Abenteuer auf Laxos oder Papa spinnt - Ulrich Sichau - E-Book

Abenteuer auf Laxos oder Papa spinnt E-Book

Ulrich Sichau

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Beschreibung

Luisa hat mal wieder vergessen, ihre Hausschuhe anzuziehen. Ihr Papa meint, er müsse ihr nun einen Vortrag über Vergesslichkeit halten. Und was er erzählt, ist eine ziemlich haarsträubende Geschichte: Er berichtet von Laxos, dem Planeten der Vergesslichkeit, von Raumschiffen und merkwürdigen Gestalten in Flohmarktkleidern. Die Welt ist aus den Fugen geraten, denn die Menschen erinnern sich an jede nebensächliche Kleinigkeit, vergessen dabei aber die wichtigen Dinge im Leben. Deshalb ist nun der König von Laxos gefragt, um Vergessen und Erinnerung wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Der Professor der Vergesslichkeit und Zindi, ein schlaues und mutiges Mädchen, sollen ihm dabei helfen. Bevor die beiden jedoch den König treffen können, müssen sie einige gefährliche Abenteuer bestehen.

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Für Sofie,

die selten Hausschuhe trug, doch überaus klug,

begeistert und -zu meiner Freude - immer geduldig

zuhörte.

Inhalt

Papa spinnt

Die Ratgeberpraxis

Seltsamer Besuch und leichtsinnige Verfolgung

Fremde Umgebung und widerborstiger Empfang

Laxos, Planet des Vergessens und der Erinnerung

Wie kommt man zu Sulu Suventa

Auf der Spur der schwarzen Katze

Einsames Spielzeug

Orchester ohne Dirigent

Traumparty

Ein vergesslicher König braucht Hilfe

Die Heimreise

Papa spinnt

"Luisa, zieh' deine Hausschuhe an!"

Wie bitte? Ich komme gerade zur Tür herein. Puh, erst mal den Ranzen abladen. War heute echt anstrengend, vor allem das Rechnen mit Minus. Oh Mann, ist mir heiß! Ich musste fast den ganzen Weg heimrennen. Der lange Michael wollte mir ständig die Mütze klauen und der schöne Alexander unbedingt einen Kuss von mir. Ich schwitze wie ein Kamel in der Wüste und jetzt klemmt schon wieder der Reißverschluss vom Anorak. Verdammter Mist ... so jetzt, endlich geschafft. Und nun die Stiefel, mhmm ... ist das eine Wohltat, endlich aus den Tretern raus. Was es wohl heute zu essen gibt? Hoffentlich nicht schon wieder Blumenkohl!

"Luisa, zieh' deine Hausschuhe an, ja?"

Was hat der gesagt? Heute Mittag geh' ich zu Alexander. Ich muss unbedingt daran denken, dass ich etwas zum Essen mitnehme. Wir wollen nämlich zur Schatzinsel reisen. Da braucht man Proviant! Zum Glück sind es heute nicht zu viele Hausaufgaben.

Oh, ich bitte vielmals um Entschuldigung! Du weißt noch gar nicht, wer ich bin. Ich bin Luisa, so ungefähr fast acht Jahre. Hab' echt Glück gehabt, ich bin nämlich ein Mädchen. Ich komme gerade von der Schule. Hier wohne ich. Mein Bruder auch. Der ist kaum älter als ich, aber doppelt so frech!

"Luisa, hast du deine Hausschuhe an?"

Der da immer so ruft, ist mein Papa. Papa hat gerade Urlaub. Das ist zwar manchmal ganz nett, aber wenn er anfängt, mich zu erziehen, ist er echt lästig. Hausschuhe! Meine Füße dampfen, wie gebackener Käse und ich soll diese blöden Dinger anziehen! Außerdem weiß ich gar nicht, wo die sind.

Oh, in der Küche duftet es. Ich muss mal schauen, was es zu essen gibt. Pfannkuchen wäre wirklich super!

"Na, wie war's in der Schule?"

"Es geht - was gibt es zum Essen?"

"Nudelauflauf. Habt ihr das Diktat geschrieben?"

Welches Diktat? Papa hat keine Ahnung. Das war doch schon letzte Woche. Nudelauflauf, na ja. Ich glaube, da bin ich auch mit einer kleinen Portion zufrieden. Bis das Essen fertig ist, verzieh' ich mich ins Wohnzimmer, sonst geht die große Fragestunde los und Papa will alles aus der Schule wissen.

Die Zeit vorm Essen ist für mich die beste Zeit. Ich schnapp' mir etwas zum Angucken oder Lesen und mach's mir in Omas großem Ohrensessel gemütlich. Keiner fragt mir Löcher in den Bauch. Mama kocht und hat noch keine Zeit, alles Unmögliche von mir zu wollen. Mein Bruder kommt erst später von der Schule heim und kann mich noch nicht ärgern. Wirklich schön ist es dann. Herrliche Ruhe. Ich lese oder gucke im Werbekatalog, was es für hübsche und schreckliche Sachen gibt. Oder ich mache ein Rätsel in der Kinderzeitung. Ich freu' mich immer auf diese halbe Stunde im Sessel.

"Luisa, du hast ja noch immer nicht deine Hausschuhe an! "

Oje, fast hab' ich's vergessen: Papa ist zu Hause! Noch nicht einmal in meiner halben Sesselstunde bin ich vor ihm sicher! Jetzt klingt er aber schon etwas säuerlich, findest du nicht? Ja, mein Papa, wenn der sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann lässt er nicht mehr locker.

Und er ist hundertprozentig davon überzeugt, dass es unheimlich wichtig ist, was er sich gerade in den Kopf gesetzt hat. Er denkt wohl, ein Mensch ohne Hausschuhe ist wie ein Fahrrad mit Platten! Platte Reifen kann mein Papa auf den Tod nicht ausstehen. Er schimpft dann furchtbar. Ich glaube, das ist bloß, weil er sich beim Reifenflicken immer wehtut. Er ist halt nicht der Geschickteste!

Vielleicht denkt Papa auch: Ein Mensch ohne Hausschuhe kriegt auf der Stelle eiskalte Ohren. Das Blut muss nämlich die armen kleinen Füße wärmen und für die Ohren bleibt nichts übrig! Mit eiskalten Ohren kann man natürlich nicht so gut hören, was die Erwachsenen sagen. Das ärgert Papa, wo er doch so viel Wichtiges zu sagen hat.

"Papa, ich sitz' im Sessel! Meine Ohren sind immer noch warm und mein Fahrrad hat auch keinen Platten! Außerdem weiß ich nicht, wo die Hausschuhe sind."

Ob das reicht? So grimmig wie der guckt? Nein, ich glaube, der lässt nicht locker! Er kann das sowieso nicht hören, wenn ich meine Sachen verlegt habe. Wie stellt er sich das vor: Immer soll ich wissen, wo Sachen sind, die ich gerade gar nicht brauche. Aber mein Papa ist ordentlich! Und ich soll's wohl auch werden.

"Luisa, dass du nie weißt, wo deine Sachen sind! Die Hausschuhe können doch nicht verschwunden sein. Überleg' doch mal, wo du sie zuletzt ausgezogen hast."

Ich hab's gewusst: Er lässt mich nicht in Ruhe. Jetzt redet er mit mir über Ordnung. Meine halbe Sesselstunde kann ich wohl vergessen. Dass er gerade nichts Wichtigeres zu tun hat!

"Mann, Papa, ich weiß nicht, wo ich die Hausschuhe ausgezogen habe! Ich hab' jetzt keine Zeit, sie zu suchen."

Alles umsonst! Du wirst es sehen. Mein Papa ist stur wie eine Schnecke auf der Eisbahn: Wenn die einmal ins Rutschen kommt, mag sie vor lauter Glück gar nicht mehr bremsen. Genauso ist es bei Papa: Wenn der etwas gefunden hat, wozu er mich erziehen kann, ist jeder Bremsversuch vergebens. Also, pass' auf, mein Papa kommt jetzt langsam in Fahrt!

"Luisa, wie kannst du denn nur vergessen, wo deine Sachen sind! Jeden Tag vergisst du irgendetwas. Das geht nicht!"

"Aber Papa, das kann doch jedem mal passieren." Oje, das hätte ich nicht sagen sollen. So etwas passiert doch meinem Papa nicht! Überhaupt alles, was nicht gut ist, passiert meinem Papa nie. Meint er zumindest. Etwas vergessen oder unpünktlich sein oder das Essen versalzen oder Krümel ins Bett machen: Nein, so was passiert Papa einfach nicht! Und wenn ich oder mein Bruder oder Mama sagt: 'Das passiert dir doch auch einmal', oh, dann legt er erst richtig los! An Aufhören ist da gar nicht mehr zu denken. Da könnten zwei Elefanten auf seinen Füßen stehen: Er würde sie verscheuchen wie lästige Fliegen und munter weiterreden.

Für mich ist es leider zu spät. Ich sitze in Omas Sessel und Papa versperrt jeden Fluchtweg. Aber du, du kannst dich noch verkrümeln. Klapp einfach das Buch zu und mach lieber deine Hausaufgaben oder räum dein Zimmer auf. Glaub mir, das ist allemal besser, als meinem Papa zuzuhören!

Los, klapp zu. Es ist deine letzte Chance!

Du hast noch nicht zugeklappt. Mensch, beeil dich, mein Papa legt gleich los, verlier keine Sekunde!

Du liest ja immer noch! Na meinetwegen, dann lies' eben weiter. Aber ich hab' dich gewarnt! Sag' hinterher ja nicht, ich wäre schuld daran.

"Also, liebe Luisa, ich vergesse doch nichts! Mein Gott, ich weiß immer, wo meine Sachen sind!"

Ich hab's gewusst. Jetzt fängt er an! Also mach's dir gemütlich und richte dich auf einen längeren Vortrag ein. Mein Papa spricht!

Die Ratgeberpraxis

Liebe Luisa, eigentlich wollte ich das ja geheim halten. Aber weil du so überaus vergesslich bist, will ich es dir verraten. Aber niemanden weitererzählen, ja?

Als ich noch jung war, war ich bekannt dafür, dass ich nie etwas vergesse. Erst wussten es nur die Nachbarn, doch es sprach sich rasch herum. Ich war weltberühmt! Jeden Tag standen Menschen vor meiner Tür. Sie hatten irgendetwas vergessen und wollten nun meinen Rat. Ich musste sogar extra Sprechstunden einrichten, denn sonst wäre ich vor lauter Ratgeberei gar nicht mehr zum Essen und Schlafen gekommen.

Es kamen nicht nur gewöhnliche Menschen, die vielleicht den Hausschlüssel verlegt oder ihren Geburtstag vergessen hatten und nun traurig waren, dass sie keine Geschenke bekamen.

Nein, auch weltberühmte Menschen, Politiker, Wissenschaftler und Künstler waren bei mir, um sich Rat zu holen.

Einmal trat Kolumbus bei mir ein. Er hatte vergessen, welches Land er eigentlich entdecken sollte. Ich sagte ihm: "Sehr geehrter Herr Kolumbus. Sie wollten Indien entdecken!" Er war überglücklich und bedankte sich mit zwölf Golddukaten. Doch ich glaube, auf der langen Seefahrt hat er es wieder vergessen. Und weil er mich auf dem Schiff nicht um Rat fragen konnte, hat er einfach Amerika entdeckt, um wenigstens ein bisschen berühmt zu werden.

An einem Donnerstag im Februar – ich weiß es noch wie heute – fuhr der leibhaftige Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika vor. Er kam in einem großen schwarzen Wagen, bewacht von grimmigen Männern. Da sie nicht alle in meine Ratgeberpraxis passten, mussten die Leibwächter draußen bleiben.

"My dear (das heißt: 'Mein lieber', er sprach nämlich amerikanisch) Professor der Vergesslichkeit! Ich regiere ein Land, so groß wie ein Kontinent. Zu diesem Land gehören viele kleine Länder. Aber ich vergesse immer wie viele Länder zu meinem großen Land gehören. Und das ist mir schrecklich peinlich. Wenn ich eine Rede halte, kann ich meinem Volk nie sagen, wie viele Länder zu unserem großen Land gehören! Oder wenn ich zu einem anderen Präsidenten ins Ausland reise und der mich nach der Zahl meiner Länder fragt, ich weiß es nie! My dear Professor, alle könnten denken, ich sei dumm! Bitte helfen Sie mir."

Ich dachte nach. So eine große Vergesslichkeit war natürlich ein ernstes Problem. Das konnte nicht so schnell gelöst werden. Der Präsident und ich ließen uns Hamburger, Pommes mit Ketchup und Cola bringen und aßen erst einmal, denn hungrig konnte ich nicht gut denken. Dann hatte ich die Lösung:

"My dear Mister President!", sagte ich, – ich konnte auch amerikanisch –, "hier ist die Lösung Ihres Problems. Für jedes Land, das zu Ihren Vereinigten Staaten gehört, malen Sie einen Stern auf Ihre Landesfahne. Außerdem verabschieden Sie folgendes Gesetz: Bei jeder Rede vor Ihrem Volk oder in einem fremden Land muss Ihre neue Landesfahne gehisst werden! Wenn Sie dann eine Rede halten und die Zahl Ihrer Länder vergessen haben, müssen Sie nur kurz auf die Fahne gucken und die Sterne nachzählen. Dann wissen Sie es wieder."

Der Präsident war natürlich begeistert von meinem Rat und belohnte mich mit tausend Dollar. Ja, und seither ist es Brauch, dass immer dort, wo der Präsident der Vereinigten Staaten eine Rede hält, auch seine Landesfahne weht.

Berühmte Wissenschaftler gaben sich bei mir die Klinke in die Hand. Da war zum Beispiel der Professor der Mathematik. Der war so weltberühmt, weil er jede Rechenaufgabe, die man ihm stellte, in Sekundenschnelle im Kopf ausrechnen konnte. Er war sogar in der Lage, Aufgaben in einer Minute zu lösen, für die ein Riesen-Computer drei Tage gebraucht hätte. Dieser Professor klagte mir sein Leid: "Mein lieber Professor der Vergesslichkeit, ich kann alle Rechenaufgaben der Welt ausrechnen, doch leider, leider habe ich in meinem Leben so viel gerechnet, dass ich dabei die Buchstaben vergessen habe! Ich kann nicht mehr lesen. Keine Zeitung, kein Buch, keinen Brief. Es ist zum Verzweifeln!"

Das war natürlich ungeheuerlich: Ein weltberühmter Professor, der nicht lesen konnte! Ich musste eine Weile nachdenken. Dann sagte ich zum Professor:

"Lieber Professor der Mathematik! Wissen Sie noch wie viele Buchstaben das Alphabet hat?"

"Sechsundzwanzig! Zahlen vergesse ich nie", antwortete er erfreut.

"Gut", sagte ich, "wenn Sie Zahlen so gut kennen und gerne rechnen, dann machen Sie doch aus den Buchstaben einfach Zahlen. Lesen ist dann eine Rechenaufgabe."

Der Professor der Mathematik schaute mich ungläubig an.

"Ich will‘s Ihnen erklären: Das Alphabet hat 26 Buchstaben. Dann ist das A die Zahl 1, B ist 2, C ist 3 und so weiter, bis zum Z. Wenn Sie die Zahlen auswendig kennen, werden Sie sich das sehr schnell merken. Nun, wenn Sie lesen wollen, nehmen Sie einfach die Zahlen und rechnen zum Beispiel:

4+5+18 13+15+14+4 9+19+20 8+5+12+12

Der Professor hatte die Zahlen für die Buchstaben schon im Kopf und rechnete nun ganz eifrig. Dann sagte er: "Das heißt 'Der Mond ist hell'!"

"Stimmt", sagte ich. Der Professor war begeistert. "Super, so kann ich mit meinen alles geliebten Zahlen lesen. Schnell, sagen Sie mir noch eine Rechen... , äh, ich meine Leseaufgabe."

Ich schrieb ihm folgende Aufgabe auf:

9+3+8+2+9+14 20+1+21+6+18+9+19+3+8

Der Professor rechnete noch schneller als vorher und rief dann: "Das heißt: 'Ich bin saufrisch' Wunderbar, ich kann es!" Er war nun wirklich begeistert. Er rechnete ganz schnell meinen Lohn aus, bezahlte und verließ freudestrahlend meine Praxis. Aber ich glaube, bei der letzten Aufgabe hat er sich leicht verrechnet. Oder? (Mal dir eine Buchstabentabelle mit den Zahlen und rechne es selbst nach!)

Nun, ich war also berühmt, reich und alle Leute waren nett zu mir. Ich wäre wohl auch heute noch so ein bekannter Mann, wenn nicht eines Tage etwas Sonderbares passiert wäre. Dieses Ereignis hat meine berufliche Laufbahn als Ratgeber der Vergesslichkeit vollkommen verändert. Ich will dir die Geschichte erzählen.