Achtung Achtsamkeit - Straßer Peter - E-Book

Achtung Achtsamkeit E-Book

Straßer Peter

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Beschreibung

Wir sind siebeneinhalb Milliarden. Wenn wir nicht lernen, mit unseren Schätzen – unserer ­Umwelt und unserer eigenen Natur – achtsamer umzugehen, dann ist das Ende absehbar. Es geht nicht mehr nur darum, uns selbst zu verwirk­lichen; es geht auch darum, uns nicht selbst ­unserer Wirklichkeit zu berauben. Achtsamkeit ist ein Überlebens­prinzip. Aber wie alle Prinzipien wird es verstanden und missverstanden, gebraucht und missbraucht. Man kann aus allem eine Ideologie und ein ­Geschäft machen. Das passiert zurzeit mit der Achtsamkeit. Der Wachsamkeitsruf dieses zeitgeistwiderständigen Buches richtet sich gegen ­unsere eingefleischte Neigung, den Flötentönern und Schöntuern auf den Leim zu gehen.

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Seitenzahl: 84

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Peter Strasser

Achtung Achtsamkeit!

PETER STRASSER

Achtsamkeit

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

1. Auflage 2016

© 2016 by Braumüller GmbH

Servitengasse 5, A-1090 Wien

www.braumueller.at

ISBN Printausgabe: 978-3-99200-160-6

ISBN E-Book: 978-3-99200-161-3

FürKonrad Paul Liessmann

BLOSS NICHT!

DIE ZEHN GEBOTE DER ACHTSAMKEIT

1.Bloß nicht dem Affen keinen Zucker geben!

2.Bloß nicht an fremden Ohrläppchen knabbern!

3.Bloß nicht warmduschen beim Nichts-anbrennen-Lassen!

4.Bloß nicht die Frauen verstehen wollen!

5.Bloß nicht den Mann in uns entstöpseln wollen!

6.Bloß nicht beim öffentlichen Stricken mit den Nadeln klappern!

7.Bloß nicht beim Nasenbohren einen Krieg beginnen und, wenn möglich, auch nicht beim Nicht-Nasenbohren!

8.Bloß nicht einfach bloß dreinschauen!

9.Bloß nicht ein Klotz am Bein des Riesen sein, auf dessen Schultern du sitzt!

10.Bloß nicht sterben! (3x wiederholen)

Inhalt

Prolog

Das erste Achtsamkeitsgebot

Das zweite Achtsamkeitsgebot

Das dritte Achtsamkeitsgebot

Das vierte Achtsamkeitsgebot

Das fünfte Achtsamkeitsgebot

Das sechste Achtsamkeitsgebot

Das siebente Achtsamkeitsgebot

Das achte Achtsamkeitsgebot

Das neunte Achtsamkeitsgebot

Das zehnte Achtsamkeitsgebot

Notiz des Autors

Prolog

Wir befinden uns im Jahr 2016 n. Chr. Das Universum rast auseinander, schnell und schneller hinein ins Nichts, alle Dinge werden vom Fortschritt mit- und weggerissen. Alle? Nein! In einem stillen Beamtenwohnwinkel unserer Galaxie (Welt, Europa, Österreich, Graz) hört eine Häuslichkeitsgemeinschaft nicht auf, dem Zeitgeist Widerstand zu leisten.

Wir sind siebeneinhalb Milliarden. Wenn wir nicht lernen, mit unseren Schätzen – unserer Umwelt und unserer eigenen Natur – achtsamer umzugehen, dann ist das Ende absehbar. Es geht nicht mehr nur darum, uns selbst zu verwirklichen; es geht auch darum, uns nicht selbst unserer Wirklichkeit zu berauben.

Achtsamkeit ist ein Überlebensprinzip.

Aber wie alle Prinzipien wird es verstanden und missverstanden, gebraucht und missbraucht. Scheinsamtpfotige Achtsamkeitsideologen treten ebenso rudelweise in Erscheinung wie ausgepuffte, skrupellose Achtsamkeitsgeschäftemacher. Gegen sie – das heißt, recht verstanden, gegen unsere eingefleischte Neigung, den Falschtönern, Schöntuern und chronischen Menschheitsverbesserern auf den Leim zu gehen – ist der Achtsamkeitswachsamkeitsruf gerichtet:

BLOSS NICHT!

Das erste Achtsamkeitsgebot

Bloß nicht dem Affen keinen Zucker geben!

Keine Begriffsschwärmereien, keine Menschheitsverheißungen. Bloß dem Affen keinen Zucker geben! Obwohl ich kein großer Denker bin, bilde ich mir als Dr. phil. habil. zumindest ein, von Ironie ein wenig zu verstehen, ob sie nun auf provinziellen Wirtshausschildern oder multinationalen Kongressen, in dreiseitigen Pamphleten oder ganzen Kompendien der Gelehrsamkeit zutage tritt. Denn die Ironie ist eine Hauptdisziplin wohlverstandener Achtsamkeit – nicht jenes Achtsamkeitsgetues und Achtsamkeitsgeplappers, das heutzutage auf das Podium der Jahrhunderttugend erhoben wird.

Zum Beispiel Kant: Von den Achtsamen als preußischer Kasernenhofphilosoph verunglimpft, war er ein Meister des Humanironischen aus realistischer Menschenliebe. Seine Schrift Zum ewigen Frieden ist, wie der Denkmeister selbst uns wissen ließ, benannt nach einem Gasthaus gleichen Namens, das sich seinerseits so nannte, weil es neben einem Friedhof gelegen war, unter dessen stiller Erde viele ihren letzten Frieden gefunden hatten, die – darauf lässt sich wetten – als Motto ihres irdischen Lebens gewählt hätten: „Zum ewigen Krieg“. Am Ende sieht der Tod aus, als ob er das wäre, wonach wir im Leben vergeblich suchten: der ewige Friede; es ist, als ob der Tod ein Gasthaus wäre, in das wir nur einzukehren bräuchten, um endlich an der gedeckten Tafel menschlicher Eintracht sitzen zu können.

Im wohlfeilen Versprechen ewigen Friedens rumort der Lärm des Krieges. Dieser ewige Friede ist nur dort zu haben, wo er nicht versprochen, verkündet und in die Welt hinausposaunt wird – wo er nicht beschworen zu werden braucht, weil er nämlich schon da ist, einfach da, unter den Friedfertigen, die ihren Alltag zelebrieren, ohne dabei an irgendwelche Hochämter zu denken.

Daran erinnerte ich mich, als ich kürzlich den Denkanstoß des neuesten Shootingstars des Denkens las, der nicht nur über so ziemlich alle Friedens- und Gerechtigkeitsthemen unserer Zeit bereits viel beachtete Traktate verfasst hatte, sondern sich darüber hinaus auch friedens- und gerechtigkeitspolitisch engagierte, und zwar unter dem obersten Prinzip der Achtsamkeit. Nicht nur die Theorie, auch die Praxis der Achtsamkeit war ihm ein Herzensanliegen, so hörte man es aus dem Munde seiner Verehrer, und die Zahl seiner Verehrer war Legion.

Jener neueste Shootingstar des Denkens, der allgemein als „Dr. psych. mult.“ bekannt war (vermutlich weil er die ganze Psychologie studiert hatte und ohne „ach!“ gleich die ganze Theologie dazu), stellte sich in seinem neuesten Denkanstoß resolut dagegen, als „Shootingstar des Denkens“ bezeichnet zu werden. Denn mit jenem gewiss respektvoll gemeinten Begriff werde nämlich seiner Person unachtsam – und damit dem obersten Prinzip der Achtsamkeit widersprechend – ein Prädikat zugeschrieben, das an das Abschießen von Kanonenkugeln und dergleichen martialische Tätigkeiten, man denke nur an das sogenannte Shooting-out im Wilden Westen, gemahne.

Dieser schriftlich niedergelegten Bemerkung aus dem Geist der Friedfertigkeit – in einer Fußnote erinnerte Dr. psych. mult. an Kants Schrift Zum ewigen Frieden, stellte ausdrücklich jede persönliche Eitelkeit hintan, rügte indessen Kants Ironie, die irgendwelche Gefühle irgendwelcher Friedfertigen zu beleidigen imstande sei – folgte eine Erklärung, welche den gewählten Titel des neuesten Denkanstoßes des Dr. psych. mult. unmittelbar thematisierte: Achtung Achtsamkeit!

Es könne, so Dr. psych. mult., kein Zweifel darüber bestehen, dass wir die Wahl hätten zwischen dem Dritten Weltkrieg (der, unerklärt, ohnehin schon im Gange sei) oder einem grundsätzlichen Überdenken unserer Lage, welches in der Folge zu einem epochalen Umdenken „in unseren Herzen“ führen müsse, und zwar einem Umdenken all unserer Verhältnisse in Richtung einander bedingungslos geschuldeter Achtsamkeit. Damit stünden wir nun vor einem Herzensparadoxon. Fortan dürften wir nämlich, so schwer es uns auch fallen möge, auf Empfindlichkeiten jeglicher Art keine Rücksicht nehmen, wenn es um die Einführung einer allgemeinen Herzenspflicht zur Achtsamkeit gehe. Jawohl, Herzenspflicht! Deshalb habe der neueste Kategorische Imperativ „Achtung Achtsamkeit!“ zu lauten. Nur er allein könne zum ewigen Frieden führen, von dem Kant, als großer Kindskopf seiner Zeit, eben nur ironisch zu berichten wusste.

Doch Achtung! Herzenspflicht und Herzensfrieden schlössen einander nicht aus, im Gegenteil, sie bedingten einander und begründeten jene Achtsamkeit, die wir, solange unser Herz schlage und unser Verstand ihm verständig lausche, einander unbedingt schuldig seien. EINANDER, darum ginge es, nicht wahr? Dass mein bester Freund, Leibniz, sich nahezu fanatisch als ein „Fan“ des Dr. psych. mult. „outete“, verwunderte mich dann aber doch ein wenig.

Erstens glaubt Leibniz nämlich hunderttausendprozentig daran, dass wir in der besten aller möglichen Welten leben, weshalb er praktisch ohne Unterlass vor Glück schreit, auch wenn er es nicht immer stimmlich zeigt, sondern etwa dadurch, dass er meinen Vollmops Paul abbusselt, bis dem halb entzückten, halb erstickten Viecherl seine Basedow’schen Äuglein vollends aus den Höhlen zu treten drohen. Weil mein bester Freund glaubt, dass wir in der besten aller möglichen Welten leben, bejubelt er – logischerweise, muss man schon sagen – das jeweils Neueste als das jeweils Bestmöglichste vom Besten oder als das Beste vom Bestmöglichen.

Zweitens aber kommt bei Leibniz der Jubel von der Mystik des Herzens. Daher trägt mein bester Freund den Ehrennamen Leibniz, auch wenn er ihn fälschlicherweise trägt, da der gleichnamige Philosoph, Gottfried Wilhelm (1646 bis 1716), zwar lange und ausführlich von der „prästabilierten Harmonie“, die Gottes Schöpfung auszeichne, gesprochen hat, doch keineswegs willens war, zum Allerneuesten, das die bestmögliche aller Welten jeweils heimsucht, nicht nur Ja und Amen, sondern bedingungslos Ja zu sagen – geschweige denn, wie sein Namensvetter, mein herzensmystischer Freund, gleich dreimal Ja: Ja, ja und nochmals ja! Nein, nein und abermals nein; die meisten der neuesten Ideen hielt Gottfried Wilhelm Leibniz für gänzlich überflüssig, wenn nicht sogar minderwertig, vor allem jene „Novitäten“, die seine Philosophenkollegen, naturgemäß lauter Wichtigtuer, zu offerieren hatten.

Was mich betrifft, so finde ich, dass in der Sache „Leibniz vs. Leibniz“ der altehrwürdige Denkmeister, Autor der Essais de Théodicée, einer famosen Rechtfertigung des göttlichen Schöpfungswerkes, weitaus weniger gut abschneidet. Denn dieser fand die Welt, in der er leben musste, summa summarum abscheulich. Deshalb verfocht er seinem staunenden Publikum gegenüber das Achtsamkeitsmotto: „Bloß nicht dem Affen keinen Zucker geben, n’est-ce pas?!“ Er verfocht die Idee, wir müssten das Elend des Jammertals, in dem wir unser kurzes, elendes Leben zu fristen hätten, gegen die Wonnen verrechnen, welche die glücklichen Geschöpfe, die in den unermesslich zahlreichen Welten des uns freilich unbekannten Kosmos angesiedelt seien, immerfort vor Glück schreien ließen. Dies bedacht, so das ausgefuchste Argument der Leibniz’schen Theodizee, lasse sich errechnen, dass der Riesenhaufen an Not und Unglück hierorts so gut wie gar nichts sei. Mathematisch gesprochen ginge er „gegen Null“. Man dürfe also die Tränensturzbäche der Menschen getrost vernachlässigen, wenn es darum ging, Gottes Gnadenwerk aufgrund der von ihm, Gottfried Wilhelm Leibniz (und nicht dem „Hundsfott“ Isaac Newton), erfundenen Infinitesimalrechnung zu lobpreisen.

Mein bester Freund hingegen war weder ein Affe noch ein Denkfuchs; er war ein Mystiker des Herzens. Er wollte die Dinge umarmen, enthusiastisch, ohne jedweden Vorbehalt, weil er in ihnen das Geheimnis sah, dem die ganze Welt zugehörte – auch er selbst. Er nannte es die „Große Wahlverwandtschaft“, wobei er mich derart liebevoll in seine Arme schloss, dass mir zuerst der Atem wegblieb, ich dann aber, ärgerlich geworden über so viel Zustimmungsüberschwang, die unachtsamste – die dümmste und unfairste – Frage stellte, die, wie mir in meiner Bedrängnis schien, an dieser Stelle unvermeidlich war: „Und all das Böse, das die Welt treibt und antreibt, seit es sie gibt – the Devil’s Party, na?!“

Kein Zweifel: Ich hätte, um unserer Freundschaft willen, die Frage überhaupt nicht stellen dürfen. Was bleibt dem Mystiker des Herzens übrig, als vor dem Bösen sein Haupt zu verhüllen? Was bleibt ihm angesichts des Bösen übrig, als verhüllten Hauptes seinen Freunden fortan jenes Glück zu versagen, welches er ihnen dadurch bereitete, dass er die Dinge im Glanz einer Glückseligkeit sah, die ihn zu allem, was im Glanz steht, hineilen und es umarmen ließ – allen voran seine Freunde und allen seinen Freunden voran mich, seinen besten aller möglichen Freunde?