Acht Weihnachten - Hermann Sudermann - E-Book

Acht Weihnachten E-Book

Hermann Sudermann

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Beschreibung

Dieses eBook: "Acht Weihnachten" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Aus dem Buch: "Über die Heide braust ein Zug, heut wie immer glotzen seine beiden Feueraugen in die Nacht hinaus. Der Dampf zischt und brodelt, der Schornstein pfaucht, und schemengleich huschen die Telegraphenstangen vorüber. Alles heut wie immer. In einem Koupee zweiter Klasse sitzt einsam ein Passagier. Er hat die Hände vor die Stirn gepreßt und starrt in die Finsternis. Sein Antlitz ist todtenbleich, um seine Lippen spielt ein höhnisch-verzweifeltes Lächeln. "Umsonst, Alles umsonst", so murmelt er vor sich hin und schließt ermattet die Augen. Vor seinem Geiste stehen die Bilder der jüngst vergangenen Stunden. Er sieht vor sich den Palast mit dem vergoldeten Gitter in der vornehmen Villenstraße. Er sieht die Fenster glänzend erleuchtet, als gäb's ein großes Fest. Vor dem Gitter steht ein Mann mit pochendem Herzen und glühenden Wangen. Der Mann ist er selber…" Inhalt: Wie Fritzchen auf das Christkind wartete Der Mann von der Hampelmann-Börse Aus Kindern sind Leute geworden Vom armen Studenten In die Ferne hinaus Weihnachten unter Palmen Der Weihnachtsbaum zu Versailles Die Orgelpfeifen Hermann Sudermann (1857-1928) war ein deutscher Schriftsteller und Bühnenautor. Mit seinen gesammelten Erzählungen Im Zwielicht (1886) orientierte er sich an Guy de Maupassant.

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Hermann Sudermann

Acht Weihnachten

Ein Geschichtenzyklus um das Weihnachtsfest
e-artnow, 2016 Kontakt: [email protected] ISBN 978-80-268-7176-7

Inhaltsverzeichnis

1. Wie Fritzchen auf das Christkind wartete
2. Der Mann von der Hampelmann-Börse
3. Aus Kindern sind Leute geworden
4. Vom armen Studenten
5. In die Ferne hinaus
6. Weihnachten unter Palmen
7. Der Weihnachtsbaum zu Versailles
8. Die Orgelpfeifen

Erstes Bild. Wie Fritzchen auf das Christkind wartete

Inhaltsverzeichnis

Der Sturm rüttelt am Dachfenster und fegt Schauer feiner Schneestäubchen gegen die Scheiben. Solch’ ein Decembersturm kann sehr, sehr unbarmherzig sein. Er will partout kein Einsehen damit haben, daß der Ofen abgekühlt und das Brennholz rar ist. Er bläst seinen eisigen Hauch durch Thürspalten und Schlüsselloch, durch Fensterritzen und Holzwände und wie zum Hohne macht er heulende, saufende, pfeifende Musik dazu.

Die Lampe brennt trübe. Man darf sie nicht zu hoch emporschrauben, denn das Öl ist teuer.

Da sitzt sie in ihrem verschossenen Trauerkleide, hüstelnd über das Nähzeug gebeugt, ihre gerötheten Augen folgen müde der emsigen Nadel und nur von Zeit zu Zeit werfen sie einen verstohlenen Blick nach dem vergitterten Kinderbettchen, das in der dunkelsten Ecke des ärmlichen Mansardenstübchens steht.

Dann sinkt die emsige Hand ruhend in den Schooß, und über das bleiche, vergrämte Angesicht huscht ein sonniges Lächeln. Doch nur für einen Augenblick, dann ist das Lächeln verschwunden und die Nadel arbeitet weiter.

Jetzt rührt sich’s hinter dem Gitter. Sie steht rasch auf und beugt sich über das Bettchen hin. Da liegt der kleine, blonde Krauskopf, hat die Augen fest geschlossen und schläft, was er schlafen kann. Sie haucht einen leisen Kuß auf die rothen Wangen, zupft noch ein wenig die Kissen zurecht und eilt an ihre Arbeit zurück.

»Gott sei Dank, daß er eingeschlafen ist«, sagt sie leise vor sich hin. »Jetzt kann ich ihm wenigstens in Ruhe den Baum ausputzen«, und ein wehmütig lächelnder Seitenblick gleitet nach dem entgegengesetzten Winkel des Stübchens, wo auf einem wurmstichigen Bretterstuhle ein mit grauem Tuche verhülltes geheimnisvolles Etwas steht. »Ob ich’s jetzt gleich thue?« fährt sie fort. »Ach nein, er schläft so süß, Wozu ihn wecken? Besser ist’s, ich mache zuerst die Arbeit fertig, sonst wird’s zu spät und ich schlaf’ am Ende darüber ein.« Sie preßt für einen Moment die Rechte auf die schmerzende Brust, dann rückt sie hastig den Fingerhut zurecht, um weiter zu schaffen.

Doch kaum hat sie den Blick auf das Nähzeug niedergesenkt, da öffnen sich, anfangs vorsichtig blinzelnd, zwei große, leuchtende Kinderaugen und starren hinter dem Gitter hervor, zuerst nach der nähenden Mutter, dann nach dem geheimnisvollen, grauen Etwas, das in der fernsten Ecke steht.

Heute ist Christabend, das weiß er ganz genau, der kleine Hemdenmatz. Die Mutter hat ihm ja seit vier Wochen alle Abend vor dem Schlafengehn davon erzählt, hat ihm erzählt von dem lieben Christkindlein und den leuchtenden Weihnachtsbäumen, von den blanken Spielsachen und den schönen Nüssen und Aepfeln auf dem Weihnachtsteller. Er hat davon geträumt schon unzählige Male, hat auch das Christkindlein heut auf dem letzten der Sonnenstrahlen zur Erde hinunter fahren sehen. Er hatte sehr große Angst ausgestanden, daß es den verpassen würde, denn die Mutter hatte heute mit traurigen Lächeln gesagt, wenn das Christkindlein sich im Himmel versäume und den letzten Sonnenstrahl abreisen lasse, ohne sich darauf zu setzen, dann könnte es nicht mehr auf die Erde herab und die Menschen dürften dann auch keine Weihnachten feiern.

Dabei hatte sie einen sehr traurigen Blick in ihr Portemonnaie geworfen und war mit einem farbigen Kleide unter dem Arme von dannen gegangen, nachdem sie ihm in Hinblick auf das Christkindlein Artigkeit dringend anempfohlen hatte.

Er aber war auf das Fensterbrett geklettert, was mit Hülfe von Schemel und Stuhl schon zur Noth gelang und hatte in die Wolken gestarrt, um des Christkindleins Kommen zu erwarten. Der Schnee stob durch die Luft, und vor der Sonne hingen graue Wolken. Christkindlein hatte also keine Fahrgelegenheit und mußte oben bleiben. Das war doch wirklich ein Jammer! Es grämte sich sehr darüber und weinte bittere Thränen. Da plötzlich flammte es purpurn die Dämmerung. Ein Sonnenstrahl! Hurrah! ein leibhaftiger Sonnenstrahl! Nun wußte er, daß das Christkindlein gekommen war, und als Mama mit einem mächtigen, großen, verhüllten Ding in der Hand nach Hause kam und ihm glückstrahlend erzählte, das Christkindlein weilte schon auf der Erde, es sei ihr unten auf der Straße begegnet, da war er gar nicht überrascht, er wußte es ja am besten.

Und dann hatte sie den großen verhüllten Gegenstand in jenem Winkel niedergesetzt und ihm verboten daran zu rühren, »denn das hat mir das Christkindlein mitgegeben« sagte sie, »es will aber selber das Tuch abnehmen«, und hierauf hatte sie auch noch allerhand Düten und Päckchen unter dem Mantel hervorgezogen, dieselben aber sofort in dem Kleiderschrank verschlossen, dann war sie auf’s Neue an die Arbeit gegangen. Er hatte sich auf den Schemel zu ihren Füßen niedergesetzt und geduldig zu warten angefangen bis das Christkindlein käme.

Eine Stunde nach der andern verrann.

»Wann kommt das Christkindlein, Mama?«

»Das weiß ich nicht mein Kind, aber spätestens wenn Mama mit dem Kleide fertig ist.«

So war es Schlafenszeit geworden. »Geh zu Bette, mein Fritzchen, wenn das Christkindlein kommt, will ich Dich wecken«, sagte Mama.

»Aber ich möchte gerne aufbleiben und auf das Christkindlein warten.«

»Das geht nicht, mein Jungen; wenn Du nicht gehorsam bist, dann kommt es garnicht.«

So hatte er es sich denn ruhig gefallen lassen, zu Bette gebracht zu werden, denn »was thut man nicht, um dem Christkindlein zu Willen zu sein« hatte er sich gesagt, aber als er das hergebrachte Abendgebet hersagen sollte, acurat so als wenn es heut ein Abend wäre, wie jeder andre Abend, da hatte ihn Groll und Wehmut übermannt und er hatte laut zu weinen angefangen.

»Weißt Du was, Fritzchen?«, sagte da die Mama, »das Christkindlein meinte heute: »wenn er aber beim Zubettegehen weint und nicht einschlafen will, so komm ich gar nicht.«

Da hatte er einen Schreck bekommen und den Entschluß gefaßt, sofort einzuschlafen. Zuerst hatte ihm die Mama noch einmal das feste Versprechen geben müssen, ihn auch ja aufzuwecken, wenn das Christkindlein käme, dann hatte er die Augen fest zugedrückt und fortan kein Lebenszeichen mehr von sich gegeben.

Das Oel in der Lampe surrte, der Fingerhut klapperte, der Sturm heulte, die Uhr machte »tick, tack, tick, tack«, und weiter war nichts zu hören, kein leises Klopfen an der Thür, kein Flügelrauschen vor dem Fenster, – nichts zu hören, als nur von Zeit zu Zeit Mama’s böser Husten.