Achsania: Die Königinnenkür - Alina Everdale - E-Book

Achsania: Die Königinnenkür E-Book

Alina Everdale

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Beschreibung

Selena Konveras liebt Bücher und verabscheut die Hofetikette. Und trotzdem ist sie diejenige, die aus ihrem Internat Escania auserwählt wird, um an der Königinnenkür teilzunehmen. Dort soll sie mit elf anderen jungen Frauen um das Herz des Prinzen sowie um den Platz auf jenem Thron konkurrieren, auf dem bislang König Nairos herrscht. Dieser König spricht Frauen alle Rechte ab und lässt die Besitzer der neun Gaben gnadenlos hinrichten. Schon kurz nach ihrer Ankunft im Palast ist Selena gefangen in einem Netz aus tödlichen Geheimnissen, Lügen, Intrigen und verbotener Magie, das nicht nur von den anderen Teilnehmerinnen im Palast gesponnen wird, sondern auch von Prinz Cedric, der eine gefährliche Anziehung auf sie ausübt. Als Selena schließlich eine Entscheidung treffen will, die ihr Schicksal besiegeln könnte, verschwinden plötzlich Teilnehmerinnen oder werden gar getötet. Und das nächste Ziel des Attentäters ist klar: Selena Konveras.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Alina Everdale

 

ACHSANIA

Die Königinnenkür

(Band 1)

ACHSANIA – Die Königinnenkür

 

 

 

© 2024 VAJONA Verlag GmbH

Originalausgabe bei VAJONA Verlag GmbH

 

 

 

Lektorat: Madlen Müller

Korrektorat: Susann Chemnitzer und Vera Schaub

Umschlaggestaltung: VAJONA Verlag GmbH,

unter Verwendung von rawpixel

Satz: VAJONA Verlag GmbH, Oelsnitz

 

VAJONA Verlag GmbH

Carl-Wilhelm-Koch-Str. 3

08606 Oelsnitz

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

An mein 14-jähriges Ich, das immer davon geträumt hat, dass aus diesem Manuskript ein richtiges Buch wird. Danke fürs Durchhalten und an dich glauben. Wir haben es geschafft.

Hinweis

 

Dieses Manuskript behandelt Themen wie körperliche Gewalt, Vergewaltigung und gewaltsame Szenen.

 

 

 

 

 

TEIL 1

Prolog

Miss Kehod:

War es richtig?

Die Flammen an den Mauern züngelten unruhig empor und die Schatten aller Anwesenden folgten diesem Beispiel. Noch immer herrschte Uneinigkeit in der Runde über das richtige Vorgehen, auch wenn sie innerlich schon jahrelang wusste, dass es an dieser einzigen Möglichkeit kein Vorbeikommen gab.

»Ich bin dagegen. Sie wurde dafür nicht ausgebildet, sie weiß nicht einmal, wofür sie kämpft. Warum sollten wir unser Leben und alles, wofür wir in den letzten Jahren gekämpft haben, so jemandem anvertrauen?« Seine Stimme klang dunkel, aufgebracht. Verständlich, wenn man bedachte, was für sie alle auf dem Spiel stand. »Aber wenn wir jemanden aus unseren Reihen dafür auswählen, ist das nicht glaubwürdig. Wir brauchen so ein Mädchen. Sonst scheitern wir, so kurz vor dem Ziel.«

»Wir haben immer Möglichkeiten gefunden, uns anzupassen, um zu überleben. Wir werden auch für dieses Mädchen eine Alternative finden«, erwiderte er und lehnte sich zufrieden zurück. Er war überzeugt davon, den Schlagabtausch nun für sich entschieden zu haben. Am liebsten hätte sie sich auf seine Seite geschlagen. Selbst wenn sie nicht wollte, dass sie in nicht einmal einem Jahr in das Dorf geschickt werden würde, zu Fremden, zu Männern, die … der bloße Gedanke daran ließ ihre Hand zu einer Faust ballen und schnell besann sie sich darauf, der Diskussion zu folgen. Es gab keine andere Möglichkeit als die, die sie an dieser Tafel immer näher in Betracht zogen. Keine, die ihre Schuldgefühle minderte. »Wir würden nicht alle hier sitzen, wenn dieses Mädchen nicht unsere letzte Option wäre. Sie ist es. Wir brauchen ein Mädchen aus dem unteren Volk, ein Mädchen, das unsere Ideale verkörpert, das zu einer Ikone heranwachsen kann. Wenn wir sie aus unserem Plan streichen, können wir gleich unser eigenes Grab schaufeln. Ohne sie werden wir die Menge nicht bewegen. Jeden einzelnen zu überzeugen, würde uns Jahre kosten. Sie dagegen nur ein paar Worte«, sagte er voller Selbstsicherheit und erinnerte die Runde daran, wer er war und welches Gewicht seine Worte hatten. Sie hatte von Anfang an gespürt, dass sie ihm vertrauen konnte. Dass er nicht wie sein Vater war und das war auch ausschlaggebend dafür gewesen, warum sie zugestimmt hatte. Es durfte sich nicht wiederholen …

»Also, Miss Kehod, welches Mädchen schlagt Ihr dafür vor?«, wandte er sich ihr zu. Für einen kurzen Moment verlor sie sich in der Vergangenheit, ehe sie seinen Blick mit voller Ernsthaftigkeit erwiderte, auch wenn die Angst ihr den Brustkorb zuschnürte.

»Selena Konveras.« Damit war es beschlossen, keiner sprach ein Wort dagegen. Alle erhoben sich, klopften mit ihrer rechten Faust auf den Tisch und sprachen im Chor die Worte: »Oi teranta mios tenteris. Oi teranta ti orisonta. Auf die Zeit vor der Dunkelheit. Auf die Zeit, die nun anbricht.«

Verzeih mir, Cora.

 

1

Einmal und nie wieder.

Genau so würde der Titel eines Buches über diesen Tag lauten, wenn es eine Geschichte wäre.

Heute war jener Tag, an dem der Traum von einem jungen Mädchen aus ihrem tristen Horizont ihrer weit entfernt geglaubten Träume befreit und Hunderte solcher Hoffnungen zerstört wurden. So wie sich die Sonne jeden Morgen von den Gipfeln der einhundert Berge erhob, das Hochland des Talus in der Landesmitte passierte, so fest schwebte die Vorhersage über unseren Köpfen. Das Träume zum Mond geschickt und Hoffnungen in die ewig lauernden Abgründe der einhundert Berge stürzen und von dunklen Schatten der Enttäuschung geschwärzt werden würden.

Alle außer meine.

Denn in dieser Sekunde fielen mir Hunderte von Orten ein, an denen ich mich lieber aufhalten würde, als hier: in der zum Bersten überfüllten großen Halle, in der dreihundertsiebzig Mädchen dicht aufeinander gedrängt der Entscheidung entgegenfieberten. Unmöglich geglaubte Wünsche geisterten wie ruhelose Seelen durch die Reihen, bereit, bald von einem Mädchen ergriffen zu werden. Wie ein ganzer Bienenschwarm schwirrte die Aufregung umher. Überall sah man nervöse Mädchen, die die Hände auf das Herz legten und Gebete zum Himmel sprachen. Immer die Bitte zwischen den Lippen, dass sich ihr Traum heute erfüllen, ihr Leben sich für immer verändern würde. Doch dies war eine falsche Hoffnung. Eine, die etwas Falsches versprach, die das Gesicht erhellte, um es Stunden später durch tiefe Furchen der wahren Enttäuschung für eine halbe Ewigkeit zu zeichnen. Gelangweilt legte ich meinen Kopf in den Nacken und starrte an die Decke, die sich wie ein eigenes Himmelszelt über meinem Kopf erstreckte. Von hier unten waren die feinen Malereien nicht zu erkennen, nur die großen Gemälde verliehen einen Eindruck darüber, was dort oben dargestellt wurde, nämlich die glorreiche Geschichte des Landes Achsania in großen, leicht verständlichen Bildern. In der Mitte, wo ich in etwa stand, entbrannte eine blutige Schlacht. Gezeichnet von zahlreichen Waffen, Kriegern mit erhobenen Schwertern und leblosen Feinden zu ihren Füßen. Im Mittelpunkt, auf seinem schwarzen Schlachtross, König Nairos. Selbst von hier unten erkannte ich seine erhabenen Züge, in denen der Künstler wohl Mut, Stärke und Göttlichkeit darstellen wollte. Doch wenn man hinter die unzähligen, sorgfältig gesetzten Pinselstriche sah, erkannte man deutlich die Grausamkeit, den Blutdurst hinter seinen fast schwarzen Augen, in denen sich der Glanz seiner silbernen Rüstung spiegelte. Dieser Abschnitt kennzeichnete den Beginn seiner blutigen Herrschaft. Ab hier überschnitten sich Legenden, verschönerte Wahrheiten und noch vieles mehr, sodass ich irgendwann aufgehört hatte, sie trennen zu wollen. Es hätte ohnehin nichts gebracht. Seit zehn Jahren lebte ich schon in den Mauern des Internats namens Escania. Mit jedem weiteren Jahr verlor ich das Lebensgefühl, das in den Städten herrschte, obwohl ich mich an meine Zeit vor meinem siebten Lebensjahr nicht erinnern konnte. Über die Jahre hinweg war die Wut darüber, gepaart mit einer unbändigen Enttäuschung, abgeflaut. Nur manchmal, an meinen dunkelsten Tagen, brachen diese Gefühle wie ein ganzer Sturm auf mich ein, nahmen mir für einen Moment die Luft und mehr. Im Hinblick auf mein kommendes achtzehntes Lebensjahr, das bedeutete, dass ich das Internat verließ, um im Dorf zu leben, lief es mir heiß und kalt den Rücken hinunter. Ich hatte Pläne. Zuerst wollte ich herausfinden, wer meine Eltern waren. Ich musste es herausfinden, bevor mich ein Mann ehelichte und ich all meine Freiheiten verlor. Doch dieser Gedanke schien noch weit in der Ferne zu liegen, sodass es mir leicht fiel, meinen Blick davon abzuwenden.

»Er kommt«, flötete Levinia mit ihren rubinfarbenen Lippen. Ihre blonden Locken hüpften bei jedem kleinen Sprung und ihre Hände begannen vor Aufregung ein seltsames Eigenleben zu führen.

»Nach zwanzig Minuten Verspätung auch wünschenswert«, gab ich sarkastisch zurück. In zwanzig Minuten hätte ich ein ganzes Kapitel in meinem derzeitigen Roman lesen können. Inmitten der großen Bibliothek, meinem Lieblingsort zwischen den alten Mauern des Internats und deckenhohen Bücherregalen mit unzähligen Geschichten voller Liebe, Magie und Intrigen. Dem einzigen Ort, an dem ich ungestört lesen konnte, ohne, dass mich jemand für meine Rückenhaltung tadelte.

»Ach Selena, du verstehst nicht. Er kommt. Das heißt, hier wird gleich Geschichte geschrieben und vielleicht … stell dir mal vor, er sagt gleich meinen Namen, dass …«, mit ernster Miene nahm sie meinen rechten Arm, »… du musst mich dann festhalten, sonst befürchte ich umzufallen. Nicht, dass er sich es dann anders überlegt, eine andere auswählt, obwohl das eher unwahrscheinlich ist, aber ich will meine Chance nicht gleich verspielen und …« Diesmal war ich es, die beide Hände auf ihre Schultern legte und so ihren Redefluss stoppte, dem ich nach der ersten Pause bereits nicht mehr folgen konnte.

»Levinia, stopp. Du verschluckst dich noch an deinen eigenen Worten, bevor er überhaupt auftaucht. Also atme einmal tief durch.« Zur Ermutigung machte ich es ihr vor, sie machte es mir nach. Levinia kannte ich inzwischen schon seit gut sechs Jahren. Sie war damals als Vollwaise, genau wie ich vor zehn Jahren, nach Escania gekommen. Am Anfang konnte ich sie nicht ausstehen, da sie mich immer beim Lesen gestört hatte, doch mit der Zeit waren wir so etwas wie Vertraute geworden und beide damit zufrieden. Zu zweit war man schließlich weniger allein.

»Denkst du, sie könnten mich auserwählt haben?« Ihre sonst so vor Zuversicht strahlenden Augen wurden dunkel vor Angst, die ich in den Blicken der anderen ebenfalls erkennen konnte. Zuversichtlich lächelte ich sie an, denn anders als bei den anderen, waren ihre Zweifel unberechtigt.

»Du hast von ihnen allen die größte Chance. Du bist die Beste in unserem Jahrgang und im Internat. In jeder Stunde bei Miss Scantes hast du das unter Beweis gestellt, während ich beinahe eingeschlafen bin.« Der letzte Satz entlockt ihr ein kleines Lächeln. Tatsächlich hatte ich immer damit zu kämpfen, nicht bei den Unterrichtsstunden wie Tanz, Musik und Erziehung einzuschlafen. Aber wahrscheinlich war ich trotz Levinias einzigartigen Fähigkeiten mich daran zu hindern, dennoch einige Stunden eingenickt; von all diesen Fächern war nicht viel hängen geblieben, außer der Erkenntnis, dass ich viele Seiten in diesen Unterrichtsstunden hätte lesen können.

»Du hast recht«, nickte sie. »Ich bin trotzdem nervös. Wie kann dich das alles völlig kaltlassen?« Bei dieser Frage zuckte ich wie so oft mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Vielleicht, weil ich absolut ungeeignet für eine Königinnenkür bin?« Levinia erwiderte nichts auf diese Frage, von der wir beide wussten, dass es darauf nur eine Antwort geben konnte. Stattdessen schüttelte sie lächelnd ihren Kopf.

»Du musst mir versprechen, all die Briefe zu lesen, die ich dir dann vom Palast aus schicke, einverstanden?«

»Wenn es die einzige noch nicht von mir gelesene Seite dieser Welt ist, dann ja«, witzelte ich. Natürlich würde ich die Briefe lesen. Jeden Einzelnen. Und das wusste sie auch.

Trotzdem verdüsterte sich ihre Miene und sie zog einen Schmollmund.

»Sehr witzig. Aber es gibt auch Menschen, die rechnen die vergangenen Minuten nicht in Buchseiten um, die sie in dieser Zeit geschafft hätten«, schoss sie zurück, ein Zeichen dafür, dass ihr die Ablenkung guttat. Denn auch wenn es eine große Ehre für jede junge Frau war, an der Königinnenkür teilzunehmen, war es für die Anwärterin aus Escania eine noch viel größere. Sie würde schließlich die Erste aus Escania sein, die für die Königinnenkür auserwählt wurde, um gemeinsam mit elf anderen jungen Frauen, die Gunst des Prinzen zu gewinnen und Königin zu werden. Auch wenn es Gerüchte gab, dass vor vielen Jahren schon einmal ein Mädchen aus Escania daran teilgenommen hatte, wusste man nichts über sie, außer dass ihre Geschichte von Geheimnissen umgeben war, die bis zu den Vermutungen ihres Todes reichten. Das Spektakel entfachte alle paar Jahrzehnte ein Feuer des Interesses im Volk, obwohl es meist auf der Hand lag, wer die Auserwählte sein würde. Ein Mädchen aus dem Eliteinternat Aleia, das nur jenen offen stand, die aus einer vermögenden Familie oder bestenfalls aus einem der fünf Inventos Häuser entstammten. Die Inventos waren die fünf mächtigsten Großfamilien, die jeweils über einen Bezirk in Achsania herrschten. Der Großteil der Macht lag immer bei der Mächtigsten, der Königsfamilie Alecdnas, die die Hauptstadt Sylinkya ihr Eigen nannte. Von hier aus übte König Nairos seine unumschränkte Macht in all seiner Grausamkeit aus. Königin Samatha, die Gemahlin von König Nairos, stammte aus Dias und wurde vor vielen Jahren als Königin auserkoren. Hinter den Fächern der reichen Gesellschaft bis hin zu den Kneipen der ländlichen Bevölkerung munkelte man, es sei damals nur zu einer Verbindung gekommen, da Dias, einer der größten Nahrungsversorger neben Duana, einen Aufstand erprobt hatte. Solche Gerüchte minderten aber nicht im Geringsten den Fleiß und die Hoffnung der restlichen Bewerberinnen. Alle Mädchen – außer ich – bereiteten sich ihr ganzes Leben darauf vor, hieran teilnehmen zu können und ihr eigenes Märchen zu schreiben.

Während ein aufgeregtes Stimmengewirr noch vor wenigen Augenblicken im Saal zu hören gewesen war, wurde es nun still. Direktorin Miss Kehod, betrat die Bühne der großen Halle. Ihr hochgestecktes graues Haar ließ Strenge erahnen, während sich hinter ihren blassblauen Augen Sanftheit verbarg. Die Einkerbungen der Jahre auf ihrem schmalen Gesicht verstärkten den Eindruck von Weisheit. Ich schätzte diese Frau, ich bewunderte sie. Denn sie war eine der wenigen, die es geschafft hatten, einer Heirat zu entgehen und trotzdem nicht in einer Gasse zu enden. Eine der wenigen Ausnahmen unter der Herrschaft von König Nairos, denn die Internate wurden ausschließlich von Frauen geleitet. Die Befehle kamen dennoch von dem König.

Ihre Augen glitten ruhig und voller Stolz über uns alle und standen damit im Kontrast zu der Unruhe, die noch wenige Augenblicke zuvor geherrscht hatte. Jetzt war nur noch ein Flüstern zu hören, das mit jeder verstrichenen Sekunde in der erwartungsvollen Stille nachhallte.

»Meine Mädchen«, begann sie ihre Ansprache. Keiner wagte es mehr, ein Wort zu sagen. Nicht vor der Direktorin selbst. Ihre hochgewachsene, schmale Gestalt, in Verbindung mit ihrem scharfen, geistreichen Verstand, flößte allen Respekt ein.

»Heute ist ein großer Tag für Escania. Es erfüllt mich mit Stolz zu wissen, dass eine von euch ausgewählt wurde, um an der Königinnenkür teilzunehmen.« Ihre Worte hallten von den mächtigen Mauern bis hoch zu der prächtigen Gewölbedecke. Es schien, als wäre ihr Ziel, die Worte des heutigen Tages in das Mauerwerk einzumeißeln, damit sie noch Jahre später nachhallen.

»Heute ist der Tag, an dem Escania eine Stimme erhält und das Mädchen, das ausgewählt wurde, hat die Aufgabe, diese Stimme bis zu den prächtigen Mauern des Palastes in Sylinkya zu tragen. Um zu beweisen, dass wir der Aufgabe gewachsen sind, die Zukunft zu formen. Eine Zukunft, auf die wir stolz sein können. Escania hat jetzt die einmalige Chance, all das zu beweisen. Das Mädchen, das gleich dieses Podest betritt, das heute einen neuen Lebensweg einschlagen wird, soll wissen, dass nichts stärker ist als der Glaube an sich selbst. Egal, was andere von ihr halten, nichts wird je so wichtig sein wie der Glaube an sich selbst. Denn du allein entscheidest, wer du bist und wer du sein möchtest. Was dich bricht, was dich erfreut und wofür es sich zu kämpfen lohnt. Entscheide mit dem Herzen, nicht nach der Meinung anderer.« Sie ließ mit der darauffolgenden Stille ihre Worte nachklingen, um sicherzugehen, dass sie jeder verinnerlichte. Hunderte von Augen waren auf sie gerichtet, doch in dieser Sekunde sah sie mich an. Da war etwas in ihren Augen. Etwas, das ich nicht benennen konnte. Unverwandt blickte ich zu ihr zurück. Nach wenigen Sekunden, die sich innerlich wie zähe Stunden angefühlt hatten, richtete sie ihren Blick auf den Botschafter, einen älteren, ergrauten Mann. Dennoch waren seine Schritte zur Bühne hinauf elegant, das Selbstbewusstsein dahinter unverkennbar. Miss Kehod neigte den Kopf. Ein Zeichen für das Ende ihrer Ansprache. Tosender Applaus brannte auf. Die Aufregung der anderen wurde immer greifbarer. Levinia nestelte nervös an ihrem Ärmel, wippt trotz ihres tadellosen Benehmens hin und her.

»Ich glaube, ich falle gleich um, wenn er den Namen nicht gleich verkündet.« Mit ihrer rechten Hand fächerte sie sich Luft zu und holte tief Luft. »Damit würdest du bestimmt Eindruck machen, denn du wärst sicherlich die Erste aus Miss Scantes Unterricht, der so etwas passiert.«

»Ja. Und dafür würde sie mich eigenhändig umbringen. Wie kannst du in dieser Lage Witze machen?« Ihre Stimme wurde schriller. »Was willst du sonst machen, außer dich darauf zu konzentrieren, nicht umzukippen?« Sie wollte etwas erwidern, sicher eine Zurechtweisung, ähnlich wie von Miss Scantes, doch ehe sie zu Wort kommen konnte, ergriff der Botschafter das Wort.

»Ich freue mich sehr, verkünden zu dürfen, wem von euch die Ehre zuteilwird, mit mir nach Sylinkya zu reisen, um dort um die Gunst von Prinz Cedrics zu werben und um die des Volkes. Unter euch könnte die nächste Königin sein. Trotz all dieser Feierlichkeiten und der Aufregung dürfen wir nicht vergessen, wem wir das alles zu verdanken haben, dass es uns so gut geht und dass wir so leben dürfen, wie wir es tun. Unserem König Nairos. Gepriesen sei er und das Land, das wir dank ihm und seiner göttlichen Vorfahren das Unsere nennen können. Gepriesen und bewahrt vor allen Schrecken, die er abwendet für sein geliebtes Volk. Lang lebe König Nairos. Acova de lasorar, curos de camquien! Gerechtigkeit im Blut, Mut im Herzen!« Wie auf Kommando gingen alle Anwesenden in die Knie, die Hände auf dem Herzen übereinandergelegt und zum Himmel erhoben. Diese Geste lernten wir schon von Kindesbeinen an. Bevor ich hierherkam, mit nichts als Lumpen am Leib, kannte ich das nicht. Mit diesem Zeichen drückte man aus, dass man sich dem König unterordnet und ihm sein Leben, sein Herz, übergab. Etwas in mir sträubte sich jedes Mal dagegen. Brüllte mir das Wort Falsch entgegen. Trotzdem tat ich es jedes Mal erneut, obwohl es sich wie ein Verrat anfühlte. Nach etwa zehn Sekunden erhoben wir uns. Gebannt blickten alle nach vorn. Alle unter sechzehn Jahren, denen es altersbedingt nicht gestattet war, an der Königinnenkür teilzunehmen, bangten um ihre Freundinnen und ihre Schwestern.

»Ich hoffe, Euch allen ist die Verantwortung bewusst, die Ihr von nun an tragen werdet, wenn Euer Name gleich laut ausgesprochen wird. Der König erwartet das Höchste von Euch.« Seine Stimme wurde von Wort zu Wort dunkler. Genau wie zuvor die Worte von Miss Kehod hingen sie in der Luft wie eine schwere Wolke. Ein Gewitter, das sich bald über jeden Einzelnen in der Halle entladen würde.

Dass wir bald am Ende angelangt waren, beruhigte mich. Das Bild von mir in der Bibliothek auf dem Fensterbrett, ein gutes Buch vor mir, kristallisierte sich mehr und mehr vor meinem inneren Auge. Vorfreude machte sich breit. Bücher versprachen mir Freiheit, Abenteuer und so viel mehr. Sie führten mich an Orte, wo ich nie stehen würde, nicht mal in meinen Träumen. Ein kurzer Blick zu Levinia genügte, damit ich sah, wie angespannt sie in diesem Moment war.

»Die Königinnenkür hat schon immer eine große Bedeutung. Deshalb bereitet es mir umso mehr Vergnügen, nun die junge Dame zu verkünden, die diesen Weg des Stolzes und einer glorreichen Zukunft beschreiten wird.« Ich hatte mich schon halb umgedreht, als er nach einem goldenen Brief griff. Levinia strahlte mich an und schüttelte lächelnd den Kopf, denn sie wusste, wohin es mich als nächstes zog. Das erwartungsvolle Klopfen der Herzen aller vereinte sich zu einem Trommelwirbel. In meinem Kopf hörte ich schon Levinias Namen.

Doch es kam anders.

Nicht Levinias Name oder der eines anderen Mädchens fiel, nein.

Sondern mein eigener.

»Selena Konveras.«

 

 

Die ewige Chronikschreiberin:

Ihre müden Knochen zogen ein unbeschriebenes Buch hervor. Es war ihr immer eine Freude, wenn sie ein neues aufschlagen konnte. Als sie die erste Seite aufschlug, roch sie den Duft, den sie jahrhundertelang vermisst hatte. Ein neues Buch, das von ihr beschrieben werden würde. Sie würde viele, viele Seiten brauchen. Vielleicht auch Tränen vergießen, die Stirn runzeln und wütend sein, sie wusste es nicht. Aber in einem war sie sich sicher: Es würde ihr Meisterwerk werden. Sie tauchte die Schreibfeder des silbernen Phönix in ihr Tintenfass aus Kristall und begann die ersten Worte zu schreiben …

2

In meinem Leben gab es viele Momente, in denen ich am liebsten davongelaufen wäre.

An schlimmen Tagen der Einsamkeit, wenn die Hoffnung wie ein Stern verglüht war oder einfach, wenn ich genug von allem und jeden hatte. Aber niemals konnte ich nicht davonlaufen. Und noch nie hatte mein Name so schrecklich geklungen. So verräterisch. Während er meinen Namen laut ausgesprochen hatte, hatte es sich angefühlt, als wäre eine Tür laut zugefallen. Eine Tür zu allem, worauf ich gebaut und gehofft hatte. Eine Tür zu einer scheinbar eindeutigen Zukunft im Dorf. Ein normales Leben, das ich annahm und im selben Atemzug zurückwies. Es fühlte sich grausam an. Die Stille. Die hundert Blicke. Wie Pfeile, die mich durchbohrten. Doch mein Kopf hatte immer noch Mühe damit, das Geschehene zu verarbeiten. Erst langsam drehte ich mich wieder nach vorne. Mein Herz schlug lauter, als die Stille in meinen Ohren dröhnte. Tief einatmen und ausatmen, sagte ich mir. Beinahe hätte ich laut aufgelacht bei dem Gedanken, dass das exakt die Worte gewesen waren, die ich Levinia erst vor wenigen Minuten zur Beruhigung gesagt hatte.

Levinia …

Bei ihrem Namen drehte ich unwillkürlich den Kopf zu ihr, nur um mir im selben Moment zu wünschen, ich hätte es nicht getan. Aus ihren glasigen blauen Augen sprach der Schmerz, wenn eine ganze Welt vor einem zerstört worden war. Von mir zerstört worden war. Ihr Traum, für den sie sich Tag für Tag vorbereitet hatte, ruiniert von mir, die gar kein Interesse daran hatte. Und dies galt für viele der Mädchen in dieser Halle. In meinem Inneren fühlte ich mich grauenvoll. Ich fand keine Worte, um zu sagen, wie leid es mir tat. So unvorstellbar leid. Als ob sie mir nicht länger in die Augen sehen könnte, wandte sie sich ab und begann zu klatschen. Langsam stimmten die anderen ein. Alle waren geschockt, dass sie ausgerechnet mich ausgewählt hatten, obwohl der Grund dafür überhaupt nicht ersichtlich war. Selbst die Lehrer an den Seiten sahen mich geschockt an, versuchten es aber, durch ein höfliches Klatschen zu kaschieren. Erst jetzt setzte mein Verstand wieder ein und Miss Scantes bedeutete mir hektisch mit dem Kopf, nach vorne zu treten. Zögernd setzte ich mich in Bewegung. Jeder Schritt glich dem Erklimmen eines Hügels, dessen Ende ich noch nicht sehen konnte. Den Applaus um mich herum blendete ich aus. Alles in mir konzentrierte sich auf die Treppe zur Bühne hinauf, von der ich gedacht hatte, dass ich sie nie besteigen würde, die mir aber durch einen merkwürdigen oder vielmehr grotesken Zufall, doch noch zu zuteilgeworden war. Meine Füße fühlten sich seltsam taub an, als ich eine Stufe nach der anderen nahm, bis ich vor dem strahlenden Botschafter und den musternden Augen von Miss Kehod stand.

Atme, mahnte ich mich. Wenn mich nicht meine in die Handflächen gedrückten Fingernägel daran erinnern würden, dass dieser Moment bittere Realität für mich darstellte, hätte ich geglaubt, ich befände mich in einem Traum. Doch der Schmerz in meinen Handflächen ließ mich nicht aufwachen. Er machte den vermeintlichen Traum zur Realität und damit zu meinem größten Schrecken.

Auf mein Gesicht ließ ich eine unerschütterliche Maske gleiten, die mich schon vor manchen bewahrt hatte. Vor allem davor, zusammenzubrechen.

»Selena Konveras, ich gratuliere Euch. Ihr habt nun eine Stunde Zeit, Eure persönlichen Gegenstände in Koffer zu packen, denn wir brechen schnellstmöglich nach Sylinkya auf.« Verkündete er, obwohl nur die Hälfte davon in meinem Kopf hängen blieb. Es klang einfach zu surreal. Trotzdem hob ich entschlossen mein Kinn als Zeichen, dass ich es akzeptierte und mich nicht unterkriegen ließ. Dafür hatte ich schon zu viel durchgemacht.

»Ich gratuliere dir ebenfalls Selena. Du wirst uns stolz machen, da bin ich mir sicher.« Ihre Stimme klang zuversichtlich. Dennoch sah ich etwas in ihren Augen, das ich nicht so recht einordnen konnte. Wie schon zu Beginn. Besser gesagt, wie immer. In diesem Augenblick hätte ich ihr am liebsten meine ehrliche Meinung entgegengeschrien, dass ich mich weigerte, daran teilzunehmen. Scheinbar verriet mein Gesicht diesen Gedanken und ihr Blick verdunkelte sich warnend. Schließlich konnte man sich nicht einmal für die Teilnahme an der Königinnenkür entscheiden. Man wurde hineingedrängt wie Vieh auf die Schlachtbank. Und von der Krone auserwählt, auch wenn es mir unergründlich erschien, warum sie ausgerechnet mich auswählten, schließlich konnten die Lehrer eine Empfehlung aussprechen und diese hatten mich mit großer Sicherheit nicht auf ihrer Liste.

Ihre Augen glitten noch einen Moment über mich, bis sie sich den anderen Mädchen zuwandte und verkündete, dass Enttäuschung einen ermutige, nicht aufzugeben und Eifersucht einen daran hindere, sich zu verbessern. Mit dieser Weisheit entließ sie uns alle in die verschiedenen Trakte. Heute fand kein Unterricht mehr statt, dafür aber das Flüstern von gewagten Vermutungen, irrtümlichen Gerüchten und der Austausch über die oft absurdesten Verdachte mit einer Freundin. Somit war auch ich entlassen und wandte mich um, um diesem Moment so schnell wie möglich zu entfliehen. »Selena, ich erwarte dich kurz vor deiner Abreise in meinem Arbeitszimmer.« Beinahe wäre mir ein Fluchen über die Lippen gekommen, doch eilig unterdrückte ich es und presste meine Lippen stattdessen zusammen. »Selbstverständlich.« Ich wollte nicht mehr Zeit als nötig verstreichen lassen und wäre fast aus dem Saal gerannt.

Die Blicke der anderen folgten mir. Hass, Enttäuschung, Wut, Verwunderung. All das schlug mir wie eine Welle entgegen, die mich zu Boden riss. Und doch ging ich weiter. Auch wenn ich meinen Kopf einzog. Wenige Minuten später erreichte ich mein Turmzimmer, für das ich immer dankbar gewesen war. Auch wenn es zuerst Fragen aufgeworfen hatte, warum ausgerechnet ich hier oben untergebracht wurde, während die anderen zu sechst in einem Zimmer schliefen. Nun schien es mit seinen drei runden Fenstern und einer Tür, die nur über eine geschwungene Treppe zu erreichen war, der geschützteste Ort der Welt zu sein. Ein Zufluchtsort, an dem ich vergessen konnte, was eben geschehen war, was es für mich bedeutete und … ahhh. Ich schmiss den erst besten Gegenstand durch die Luft. Es traf einen Apfel, den ich am Morgen für den Nachmittag mitgenommen hatte. Wut flammte in mir auf, ließ die Tränen auf meiner Wange wie Regen wirken, inmitten eines Sturms.

Warum ich? Warum ausgerechnet ich? Die Frage kreiste unaufhörlich durch meinen Kopf. Jedes Mal war es wie ein Schlag, der mich taumeln ließ. Ich fiel geradewegs in einen Albtraum, aus dem ich nicht mehr erwachen würde.

Ein tiefer Atemzug flutete nun meine Lunge, während ich mir die Haare raufte. Ich musste mich beruhigen, sonst würde ich durchdrehen und täte etwas, das ich bereuen würde.

Ein, aus.

Ein, aus.

Ein, aus.

Meine Wut kühlte sich mit jedem weiteren Atemzug ab, ein Zittern ließ meinen Körper ein letztes Mal beben, bevor ich schließlich meine Augen öffnete.

Hier hatte ich zehn lange Jahre gelebt, gelesen und in Nächten gelitten. Vor Einsamkeit, vor Trauer, vor Schmerz, über Eltern, von denen ich nichts mehr wusste, über ein Leben, das ich vergessen hatte. Trotzdem musste ich mich dem stellen, was mich erwartete. Also griff ich nach einem braunen Koffer unter meinem Bett und begann zu packen. Aus dem wackeligen Schrank, den ich mit einem hart gewordenen Stück Brot an der Seite stützte, holte ich meine wenigen Kleider. Von meinem schmalen Schreibtisch nahm ich einen Stift und von meinem Nachtkästchen nahm ich meinen wertvollsten Besitz, eine faustgroße weiße Muschel, die mich durch ihr Rauschen daran erinnern sollte, woher ich stammte. Mein ledernes Tagebuch, das mich besser kannte als ich mich selbst und zuletzt meine liebsten Bücher, die ich inzwischen schon so oft durchgeblättert hatte, dass sich die Buchrücken allmählich auflösten.

Nun war es geschehen.

Mein komplettes Leben.

Eingepackt. Bereit, um abzureisen.

Im Türrahmen drehte ich mich ein letztes Mal um, betrachtete mein Zimmer und damit mein Leben, das ich die letzten Jahre geführt hatte. Mit Büchern, einem Bett zum Schlafen und Fenstern, die mir den Blick auf die Sterne ermöglichten und geöffnet auch das Wellenrauschen an mich herantrugen.

Es fühlte sich seltsam an, meine Hand um den Türgriff zu legen und den leichten Koffer in der anderen Hand zu halten. Noch dazu mit dem Gewissen im Hinterkopf, diese geschützten Mauern monatelang nicht mehr zu sehen, ihren Schutz zu verlieren, der mich seit zehn Jahren umgab.

Als ich die Tür schloss, zögerte ich. Strich ein letztes Mal über das raue Holz der Tür, schwelgte kurz in der Erinnerung und dem Schmerz des Abschieds. Erst dann drehte ich mich endgültig um, streckte mein Kinn dem entgegen, das mich nun erwarten würde. Zuerst Miss Kehod. Ich wusste nicht, wieso sie mich sehen wollte. Vielleicht rätselten wir gemeinsam, warum die Wahl der Krone auf mich gefallen war. Vielleicht ermahnte sie mich auch, dass ich mein Bestes geben sollte.

An der Tür ihres Arbeitszimmers angekommen, klopfte ich. Mein Herz hörte ich dabei unentwegt in meiner Brust schlagen, bis ich ein »Herein« vernahm und die Tür öffnete. Sie saß in einem schwarzen Sessel vor dem Kamin, in dem ein Feuer loderte. Das Fenster hinter ihrem wuchtigen Schreibtisch aus schwarzem Holz war wie immer von einem schweren Vorhang verdeckt, der jegliches Sonnenlicht verschluckte. »Selena, setz dich bitte.« Wie geheißen nahm ich neben ihr Platz, Unsicherheit machte sich in mir breit, denn alles an dieser Frau wirkte autoritär und doch schien sie in manchen Momenten so vertraut, als hätte ich sie vor vielen Jahren schon einmal kennengelernt. »Ich weiß, dass du dich fragst, warum ausgerechnet du auserwählt wurdest.« Meine Zustimmung verstummte augenblicklich, als sie mir direkt in die Augen sah. Ihre Augen waren von einem sehr blassen Blau, sodass sie beinahe grau wirkten, dafür aber umso eindringlicher. »Ich kann es dir auch nicht sagen, aber ich will, dass du eines Tages weißt: Sei du selbst, denn du bist mehr, als du in dir siehst und vor allem als andere in dir sehen. Verliere dich nicht in den Urteilen anderer, sondern vertraue auf dich selbst. Nur so wirst du die Königinnenkür überstehen.« Kälte überfiel mich, trotz der Wärme des Feuers, als mir klar wurde, was mich wirklich erwartete. Bislang hatte ich mir nie ausgemalt, wie es sein würde, daran teilzunehmen. Jetzt traf mich die Vorstellung mit voller Wucht. »Die anderen Mädchen werden alles dafür tun, um dich einzuschüchtern oder gar zu verletzen und auch die Krone wird dich gnadenlos auf die Probe stellen. Aber diese Bedrohungen sind dein letztes Problem, wenn du ein falsches Wort von dir gibst, besonders wenn es sich um Magie handelt. Du musst dein Wissen über die Wahrheit und die Magie geheim halten, auch wenn es deine einzige Chance ist, die Intrigen und Geheimnisse am Hofe zu durchschauen.« Während sie sprach, musste ich mich anstrengen, nicht unbehaglich auf dem schwarzen Ledersessel herumzurutschen. Sie wusste es. Aber woher? Ich dachte bislang immer, ich sei die Einzige in der Bibliothek gewesen, die aus persönlichen Gründen dort schmökerte und ab und an auf ein Buch über Magie und Wahrheiten stieß, die der König schon lange unter seinen Lügen begraben hatte. »Wie lange wisst Ihr das schon?«, fragte ich und bemühte mich um einen festen Ton. »Schon lange, Selena. Diese Bücher existieren offiziell gar nicht mehr, es ist ein Wunder, dass du sie überhaupt finden konntest.« Nur glaubte ich schon lange nicht mehr an Wunder. Seit zehn Jahren wusste ich nichts mehr über meine ersten sieben Lebensjahre, es war, als hätte es sie nie gegeben, als wäre ich in die Einsamkeit hineingeboren worden. Und als ich ihr in die Augen blickte, stellte ich fest, dass auch dieses Mal kein Wunder geschehen war. Das verschwörerische Blitzen in ihren von Weisheit durchtränkten Augen war zu bedeutungsschwer. In meinem Kopf begannen sich Fragen und Gedanken gleichermaßen zu bewegen. Kaum merklich schüttelte ich meinen Kopf, während ich nach Worten rang und gleichzeitig versuchte, Schlussfolgerungen zu ziehen. »Ich war nie jemand, dem Wunder zuteilwurden und ich glaube auch jetzt nicht daran.«

»Es kann aber oftmals sehr wirksam sein, an ein Wunder zu glauben, denn manchmal lässt es uns neue Hoffnung schöpfen.« Ich hatte zu viel Respekt vor ihr, um ihr zu antworten, dass es in meinem Leben schon längst keine Hoffnung, geschweige denn Wunder gab. Sie waren mit meinen Erinnerungen verschwunden. »Aber deswegen habe ich dich nicht hergebeten«, meinte sie, nachdem sie mich eine Zeit lang nur angesehen hatte und das mit einem Blick, den ich nicht deuten konnte. »Du musst es verinnerlichen, dass du ihnen gegenüber in jeder Situation loyal sein musst. Die Krone setzt in diesen Zeiten auf Abschreckung durch Grausamkeit und härtere Strafen. Es darf sich unter keinen Umständen wiederholen, Selena, hörst du?« Plötzlich griff sie nach meiner Hand und fast wäre mir ein Schrei über die Lippen gekommen, als ich ihre angstgeweiteten Augen sah, die mich fast flehend anstarrten. Ihr Griff um meine Hand war fest und kalt und jagte mir eine Gänsehaut über die Arme.

Erschrocken starrte ich darauf, ehe ich meinen Blick hob. »Was ist bei der letzten Königinnenkür geschehen?«, flüsterte ich und meine Stimme wurde vom Knistern des Feuers verschluckt. Abrupt ließ sie meine Hand los, lehnte sich langsam zurück und schien selbst von ihrer Reaktion erschrocken zu sein. Sie mied meinen Blick für einen kurzen Moment, als müsse sie erst Kraft sammeln, um mir antworten zu können.

»Selena …« begann sie und verstummte. Ein schmerzlicher Ausdruck verlieh ihren ebenmäßigen Konturen tiefe Falten, die sich wie Schatten darüberlegten. »Das Mädchen aus Escania starb bei der letzten Königinnenkür. Es darf sich nicht wiederholen, Selena, ich flehe dich an, du musst …«

Als die Tür geöffnet wurde, zuckten wir beide zusammen. Erschrocken drehten wir unsere Köpfe zu dem Eindringling. Beinahe hätte ich ihn aus dem Zimmer gescheucht und sie angefleht, weiterzuerzählen, doch der Botschafter nickte mir zu. »Miss Selena, wir reisen ab.«

»Bitte, nur noch zwei Minuten, ich …«

»So schwer der Abschied auch fallen mag, irgendwann ist die Zeit gekommen«, räusperte sie sich, während sie sich in einer fließenden Bewegung erhob und an die Seite des Botschafters trat, der ein zufriedenes Lächeln zur Schau trug. Sie hatte mich zudem gerade davor bewahrt, dem Botschafter zu widersprechen, und das wäre das Letzte gewesen, was ich hätte tun sollen. Irgendwie schaffte ich es, die Enttäuschung zu verdrängen und mich zu erheben. »Ihr habt recht.« Nickte ich ihr zu, wenn auch mit einem flehenden Blick. Den sie jedoch ignorierte. Stattdessen wandte sie sich zur Tür und blieb davor stehen. Um meinen enttäuschten Gesichtsausdruck zu verstecken, griff ich nach meinem Koffer und atmete tief durch. Ich würde noch in Erfahrung bringen, warum dieses Mädchen gestorben war und was wirklich dahinter steckte. Als ich auf sie zutrat, sahen mich beide mit einem höflichen Lächeln an. Eines aufgesetzter als das andere. »Ich hoffe, Selena, die Zeit in Escania hat dich hierfür ausreichend gelehrt und vorbereitet. Dir gebührt schon jetzt der Stolz Escanias.« Nickend bedankte ich mich für ihre Worte, auch wenn ich andere hören wollte. »Dann folgt mir, Miss Konveras, zu den Kutschen.« Er ging voraus und als ich ihm folgte, blickte ich ein letztes Mal zu Miss Kehod zurück. Eine Frau, die für mich Autorität und in seltenen Momenten auch Wärme ausgestrahlt hatte. Die letzte Teilnehmerin aus Escania war gestorben …

Ein letzter Blick zurück und plötzlich war ihr Blick für mich lesbar. Es war nicht nur Schmerz, der sich auf ihren Zügen zeigte, nein, sondern Angst. Tiefe, tiefe Angst. Um mich, das wurde mir soeben klar.

 

 

Miss Kehod: Sie war sich unsicher, ob sie das Richtige getan hatte. Sie hatte Jahre damit verbracht, sie auf ihre Aufgabe vorzubereiten, und doch hatte sie nie den Mut gefunden, ihr zu sagen, welches Erbe sie besaß. Sie warf ein weiteres Holzstück in den Ofen. Vielleicht hätte sie es ihr sagen müssen, damit sie lernen konnte, damit umzugehen. Vielleicht war es aber auch besser, wenn sie nichts davon wusste. Zum ersten Mal in ihrem Leben fürchtete sie sich vor ihrer Entscheidung und den damit verbundenen Konsequenzen. Denn die Zerstörung davon war nicht abzusehen. Nicht mehr …

 

 

3

Ich ging auf die Kutsche zu. Dabei kämpfte ich gegen meinen Instinkt an, zurückzulaufen. Plötzlich war in mir nicht mehr der Schmerz, mein komplettes Leben, so wie ich es kannte, zurückzulassen, sondern es zeigte sich noch etwas anders, Angst, gemischt mit einer Neugier, die dem Drang in mir nachgab, mehr über dieses Mädchen zu erfahren. Warum war sie gestorben? War es Mord …

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als ein Schatten auf mein Gesicht fiel. Vor mir wartete eine Kutsche mit zwei gespannten Pferden. Daneben stand ein etwas älterer Herr, der mir mit einem geschmeidigen, falschen Lächeln begegnete. Ich lächelte zurück. Auf seiner roten Weste prangte das Wappen der Krone. Eine goldene Krone, die Zacken zu silbernen Feuerzacken umgewandelt. In der Mitte funkelten die edelsten Diamanten, als Zeichen für ihre Macht, ihre Stärke und ihren Reichtum.

Zu spät bemerkte ich seine Hand neben mir und stieg so ohne Weiteres ein und erntete von ihm ein kaum merkliches Kopfschütteln. Wahrscheinlich ein schwerer Regelverstoß, bei dem Miss Scantes Augenbrauen tadelnd bis zur Höhe der einhundert Berge geschossen wären. Diesen kleinen Ausrutscher schob ich in Gedanken schnell beiseite und merkte ihn mir für später. Am Königshof würden mehr als das Augenpaar eines Kutschers auf mir ruhen. Allein der Gedanke daran breitete sich wie eine Eisschicht auf meiner Haut aus.

Um mich abzulenken, richtete ich meinen Blick auf den Botschafter, der nun zu mir trat und mir zunickte: »Dann wollen wir mal. Auf eine angenehme Reise Miss Konveras.« Er trat zurück, der Kutscher schloss die Türen und wir fuhren los. Vorne hörte ich das Wiehern der Pferde. Ich renkte mir beinahe den Hals aus, als ich so lange wie möglich nach Escania zurückblickte. Irgendwann wurde das Internat, das so lange ein Zuhause für mich verkörpert hatte, von den verblassten Rändern des Horizonts in der schwachen Morgensonne verschluckt.

Die Fahrt nach Sylinkya, der Stadt der Königsfamilie und der Ort, an dem traditionell die Königinnenkür stattfand, dauerte vier Tage. Während Escania im höchsten Norden des Bezirks Alencia gelegen war, konnte man Sylinkya etwa in der Mitte der Karte ausmachen. Ein Stück südlich von dem Hochland des Talus. Sie war auch die am höchsten gelegene Stadt nach Lanos.

Seit zehn Jahren hatte ich nichts anderes gekannt als die kahlen Steinwände von Escania, immerzu die gleichen Gesichter gesehen, die gleichen Sätze gehört und das Gleiche gegessen. Während wir die schweigenden Täler passierten – nicht bewohnte Orte zwischen den Städten – bekam ich eine Gänsehaut. Nicht wegen all den Eindrücken, die auf mich niederprasselten, nicht wegen der Luft, die hier so anders auf der Zunge schmeckte wie in Escania. Sondern weil ich die Geschichte der Schweigenden Täler, in einem alten Buch in der Bibliothek Escanias gelesen hatte. Früher sprießten hier statt kratzigem und verdorrtem Gewächs ganze Dörfer. Von Begabten und Magielosen, Hand in Hand lebten sie hier. Bis König Nairos an die Macht kam und sich der Verschwörung hingab, dass alle Begabten nur Schlechtes mit sich brachten. Die Magielosen wurden in die Städte vertrieben, alle Begabten, die nicht rechtzeitig in die Nachbarländer flüchten konnten, wurden grausam ermordet. All das sah das Volk nicht, da Nairos in ihren Köpfen der Bezwinger der Magie, der ewigen bösen Kraft war. Der Held, der Achsania wieder zu Großem verholfen hatte, nachdem die sich bekriegenden Inventos Familien das Land in Schutt und Asche gelegt hatten.

Nach drei kräftezehrenden Tagen, obwohl ich so gut wie nichts anderes getan hatte, als zu sitzen und Eindrücke aus der Ferne zu sammeln, erreichten wir Sylinkya.

Ich hatte schon viele Legenden, Beschreibungen und Sagen über die Königsstadt gelesen, dem Zentrum der Macht, des Reichtums und der Großartigkeit Achsanias. Doch diesmal fühlte es sich an, als hätte ich das falsche Buch gelesen. Es war viel überwältigender. Der Trubel auf den Straßen hatte einen anmutigen Rhythmus. Jeder schien beschäftigt, der Stolz, die Stadt seinen Wohnsitz nennen zu dürfen, sprach aus vielen Gesichtern. In den Gesichtern der Menschen, die von Arbeit, Stress und Sorgen geplagt waren, war zu lesen, dass es für sie alle ein Privileg war, mit ihrem König unter einem Sternenzelt zu leben.

»Willkommen zu einem neuen Lebensabschnitt in der Stadt aller heiligen Städte, Miss Konveras«, sagte der Botschafter, während ich mit strahlenden Augen die Stadt erkundete. Die Straßen waren hier so eben wie sonst nur in den Herzen der Provinzen, sodass die Kutsche diesmal nicht durchgeschüttelt wurde.

»Danke. Eine beeindruckende Stadt.« Seit der Reise hatte ich mit keinem der beiden Männer viele Worte gewechselt, höchstens ein paar, aber diese hatten meist der höflichen Etikette entsprochen.

»In der Tat. König Nairos hat Großes geleistet, genauso wie seine Vorfahren. Jedes Mal bin ich überwältigt von diesem einzigartigen Anblick, obwohl ich seit fünfzig Jahren daran gewöhnt sein müsste«, scherzte er und ich rang mir ein kleines Lächeln ab. »In der Tat«, gab ich zurück und wir verloren uns wieder im Schweigen. Während wir die Straßen immer weiter nach oben fuhren, verstand ich immer mehr, welcher Anblick ihm jedes Mal den Atem raubte, wenn er in die Stadt zurückkehrte. Es lag an der besonderen Bauweise der Stadt. Sylinkya war ähnlich aufgebaut wie ein Kegel, in den man absatzweise Einkerbungen hineingeschlagen hatte. Am Fuße des Hochlandes waren Wohnhäuser der weniger vermögenden Familien gelegen, die meistens auf den Weinbergen außerhalb der Stadt schufteten. Weiter oben fanden sich im Übergang zu weiteren Arbeitervierteln gut besuchte Märkte, neben reich geschmückten Plätzen mit antiken Bauten. Je höher man die geschwungenen Straßen nach oben fuhr, desto mehr konnte man das Land überblicken. Dabei stellten die Ränder des Horizonts einen weiten Blickpunkt da, an denen die Sonnenstrahlen eine ewige Reise durch Achsania vollführten. Später kamen erste Prachtbauten, die Wohnhäuser der Adligen und vermögenden Geschäftsleute, die meist in der Achtung der Krone standen und so bedeutende Ämter verliehen bekamen. Darüber folgte der sagenhafte Palast, den ich von hier aus schon golden schimmernd wahrnahm. An bewölkten Tagen, so der Botschafter, wirkte der Palast wie ein Stern in einer eigenen Welt. Übermächtig und glanzvoll. Dort oben lag unser Ziel.

Mit jeder Umdrehung des Wagenrades wurde mir mulmiger. Die Reise hatte sich angefühlt wie ein Traum, in dem ich durch einen Dschungel der Eindrücke geirrt war. Doch jetzt wurde ich in die Realität zurückgeworfen und landete unsanft auf dem Boden der Tatsachen. Ich war eine Bewerberin für die vierte Königin. Eine der zwölf Erwählten des Königreichs, vielleicht sogar die Braut des Prinzen. Letzteren Gedanken konnte ich sofort streichen. Niemals würde ich einen Prinzen heiraten. Über Prinz Cedric erfuhren wir in Escania so gut wie nichts, selbst in wichtigen Bekanntmachungen, die über die Inflexate übertragen wurden, hatte man ihn bislang selten gesehen. Da die Krone uns nicht einmal ein Bild von ihm zugesandt hatte, konnte ich mir sein Gesicht nur vorstellen. Da die männlichen Erben meistens nach ihrem Vater kamen, bekam das imaginäre Gesicht von Cedric Alcednas seine grimmigen Züge, seine unberechenbaren Augen und dunkle schwarze Haare. Zugegeben, das Bild in meinem Kopf ähnelte eher einer Ratte, aber wenigstens hatte ich so einen Grund mehr, nach Escania zurückzukehren. Denn das war schon jetzt – bevor die Königinnenkür überhaupt angefangen hatte –, mein Ziel. Auf dem schnellsten und gründlichsten Weg nach Hause zurückkehren und so weiterzuleben wie zuvor.

Mich zu retten.

Ein einfacher Plan, der sich hoffentlich bald schon erfüllen würde.

Die Kutsche kam zum Stehen. Mein Herz fing an zu klopfen, währenddessen half mir der Kutscher herunter. Für die Ankunft hatte man mir ein schlichtes hellblaues Kleid gereicht, eine Kette und ein funkelndes Armband. Über die Fahrt hinweg, wenn ich sie nicht fest zwischen meinen Fingern gehalten hatte, hatte ich meine eigene Kette versteckt. Ich hatte Angst, man würde sie mir nehmen, da sie nicht dem Ideal der Königinnenkür gerecht wurde.

Mein erster Impuls war es, meine steifen Glieder auszustrecken. Doch dann verharrte ich mitten in der Bewegung.

Allein der Treppenaufgang war atemberaubend. Wir standen in einem Vorhof. In der Mitte schoss in einem Springbrunnen das Wasser in kunstvollen Säulen nach oben. Die Treppen hinauf zum Haupthaus waren mindestens dreißig Fuß breit und fünfzig lang, sodass allein der Aufstieg einer Tanzstunde bei Miss Sceviellé glich.

»Wie es scheint, sind wir die Ersten.« Suchend blickte der Botschafter sich um, während ich meinen kleinen Koffer aus der Kutsche holte. Missbilligend sah mich der Kutscher an. Anscheinend hatte ich ihm seine Arbeit abgenommen. Entschuldigend lächelte ich. »Ich wünsche Euch schon jetzt einen wunderbaren Aufenthalt. Ich werde im Palast erwartet und wenn Ihr irgendetwas brauchen solltet, wendet Euch gerne an die Dienstboten, diese stehen Euch von nun an zur Verfügung.« Er nickte leicht mit dem Kopf, dann verschwand er und ich stand allein inmitten des prächtigen Vorhofes. Der Kutscher – Mr Scanval, wie ich erfahren hatte – hatte sich wortlos verabschiedet. So blieb mir nichts anderes übrig, als zu warten und die prächtige Anlage zu bestaunen, von der ich sicher war, dass es erst der Anfang des Reichtums war, der mich innerhalb der Palastmauern erwartete. Auf einmal konnte ich mich mit dem Gedanken ein wenig anfreunden, vielleicht etwas anderes als Haferbrei oder Fisch zu essen. Ein kleines Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Und als ich mich einmal im Kreis drehte, um ansatzweise zu begreifen, wo ich hier in diesem Moment stand, hörte ich Pferde wiehern und eine Kutsche heranrollen. Je näher sie kam, umso größer wurde der Schatten, den sie auf mich abwarf. Die zwei Pferde kamen neben meiner Kutsche zum Stehen, der Kutscher stieg von seinem Sitzplatz vorne hinab und öffnete die Tür. Ein Mädchen stieg aus, in etwa so alt wie ich, aber viel prächtiger herausgeputzt. Durch ihr prunkvolles Kleid, mit dem sie ebenso gut einen Ball besuchen könnte, kam ich mir in meinem schlichten hellblauen Kleid mit ein wenig Spitze, fast schäbig vor. Und das, obwohl ich ebenfalls eine Kette und ein Armband trug. Ihr stolzer Blick richtete sich zuerst auf die Fassade des Palastes, ehe sie die Hand des Kutschers ergriff und zu mir trat. »Holt mir ein erfrischendes Getränk und einen Palmwedel, die Hitze ist hier nicht zu ertragen.« Verwirrt blickte ich sie an, bis sie mich erneut ankeifte: »Auf was wartest du? Husch husch.«

»Ich bin keine Bedienstete«, begann ich und versuchte, freundlich zu lächeln. Es gelang mir nur bedingt. Auf meine Worte folgte ein musternder Blick von ihrer Seite, den sie mit einem Schnauben quittierte. »Und wer bist du dann?« Ihre Augenbrauen schossen nach oben und ich musste mich bemühen, ihr nicht im selben herablassenden Tonfall zu antworten. »Selena Konveras. Ich komme von Escania.« Nun leuchtete Erkenntnis in ihren Augen auf. »Ach so, verzeih mir bitte. Dich zu schicken, um mir diese Bitte zu erfüllen, war nicht richtig. Die Kutscher brauchen sicherlich dringender deine Hilfe, die Pferde abzuzäumen und sie zu tränken. Das lernt ihr doch in Escania, nicht wahr?« Nun begriff ich etwas, das mir bislang nicht in den Sinn gekommen war, die Rivalität und wie ich ihr entgegnen konnte. Bislang hatte ich angenommen, dass sie mich einfach übersehen würden, doch dem war anscheinend nicht so.

»Ich muss dich enttäuschen, leider nicht. Bei uns liegen die Prioritäten auf dem höflichen Hofzeremoniell, wie beispielsweise sich bekannt zu machen. Oder gar Respekt vor anderen zu haben. Sagt dir das etwas?« Angriffslust funkelte in ihren Augen, die ich mit einem höflichen Lächeln nur weiter befeuerte. Sie schnaubte. »Mein Name ist Janice Josaphine Jane Jeanett Jesai, Tochter von Lord und Lady Jesai von Kosphra.« Die Inventos Tochter des Bezirks Kosphra und eine Schülerin des Internats Aleia. Ich hatte mir zwar nur den ersten Namen merken können, aber immerhin gut zu wissen, dass ich im Notfall mehrere Möglichkeiten hatte, sie mit einem Namen anzusprechen, der einfach höflich klang und mit einem J begann. Obwohl dies eine Seltenheit bei den Inventos war. Denn traditionell begannen die Namen aller Inventos Familienmitglieder mit dem gleichen Anfangsbuchstaben wie ihre Provinz. Doch da Kosphra vor vielen Jahren noch Jalona hieß, ehe König Nairos es umbenannt hatte, behielten sie diesen Anfangsbuchstaben aus Trotz bei. Aus diesem Verhalten hätte schnell ein Krieg entstehen können. Schließlich waren schon verheerendere Kriege wegen weniger ausgebrochen, aber König Nairos hatte es wohl unter seiner Würde angesehen, über so etwas zu streiten. So jedenfalls hatte ich es in einem Buch gelesen und mir den Rest zusammengereimt. Natürlich war es auch ein kleiner Sieg für die ansässige Inventos Familie in Kosphra, das wurde aber eher unter den Teppich gekehrt, denn im Mittelpunkt sollte die Großartigkeit des Herrschers stehen. Seine Güte, seine Nachsicht. Hinter der eisernen Grausamkeit und dem unstillbaren Blutdurst. Aber das war in diesen Kreisen Ansichtssache.

»Miss Selena, entschuldigt, aber wollt Ihr Euch nicht noch frisch machen?«, fragte mich eine Magd mit einem entschuldigenden Lächeln auf ihren dünnen Lippen. »Ja, gerne, danke.« Die Worte kamen holprig aus meinem Mund, da ich immer noch Janice Worten nachhing. »Dann folgt mir bitte.« Sie führte mich durch das mächtige Eingangstor, das von Soldaten und Gold gleichermaßen gesäumt wurde. »Hier entlang.« Währenddessen verlor sich mein Blick in den geschwungenen Mustern an den Wänden, entlang an den kunstvollen Gemälden, Skulpturen und Kommoden. Hinauf zu einer Decke, die durch die Farbenpracht und den mächtigen Kronleuchtern einen wahren Blickfang darstellte, der einen durch das Glitzern beinahe erblinden ließ. Und trotzdem konnte ich meinen Blick nicht davon losreißen. Der Palast wirkte so, wie ich ihn mir ausgemalt hatte. Als würde Geld nicht existieren, sondern nur Wünsche, Träume und pure Erfüllung. »Magdalena schnell, im Thronsaal tropft Wachs von den Kronleuchtern. Komm schon«, blaffte ein braunhaariger Mann in einer formellen schwarzen Uniform, dem Schweißtropfen auf der Stirn standen. Unsicher sah mich Magdalena an, fast so, als wollte sie noch etwas sagen, doch stattdessen wies sie mit ihrem Kinn einen Gang entlang. »Hier entlang, siebte Tür rechts.« Mit gesenktem Kopf folgte sie dem strengen Mann, der nun noch mehr Befehle bellte.

Ich folgte weiter dem Weg und öffnete die Tür zu einem feinen Waschsalon.

An der Seite stand ein Eimer mit frischem Wasser, mit dem ich mir mein Gesicht waschen konnte, mir durch die Haare fuhr und sie neu zusammenband. Ich nahm mir mehrere Minuten Zeit, um mein Spiegelbild anzusehen und mir Mut zuzusprechen. Alles fühlte sich an diesem Tag unwirklich an und ich bräuchte mit Sicherheit noch Zeit, um alles vollständig begreifen zu können. Ich konnte noch nicht einmal sagen, was ich in mir spürte. Panik vor all der Veränderung, Schmerz wegen des abrupten Abschieds oder gar Angst wegen dem, was mit dem letzten Mädchen aus Escania geschehen war? Egal, wie lange ich in den Spiegel starrte, tief Luft holte und sie kräftig wieder ausstieß, Ruhe stellte sich nicht ein.

Du bist stark, stärker als alles um dich herum. Du lässt dich nicht brechen, für niemanden, redete ich mir ein, um genug Kraft zu sammeln, die Tür zu öffnen und mich dem entgegenzustellen, was mich von nun an erwarten würde.

Doch als ich die Türklinke hinunterdrückte und daran zog, ließ sie sich nicht öffnen. Ich versuchte es erneut, rüttelte heftiger daran, aber … nichts.

Sie war verschlossen.

Noch bevor der Gedanke sich in meinem Kopf festsetzen konnte, überkam mich Panik.

»Hallo!«, schlug ich gegen die Tür. »Aufmachen!« Niemand reagierte. Im nächsten Moment überschlugen sich meine Gedanken vor Verzweiflung, Wut, Angst, bis einer von ihnen Gehör fand. Würde sie jetzt schon so weit gehen? Ich hatte Janice soeben erst kennengelernt, aber ich wusste schon jetzt, dass sie darauf aus war, am Ende die Krone auf ihrem Kopf zu tragen. Voller Wut schlug ich erneut mit meiner Faust gegen die Tür. Das … warum hatte ich damit nicht gerechnet? Voller Verzweiflung verbarg ich mein Gesicht in den Händen. Bald würden die restlichen Kandidatinnen eintreffen und der Königsfamilie vorgestellt werden. Welchen Eindruck mein Nicht-Erscheinen machen würde, darüber wollte ich in diesem Moment nicht nachdenken. Mein Verstand drängte mich vielmehr dazu, einen Ausweg zu finden. Mehrmals versuchte ich, vergeblich die Tür zu öffnen und begann mich stattdessen nach einer Alternative umzusehen.

Meine Augen fanden in dem kargen Raum lediglich ein Waschbecken, einen Stuhl, einen Tisch, einen Spiegel, eine Badewanne … und ein Fenster. Wenig überzeugt holte ich den Stuhl aus der Ecke hervor und stellte mich darauf. Das Fenster ließ sich öffnen. Ich sah hinunter, die Entfernung bis zum Boden schätzte ich auf zehn Fuß, aber ich würde weich landen, denn darunter befand sich ein Heuhaufen.

Unentschlossen kniff ich die Augen zusammen. Es ist deine einzige Möglichkeit, sagte ich mir. Ich nahm einen letzten Atemzug, bevor ich mich auf das Fensterbrett setzte, absprang und in die Tiefe fiel. Der schwerelose Fall dauerte nur kurz, ehe es einen dumpfen Laut gab, als ich im Heu landete und ich mich eilig daraus hochkämpfte. Ich war mit Heu bedeckt, aber die Erleichterung, dem Raum entkommen zu sein, gab mir Zuversicht. Ehe ich mir das Heu vom Kleid fegen konnte, ertönten Rufe. »Los, da ist die Diebin!« Verwirrt sah ich mich um, bis mir klar wurde, dass sie mich meinten. Mein Herz blieb vor Schreck fast stehen, während die Wachleute mit beängstigend schnellen Schritten auf mich zu kamen, die Schwerter erhoben, die Gesichter zu wütenden Fratzen verzogen. Statt wegzulaufen, blieb ich stehen und hob ergeben die Hände. Sie mussten mich doch erkennen …

Der erste Mann blieb vor mir stehen, hielt mir sein Schwert an die Kehle, während der andere brutal an meinen Haaren riss und mich zu Boden warf. Dreck spritzte dabei in mein Gesicht, ein schmerzvoller Schrei entwich mir, bevor er mich wieder nach oben zog. »Dreckige Diebin. Der König wird dich dafür bestrafen, verlass dich darauf!«, zischte der andere in mein Ohr.

»Ich bin keine Diebin, verdammt noch mal. Ich bin eine Teilnehmerin der Königinnenkür«, zischte ich. Ich musste mich darum bemühen, meine Tränen der Angst zurückzublinzeln. Die beiden lachten schallend. »Selbstverständlich. Wir werden mit dir dann besonders königlich verfahren.« Sein Lachen klang so dreckig wie seine Worte und eine Gänsehaut ließ mich frösteln. »Bitte, mein Name ist Selena Konveras, ich komme aus Escania«, versuchte ich es erneut, diesmal mit einer Verzweiflung in der Stimme, gegen die ich nicht mehr ankam. In Achsania ging man nicht zimperlich mit Diebinnen um. Es grenzte an ein Wunder, dass sie mir nicht an Ort und Stelle die Hand abgeschlagen hatten. »Halt dein Maul.« Um seine Worte zu verstärken, wurde sein Griff fester, ein Wimmern entwich mir, als der Schmerz meine Arme hochschoss. Sie schleiften mich bis in den Hof, anschließend die Treppe des Palastes hinauf, den Gang entlang, während Angst mir die Kehle zuschnürte und mir Hoffnungslosigkeit die Tränen in die Augen trieb. Das durfte nicht geschehen, es musste ein Traum sein.

Eine Tür wurde aufgestoßen und ich hörte ein kollektives Aufkeuchen. So weit wie möglich hob ich meinen Kopf. Gleich darauf schoss das Blut in meine Wangen, als ich mich dem König, dem Prinzen und den Mädchen gegenübersah. Alle blickten geschockt zu mir, während ich ebenso geschockt zurückblickte. »Verzeiht die Störung, mein König, aber wir haben die Diebin gefasst.« »Ich bin keine Diebin«, rief ich verzweifelt, danach traf eine Hand meine Wange. »Maul halten!«, fuhr mich der Wachmann an. »Stopp!« Die männliche Stimme brachte alle zum Verstummen. Kurz sah ich auf. Ein junger Mann, etwa so alt wie ich, erhob sich von einem Thron und kam geschmeidig und voller Selbstvertrauen auf mich zu. Der Prinz, leuchtete es mir ein. Sein Blick verfing sich in meinem. Ich musste zugeben, mit der Ratte, mit der ich ihn anfänglich verglichen hatte, hatte er so wenig gemeinsam wie ich mit den Anschuldigungen der Palastwachen. »Lasst sie auf der Stelle los«, blaffte er. Die Männer taten wie gesagt. Nur mit Mühe schaffte ich es, nicht nach vorne zu fallen, sondern mein Gleichgewicht zu halten. »Das ist Selena Konveras, die Teilnehmerin aus Escania«, stellte er fest. Ich konnte mich immer noch nicht von seinem Anblick losreißen und befand mich in einer Art Schockstarre. Plötzlich griff er nach meiner Hand. Zu spät realisierte ich, dass er mir einen Handkuss geben wollte, doch ein Reflex hatte mich dazu bewegt, ihm meine Hand wieder zu entziehen. Noch einmal keuchte die Menge auf. »Bist du dir sicher, Cedric? Mich erinnert sie eher an einen Bauerntrampel.« Erst jetzt sah ich zum König. Meine Augen konnte ich nicht von diesem Mann abwenden, dessen Konturen ich merkwürdig dunkel vernahm, beinahe schwarz, während mir ein eisiger Schauder über den Rücken lief. Seine ergrauten Haare verwiesen zunächst auf einen älteren Mann, der in den nächsten Jahren das Zepter an seinen Sohn weiterreichen würde. Doch aus seinen dunklen Augen sprach eine andere Wahrheit, eine grausame Warnung an alle, sich nicht mit ihm anzulegen. Sein süffisanter Gesichtsausdruck zeugte von seiner Selbstsicherheit, seiner Überlegenheit und der Menge an Macht, die ihm zur Seite stand. Dieser Mann hatte scheinbar vor nichts Angst. In dieser Sekunde bemerkte er meinen Blick. In seinen schwarzen Höhlen flackerte etwas auf. Kurz bildete ich mir ein, so etwas wie Schock darin zu sehen, als sich seine Augen weiteten und er seinen kalten Blick auf mich fixierte. Doch dieser Ausdruck verblasste sogleich und wich einem abwertenden Blick, der mich die Augen von ihm abwenden ließ. Nur noch eine Gänsehaut blieb auf meinem Körper zurück.

»Nun denn, reiht Euch ein und behaltet jegliche Worte bei Euch«, lautete sein Befehl an mich. Noch einmal blickte mich der Prinz an. In seinen Augen erkannte ich weder Missgunst noch Gehässigkeit. Sein Gesichtsausdruck war unleserlich, wie ich auch das Funkeln in seinen Augen nicht zu deuten vermochte. »Lasst uns fortfahren«, ordnete der König an und ein älterer Mann in Uniform begann, die Mädchen der Reihe nach vorzustellen. Beschämt stand ich neben ihnen und bemühte mich, sie nicht meine Unsicherheit sehen zu lassen. Derweil erkannte ich in Janice Augen ein zufriedenes Funkeln. Dieses Biest …

 

 

Die Verräterin: Während die anderen noch die Scherben ihrer Welt in den Händen hielten und trauerten, griff sie bereits nach ihrer Zukunft. Sie hielt kurz inne, ehe sie die Feder erneut auf das Papier setzte und weiterzuschreiben begann. Das heutige Ereignis würde sie nicht davon abhalten, das Leben zu bekommen, das ihr von Geburt an zustand. Ihr Vorhaben war waghalsig – schließlich waren viele dumm genug, den König zu erpressen – aber was sie von den anderen unterschied, war einfach: Sie versuchte nicht, ihm den Dolch in den Rücken zu rammen, sondern stellte sich ebenbürtig vor ihn. In der Hand den Siegelring, auf den Lippen ein Lächeln, so bittersüß wie die Aussicht auf ihren Triumph. Und diesmal würde sie nicht zulassen, dass irgendjemand ihr in die Quere kam …

 

 

4

Da schon ein paar junge Frauen zuvor vorgestellt worden waren, bekam ich nur noch die Namen von Rea und Omara, die beide aus dem Internat Lacansa stammten, mit. Als Nächstes folgte die Inventos Tochter aus Lanos, Laurina. Mit ihren grünen Augen und ihren fast Ebenholz schwarzen Haaren war sie eine anmutige Erscheinung, genauso wie Deleen, die Tochter der Inventosfamilie von Dias. Anschließend folgte Serafine, die mit ihrem Lächeln Erhabenheit verkörperte und mit ihrem hellblonden Haar aus der Reihe herausstach, genauso sehr wie Kayla mit ihrem feuerroten Haar und einem unerschütterlichen Ausdruck im Gesicht. Beide waren die Töchter von vermögenden Kaufmännern aus Sylinkya. Als letzte wurden mir Kendra aus Camia und die Inventostochter von meiner Heimatstandt Alencia, Shania, vorgestellt. Anschließend verabschiedete sich die königliche Familie und eine anmutige Frau trat auf uns zu. Ihre grauen Haare waren in einem ordentlichen Dutt nach hinten gebunden und ihren hellblauen Augen schien nichts zu entgehen. »Ihr werdet nun alle auf Eure Gemächer geführt. Dort könnt ihr euch erst einmal ausruhen und einleben, ehe am Abend ein gemeinsames Abendessen stattfinden wird.« Mit einem Nicken entließ sie uns. »Miss Selena, wartet bitte, ich möchte noch mit Euch sprechen.« In meinem Kopf hallte ein lautes Oh oh nach, aber nach meiner Ankunft durfte es mich wohl nicht sonderlich überraschen, dass sie mich – wer immer sie auch sein mochte – sprechen wollte. Sie ging an mir vorbei und bedeutete mir mit einem Nicken ihr zu folgen. Die Blicke der anderen spürte ich auf mir. »Mein Name ist Miss Vandé und ich habe während der Königinnenkür die Verantwortung für Euer Verhalten. Ich werde Euch unterrichten und mein Bestmöglichstes geben, Euch während der Königinnenkür zur Seite zu stehen und euch auf die Rolle der Königin vorzubereiten. Noch Fragen?« Verblüfft starrte ich sie an, während sie mir den Rücken zudrehte und aus dem Saal ging. Gehorsam folgte ich ihr. Schon jetzt flößte sie mir Respekt ein und sie erinnerte mich stark an Miss Scantes aus Escania, meine ehemalige Lehrerin für Benehmen und Hofzeremoniell.

»Ähm …«, wollte ich zu einer Antwort ansetzen, doch sie unterbrach mich schnell ein weiteres Mal, als wäre ihre Zeit zu kostbar für meine Worte.

»Ähm, existiert in dem Wortschatz einer Königin nicht. Das ist die erste Lektion«, tadelte sie mich, während sie in Rekordtempo die Treppen hinaufeilte, und ich mich bemühen musste, Schritt zu halten.