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Carla trifft eine alte Schulfreundin wieder, die ihr ein unglaubliches Angebot macht: Sie soll ihre Partnerin als hochdotiertes Callgirl werden. Zunächst geschockt, dann neugierig, nimmt Carla an – und betritt eine Welt der puren Lust und ungeahnten Leidenschaft … Abgründe der Leidenschaft von Vicky Flame: Erotik pur im eBook!
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Seitenzahl: 329
Vicky Flame
Abgründe der Leidenschaft
Ein erotischer Roman
Aus dem Amerikanischen von Tine Mey
Knaur e-books
Sie haben nach mir geschickt, Miss Gilbert?«, sagte der Mann. Obwohl er aussah, als wäre er um die vierzig, mit einem Bauchansatz und einem exakt gestutzten Schnurrbart, war er mit einer traditionellen Schuluniform bekleidet: einer kurzen blauen Hose, einem weißen Hemd, einem grün-blau karierten Blazer und weißen knielangen Socken. Unpassenderweise trug er dazu Slipper von Gucci mit kleinen Quasten am Oberleder.
»Ja, das habe ich, Bobby«, sagte Miss Gilbert. Sie saß an einem altmodischen Schreibtisch, der zuvor in die Mitte des großen, wundervoll eingerichteten Wohnzimmers gestellt worden war. Wie besprochen, trug sie eine hochgeschlossene, langärmelige weiße Bluse mit einer Brosche am Kragen. Ihr gerade geschnittener schwarzer Rock war züchtig über die Knie gezogen und verdeckte den Großteil ihrer durchsichtigen Strumpfhose. Ihr graues Haar war zu einem strengen Knoten hochgesteckt, und ihre randlose Brille saß tief auf ihrer Nase. Sie blickte Bobby über die Gläser der Brille hinweg an. »Ich fürchte, du steckst in ernsthaften Schwierigkeiten.«
Als Bobby auf den Boden starrte, bemerkte er ihre schweren, schlichten schwarzen Schuhe mit den stabilen Absätzen. Obwohl die Geräusche durch den flauschigen Teppich gedämpft wurden, konnte er sehen, wie sie mit dem Fuß wippte. »Ja, gnädige Frau.«
»Ich habe die Ergebnisse deiner Prüfungen gesehen, und sie sind vollkommen unbefriedigend.« Miss Gilbert nahm ein Lineal vom Schreibtisch und schlug damit in ihre Handfläche.
»Ja, gnädige Frau«, sagte Bobby. Seine Knie zitterten, und unter dem Stoff seiner Shorts zeichnete sich eine Erektion ab.
»Weißt du, was das bedeutet?« Wieder klatschte das Lineal in ihre Hand. Ihre langen, schlanken Finger umschlossen den hölzernen Stab.
»Ja, gnädige Frau.« Bobbys Hände begannen zu schwitzen, und sein Atem ging schneller.
»Sag es mir.« Sie lächelte. Klatsch, klatsch.
»Es bedeutet, dass Sie es entweder meinen Eltern sagen oder …«
»Oder was, Bobby?« Klatsch, klatsch.
»Zwanzig?«
»Du bist in drei Fächern durchgefallen«, entgegnete Miss Gilbert. Aufreizend langsam zeichnete sie mit dem Finger die Konturen des Lineals nach.
Bobbys Augen verfolgten, wie ihre leuchtend roten Fingernägel sich unentwegt auf und ab bewegten. »Dr… dr… dreißig«, stammelte er.
»Ja, ich fürchte, so ist es.« Noch immer fuhr sie mit dem Finger von einem Ende des Lineals zum anderen. »Dreißig.« Klatsch. »Es ist deine Entscheidung.«
»Sie können nicht mit meinen Eltern reden«, sagte Bobby. »Mein Vater würde mich umbringen.« Ganz bei sich lächelte er darüber – sein Vater war seit beinahe fünf Jahren tot, aber das tat nichts zur Sache. Dieses Gespräch war während ihrer vielen Treffen immer weiter verfeinert worden. Schweißperlen kitzelten in seinen Achselhöhlen.
»Dann wissen wir, was jetzt kommt, nicht wahr?«
Schweigend zog Bobby seine Jacke und sein Hemd aus. Ein kleiner Bauch und eine haarlose Brust kamen zum Vorschein. Nervös fuhr er sich mit den Fingern durch sein dichtes dunkelbraunes Haar und wischte sich den Schweiß vom Gesicht. Er ließ die Hände sinken und wartete auf die Anweisungen, die, wie er wusste, nun kommen würden.
Im Plauderton sagte Miss Gilbert: »Das ist gut. Und jetzt – lass die Hose fallen.«
Seinen zitternden Fingern gelang es kaum, den Reißverschluss zu öffnen, als er nun die Uniformhose aufmachte und sie auf seine Schuhe gleiten ließ.
»Worauf wartest du?«, fragte Miss Gilbert.
Erschauernd schob er seine Finger in den elastischen Bund seiner weißen Baumwollunterhose und fing an, sie herunterzuziehen. Wie immer wurde das durch die Größe seiner Erektion erschwert. Er zog die Unterhose über seinen harten Schwanz herunter, bis sie seine Beine hinabrutschte und wie die blaue Uniformhose auf dem Boden lag.
»Also«, sagte Miss Gilbert, erhob sich von ihrem Stuhl hinter dem großen Schreibtisch aus Ahornholz und starrte auf seinen erigierten Penis. »Ich sehe, dass dieser Schwanz begierig ist zu erfahren, was als Nächstes kommt.« Sie kam um den Schreibtisch herum und schlug mit dem Ende des Lineals auf Bobbys steifen Schwanz. Dann nahm sie eine elastische Binde vom Schreibtisch. Damit wickelte sie seinen Schaft ein und fixierte den Anfang der Binde mit einer Metallklammer. Fest schlang sie das elastische Material um Bobbys Hüften und seine pralle Erektion. Sorgfältig umhüllte sie seine Taille bis zu seinem Schritt mit dem dehnbaren Stoff.
Bobby konnte seine Aufregung kaum noch zügeln. Als sie dieses Szenario die ersten Male durchgespielt hatten, war er in dem Verband gekommen, bevor sie den besten Teil erreicht hatten. Mittlerweile konnte er sich besser beherrschen. Er stützte sich mit den Armen auf dem Schreibtisch mit der leuchtend grünen Schreibtischunterlage ab und legte seine Stirn auf die gekreuzten Handgelenke. Seine goldene Uhr zeigte die genaue Zeit und das Datum an.
»Und jetzt, Bobby«, sagte Miss Gilbert, »weißt du, dass du für mich zählen und mir danken musst, dass ich deine Eltern nicht angerufen habe.« Sie schlug mit dem Lineal gegen seine Schienbeine, die noch immer in den weißen Socken steckten. Er machte einen kleinen Schritt zurück und spreizte die Beine.
Klatsch. Der erste Schlag mit dem Lineal traf die elastische Binde über seinem Po. Es tat nicht wirklich weh, aber seine Pobacken erzitterten. »Eins, Miss Gilbert, und danke.«
Neun weitere Schläge landeten auf seinem Hintern. Inzwischen prickelte der gesamte Bereich unter der Bandage. »Zehn, Miss Gilbert, und danke.« Er wusste, was als Nächstes kam, doch das machte es nicht leichter.
Ohne Vorwarnung ging der folgende Schlag auf die Hinterseite seines nackten rechten Oberschenkels. Miss Gilbert achtete darauf, dass der Hieb brannte und einen roten Abdruck hinterließ.
»Elf«, sagte Bobby. »Und danke, Miss Gilbert.« Nach dem zwanzigsten Schlag waren die Hinterseiten seiner muskulösen Schenkel rot und wund.
»Ich denke, vor den letzten zehn Schlägen machen wir eine kleine Pause«, erklärte Miss Gilbert. Sie klopfte in Bobbys Nacken, und er hob seinen Kopf. Das Lineal legte sie mitten auf den Schreibtisch, und Bobby konnte nicht anders, als es anzustarren. »Bist du sehr wund?«, fragte sie unschuldig.
»So schlimm ist es nicht«, erwiderte Bobby. Seine Beine brannten wie Feuer, doch es würde nichts nützen, es zuzugeben.
»Ich mache es dir etwas angenehmer«, sagte Miss Gilbert. Behutsam wickelte sie die elastische Bandage von seinem Körper und berührte die tiefen Einkerbungen, die sie hinterlassen hatte. »Armes Baby«, murmelte sie und strich mit dem Fingernagel über einen besonders tiefen Abdruck auf seiner Pobacke. Sie hielt das Ende der rosa Bandage, die noch immer um seinen Schwanz gewickelt war, in einer Hand und leckte mit der Zungenspitze über den Abdruck in seiner Haut. Als sie an der Binde zupfte, wurde Bobbys Penis in ihre Richtung gezogen. Sie ließ los, und der Schwanz sprang zurück. Während sie abwechselnd an der Bandage zog und sie wieder losließ, leckte sie weiter über die Striemen an seinem Hintern.
Als sie sich aufrichtete und seinen harten Penis betrachtete, sah sie, wie der Lusttropfen hervortrat. »Ist es schwierig, nicht zu kommen?«, fragte sie süß.
»O ja, Miss Gilbert«, antwortete Bobby.
»Nun, wir können nicht zulassen, dass du dich blamierst, oder?«
»Nein, Miss Gilbert.«
Sie spielte weiter mit dem Ende des Verbandes, zog an seinem Schwanz und lächelte. »Du kennst die Strafe für zu frühes Kommen, oder?«
»Ja, Miss Gilbert.« Ab und an passierte es. Bei ihrem letzten Zusammensein war er explodiert, und sein Sperma war über den Schreibtisch gespritzt. Sie hatte ihn gezwungen, das Chaos zu beseitigen, und er hatte zehn Extraschläge mit dem Lineal bekommen. Danach war er wieder gekommen, aber er war mit seiner Leistung unzufrieden gewesen, hatte sich über seine mangelnde Beherrschung geärgert. Dieses Mal war er sich jedoch sicher, dass er sich genug im Griff hatte, um es zu Ende zu bringen.
Miss Gilbert löste die Bandage von Bobbys Schwanz, legte sie weg und nahm das Lineal. »Du warst sehr gut heute«, sagte sie. »Sollen wir die Bestrafung auf fünfundzwanzig Schläge reduzieren?«
Sosehr er auch den Schmerz verkürzen wollte, musste er auch seine Ausdauer und sein Stehvermögen austesten. »Nein, gnädige Frau«, entgegnete er. »Ich muss gründlich bestraft werden.«
Schlag Nummer einundzwanzig war heftig und brannte auf seinem nackten Hintern. »Danke, Miss Gilbert. Das war Nummer einundzwanzig.«
Nach dem achtundzwanzigsten Schlag war Bobbys Po so rot wie seine Schenkel, doch er stützte sich weiterhin auf dem Schreibtisch ab und ertrug es.
Miss Gilbert wusste, was er nun erwartete. Für Schlag Nummer neunundzwanzig hob sie den Arm so hoch, wie es ging, und schlug mit dem Holzlineal so hart zu, wie sie nur konnte.
Es tat unglaublich weh, aber Bobby rührte sich nicht. »Neunundzwanzig und danke, Miss Gilbert.«
Sie hörte, wie Bobby tief einatmete und wusste, dass er sich zusammenreißen musste, um nicht laut aufzuschreien. Ein letztes Mal hob sie den Arm und plazierte den Schlag so fest sie konnte auf seiner Pobacke.
»Dreißig und danke, Miss Gilbert.« Bobby richtete sich auf, die Arme hingen herab, die Erektion streckte sich ihr riesig und ungeduldig entgegen.
»Bist du sicher, dass du die Lektion gelernt hast?«
»O ja, Miss Gilbert, und danke. Ich bin jetzt bereit für die restliche Strafe.«
Miss Gilbert verschwand im Badezimmer und kehrte mit einem großen Handtuch zurück, das sie auf dem Schreibtisch ausbreitete. Mit dem Lineal klatschte sie auf Bobbys wunden Po, und er trat nah an den Schreibtisch, so dass seine Schenkel gegen die Kante stießen. »Ich werde dich beobachten. Das ist die restliche Strafe. Zeig mir, was für ein schlimmer Junge du bist«, sagte sie. Ihre Stimme war sanft und weich. »Zeig mir, wie du deinen Schwanz streichelst, wenn niemand zusieht. Zeig es mir.«
Bobby sah zu, wie Miss Gilbert um den Schreibtisch herumging und sich auf den Stuhl setzte. Er sah ihre eisblauen Augen, die auf seinen steifen Penis gerichtet waren, auf dem auch jetzt noch die Spuren des strammen Verbandes zu sehen waren. Er zögerte. Das war noch immer der schlimmste, aber zugleich auch der beste Part.
»Bobby«, sagte Miss Gilbert, »ich will, dass du mit dir spielst, damit ich zusehen kann. Ich will alles sehen. Und jetzt leg deine Hand um deinen Schwanz und massier ihn.« Als er noch immer zögerte, nahm sie das Lineal auf und zischte: »Los!«
Zitternd nahm Bobby den harten Schaft in die Hand und begann, sie vor und zurück zu bewegen.
»Warte«, unterbrach Miss Gilbert ihn. »Ich habe eine Idee.« Sie öffnete eine Schublade und holte eine Tube Gleitmittel hervor. »Streck deine Hände aus.«
Glitschig. Das ist neu, dachte Bobby, eine Abweichung vom Ritual. Doch es war wundervoll. Sie hatte erraten, was er wollte, ohne dass er ihr etwas hatte sagen müssen. Das machte sie so einzigartig. Er streckte die Arme aus, die Handflächen nach oben, und Miss Gilbert drückte etwas von dem Gleitmittel in seine Hand. »Jetzt fass ihn an«, sagte sie.
Es fühlt sich kalt an, dachte er, als seine Hände seinen heißen Penis umschlossen. In dem Moment, als er sich selbst berührte, war es um ihn geschehen. Er schloss die Augen, und seine Finger glitten den Schaft hinauf und hinab.
»Öffne die Augen, du böser Junge«, zischte Miss Gilbert. »Du sollst zuschauen, wie ich dich beobachte. Ich will sehen, wie deine Hände mit deinem Schwanz spielen – und du sollst mich dabei beobachten.« Als er nicht sofort gehorchte, fauchte sie: »Los! Tu, was ich dir sage!«
Er schlug die Augen auf und sah ihr ins Gesicht. Ihre Augen waren auf seine Hände gerichtete, die seinen harten Penis streichelten. Es war sensationell. Es dauerte nur einen Moment, bis er kam und sein Sperma sich auf die weiße Oberfläche des Handtuches ergoss. Seine Knie gaben beinahe nach, aber er blieb stehen und genoss das Nachglühen eines der besten Orgasmen seines Lebens.
Reglos thronte Miss Gilbert auf ihrem Stuhl, bis Bobby das Handtuch nahm und im Bad verschwand. Fünfzehn Minuten später saß sie lesend am Schreibtisch, als Bobby aus dem Badezimmer kam. Er trug einen grauen Nadelstreifenanzug, ein hellblaues Hemd und eine Krawatte mit Paisleymuster. Dazu hatte er schwarze Socken an und die Slipper von Gucci.
Ohne ein Wort blickte er auf seine goldene Uhr, legte eine Handvoll Scheine auf die grüne Schreibtischunterlage und verließ das Zimmer.
Das knirschende Geräusch von Metall an Metall, der heftige Ruck des Gurtes an ihrer Brust und Carlas »Oh, Scheiße!« kamen fast gleichzeitig. Sie hielt den Wagen an und starrte durch die Windschutzscheibe. »Woher zur Hölle kam der denn? Vor einer Sekunde war er noch nicht da«, sagte sie laut und rutschte in ihren Sitz. Die Stoßstange ihres sechs Jahre alten Fords hatte eine nicht zu übersehende Delle im hinteren Teil der Beifahrerseite eines noblen, glänzenden dunkelblauen Cadillacs hinterlassen. »O Gott«, stöhnte sie. »O Gott, warum ich?«
Einige Fußgänger und ein Fahrradfahrer waren stehen geblieben, um zu gaffen. Carlas Auto blockierte den Gehweg. Der vordere Teil ihres Wagens ragte aus der Ausfahrt einer Tiefgarage zwischen der First und Second Avenue auf der East 53rd Street, einer vornehmen Gegend in Manhattan. Der Cadillac, der in westlicher Richtung auf der 53rd Street unterwegs gewesen war, stand auf der Straße. Carlas Stoßstange berührte noch immer dessen Beifahrerseite.
Mit einem tiefen Seufzen erhob sich Carla aus dem Auto und sah zu, wie die Fahrerin des Cadillacs ausstieg. Als die Frau sich aufrichtete, starrte Carla sie erstaunt an. Die Fahrerin war eine große, schlanke Frau von klassischer Schönheit. Ihr dunkelblondes Haar war zu einem perfekten französischen Knoten zusammengesteckt. Als die wunderschöne Frau sie durch ihre dunkle Schildpatt-Sonnenbrille ansah, fuhr sich Carla verlegen mit den Händen über ihre ausgewaschene Jeans.
Je länger Carla die Frau betrachtete, desto unglaublicher sah sie aus. Die Frau nahm ihre Designer-Sonnenbrille ab und schirmte ihre Augen gegen die Nachmittagssonne ab. Sie hatte perfekt geschwungene Augenbrauen, tiefblaue Augen, eine lange schmale Nase und korallenrote Lippen. Sie erinnerte Carla unwillkürlich an Grace Kelly in ihren besten Tagen.
Carla strich sich durch ihr schulterlanges braunes Haar und schob sich eine widerspenstige Strähne hinters Ohr. »Es tut mir schrecklich leid«, rief sie, während die Frau die Tür des Cadillacs schloss. »Ich weiß nicht, wie das passieren konnte.« Was für eine dumme Bemerkung, dachte sie.
Carla war so glücklich gewesen, als sich bei ihrem Arzttermin herausgestellt hatte, dass sie sich ganz umsonst Sorgen gemacht hatte. Der Knoten in ihrer Brust hatte sich als eine mit Flüssigkeit gefüllte Zyste herausgestellt. Nach einer Woche voller Anspannung war sie so erleichtert gewesen, dass sie fast in die Garage gerannt war, um ihren Wagen zu holen und sich auf den Weg nach Hause zu machen. Aber warum wollte sie eigentlich nach Hause? Sie war sich nicht sicher. Die Kinder waren noch in der Schule, ihre Mutter und ihr Vater waren unterwegs. Außerdem hatte sie weder ihren Eltern noch ihren drei Söhnen von dem Knoten erzählt. Kein Grund, sie unnötig zu beunruhigen, hatte sie gedacht. Das hieß aber auch, dass sie nun niemanden hatte, mit dem sie das Ergebnis feiern konnte.
Carla sah zu, wie die blonde Frau um die beiden Autos herumging, ganz ruhig die Lage einschätzte und den Kopf schüttelte. Gott, dachte Carla, da muss ich ausgerechnet in so jemanden wie sie fahren. Die Frau trug ein klassisches dunkelrotes Kostüm von Donna Karan, eine passende rot-weiß gemusterte Bluse und dazu abgestimmte Pumps von Robert Clergerie. Mit ihren langen, schlanken, perfekt manikürten Fingern zog sie den rot, weiß und golden gemusterten Hermès-Schal über ihrer Schulter zurecht. »Oje«, sagte sie. Ihre Stimme klang sanft und akzentuiert. »Es tut mir so leid.«
»Ihnen tut es leid?«, fragte Carla.
»Natürlich«, entgegnete die Frau. »Ich war ein bisschen zu schnell unterwegs und habe nicht auf den Verkehr geachtet.« Die Frau hielt inne und betrachtete Carla. »Moment. Das gibt es doch nicht.« Sie blickte sie aufmerksam an. »Carla?«
»Entschuldigen Sie?«
»Carla. Du bist Carla MacKensie.«
»Carla Barrett«, antwortete sie. »Aber ich hieß Carla MacKensie, bevor ich geheiratet habe. Kennen wir uns?«
»Ich bin Veronica. Ronnie Browning, jetzt Talmidge.«
»Ronnie? Das gibt es nicht.« Carla und Ronnie waren an der Michigan State University Mitbewohnerinnen gewesen und hatten vor fünfzehn Jahren ihren Abschluss gemacht. Während ihrer drei Jahre als Zimmergenossinnen hatten sie einfach alles geteilt: Feldhockey, den Debattierklub, die Theaterkurse und sogar – unabsichtlich – einige Freunde.
Ronnies Lachen klang voll und tief. »Ich würde dich überall wiedererkennen. Du hast dich überhaupt nicht verändert.« Sie sah an sich herab. »Ich hingegen sehe wohl etwas anders aus seit damals.«
Carla erinnerte sich an die recht hübsche Brünette, die eine Brille getragen und nur wenig Make-up benutzt hatte – sie hatte sie wie eine Schwester geliebt. »Das kannst du laut sagen! Du siehst großartig aus.« Sie lächelte schief. »Und du hast recht: Ich habe mich nicht verändert. Leider sehe ich immer noch so aus wie vor fünfzehn Jahren – mittelbraun und durchschnittlich, durchschnittlich, durchschnittlich.« Carla betrachtete Ronnie genauer. »Was, um alles in der Welt, hast du in den letzten Jahren gemacht?«
»Mehr als du dir vorstellen kannst.« Ronnie warf einen Blick auf die beiden Autos und winkte ab. »Das scheint mir ein geringfügiger Schaden zu sein. Wohin wolltest du gerade?«
»Geringfügig?« Der Schaden betrug bestimmt mehrere tausend Dollar. Man konnte heutzutage keinen Unfall mehr bauen, der nicht Tausende von Dollars kostete. »Ich wollte nach Hause. Bronxville. Dort lebe ich inzwischen.«
»Das ist albern. Wenn wir uns schon mal wiedergetroffen haben, sollten wir uns nicht gleich wieder aus den Augen verlieren. Warum parken wir nicht hier und essen gemeinsam zu Mittag? Wir könnten uns erzählen, was in den vergangenen Jahren alles passiert ist. Und außerdem habe ich einen Riesenhunger.«
»Warst du nicht auch irgendwohin unterwegs?«
»Ich habe um zwei einen Termin«, erwiderte Ronnie und sah auf ihre goldene Uhr von Cartier. »Uns bleibt noch eine Stunde, und am Ende des Blocks kenne ich ein großartiges kleines italienisches Restaurant.«
Als Carla zögerte, wurde Ronnie eindringlicher: »Bitte. Ich würde mich über die Gesellschaft freuen, und es gibt so viel zu erzählen.«
Der Parkwächter kam angerannt und fuchtelte mit den Armen in der Luft herum. Er wollte die Ausfahrt räumen. »Sie müssen die Fahrzeuge wegstellen«, rief der uniformierte Mann schon von weitem.
Ronnies Stimme klang sanft, aber dennoch entschieden. »Wenn Sie noch einen Moment warten, Tom, sind wir weg.« Sie wandte sich Carla zu. »Ich bin oft hier in der Gegend. Ich habe immer hier geparkt, aber inzwischen habe ich einen günstigeren Parkplatz um die Ecke gefunden.«
Während Ronnie zu ihrem Wagen zurückkehrte, stieg Carla in ihren Ford und fuhr zurück. Die Autos trennten sich, und Carla bemerkte, dass der Schaden am Cadillac kleiner war, als sie befürchtet hatte. Nur eine hässliche Delle und ein wenig aufgeplatzter Lack. Sie würde ihren Wagen untersuchen müssen, aber da sie den Cadillac mit der Stoßstange gerammt hatte, war vermutlich alles in Ordnung.
»Hier entlang!«, rief Tom. »Setzen Sie ihn hier hinein.« Er winkte Carla in eine Parklücke, und Ronnie fuhr auf den nächsten freien Platz.
Ronnie stieg aus. »Wir sind in ein paar Stunden wieder da, Tom.« Sie beugte sich über den Beifahrersitz, schnappte sich ihre modische Tasche, die, wie Carla vermutete, entweder von Fendi oder aber eine sehr gute Fälschung war, und schlang den Träger aus Kette über ihre Schulter. Carla griff durch das offene Beifahrerfenster des Fords nach ihrer Kunstledertasche und ihrer kamelfarbenen Wolljacke. Sie schob die Arme durch die Ärmel des Blazers und knöpfte ihn über ihrer jeansblau und weiß gestreiften Hemdbluse zu.
»Oh, Carla, das ist so wunderbar«, sagte Ronnie. Dann warf sie einen Blick auf die Stoßstange von Carlas Wagen. »Nicht so schlimm. Sieht aus, als hättest du den Unfall ohne größeren Schaden überstanden.«
Carla nickte und legte einen Arm um Ronnies Taille. »Ich bin so froh, dass ich auf dich gestoßen bin.« Sie lachte. »Buchstäblich.«
»Ich auch. Hier entlang.« Ronnie führte Carla unter einer schmalen Markise hindurch, auf der der Name des Restaurants prangte – The Villa Luigi. Als sie hineingingen, sog Carla den verführerischen Duft von Knoblauch, Oregano und Olivenöl ein. Sie wurden an einen ruhigen Tisch im hinteren Teil des Restaurants geführt. »Bringen Sie uns eine Flasche Ihres Ruffinos und etwas Knoblauchbrot«, sagte Ronnie der Kellnerin, die sie an ihren Tisch begleitet hatte. Als die Bedienung gegangen war ging, lachte Ronnie. »Erinnerst du dich noch an den Abend, als wir Unmengen von Rotwein getrunken und dazu eine ganze Packung Oreo-Kekse mit Füllung gegessen haben?«
»Ich erinnere mich nur noch daran, wie schlecht es uns am nächsten Morgen ging. Ich musste mich kriechend fortbewegen, weil ich sonst umgekippt wäre.«
»Und ich habe mir eine Stunde lang die Seele aus dem Leib gekotzt.« Die beiden Frauen lachten. »Sag mir, was sich bei dir getan hat«, sagte Ronnie.
Carla holte tief Luft. »Nun, ich war fast neun Jahre lang verheiratet, aber Bill ist vor fünf Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen.«
»Das tut mir leid.«
»Tja … Bill war nicht gerade Prince Charming. Er trank zu viel und er war nicht nett, wenn er betrunken war. Schon ein Jahr vor seinem Tod habe ich darüber nachgedacht, ihn zu verlassen.«
»Kinder?«
»BJ, also Bill Junior, ist dreizehn, Tommy ist elf und Mike ist zehn. Drei Jungs.« Sie seufzte mit gespielter Verzweiflung. »Was habe ich bloß falsch gemacht?«
»Ich weiß noch, dass du immer Kinder wolltest – Mädchen. Und du wolltest nie arbeiten.«
»Nie arbeiten? Gott, stell dir vor: Ich habe wirklich geglaubt, dass Mutter zu sein keine Arbeit wäre.«
»Also bist du eine Vollzeit-Mutter?«
»Glücklicherweise hat Bill mir einiges hinterlassen, so dass ich versorgt bin. Außerdem arbeite ich als Maklerin. Vor zwei Jahren habe ich meine Lizenz erworben. Das Geld lege ich für die Jungs zurück, wenn sie aufs College gehen. Manchmal denke ich, dass ich mehr arbeiten sollte. Immerhin sind die Jungs den ganzen Tag in der Schule, und meine Eltern wohnen ganz in der Nähe. Aber ich weiß einfach nicht, was ich tun soll – College-Abschluss hin oder her.« Carla breitete die Serviette auf ihrem Schoß aus. »›Englische Literatur‹. Ein wirklich wahnsinnig nützlicher Abschluss … Na ja. Und was ist mit dir? Verheiratet? Wo lebst du?«
Ronnie hielt Carla ihre linke Hand unter die Nase. Der breite Goldring an ihrem Ringfinger blitzte auf. Außerdem trug sie einen schmalen Diamantring an ihrem Zeigefinger und einen schweren Freiformring aus Gold am Mittelfinger der anderen Hand. »Jack ist ein selbständiger Geologe, der einige Ölfirmen berät. Die Arbeit ist eine Kombination aus vielen Reisen und einem Haus voller Computer. Er ist im Monat vielleicht eine Woche zu Hause.« Sie seufzte. »Leider haben wir keine Kinder. Ich habe früh erfahren, dass ich keine Kinder bekommen kann, und keiner von uns wollte adoptieren. Wir leben in Hopewell Junction, in Dutchess County, fast zwei Stunden nördlich von hier. Was wolltest du eigentlich in der Stadt?«
»Ein Arzttermin.«
Ronnie ging sofort darauf ein. »Nichts Ernstes, hoffe ich.«
»Nein. Ein Knoten in meiner Brust hat sich als gutartige Zyste herausgestellt.«
»Das freut mich.« Sie drückte die Hand ihrer Freundin.
Carla war gerührt. Ronnie war jemand, mit dem sie immer alles geteilt hatte. Und es fühlte sich gut an, auch jetzt zu teilen. »Also, Ronnie, mir sind deine schicken Kleider aufgefallen. Und der neue Cadillac. Jack verdient offensichtlich sehr gut.«
»Das stimmt. Aber der Caddie gehört mir.«
»Du arbeitest?«
Ronnie lächelte auf eine Art, die Carla verwirrte. »Ja, ich arbeite.« Sie machte eine Pause und fuhr dann fort: »Und ab und an belege ich Kurse in kreativem Schreiben an der New York University. Einige meiner Artikel wurden sogar schon veröffentlicht.«
»Das klingt toll.« Die Kellnerin brachte ihren Wein und einen Korb mit Brot, das mit Butter, Knoblauch und Kräutern aromatisiert war. Sie schenkte ihnen ein Glas ein und ging. Die beiden Frauen erhoben ihre Gläser und stießen an.
»Auf die Arbeit – in all ihren Facetten«, sagte Ronnie geheimnisvoll und lachte.
Verdutzt nahm Carla einen Schluck.
In der nächsten Stunde tauschten sich Carla und Ronnie gegenseitig über alles aus, was geschehen war, seit sie sich nach dem Abschluss aus den Augen verloren hatten – damals war Ronnie ein Jahr lang durch Europa gereist. Nachdem sie ihren Espresso und den restlichen Wein getrunken hatten, warf Ronnie einen Blick auf ihre Uhr. »Ich sage es nicht gern, doch ich muss los. Ich treffe mich um zwei mit jemandem. Aber wir könnten uns nächste Woche wiedersehen. Am Mittag. Warum treffen wir uns nicht vor diesem Restaurant und gehen dann irgendwo essen? Und mach dir keine Gedanken wegen des Schadens an meinem Wagen. Ich melde es einfach der Versicherung.« Ronnie nahm die Rechnung, gab ein stattliches Trinkgeld und teilte sich die Kosten dann mit Carla. Nachdem sie bezahlt hatten, standen die beiden Frauen auf. Ronnie umarmte Carla. »Gott, wie ich dich vermisst habe.«
An den folgenden drei Montagen trafen sich die beiden Frauen in der Gegend zum Lunch: mal in einem chinesischen Restaurant, das eine besonders leckere Pekingente anbot. Dann in einem winzigen indischen Lokal, wo es die beste Mulligatawny-Suppe gab, die Carla je gegessen hatte. Und an diesem Tag in einer Sushi-Bar, wo Carla zum ersten Mal in ihrem Leben rohen Fisch probierte. Bei Ingwer-Eiscreme und grünem Tee schlug Ronnie ihren nächsten Treffpunkt vor. »Ich würde dich gern zu mir einladen«, sagte sie. »Lass uns nächste Woche chez moi essen.«
»In Hopewell Junction? Ich schätze, das ginge. Du musst mir nur eine Wegbeschreibung geben.«
»Nicht in Hopewell Junction. Um die Ecke.« Mit einem hintergründigen Lächeln gab Ronnie Carla eine Adresse in der East 54th Street.
»Das verstehe ich nicht, Ronnie. Du hast hier ein Apartment?« Sie sah, wie Ronnie nickte, und schwieg einen Moment lang. »Kein Wunder, dass du all diese Restaurants so gut kennst. Führst du so eine Art Doppelleben? Erzähl mir alles.«
»Nächste Woche erfährst du alles.« Ronnie brach zu ihrem Termin um zwei Uhr auf. »Ich nehme mir den ganzen Nachmittag frei. Und dann werden wir reden.«
Die Adresse, die Ronnie Carla gegeben hatte, führte zu einem kleinen, dreigeschossigen rötlichbraunen Sandsteingebäude in der East 54th Street. Carla stieg die vier Stufen zum Eingang hinauf und klingelte. Ronnie öffnete die Tür. Sie trug einen weichen grauen, langärmeligen Overall aus Wolle. Ihr dunkelblondes Haar fiel ihr offen über die Schultern. Ein Paar große Silberohrringe und ein silberner Halsreif mit Fischgrätmuster waren der einzige Schmuck, den sie angelegt hatte. Carla war froh, dass sie auf die übliche Jeans verzichtet hatte und sich stattdessen für einen dunkelgrünen Wollrock und eine beige Seidenbluse entschieden hatte.
Die beiden Frauen begrüßten sich mit einem Wangenkuss, und Carla folgte Ronnie durch einen schmalen Flur in das geschmackvoll möblierte Wohnzimmer.
»Sehr schön hier«, sagte Carla, als sie sich umsah. Alles war in Schwarz, Weiß und verschiedenen Grautönen gehalten. Das Sofa war dick gepolstert und aus schwarzem Leder. Lederriemen, die mit Schnallen aus schwerem Metall befestigt waren, zogen sich über die Polster. Kissen mit schwarz-weißen Streifen oder einem Karomuster in Schwarz und Weiß bildeten reizvolle Akzente. Die beiden gemütlich aussehenden Sessel waren aus weißem Jacquardstoff und mit den gleichen schwarz-weißen Kissen dekoriert. Ein flauschiger weißer Teppich lag auf dem Fußboden. Und wo der Teppich endete, konnte Carla den hochwertigen polierten Holzboden erkennen. Die Wände waren mit einer silbergrauen Seidentapete ausgestattet, und vor den Fenstern hingen etwas dunklere graue Vorhänge aus schwerem Damast. Auf kleinen Beistelltischen aus schwarzem Lack standen moderne Lampen mit weißen Füßen, die den Raum stimmungsvoll erhellten.
Vasen und Blumentöpfe auf Tischen und Sockeln im Raum bildeten die einzigen Farbtupfer. Rosen, Chrysanthemen und Geranien ergänzten sich farblich mit blühenden Kakteen und außergewöhnlichen Blumen, die Carla nicht kannte. Einige Blumenampeln mit Pflanzen hingen an den Wänden oder an der Decke. Eine Wand bestand nur aus Fensterglas mit einem dekorativen, aber auch sehr zweckmäßigen Gitter davor. An der gegenüberliegenden Wand stand eine breite weiße Schrankwand mit Glastüren, hinter denen sich Bücher aller Art befanden – von populären Romanen über Gedichtbände bis hin zu Büchern über Naturwissenschaften und Geschichte. An den übrigen Wänden hing ein Druck von Ansel Adams in Schwarz und Weiß und andere, kleinere Schwarzweißfotografien von Künstlern, die Carla nicht kannte. Ein Ende des Zimmers zierte ein altmodischer Schreibtisch aus Ahorn.
Carla pfiff leise. »Heiliger Bimbam.« Durch ihre Begehungen von unterschiedlichsten Immobilien hatte sie genug gelernt, um die Klasse und den Wert der Dekoration einschätzen zu können.
»Nur ein kleiner Zufluchtsort«, sagte Ronnie lachend.
»Klein? Entweder hast du ein nicht unbeträchtliches Vermögen geerbt, das Schreiben wirft sehr viel ab, oder Jack verwöhnt dich und zahlt für deinen ›kleinen Zufluchtsort‹.«
»Oder Antwort D – nichts von alledem.« Ronnie reichte Carla ein Champagnerglas und schenkte ihr aus einer bereits geöffneten Flasche Dom Pérignon ein. Sie stieß mit ihr an und sagte mit einem geheimnisvollen Lächeln: »Auf ›nichts von alledem‹.«
Sie tranken. »Okay«, sagte Carla. »Schieß los.«
»Ich glaube, wir beide kennen uns gut genug, damit ich dir meine Fotos zeigen kann. Setz dich.« Sie wies auf das Sofa. Ronnie nahm ein Album in die Hand, das in schwarzen Satin eingeschlagen war, setzte sich neben ihre Freundin und reichte es ihr. Als Carla das Album aufschlug, sah sie Bilder, die sie so nicht erwartet hätte. Eine schöne braunhaarige Frau posierte in einem Outfit aus schwarzem Leder und Ketten, das wie ein Badeanzug aussah. Kettenglieder waren über die nackten Brüste drapiert, und das weiche Leder schmiegte sich an ihre Hüften und ihren Bauch. Sie trug Handschuhe aus schwarzem Leder, die bis zu den Ellbogen reichten, und an den Beinen Stiefel aus schwarzem Lackleder, die ihre Schenkel zur Hälfte bedeckten und dreizehn Zentimeter hohe Absätze hatten.
Das wellige kastanienbraune Haar der Frau hing ihr über den Oberkörper. Eine Locke umspielte einen aufgerichteten dunkelbraunen Nippel. In einer Hand hielt sie eine kurze schwarze Reitgerte. Sie trug viel Make-up, mit knallrotem Lippenstift, dramatischem Augen-Make-up und Eyeliner. »Ich verstehe das nicht«, sagte Carla.
»Blättere weiter.«
Das Bild auf der folgenden Seite zeigte eine Frau in einem anderen Kostüm. In einem züchtigen Kleid saß sie auf dem Bett und hatte die Hände im Schoß verschränkt. Ihr Gesicht, sehr zurückhaltend mit sanftem Rouge und einem blassen rosa Lippenstift geschminkt, sah jugendlich und vertraut aus. Als Carla sich das Gesicht näher ansah, rang sie nach Luft. »Das bist ja du.« Sie blätterte zurück. »Genau wie hier.«
»Blättere weiter.«
Die Fotos, die nun folgten, zeigten Ronnie in unterschiedlichsten Kostümen: als Haremsdame mit einem durchscheinenden Schleier, der die untere Hälfte ihres Gesichtes abdeckte; als strenge grauhaarige Frau mit hochgeschlossener weißer Bluse und schlichten Schuhen, als erotische Piratenbraut in kurzen Shorts, unter denen ihre Pobacken hervorblitzten, und einer Bluse, die bis zum Bauchnabel aufgeknöpft war; und als Frau in einem Negligé aus schwarzem Satin, die über einem Mann stand, dessen Arme und Beine mit groben Ketten und Vorhängeschlössern an einem Bettgestell aus Messing befestigt waren.
»Wow. Ronnie, ich bin durcheinander. Erkläre mir das.«
»Ich nenne das Album Black Satin, und es ist eigentlich eine Art Menü oder Karte. Ausgewählte Leute können sich hier ihr … Hauptgericht auswählen – so könnte man es ausdrücken –, und ich sorge für die Nachspeise.«
»Du willst mir damit sagen, dass du eine Hure bist.«
»Ich bin eine wählerische, exklusive Prostituierte.«
Carla war verblüfft. Sie hatte etwas Ungewöhnliches erwartet. Immerhin war Ronnie nie durchschnittlich gewesen. Aber das? Was sollte sie sagen?
Als Ronnie sprach, klang sie etwas zögerlich. »Keine Vorwürfe? Kein ›Wie konntest du nur?‹?«
»Ich bin zu schockiert, um etwas zu sagen. Aber natürlich ist es dein Leben.«
Ronnie lächelte. »Und es ist wundervoll. Ich liebe jede Sekunde meines geheimen Lebens.«
»Was ist mit Jack?«
Ronnies Lächeln verschwand nicht. »Ich glaube, er weiß, was los ist. Er reist viel, und ich weiß, dass er sich amüsiert, wenn er weg ist. Und ich mache das auch.«
»Was ist mit Aids?«
»Ich habe viel darüber nachgedacht, als das alles anfing. Viele meiner Freunde – ich nenne sie ›meine Freunde‹ – wollen keinen eigentlichen Geschlechtsverkehr. Sie wollen Oralsex, Spielzeuge und/oder gegenseitige Selbstbefriedigung. Und diejenigen, die tatsächlich Verkehr wollen, müssen ein Kondom benutzen.«
»Was ist mit Oralsex? Ist das nicht gefährlich?«
»Nicht so riskant wie ungeschützter Geschlechtsverkehr, aber ja, es ist ein Risiko. Ich habe darüber nachgedacht und beschlossen, dieses Risiko einzugehen.«
»Wie, um alles in der Welt, bist du da bloß hineingeraten?«
Ronnie lehnte sich zurück und legte ihre Füße auf den Couchtisch. »Ja, wie … Eine gute Frage.«
Ich denke, es hat alles vor etwa drei Jahren angefangen«, erklärte Ronnie. »Du musst wissen, dass Jack und ich schon immer eine offene Beziehung geführt haben. Man kann sagen, dass wir in der Hinsicht sehr locker sind. Wir beide lieben Sex und glauben, dass Affären unsere Ehe noch bereichern.«
»Du meinst … mit anderen Leuten?«
Ronnie lachte leise. »Ja, wir beide denken so. Und es hat mir nie etwas ausgemacht. Im Gegenteil. Mir hat die Vorstellung gefallen, dass jemand Jack glücklich macht – vor allem, weil er so oft unterwegs war und noch immer ist. Und damals ist er oft mit neuen Ideen, Spielzeugen und sexy Unterwäsche nach Hause gekommen.« Sie bemerkte Carlas Gesichtsausdruck. »Guck nicht so, Carla. Du erinnerst dich sicher, dass ich schon immer experimentierfreudig gewesen bin.«
»Ich erinnere mich in der Tat an einige deiner Experimente – wie Oreo-Kekse mit Erdnussbutter. Erzähl weiter.«
»Die einzige Forderung, die Jack und ich aneinander hatten und auch jetzt noch haben, ist, dass keiner von uns ohne Kondom mit jemand anderem schläft. Punkt.«
»Wirst du nicht eifersüchtig?«
»Ich kann ehrlich sagen, dass ich nicht eifersüchtig bin. Ich kann zwar nicht für Jack sprechen, aber ich bin es nicht. Wegen seiner vielen Reisen sind Jack und ich mindestens drei Wochen des Monats getrennt. Wir gehen stets behutsam mit den Gefühlen des anderen um. Wir reden viel, und ich bin mir sicher, dass Jack keine Einwände gegen das hat, was ich tue, obwohl er die Details nicht kennt. Ich habe ebenfalls kein Problem mit seinen kleinen Affären. Denn das sind sie – kleine Affären. Nichts Ernstes, nur Lust und guter Sex. Und dasselbe gilt für mich.«
»Wenn du damit umgehen kannst …« Carla hielt inne. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich das könnte.«
»Ich kenne nicht viele, die das könnten, doch bei Jack und mir scheint es zu funktionieren.«
»Du wolltest mir erzählen, wie das hier«, Carla wies mit einer ausholenden Handbewegung durch den Raum, »angefangen hat.«
»Jack und ich aßen mit einem seiner Geschäftspartner, TJ Sorenson von American Oil and Gas Products, zu Abend.« Ronnie schloss die Augen. »Es war vor drei Jahren zur Weihnachtszeit. Ich erinnere mich, dass auf den Tischen winzige Tannenbäumchen und rote Kerzen standen …«
»Was für ein herrliches Essen«, seufzte Jack und lehnte sich mit einer Tasse Espresso in der Hand auf seinem Stuhl zurück. »Ich war noch nie hier, aber du kannst sicher sein, dass es nicht mein letzter Besuch war.«
»Ich habe das Chez Martin vor einigen Monaten entdeckt«, sagte TJ, »und ich hoffe, dass es ein Geheimtipp bleibt. Ich lese die Restaurantkritiken und bin jedes Mal erleichtert, wenn ein anderes Restaurant besprochen wird. Bis jetzt hat kein Kritiker das Chez Martin gefunden. Ich bin besonders froh, dass ich dieses Erlebnis mit euch teilen konnte. Ich mag euch beide wirklich sehr gern.« TJ Sorenson war um die fünfzig, mit dichtem weißem Haar und einem buschigen weißen Schnurrbart, über den er mit dem Zeigefinger strich, wenn er nachdachte. Als alter Ölsucher hatten TJs Augen die Farbe von Kornblumen und waren gerahmt von vielen kleinen Fältchen, die daher stammten, dass er jahrelang in die helle Sonne geblinzelt hatte. Er war ein gutaussehender Mann. Sein Äußeres ließ keinen Zweifel daran, dass er viel Zeit draußen in der Natur, unter der Sonne und bei Wind und Wetter verbracht hatte. Er wirkte nicht alt genug, um einen erwachsenen Sohn und eine Tochter zu haben, die bereits verheiratet war und ihm drei Enkel geschenkt hatte.
»Danke, TJ«, sagte Ronnie. »Ich bin so satt.« Sie nahm einen Schluck von ihrem weißen Pfefferminzlikör auf Eis und blickte die beiden Männer an, die sich in ihren doppelreihigen Anzügen, den weißen Hemden und den Krawatten sichtlich unwohl fühlten.
Obwohl Jack auch in Jeans und Sweatshirt hinreißend aussieht, liebe ich es, wenn er einen Anzug trägt, dachte Ronnie. Und die leicht ergrauten Schläfen seines sorgfältig gekämmten dunkelbraunen Haars ließen ihn im Moment eher wie einen Banker als einen Ölsucher aussehen.
»Ich bin froh, dass ihr zufrieden seid, denn ich habe euch nicht ganz ohne Hintergedanken eingeladen.« TJ fuhr sich über den Schnurrbart. »Ich möchte euch um einen Gefallen bitten und ich weiß nicht genau, wie ich es anstellen soll.«
»Frag einfach«, sagte Jack. »Du hast dich in all den Jahren so gut um mich gekümmert, dass ich mich freuen würde, dir einen Gefallen zu tun, wenn ich kann.«
»Tja«, sagte TJ. »Ihr müsstet beide einverstanden sein, auch wenn es im Grunde Ronnie ist, die ich um diesen Gefallen bitte.«
Ronnie blickte auf, und ihr blondes Haar strich über ihre Schultern. »Mich?«
TJ seufzte. »Lasst es mich erklären. Zuerst einmal hoffe ich, es macht dir nichts aus, dass Jack mir von eurer besonderen, offenen Beziehung erzählt hat.«
»Natürlich nicht. Jack und ich stehen zu unserem Lebensstil.« Liebevoll streichelte Ronnie über Jacks Hand. »Wir lieben einander und haben Spaß.« Jack zwinkerte mit einem seiner grauen Augen und nickte.
»Ihr beide scheint euch auf etwas geeinigt zu haben, das für euch funktioniert, und ihr wisst, wie sehr ich euch mag.«
Ronnie stützte die Ellbogen auf den Tisch und betrachtete den älteren Herrn. TJ, der erst kürzlich zum Vizevorsitzenden von American Oil befördert worden war, war Jacks erster Chef gewesen. Die beiden Männer hatten sich auf Anhieb gut verstanden, und als TJ in der Firma aufgestiegen war, hatte auch Jack davon profitiert. Vor einigen Jahren, als Jack seine eigene geologische Beratungsfirma gegründet hatte, war TJ ihm eine große moralische Stütze gewesen und hatte dafür gesorgt, dass American Oil ihn weiterhin beschäftigte. Jack und Ronnie verdankten ihm einiges.
Über ihre geschäftliche Beziehung hinaus waren die beiden Männer Freunde geworden. Früher waren TJ und Jack gemeinsam zu Erdölbohrungen gereist, hatten oft Wochen auf dem Ölfeld verbracht, in einem Zelt gelebt und buchstäblich Hacke und Schaufel geschwungen. Seit TJ überwiegend im Büro arbeitete, hatten Jack und Ronnie häufig mit TJ und seiner Frau Alice zu Abend gegessen – zuletzt eines Abends im vergangenen Sommer auf der neuen zwölf Meter langen Segelyacht der Sorensons.
Da TJ offensichtlich nicht wusste, wie er fortfahren sollte, ergriff Ronnie das Wort. »Was auch immer dich belastet, kann so schlimm nicht sein. Warum spuckst du es nicht einfach aus?«
»Gut.« Er nahm einen Schluck von seinem Cognac. »Es geht um meinen Sohn. Ihr habt Tim letzten Sommer auf dem Boot kennengelernt. Was war dein Eindruck von ihm, Ronnie? Als Frau. Und sei ehrlich.«
Sie erinnerte sich an TJs Sohn. Er war gerade auf dem Sprung gewesen, hatte sich jedoch kurz zu ihnen gesellt, um Small Talk zu machen. Das Bild von einem unsicheren jungen Mann, der sich in ihrer Gegenwart offensichtlich unwohl gefühlt hatte, trat vor ihr inneres Auge. »Er ist ein gutaussehender Junge, wenn ich mich recht entsinne«, erklärte sie ausweichend. »Wie alt ist er jetzt?«
»Er ist vierundzwanzig. Sag mir, was du von ihm als Mensch hältst.«
»Ich habe kaum Zeit mit ihm verbracht«, entgegnete Ronnie. »Aber er war charmant und schien zu wissen, was er sagen sollte. Ich denke, dass er ein bisschen distanziert war, schwierig kennenzulernen.«
»Er ist unsicher im Umgang mit Frauen, weil er schlechte Erfahrungen gemacht hat. Und jetzt ist es noch schlimmer geworden. Er war verlobt, wisst ihr?«
»Nein«, erwiderte Ronnie. »Das wusste ich nicht. Du sagtest, er war verlobt?«