tränen nicht länger aufhalten.

»Woher? Was?« Ich war nicht in der Lage, die Fragen zu formulieren.

»Man hat uns vor etwa einer halben Stunde informiert, was geschehen ist«, sagte Mom schluchzend. »Wir haben Grace zu unserem Nachbarn gebracht und sind sofort losgefahren.«

»Gott sei Dank ist dir nichts passiert«, sagte Dad und zog mich fester an sich. Zwischen meinen Eltern fühlte ich mich noch so viel zerbrechlicher. Aber ihre Wärme und Geborgenheit schützten mich davor, zu fallen.

»Ich habe euch so lieb«, sagte ich weinend. »Es tut mir alles so leid. Bitte vergebt mir.«

Mom und Dad weinten und flüsterten mir zu, dass alles in Ordnung war und es nichts zu vergeben gab. Wir standen inmitten des Vorplatzes der Kathedrale, umringt von zahlreichen Menschen, die uns sicherlich verständnislos anschauten, doch es war uns egal. Wir waren zusammen und in Sicherheit. Und das war alles, was zählte.

»Lass uns nach Hause gehen«, sagte Mom, löste sich von mir und strich mir eine Strähne hinter das Ohr. Ihre Augen waren gerötet, aber sie lächelte.

»Ja, lasst uns gehen«, erwiderte ich. Fiora und Brian standen noch auf dem Treppenabsatz und winkten zum Abschied, als ich mich mit Mom und Dad rechts und links von mir abwandte.

Die Fahrt nach Hause kam mir endlos vor. Genau wie der ganze Tag. Jeder Knochen und jeder Muskel in meinem Körper taten weh und das Pochen hinter meinen Schläfen intensivierte sich von Minute zu Minute.

Auch nach einer heißen Dusche wurden die Schmerzen nicht besser, weshalb ich mir eine Tablette nahm und sie mit einem Glas Wasser hinunterspülte. Anschließend zog ich mir einen kuscheligen Pyjama an und setzte mich zu meinen Eltern auf die Couch. Grace war noch bei unserem Nachbarn und würde dort vermutlich auch die Nacht verbringen. Sie sollte nicht mitbekommen, was vorgefallen war. Nicht nach dem, was ihr passiert war. Sie sollte ein sorgenfreies Leben führen dürfen.

»Wie konnte das nur alles geschehen?« Dad sprang auf und lief vor dem Couchtisch auf und ab. Dabei rieb er sich den Nasenrücken und atmete tief durch. »Der Orden sollte seine Mitglieder beschützen. Es wurden unzählige Leben aufs Spiel gesetzt. Das ist unverantwortlich.«

»James, beruhige dich«, sagte Mom beschwichtigend.

»Mich beruhigen?« Er drehte sich uns zu und deutete auf mich. »Unsere Tochter wäre wegen diesem Unsinn beinahe gestorben und du willst, dass ich mich beruhige?«

Ich hatte ihn selten so aufgebracht erlebt. Normalerweise war Mom diejenige, die sich in Dinge hineinsteigerte, nicht Dad. Er war der Besonnenere von beiden, der Ruhige, dem nichts und niemand Leid zufügen konnte. Zumindest war es das, was ich all die Zeit geglaubt hatte.

»Sie hat es sich nicht ausgesucht. Niemand von uns hat es sich ausgesucht«, presste Mom zwischen ihren Zähnen hervor. »Wenn es einen Weg gäbe, die Gaben loszuwerden, dann würde ich weiß Gott alles in Bewegung setzen, um ein normales Leben zu führen.«

»Hört auf, euch zu streiten«, sagte ich, aber entweder hörten meine Eltern mich nicht oder sie ignorierten mich.

»Dann finde einen Weg, Beth«, schrie Dad nun noch lauter. Ich zuckte zusammen.

»Hört auf damit«, sagte ich ein weiteres Mal.

»Ach und was denkst du, habe ich all die Zeit gemacht? Däumchen gedreht? Darauf gewartet, dass mir eine Lösung in den Schoß fällt? Nein, denn im Gegensatz zu dir habe ich all die Jahre nach einem Weg gesucht, die Gaben loszuwerden. Damit Elayne nicht diese schwere Last mit sich herumtragen muss!« Mom ballte die Hände zu Fäusten und kurz dachte ich, sie würde jeden Augenblick auf Dad einschlagen.

Ich ertrug es nicht. Diese Streitereien zehrten an meinen Kräften, raubten mir das letzte bisschen Energie, das ich noch besaß. Es war ein harter Tag gewesen – seelisch und körperlich.

»Dann such weiter und -«

»Hört endlich auf damit!«, schrie ich gegen meinen Dad an und sprang auf die Beine. Mein Puls raste. »Hört auf, euch zu streiten. Hört auf, so zu reden, als wäre ich nicht anwesend. Hört auf!«

»Aber -«

»Nein! Nichts aber. Es geht mir dreckig. Ordenskrieger sind tot, Blake ist fort und ich habe einen Menschen getötet. Ich ertrage eure Streitigkeiten jetzt einfach nicht.« Ich hörte meine Eltern noch etwas im Protest rufen, doch ich ignorierte es und lief stattdessen geradewegs in mein Zimmer und schlug die Tür hinter mir zu. Als ich mich dagegen lehnte und langsam auf den Boden gleiten ließ, liefen die Tränen erneut unkontrolliert meine Wangen hinunter.

Ich zog die Knie fest an meinen Oberkörper und legte den Kopf auf ihnen ab. Hilflosigkeit war alles, was ich in diesem Moment spürte. Ich wollte etwas tun, wollte all meine Kraft darauf aufwenden, Blake zurückzuholen. Aber ich konnte es nicht. Nicht heute. Nicht jetzt.

Irgendwann, es mussten Stunden gewesen sein, gelang es mir, wenigstens die paar Schritte zum Bett zu gehen und mich langsam in den Schlaf zu weinen.

KAPITEL 2

Schlaf sollte die Lösung sein. Doch er war es nicht. Am liebsten hätte ich mich für den Rest meines Lebens nicht mehr bewegt, die Decke bis zur Nasenspitze hochgezogen und mich in meiner Trauer gesuhlt. Aber damit war niemandem geholfen. Ich musste den Schmerz hinunterschlucken. Nichts anderes würde Blake von mir erwarten. Wäre ich an seiner statt, hätte er sich keinen Tag in Selbstmitleid gesonnt, sondern mich vermutlich bereits aus den Klauen Kalfus befreit.

Als ich mich auf die Seite drehte und nach dem Ordenshandy auf meinem Nachttisch griff, blinkten mir einige Nachrichten entgegen. Sofort war ich hellwach und richtete mich im Bett auf.

Lay, kommst du heute? Wenn nicht, dann verstehe ich das natürlich. Du brauchst sicher Zeit. Melde dich, sobald du dich dazu in der Lage fühlst.Fiora

Ich scrollte zur nächsten Nachricht, die ebenfalls von Fiora stammte.

Xavier Hughes hat eine Versammlung einberufen. Es geht um die Zukunft des Ordens. Ich halte dich auf dem Laufenden.

Ich hatte vorgehabt, in den Orden zu fahren, hatte gestern aber vergessen, meinen Wecker zu stellen. Nun war es bereits beinahe Mittag. Als ich die nächste von Fioras Nachrichten las, stockte mir der Atem.

Du glaubst nicht, was hier los ist. Die meisten Mitglieder wollen den Orden verlassen, da sich einer unserer Götter gegen uns gewandt hat. Es herrscht pures Chaos! Hughes wird vorerst den Posten von St. Alamosa übernehmen, bis wir mehr wissen. Das ist alles so verrückt, ich kann es kaum in Worte fassen. Ich wünschte, du wärst hier, Lay …

Ich schluckte schwer. Es war unglaublich, wie sich das komplette Leben binnen vierundzwanzig Stunden verändern konnte. Vor einem Tag hatten wir noch Seite an Seite gegen eine Schar von Nachtmahren und einen Loa gekämpft und nun sollte es das gewesen sein? Nun wollten sich die Ordenskrieger zurückziehen und alles an den Nagel hängen, was sie sich in den letzten Jahren aufgebaut hatten? Das war doch verrückt!

Vor allem, da wir es geschafft hatten. Es war uns gelungen, die Prophezeiung zu zerschmettern. Der Dolch war zerstört, Kalfu wieder in die Schatten verbannt worden und die Welt vor einem größeren Unheil bewahrt. Nun aufzugeben, sollte überhaupt nicht zur Debatte stehen.

Doch was verstand ich schon davon? Ich war schließlich erst seit wenigen Wochen ein Teil dieser Gemeinschaft. Vielleicht wäre meine Meinung eine andere, wäre auch ich schon mein Leben lang eine Ordenskriegerin. Ich wusste es nicht. Eines wusste ich aber mit Gewissheit: Aufgeben kam nicht infrage. Also sprang ich aus dem Bett, warf mir Hose und Shirt über, trat aus meinem Zimmer und ging in die Küche.

»Lay, schön, dass du wach bist. Möchtest du etwas essen? Einen Kaffee?« Mom deutete auf die Maschine, auf der eine noch dampfende Kanne stand.

»Okay, einen kleinen, ich muss los«, sagteich und befüllte mir eine Tasse.

Stirnrunzelnd schob Mom sich den Hocker zurecht. »Wo willst du denn hin?«

»Na zum Orden«, erwiderte ich schulterzuckend.

»Nach allem, was passiert ist, möchtest du dorthin zurück? Bist du dir wirklich sicher?«

»Ich erwarte nicht, dass du es verstehst. Aber Blake ist meinetwegen nicht mehr hier. Ich muss einen Weg finden, ihn zu retten. Das bin ich ihm schuldig.« Ich setzte die Tasse an meine Lippen und nahm einen großen Schluck. Der Kaffee wärmte mich von innen heraus auf und weckte meine noch müden Glieder.

Mom biss sich auf die Unterlippe und schaute mich besorgt an. »Wir wissen nicht, ob -« Ihre Stimme brach. Sie räusperte sich leise, ehe sie fortfuhr. »Vielleicht ist er nicht mehr am Leben.«

Zügig blinzelte ich die Tränen fort, von denen ich in den letzten Stunden schon genügend vergossen hatte. »Vielleicht. Aber solange es Hoffnung gibt, kann ich mich nicht zurücklehnen und nichts tun. Außerdem bin ich mir sicher, dass er es geschafft hat. Er ist so viel stärker als jeder andere Mensch, den ich kenne.«

Ein zaghaftes Lächeln stahl sich auf Moms Lippen. Ich meinte sogar ein stolzes Funkeln in ihren Augen wahrzunehmen. Dann nickte sie und stellte ihre Tasse auf die Anrichte. »In Ordnung. Ich fahre dich.«

»Hat Dad nicht den Wagen?«

Sie schüttelte den Kopf. »Er ist unten bei Grace und Mr Haroldson. Komm.« Sie griff nach dem Autoschlüssel und ging Richtung Wohnungstür.

Erleichtert atmete ich auf und folgte ihr hinaus.

***

Es war ein seltsames Gefühl, dass Blake heute nicht derjenige war, der den Fahrstuhl bediente. Glücklicherweise hatte er mir erklärt, wo ich drücken musste, sollte er mal nicht da sein. Es war eine kleine Einkerbung in den Schnitzereien. Eine, die mit bloßem Auge kaum zu erkennen und gut genug versteckt war, dass man sie nicht aus Versehen betätigen konnte.

Als die Türen sich öffneten, wartete Fiora bereits auf uns. Augenblicklich sprang sie mir in die Arme. »Oh, Lay. Wie geht es dir? Ach, was frage ich. Dir muss es furchtbar gehen, tut mir leid.«

»Schon okay«, antwortete ich in ihren Haarschopf. Nachdem sie von mir abgelassen hatte, trat ich einen Schritt zur Seite und deutete auf meine Mutter. »Meine Mom Beth kennst du ja schon. Mom, das ist Fiora.«

Anstatt die Hand zu greifen, die meine Mutter ihr reichte, zog Fiora auch sie fest in die Arme. »Danke, dass Sie Elayne hergebracht haben. Seit heute früh herrscht hier nur noch Chaos!«

»Lay hat mir davon erzählt«, sagte Mom und drückte Fiora vorsichtig von sich. Ich musste schmunzeln. Die plötzliche Umarmung hatte sie sichtlich überfordert, aber so war Fiora nun mal. Anders hatte ich sie nicht kennengelernt.

»Wo sind die anderen? Tiffany, Brian, die Zwillinge?«

Fiora presste die Lippen fest aufeinander und schaute mich sorgenvoll über ihre Brillengläser hinweg an. Mein Puls beschleunigte sich. Irgendetwas stimmte nicht. »Niemand hat Corbin und Jarvis gesehen. Sie sind nicht in ihren Zimmern und auch nicht erreichbar.«

»Was?«, entfuhr es mir. Das war seltsam. Sie waren beim gestrigen Kampf nicht dabei gewesen, doch ich hatte vermutet, dass sie so ausgelaugt von ihrem Außeneinsatz gewesen waren, dass eine Bombe neben ihnen hätte einschlagen können. Schließlich hatten die beiden in den letzten Tagen furchtbar ausgesehen.

»Brian versucht weiterhin, sie irgendwie zu erreichen. Allmählich mache ich mir Sorgen, dass ihnen vielleicht etwas passiert sein könnte.«

Geistesabwesend nickte ich. Das konnte ich gut nachvollziehen. Es war wirklich ungewöhnlich, dass die Zwillinge wie vom Erdboden verschluckt waren. Wären sie erneut auf einen Einsatz geschickt worden, hätten sie uns davon erzählt. Oder der Rat wüsste davon.

»Jetzt komm erst mal. Jemand möchte mit dir reden.« Fiora griff nach meinem Arm und zog mich hinter sich her.

»Wohin gehen wir? Und Mom, kommst du?«, rief ich über meine Schulter, woraufhin meine Mutter aus ihrer Starre erwachte und uns schnell folgte. Für sie musste es sicherlich ein merkwürdiges Gefühl sein, nach all den Jahren wieder im Orden zu sein.

Wir liefen die Stufen hoch, wobei wir ein paar Ordensmitgliedern begegneten. Einige von ihnen hatten den Blick wie in Trance geradeaus oder gen Boden gerichtet, wieder andere huschten zügig und laut rufend umher. Es war surreal.

»Xavier Hughes möchte dich sehen«, sagte Fiora schließlich. Mir rutschte das Herz in die Hose. Wenn ich eines nicht wollte, dann schon wieder mit einem Hohepriester zu sprechen, der in mir nichts weiter als ein Hindernis sah, ein Insekt, das es zu zerquetschen galt. Fiora schien meine Sorge zu bemerken. »Mach dir keinen Kopf. Er möchte helfen.«

Stirnrunzelnd presste ich die Lippen aufeinander. Mittlerweile bezweifelte ich, dass mir überhaupt jemand helfen wollte. Schon mehrmals hatte ich den Worten des Rats Glauben geschenkt und wo hatte uns das hingeführt?

Vor einer mir unbekannten Tür blieb Fiora plötzlich stehen. »Bereit?«

Eigentlich war ich es nicht. Aber was war die Alternative? »Wenn es sein muss«, gab ich daher schulterzuckend zurück. »Solange Mom mitkommen darf.«

»Selbstverständlich! Ich habe Hughes vorhin schon Bescheid gesagt, dass du sie mitbringst.« Es hätte mich nicht wundern sollen, dass Fiora wieder einmal an alles gedacht hatte.

Mit einem Ruck öffnete sie die große Doppelflügeltür, hinter der ein weitläufiger und heller Raum lag. Dieser stand im genauen Kontrast zu dem finsteren Kämmerchen, in dem wir sonst unsere Unterredungen mit dem Rat geführt hatten.

Vor einer großen Illusionsfensterfront befand sich ein langer, tafelähnlicher Tisch aus hellem Eichenholz. Dahinter hatten die Ratsmitglieder, in deren Mitte Xavier Hughes, Platz genommen. Durch die freundliche Einrichtung des Raumes wirkten die Männer deutlich weniger bedrohlich, als es bisher immer der Fall gewesen war. Heute hatten sie ihre Kapuzen auch nicht tief in ihre Gesichter gezogen, sondern ließen die Sonnenstrahlen, auch wenn diese nicht real waren, ihre Haut kitzeln.

Als wir näher traten, hob Xavier Hughes seine Mundwinkel und lächelte aufrichtig. »Kommt bitte rein und setzt euch.« Er deutete auf die Stühle, die vor dem Tisch standen.

Ich verschränkte die Finger ineinander und knetete meine Hände. Mir war unbehaglich zumute, was wohl daran lag, dass Gespräche mit dem Rat bisher nie einen guten Ausgang genommen hatten.

Aber das war Kalfu zu verschulden gewesen, flüsterte die Stimme in meinem Kopf. Im Grunde wusste ich, dass sie recht hatte. Doch das änderte nichts daran, dass ich mein Vertrauen nie wieder leichtfertig in jemanden stecken konnte. Es war gebrochen worden. Sowohl vom Hohepriester des Ordens als auch von Lester, der uns eigentlich als Freund hätte zur Seite stehen sollen, anstatt uns von hinten das Messer in den Rücken zu rammen.

»Warum bin ich hier?« Mir war nicht danach, lange um den heißen Brei zu reden.

»Ich möchte dir danken, Elayne«, sagte Xavier Hughes ruhig und lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Im Namen des Rats und des gesamten Ordens. Dein Mut und deine Tapferkeit haben uns alle gerettet. Ohne dich wäre die menschliche Rasse dem Untergang geweiht. Dein schnelles Handeln hat dafür gesorgt, dass Kalfu besiegt werden konnte.«

Ich schluckte. »Gern geschehen?« Meine Stimme war so leise, dass ich nicht wusste, ob Hughes mich verstand. Mom griff nach meiner Hand. Nicht, um mich zu beruhigen, sondern sich selbst, wie ich anhand ihrer zitternden Finger feststellte.

»Man hat uns darüber informiert, was genau gestern vorgefallen ist. Es tut mir unendlich leid, dass wir von all dem Schrecken nichts bemerkt haben. Wir konnten nicht ahnen, wer wirklich im Körper von Hohepriester Azrael Lucius St. Alamosa steckte.« Zwar klangen seine Worte ernst gemeint, aber ich wusste nicht, ob ich Hughes glauben konnte. Wir konnten nicht mit Gewissheit sagen, wie lange Kalfu bereits Besitz vom Körper des Hohepriesters ergriffen hatte. Es konnten Monate oder gar Jahre gewesen sein. Und nun wollte Hughes mir weismachen, dass niemand etwas geahnt hatte? Das stellte ich mir schier unmöglich vor.

»Und weiter?«

»Wir wissen, wie sehr du dich um Blake sorgst. Leider kenne ich keinen Weg, ihn aus der Schattenwelt, in die man ihn vermutlich gebracht hat, zu befreien. In den Archiven mag eine Antwort liegen, doch es könnte Wochen dauern, diese zu finden. Ich kann mir gut vorstellen, dass du nicht so lange warten möchtest.«

»Nein, das möchte ich nicht«, pflichtete ich ihm bei. Wenn ich eines nicht wollte, dann dass Blake länger als nötig in Gefangenschaft bleiben musste.

Hughes nickte. »Das habe ich mir gedacht. Es gibt noch eine andere Möglichkeit. Jemand, der dir helfen kann. Ich möchte, dass du diese Person aufsuchst und dass so viele Ordenskrieger wie möglich dich begleiten.« Er zog ein Papier aus seiner Kutte und schob es über den Tisch.

Ich griff danach und betrachtete es. Es dauerte einen Moment, ehe ich begriff, dass eine Landkarte darauf zu sehen war. Auf ihr war eine Insel eingezeichnet, mitsamt ihrer Berge und Flüsse. Inmitten zweier Bergketten befand sich eine Markierung.

»Was soll das sein?«

Hughes atmete tief durch und betrachtete mich ernst. Eine tiefe Furche zeichnete sich zwischen seinen Brauen ab. »Dieses Wissen ist streng vertraulich. Wäre die Lage nicht so ernst, dürften wir diese Information auch unter keinen Umständen teilen.«

»In Ordnung.« Ich nickte.

»Schön.« Hughes schaute die anderen Ratsmitglieder nacheinander an. Die Männer wirkten nicht überzeugt, eher als wüssten sie nicht, inwiefern sie mir trauen konnten. Mir entfuhr ein leises Schnauben. Das war doch lächerlich – immerhin war ich diejenige, die mehrfach hintergangen worden war, und nicht sie. »Die Markierung zeigt dir den Standort der haitianischen Zweigstelle des Ordens. Elodie Moreau ist dort seit mehreren Amtszeiten die Hohepriesterin. Sie verfügt über eine immense Expertise in sämtlichen Bereichen. Wenn dir jemand helfen kann, dann sie. Sie wird wissen, was zu tun ist.«

»Ihr möchtet, dass wir nach Haiti fliegen?«

Hughes nickte. »In der Tat.«

»Und Ihr seid Euch sicher, dass wir auf diese Weise Blake retten können?« Ich fixierte erst das Papier in meiner Hand, ehe ich den Blick wieder zu Hughes wandte. Aus seinem Gesicht ging keine Regung hervor.

»Nein«, gestand er schließlich. »Aber es ist die einzige Chance.«

»Wäre es nicht schneller, einfach anzurufen?«, warf Fiora ein. »Wir können Hohepriesterin Moreau doch fragen, ob sie eine Lösung kennt. Und wenn nicht, erspart uns das den Flug.«

»Der haitianische Orden hat keine Kommunikationsmittel zur Außenwelt. Sie leben sehr einfach. Zumindest sagt man sich das«, erklärte Mom. Instinktiv fragte ich mich, was sie noch alles wusste.

»Deine Mutter hat recht. Irgendjemand von uns muss hinfliegen und ich dachte, dass du, Elayne, das gern tun würdest. Wenn nicht, verstehe ich das. Wir können auch wen anders schicken.«

»Nein«, unterbrach ich ihn. »Nein, schon in Ordnung. Ich möchte es tun.«

Und das wollte ich wirklich. Sollte auch nur der Hauch einer Chance bestehen, dass wir Blake auf diese Weise finden und aus den Klauen Kalfus befreien konnten, musste ich es tun.

»Lay«, sagte Mom leise. »Das ist viel zu gefährlich.«

»Das ist mir egal. Blake würde dasselbe für mich tun. Er hat sich Kalfu in den Weg gestellt, um mich zu retten. Nun liegt es an mir, dasselbe für ihn zu tun.«

Ganz sanft drückte Mom meine Hand und ein Lächeln formte sich um ihre Lippen. »Dann werde ich dich begleiten.«

»Wie bitte?« Erstaunt hob ich die Brauen.

»Du hast richtig gehört. Pack deine Sachen, wir fliegen nach Haiti.«

»Aber, was ist mit Grace? Und Dad?«

Mom winkte ab. »Ach, die beiden werden schon ohne uns auskommen. Und wer weiß, vielleicht sind wir schneller zurück, als wir denken.«

»Und ich komme selbstverständlich auch mit. Du kannst dich doch nicht ohne deine beste Freundin in Gefahr bringen, das lasse ich nicht zu«, lenkte Fiora ein.

»Es freut mich, dass wir das geklärt haben. Wir werden ein Team zusammenstellen, das euch begleitet. Es hat oberste Priorität, unsere Ordenskrieger wohlbehütet nach Hause zu bringen.« Xavier Hughes erhob sich, woraufhin die anderen Ratsmitglieder es ihm nachtaten. »Eines unserer Flugzeuge wird morgen für euch bereitgestellt. Wir werden euch den genauen Ort mitteilen.«

»Wir kriegen einen Privatjet?«, quietschte Fiora aufgeregt.

»Natürlich«, antwortete Hughes lächelnd. »Wir sehen uns dann morgen.«

Kurz darauf verschwanden die Männer aus der Tür. Mein Herz raste weiterhin unaufhörlich in meiner Brust. Für einen Augenblick war es mir sogar gelungen, meine Trauer zu vergessen, denn sie wurde zum ersten Mal von einem Hoffnungsschimmer am Horizont abgelöst. Wir hatten nun eine reelle Chance, Blake zu retten.

»Bist du sicher, dass du mitkommen möchtest?«, fragte ich Fiora. »Willst du nicht bleiben, um …«

»Auf keinen Fall.« Schnell schüttelte sie ihren Kopf, wodurch ihre Locken hin und her schwangen. »Ich möchte so viel Abstand wie möglich zu Lester gewinnen. Nur, weil ich ihn nicht sterben lassen konnte, bedeutet das noch lange nicht, dass ich in seiner Nähe sein will. Ich kann es nicht. Er hat uns verraten. Er hat uns beinahe alle in den Tod geschickt, und wofür? Macht, die man ihm versprochen hat? Das ist irrsinnig.«

Zum ersten Mal seit gestern hatte ich das Gefühl, dass auch Fiora sehr unter der Situation litt. Sie war wütend und enttäuscht, fühlte sich hintergangen. Gemeinsam würde es uns vielleicht gelingen, all die negativen Gefühle hinfortzuspülen.

Sacht legte ich meine Hand auf Fioras Schulter. »Okay. Danke.« Dann wandte ich mich meiner Mutter zu. »Und du, Mom? Bist du dir wirklich sicher? Noch kannst du einen Rückzieher machen.«

»Mich kann niemand davon abhalten, gemeinsam mit meiner Tochter nach Haiti zu fliegen. Irgendjemand muss ja ein wachsames Auge auf dich haben.«

Ich kam nicht umhin, zu lächeln. Es bedeutete mir unglaublich viel, zu wissen, dass es trotz allem noch Menschen gab, die mir zur Seite standen und mir bedingungslos überall hin folgen würden. Wir konnten nicht mit Sicherheit sagen, was auf Haiti auf uns wartete und ob es uns gelingen würde, Blake zurück in unsere Welt zu holen. Doch ich glaubte fest daran. Wir hatten es schließlich bereits mit einem Loa aufgenommen – schlimmer konnte es kaum noch werden.

»Wir werden es schaffen«, sagte Fiora lächelnd. Entschlossenheit schwang in ihrer Stimme mit.

Mom war die Erste, die sich vom Stuhl erhob und sich ausgiebig streckte. »Ich werde mit deinem Vater sprechen müssen«, sagte sie leicht besorgt.

»Hast du nicht eben noch gesagt, er und Grace werden schon klarkommen?«, fragte ich mit hochgezogener Braue.

»Das schon. Aber ich habe niemals gesagt, dass er sonderlich begeistert sein wird.« Sie presste die Lippen zu einem schmalen Spalt zusammen. »Du hast doch miterlebt, wie wütend er gestern war. Dass sich seine Tochter nun erneut einer Gefahr aussetzen möchte wegen eines Jungen … Ich weiß nicht, was er davon halten wird.«

»Er ist nicht irgendein Junge«, flüsterte ich.

»Ich weiß.« Mom strich mir über den Kopf. »Dein Vater wird es schon verstehen, dafür werde ich sorgen.«

»Danke.«

Mom winkte ab und zwinkerte. »Ach, wir waren auch mal verliebte Teenager.«

Hitze stieg mir in die Wangen und Fiora kicherte leise. Ich verengte die Augen zu schmalen Schlitzen und warf ihr einen meiner bösen Blicke zu, der sie allerdings nur noch mehr zum Lachen brachte.

»Das muss dir nicht peinlich sein, Lay. Blake ist ein hübscher junger Mann. In deinem Alter wäre ich ihm wohl auch verfallen«, stichelte Mom weiter. Einerseits war mir das Ganze höchst unangenehm, andererseits lockerte es die noch immer leicht angespannte Stimmung etwas auf, weshalb ich ihr nicht wirklich böse sein konnte.

»Lass uns einfach nach Hause gehen«, sagte ich und stand kopfschüttelnd auf. »Wir haben bis morgen noch einiges zu tun.«

Fiora folgte meinem Beispiel und gemeinsam verließen wir das Zimmer und gingen zurück Richtung Foyer.

»Ich rufe dich nachher kurz an und sage dir Bescheid, wen Hughes für das Team zusammengestellt hat«, sagte Fiora und zog mich in eine Umarmung. »Und sei nicht mehr traurig. Bald werden Blake und du wieder zusammen sein.«

»Ich versuche es.« Und das würde ich wirklich tun. Ich wusste, dass er am Leben war. Tief in meinem Inneren spürte ich es. Solange dieses Gefühl in mir keimte, würde ich die Hoffnung nicht aufgeben.

KAPITEL 3

Blake

Hier unten in der Dunkelheit war Blake nicht in der Lage, die Tageszeit zu bestimmen. Jede Minute zog sich ewig in die Länge. Einzig und allein die Kerben, die er mit seiner Gürtelschnalle in die Mauer geritzt hatte, waren ein Hinweis darauf, dass er bereits drei Nächte dort verbracht haben musste. In dieser Zeit hatte man ihm sechs Mahlzeiten bereitgestellt und mehrere Krüge Wasser.

War er zu Beginn noch skeptisch gewesen, was das Essen betraf, so hatte er am zweiten Tag all seine Zweifel über Bord geworfen, denn er benötigte die Energie dringend. Trotzdem war ihm noch keine Möglichkeit eingefallen, wie er diesem Ort entfliehen konnte.

Seit Tag eins hatte Blake Kalfu nicht mehr zu Gesicht bekommen. Stattdessen war es ein Goblin gewesen, der ihm die Speisen gebracht hatte. Blake hatte versucht, mit ihm zu reden, doch er hatte kein Wort gesprochen. Er hatte nichts weiter getan, als Teller und Krug abzustellen und beides bei der nächsten Mahlzeit auszutauschen. Dabei trug der Goblin nur einen einzigen Schlüssel um den Hals – den des Ausgangs.

Blake hatte versucht, ihm diesen abzunehmen, aber die Kreatur war nicht so dumm, nahe genug an die Gitterstäbe heranzutreten. Vermutlich hätte Kalfu ihm ansonsten die Hölle heißgemacht.

Ohnehin war Blake nicht klar, was er tun sollte, sollte ihm die Flucht gelingen. Er wusste so gut wie nichts über die Schattenwelt, außer dass sie von den Kreaturen der Nacht und den Petro-Loa bewohnt war. Wie diese aufgebaut war, konnte er nur vermuten. Seines Wissens hatte kein Mensch, der durch eines der Portale getreten war, jemals zurück in die Welt der Sterblichen gefunden.

Als Kind hatte Blake sich immer vorgestellt, dass die Schattenwelt ein Abbild der unseren war. Er hatte sich vorgestellt, dass sie parallel existierten, lediglich in zwei verschiedenen Dimensionen. So wie es in Comics oft der Fall war. Was davon der Wahrheit entsprach, hatte er aber nie herausfinden können, obwohl er Jahr um Jahr nach Antworten in den Archiven gesucht hatte.

Seufzend lehnte Blake sich an die kühlen Gitterstäbe und schloss die Augen. Seine Gabe war bisher nicht zurückgekehrt. Vermutlich würde er sie an diesem Ort nicht anwenden können. Die Loa mussten einen Schutz dagegen errichtet haben, damit sie in ihrer eigenen Welt nicht angreifbar waren. Das zumindest war die einzig logische Erklärung, die Blake hatte.

Das bedeutete allerdings, dass es noch weitaus gefährlicher für Elayne wäre, hierherzukommen. Er würde sie nicht beschützen können. Deshalb musste er unbedingt einen Ausweg aus dieser Misere finden, bevor es ihr doch noch gelang, diesen Ort zu erreichen.

Knarzend wurde die Tür zum Kerker geöffnet. Blake wandte sich dem Geräusch zu. Er runzelte die Stirn, als er einen anderen Goblin hindurchtreten sah. Dieses Exemplar überragte Blake um einen Kopf, weshalb er ehrfürchtig einen Schritt nach hinten trat. Es kam selten vor, dass Goblins eine solche Größe überhaupt erreichten. Normalerweise handelte es sich bei ihnen um eher kleine, koboldartige Wesen mit grüner Haut und länglichen zugespitzten Ohren.

Blake betrachtete sein Gegenüber. Der Goblin trug eine braune Lederhose, in deren Gürtel zahlreiche kleine Waffen und Werkzeuge steckten. Diese reichten von Messern, über einen Hammer bis hin zu Schraubenziehern und Dietrichen. Zwischen seinen dürren Fingern, die in spitzen Krallen endeten, klimperte er mit einem Schlüsselbund.

»Der Meister erwartet dich«, sagte der Goblin monoton, wobei er eine doppelte Reihe scharfkantiger Zähne entblößte, mit denen er jedes seiner Opfer mit einem gezielten Biss auf der Stelle aus dem Leben reißen konnte. Dann steckte er einen der rostigen Schlüssel in das Schloss und öffnete Blakes Zelle.

»Was will er von mir?« Es war das erste Mal seit Tagen, dass ihm der Weg in die Freiheit geebnet wurde, nichtsdestotrotz blieb Blake skeptisch. Er vermutete, dass es sich bei dem Meister um Kalfu selbst handelte. Und wenn dieser ihn sehen wollte, konnte das nichts Gutes bedeuten. Blake musste sich also schneller als gedacht einen Plan zurechtlegen, um zu entkommen.

»Stell nicht so viele Fragen«, knurrte der Goblin und stieß dabei seinen faulig riechenden Atem aus.

»Ich -« Blake konnte nicht weitersprechen. Der Goblin hob seinen rechten Zeigefinger und zog damit kleine Kreise in der Luft. Sofort spürte Blake, wie sich eine unsichtbare Schlinge um seine Lippen legte. Er wollte danach greifen, seine Arme wanderten allerdings wie von selbst hinter seinen Rücken. Auch dort spürte er, wie sich die Schlinge um seine Handgelenke legte und er sie nicht mehr rühren konnte.

»Schon besser.« Der Goblin grinste schief und wandte sich um.

Mit aller Macht versuchte Blake sich gegen den Zauber zur Wehr zu setzen, aber seine Lippen blieben versiegelt und seine Arme waren wie festgefroren. Lediglich seine Beine waren verschont worden, weshalb er resigniert aus der Zelle trat und dem Goblin folgte. In diesem Zustand war eine Flucht ausgeschlossen.

Während sie die steile Steintreppe emporstiegen und den Zellentrakt damit hinter sich ließen, versuchte Blake sich seine Umgebung genauestens einzuprägen. Enttäuscht stellte er schnell fest, dass das gar nicht so einfach war, denn ein Stein glich dem anderen. Er vermutete, dass sich der Kerker im Untergrund einer alten Burg oder vielleicht sogar eines Schlosses befand.

Mit schlurfenden Schritten lief der Goblin weiter und Blake ihm hinterher. Der Flur, in dem sie sich gerade befanden, schien endlos zu sein. In den Wänden steckten entzündete Fackeln, die den Weg erleuchteten. Blake hob den Kopf und schaute in Richtung Decke. Es gab keine einzige Lampe. Weshalb ein mächtiger Loa einen mittelalterlichen Lebensstil ohne Elektrizität bevorzugte, war Blake schleierhaft.

Vor einer alten, aus Holzplanken bestehenden Tür blieb der Goblin stehen. Er öffnete sie mit einem der Schlüssel an seinem Bund und trat hindurch.

»Komm«, sagte er. Blake wollte seine Lippen befeuchten, aber die unsichtbare Schlinge hinderte ihn daran. Stattdessen schluckte er und atmete tief durch die Nase ein, ehe er dem Goblin über die Schwelle in den angrenzenden Raum folgte.

Auch hier gab es lediglich Fackeln und Kerzen, die ein sanftes Licht spendeten. Im Gegensatz zu dem langen Flur war dieser Raum allerdings mit einem bereits leicht ausgeblichenen roten Teppich ausgelegt, der sich unter den Sohlen seiner Schuhe unglaublich weich anfühlte. Während er weiterlief, ließ Blake den Blick durch den Raum schweifen, der ihn zunehmend an eine Skihütte erinnerte.