Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Aufhören zu kämpfen und anfangen zu lieben! Gängige Mythen über die Liebe bereiten den Boden für einen Kampf mit dem wirklichen Leben. Die unangenehme Wahrheit ist die, dass es so etwas wie einen perfekten Partner nicht gibt, dass alle Paare sich streiten und dass die Gefühle der Liebe kommen und gehen wie das Wetter. Aber das heißt nicht, dass Sie nicht trotzdem eine freudenreiche und erfüllende Beziehung haben könnten. Mithilfe eines einfachen Programms, das auf der achtsamkeitsbasierten Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) aufbaut, können Sie lernen, effektiver mit schmerzhaften Gedanken und Gefühlen umzugehen und sich vollständig auf den Prozess gemeinsamen Lebens und Liebens einzulassen. Mit Ihrem Partner oder auch alleine lernen Sie: Konflikte loszulassen, sich zu öffnen und vollständig in der Gegenwart zu leben Mit Achtsamkeit die Intimität, die Verbindung und das Verständnis zu erhöhen Schmerzhafte Konflikte zu lösen und seit langem bestehende Differenzen beizulegen Entsprechend Ihren Werten zu handeln, um eine reiche und bedeutsame Beziehung aufzubauen
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 378
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
RUSS HARRIS
ACT der Liebe
Mit Hilfe der Akzeptanz- und Commitment-Therapieunnötige Kämpfe beenden,Differenzen klären und die Beziehung stärken
Aus dem Englischen übersetzt von Christine Sadler
© 2009 Russ Harris
© der deutschen Ausgabe: Arbor Verlag GmbH Freiburg by arrangement with New Harbinger Publications Inc., Oakland, USA
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel:
ACT with love. Stop struggling, reconcile differences, and strengthen your relationship with acceptance and commitment therapy
Alle Rechte vorbehalten
E-Book 2018
Titelfoto: © GlobalP/istockphoto.com
Lektorat: Gerhard Kugler
Hergestellt von mediengenossen.de
E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de
www.arbor-verlag.de
ISBN E-Book: 978-3-86781-220-7
INHALT
Vorwort
Einleitung
Teil 1 Wie der Schlamassel entsteht
1 Ein unmögliches Unterfangen?
2 Was ist Ihr Problem?
Teil 2 Sich festlegen
3 Soll ich bleiben oder soll ich gehen?
4 Gehören immer zwei dazu?
Teil 3 Die Beziehung zum Gelingen bringen
5 Sie leiden beide
6 Jeder ist ein Kontrollfreak!
7 Schauen Sie in Ihr Herz
8 Hinein in den psychischen Smog
9 Die Beurteilungsmaschine
10 Fesselnde Geschichten
11 Der Kuss des Lebens
12 Es benennen und zähmen
13 Sieh mich an! Sieh mich an!
14 Das Herz des Kämpfens
15 Die Rüstung ablegen
16 Die Macht des freundlichen Bittens
17 Sie können nicht immer bekommen, was Sie wollen
18 Öffnen Sie Ihre Augen
19 Verzwickte Lagen
20 Der Weihnachtsfrieden
21 Intimität
22 Altes Wort, neue Sicht
23 Vertrauen wieder aufbauen
24 Das eigene Selbst loslassen
25 Und jetzt: Zeit für etwas Spaß!
26 Das Abenteuer geht weiter
Wenn es vorbei ist, ist es vorbei
Informationsquellen
Literaturempfehlungen
Quellenangaben
Danksagungen
Der Autor
VORWORT
Liebe Leserin, lieber Leser,
ACT der Liebe ist möglicherweise das beste Buch zum Thema Liebe und Beziehungen, das uns je in unserem Berufsleben begegnet ist. Denn in diesem Buch geht es darum, wie man in jeder engen persönlichen Beziehung mit Liebe handelt, auch in der, die man zu sich selbst hat. Dieses Buch wird Ihnen helfen, eine Wiederholung der Fehler der Vergangenheit und den Rückfall in Verhaltensmuster, die sich bei Ihnen nicht bewährt haben, zu vermeiden. Es ist ein schönes, ermutigendes Buch, das Ihnen von Nutzen sein wird, egal, ob Sie gerade in einer guten oder schlechten Paarbeziehung stecken oder gar keine Beziehung haben. Zwar ist es für alle diejenigen geschrieben, die daran interessiert sind, ihre Partnerschaft zu verbessern oder eine neue einzugehen, doch wird es Ihnen ebenfalls beim Verbessern Ihrer Beziehung zu der Person helfen, der Sie auf grundlegendste und natürlichste Weise am nächsten sind: zu sich selbst.
Dieses Buch geht weiter als die meisten der zahlreichen Publikationen, die es zum Thema Liebe und Beziehungen gibt. Jene Bücher konzentrieren sich normalerweise auf bestimmte Aspekte von Beziehungen, die der Verbesserung bedürfen könnten, geben hierzu gut gemeinte Ratschläge und vermitteln mitunter einige Fertigkeiten. Im Gegensatz zu Büchern, die sich im Analysieren von Beziehungsmustern, Familiendynamiken und anderen komplexen Systemen verlieren, ist das vorliegende Buch entwaffnend simpel (aber ganz und gar nicht simplifizierend) und frei von jedem psychologischen Jargon. Es vermittelt realistische Hoffnung, ohne zu viel zu versprechen oder falsche Erwartungen zu erzeugen. Wie viele Publikationen zum Thema Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) liefert es nicht nur Erklärungen, Erkenntnisse und Ratschläge; es bietet Ihnen auch jede Menge Gelegenheit, ganz konkret zu lernen, wie Sie durch innovative und kreative Anwendung der ACT-Prinzipien offenere, ehrlichere und erfüllendere Beziehungen haben können. In so gut wie jedem Kapitel lädt Russ Harris Sie dazu ein, verschiedene spannende, praktische Übungen durchzuführen, die das Material lebendig und für Sie persönlich bedeutsam machen. Die Kapitelüberschriften sind genauso interessant und wohlüberlegt wie die nachfolgenden Texte. Zur Festigung Ihrer Fortschritte werden die wichtigsten Themen im gesamten Buch immer wieder aufgegriffen.
Ist das Buch auch fest in der empirischen Forschungsgrundlage von ACT verankert, spricht es doch aus der Perspektive des Herzens und des Gehirns des Autors zu Ihnen. Das ist der Grund dafür, warum es Sie tief berühren kann – wenn Sie für seine Botschaften offen sind. Sie können das Buch alleine oder mit Ihrem Partner durcharbeiten. Einige der Übungen sind als Partnerübungen gedacht. Jedoch ist ein (zur Mitarbeit bereiter) Partner keine Voraussetzung dafür, dass Sie von diesem Buch profitieren. Sie können sich die Fertigkeiten auch alleine und für sich selbst aneignen. Was Sie von diesem Buch lernen, wird Ihr Leben erhellen und bereichern, ganz gleich, in welcher Beziehungssituation Sie sich derzeit befinden.
Mit freundlichen Grüßen
DR. GEORG H. EIFERT
DR. JOHN FORSYTH
DR. STEVEN C. HAYES
EINLEITUNG
Es ist eine chaotische Angelegenheit
Beziehungen sind zugleich wunderbar und schrecklich. Sie können uns das Höchste und das Tiefste der Gefühle erleben lassen, uns auf Flügeln der Liebe in die Stratosphäre emportragen oder uns von oben mit einem Platsch in den Schlamm fallen lassen. In jenen frühen Tagen einer Beziehung, wenn Sie Ihren Partner zärtlich in den Armen halten und Ihr Herz gegen Ihren Brustkorb hämmert wie ein Profiboxer, ist es kaum zu glauben, dass alle diese Gefühle der Glückseligkeit eines Tages in nicht allzu ferner Zukunft weg sein werden. Ja, ganz richtig – weg. Dahin. Spurlos verschwunden. Und an ihrer Stelle stehen möglicherweise Wut, Furcht, Kummer, Frustration, Einsamkeit, Bedauern oder Verzweiflung oder vielleicht sogar Bitterkeit, Verachtung, Abscheu oder Hass.
Warum muss das so sein? Nun, die schlichte Tatsache lautet: Gefühle ändern sich. Sie sind wie das Wetter. Selbst während des heißesten Sommers oder des kältesten Winters ändert sich das Wetter andauernd – und mit unseren Emotionen ist es nicht anders. Egal also, wie wunderbar Ihr Partner ist, egal, wie großartig Ihre Beziehung ist, diese anfänglichen Liebesgefühle werden nicht anhalten. Aber keine Panik. Sie werden zwar zwangsläufig verschwinden, aber sie werden auch wieder zurückkommen. Und dann werden sie wieder weggehen. Und dann werden sie wieder zurückkommen. Und so weiter und so weiter und so weiter, bis zu dem Tag, an dem Sie sterben. Und Gleiches gilt für jede menschliche Emotion – von Furcht und Wut bis zu Freude und Glückseligkeit. Gefühle kommen und gehen, so sicher, wie auf den Winter der Frühling folgt.
Die meisten von uns wissen das zwar, doch vergessen wir es leicht. Wir werden süchtig nach diesen Liebesgefühlen und erwarten, dass sie anhalten. Wir erwarten von unseren Partnern, dass sie unsere Bedürfnisse befriedigen, sich so verhalten, wie wir es wollen, uns unsere Wünsche erfüllen und unser Leben insgesamt besser, einfacher und glücklicher machen – und dann regen wir uns auf, wenn unsere Vorstellung mit der Wirklichkeit kollidiert. Es ist der große Witz des Menschseins, dass die Menschen, mit denen wir die meiste Zeit verbringen und die wir am besten kennen, auch genau die Menschen sind, die uns am meisten in Rage bringen. Und während eine spitze Bemerkung, eine kalte Abfuhr, harsche Kritik oder ein Wutanfall unangenehm sein können, wenn sie von unserem Chef, einem Nachbarn oder einem Kollegen ausgehen, schmerzen sie doch sehr viel mehr, wenn sie von der Person kommen, die wir lieben. Es ist nicht von der Hand zu weisen: Liebe macht uns verwundbar. Wenn wir es zulassen, mit jemand anders intim und offen zu sein – wenn wir diese Person hinter unsere Verteidigungslinie und in unser Herz lassen –, dann lassen wir es zu, verletzt zu werden. Liebe und Schmerz sind wie vertraute Tanzpartner – sie gehen Hand in Hand. Glauben Sie mir dies nicht einfach – überprüfen Sie Ihre eigene Erfahrung: Haben Sie jemals eine enge Beziehung mit jemandem gehabt und erhebliche Zeit in Gesellschaft dieser Person verbracht, ohne infolge Ihrer Interaktion irgendwelche schmerzhaften Gefühle zu empfinden?
Im Prinzip ist es also so: Wenn Sie ein Haus besitzen, haben Sie garantiert Instandhaltungskosten und Heizrechnungen; wenn Sie ein Baby haben, haben Sie garantiert schmutzige Windeln und schlaflose Nächte; und wenn Sie eine intime Beziehung aufbauen, haben Sie garantiert ein gewisses Maß an Schmerz und Stress. Das ist eine der unangenehmen Wahrheiten des Menschseins. Sein Leben mit einem anderen Menschen zu teilen, kann eine fantastische, erhebende, beeindruckende Erfahrung sein – und manchmal kann es absolut furchtbar sein. Popstars, Dichter, Autoren von Liebesromanen und die Hersteller von Grußkarten haben ein starkes persönliches Interesse daran, diese unangenehme Wahrheit zu ignorieren. Sie wollen, dass Sie alle diese uralten Mythen glauben: dass es tatsächlich irgendwo da draußen einen perfekten Partner für Sie gibt, der nur auf Sie wartet; dass Sie ohne diese Person unvollständig, unerfüllt und zu einem halb gelebten Leben verdammt sind; dass Sie, wenn Sie diesen perfekten Partner schließlich finden, sich verlieben und mühelos und für immer in diesem Zustand der Glückseligkeit verweilen werden.
Natürlich bin ich hier ein wenig flapsig. Doch ist es nun einmal so, dass wir fast alle mit vielen unrealistischen Erwartungen an die Liebe, an Beziehungen und Intimität herumlaufen – mit Überzeugungen, die unser gesamtes Leben lang beständig durch Filme, Romane, Spiele, Lieder, das Fernsehen, Gedichte, Zeitschriften, Zeitungen, Bürotratsch, wohlmeinende Freunde und sogar Ratgeber verstärkt werden. Wenn wir diese irreleitenden Ideen unser Leben lenken lassen und versuchen, auf ihnen unsere Beziehungen aufzubauen, finden wir uns unglücklicherweise in einem Teufelskreis wieder, wobei genau unsere Versuche, anhaltende Liebe zu schaffen, diese letztendlich zerstören.
Unsere fehlgeleiteten Versuche, Liebe zu finden, haben in der modernen Gesellschaft verheerende Auswirkungen. In den meisten westlichen Ländern liegt die Scheidungsrate heute fast bei 50 Prozent – und von den Ehen, die Bestand haben, sind viele voller Leere, Einsamkeit und Qual. Zunehmend fürchten sich die Menschen davor, sich auf eine langfristige Beziehung (ob mit oder ohne Heirat) festzulegen, aus Angst, dass alles in Tränen, Bitterkeit oder Rechtsstreits endet. Kein Wunder, dass mittlerweile mehr Erwachsene alleine leben als je zuvor in der Geschichte.
Hört sich das alles ein wenig düster, traurig und deprimierend an? Keine Angst. Die gute Nachricht ist die, dass es eine Möglichkeit gibt, etwas Ordnung in diese chaotische Angelegenheit zu bringen – und dieses Buch wird Ihnen zeigen, wie das genau geht. Sie werden auf diesen Seiten erfahren, wie Sie nicht hilfreiche Überzeugungen und Einstellungen zum Thema Liebe loslassen, wie Sie realistisch eine authentische, intime, liebevolle langfristige Beziehung schaffen und wie Sie mit den schmerzhaften Gedanken und Gefühlen fertig werden, die alle solche Beziehungen unweigerlich erzeugen. Sie werden lernen, mit Traurigkeit, Zurückweisung und Furcht zurechtzukommen, effektiv mit Wut, Frustration und Groll umzugehen, sowohl sich selbst als auch Ihrem Partner zu vergeben und Vertrauen wieder aufzubauen, wenn es erschüttert wurde. Sie werden lernen, das Maß an Spannung und Stress zu verringern, das mit dem Verhandeln über Ihre Bedürfnisse und dem Beilegen Ihrer Differenzen einhergeht – und Sie werden lernen, den Schmerz und die Verletzung, die durch Konflikte entstehen, in Fürsorge und Mitgefühl zu verwandeln.
Die Akzeptanz- und Commitment-Therapie für Beziehungen
Dieses Buch stützt sich auf eine revolutionäre neue Entwicklung im Bereich der menschlichen Psychologie: eine Methode, die als Akzeptanz- und Commitment-Therapie oder ACT bekannt ist. ACT (ausgesprochen wie das englische Wort „act“, also „handeln“, nicht als die einzelnen Buchstaben A-C-T) wurde in den Vereinigten Staaten von dem Psychologen Steven Hayes begründet und von einer Reihe seiner Kollegen weiterentwickelt, darunter Kirk Strosahl und Kelly Wilson (Hayes, Strosahl und Wilson 1999). Bei der ACT handelt es sich um eine wissenschaftlich untermauerte Therapie, die sich bei einem breiten Spektrum schmerzhafter menschlicher Leiden – von Depression und Drogenabhängigkeit bis zu Arbeitsstress und Schizophrenie – als wirksam erwiesen hat. Interessanterweise weist die ACT, obwohl diese Methode auf der neuesten Forschung im Bereich der Verhaltenspsychologie fußt, auffallende Parallelen zu vielen alten östlichen Traditionen auf.
Die ACT beruht auf einer Reihe mächtiger Prinzipien, die Sie zusammen in die Lage versetzen, „psychische Flexibilität“ zu entwickeln. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen zunehmend, dass unsere Lebensqualität umso größer ist, je höher der Grad unserer psychischen Flexibilität ist. Was bedeutet dieser Begriff also eigentlich? Nun, psychische Flexibilität ist die Fähigkeit, sich mit Offenheit, Gegenwärtigkeit und Konzentration an eine Situation anzupassen und effektiv zu handeln. Hierbei lassen wir uns durch unsere Werte (unsere tiefsten Herzenswünsche bezüglich dessen, wer wir sein wollen und wofür wir im Leben stehen wollen) leiten. Klingt das verwirrend? Lassen Sie es mich aufschlüsseln.
Psychische Flexibilität besitzt zwei Schlüsselkomponenten:
1. Die Fähigkeit, psychisch präsent zu sein: einen Geisteszustand, der gemeinhin als „Achtsamkeit“ bekannt ist. Achtsamkeit ermöglicht es Ihnen,
• Ihrer Erfahrung im Hier und Jetzt mit einer offenen und neugierigen Haltung vollkommen gewahr zu sein;
• sich auf das einzulassen und in das zu versenken, was Sie gerade tun;
• den Einfluss und die Auswirkungen schmerzhafter Gedanken und Gefühle zu verringern.
2. Die Fähigkeit, effektiv zu handeln. Mit anderen Worten etwas zu unternehmen, das
• bewusst und absichtlich erfolgt statt impulsiv oder achtlos;
• durch unsere zentralen Werte motiviert, geleitet und belebt wird;
• flexibel und an die Erfordernisse der jeweiligen Situation anpassbar ist.
Einfacher ausgedrückt, ist psychische Flexibilität die Fähigkeit, präsent zu sein, sich zu öffnen und zu tun, worauf es ankommt. Wenn Sie Ihre psychische Flexibilität erhöhen, werden Sie besser dazu in der Lage sein, effektiv mit schwierigen Gefühlen umzugehen, nicht hilfreiche Gedankenprozesse zu unterbrechen, selbstbegrenzende Überzeugungen zu überwinden, sich auf das zu konzentrieren und einzulassen, was Sie gerade tun, und unwirksame oder selbstschädigende Verhaltensweisen zu ändern. Dies ermöglicht Ihnen den Aufbau besserer Beziehungen.
Die Akzeptanz- und Commitment-Therapie wurde zwar ursprünglich für den Umgang mit Problemen wie Depression und Angst entwickelt, doch lassen sich ihre Kernprinzipien ohne Weiteres mit großer Wirkung auf Beziehungsprobleme anwenden. Ein Schwerpunkt dieses Buches liegt, wie Sie beim Weiterlesen feststellen werden, auf der Entwicklung von Achtsamkeit – Ihrer Fähigkeit, mit einer offenen und neugierigen Haltung vollkommen gegenwärtig zu sein. Ein weiterer Schwerpunkt liegt darauf, dass Sie sich Klarheit über Ihre Werte verschaffen – Ihre tiefsten Herzenswünsche bezüglich dessen, wer Sie sein wollen und wofür Sie im Leben stehen wollen – und diese als Leitfaden für Ihre Handlungen nutzen. Und obgleich wir uns auf intime Beziehungen konzentrieren werden, wie etwa die zu Ihrem Ehegatten oder Partner, können Sie diese Prinzipien doch zur Verbesserung und Bereicherung jeder Beziehung anwenden, die Ihnen wichtig ist, sei es die zu Ihren Kindern, zu Ihren Eltern, zu Freunden, Nachbarn oder Kollegen.
Für wen ist dieses Buch?
Ziel dieses Buches ist es, Lösungen für den Umgang mit üblichen Beziehungsproblemen anzubieten – mit Schwierigkeiten jener Art, wie beinah alle Paare sie erleben. Nicht behandelt werden extremere Beziehungsprobleme wie häusliche Gewalt oder schwere Suchtproblematiken. Ich habe das Buch für vier verschiedene Kategorien von Lesern geschrieben:
• Ihre Beziehung ist in einem relativ guten Zustand, Sie möchten sie aber bereichern.
• Ihre Beziehung ist einem schlechten Zustand, Sie möchten sie aber reparieren.
• Sie führen derzeit keine Beziehung, möchten aber lernen, was in der letzten schiefgelaufen ist, um besser auf die nächste vorbereitet zu sein.
• Sie sind ein Therapeut, Berater oder Coach auf der Suche nach Ideen, wie sich mit Beziehungsproblemen arbeiten lässt.
Wenn Sie zu einer der ersten zwei Kategorien gehören, ist Ihr Partner möglicherweise bereit, dieses Buch mit Ihnen gemeinsam durchzuarbeiten. Eine der Stärken des Buches liegt jedoch darin, dass es Ihnen die Möglichkeit bietet, Ihre Beziehung auch dann, wenn Ihr Partner kein Interesse daran hat, von Ihrer Seite aus zu verbessern.
Wie Sie dieses Buch benutzen
Das Buch ist in drei Teile untergliedert. In Teil 1, Wie der Schlamassel entsteht, sehen wir uns an, was in Beziehungen schiefläuft. In Teil 2, Sich festlegen, schauen wir, ob Sie bei Ihrem Partner bleiben oder Ihrer Beziehung den Rücken kehren sollten, und denken darüber nach, was erforderlich ist, wenn Sie wirklich bleiben und die Beziehung zum Gelingen bringen wollen. In Teil 3, Die Beziehung zum Gelingen bringen, sehen wir uns an, welche Art von Partner Sie sein möchten, welche Gedanken und Gefühle sich dem in den Weg stellen und wie Achtsamkeit Ihnen helfen kann, sehr viel besser mit diesen umzugehen. Wir behandeln außerdem die Unvermeidbarkeit von Konflikt und Schmerz und schauen uns an, wie Sie Ihre Differenzen wirksamer beilegen können. Und schließlich betrachten wir Möglichkeiten, wie Sie Ihre Beziehung für immer aktiv stärken und vertiefen können!
Beim Lesen werden Sie Paare mit unterschiedlichen Beziehungsproblemen kennen lernen, von denen manche möglicherweise Ihren eigenen ähneln. Zwar habe ich im Laufe der Jahre mit vielen Menschen mit Beziehungsproblemen gearbeitet, doch sind die Geschichten der in diesem Buch beschriebenen Personen Montagen. Ich habe ihre Namen und die Details ihrer Geschichten geändert, um ihre Vertraulichkeit vollständig zu wahren. Entsprechen diese Geschichten auch nicht genau dem Leben irgendeiner tatsächlichen Person, spiegeln sie doch mit Sicherheit die Kämpfe und Erfolge von Paaren mit Beziehungsproblemen wider.
Im gesamten Buch werden wir wieder und wieder auf einige grundlegende Prinzipien der ACT zurückkommen, und Sie werden lernen, diese anzuwenden, um sowohl sich selbst als auch Ihrer Beziehung zum Aufblühen zu verhelfen. Natürlich wird das bloße Lesen dieses Buches nichts verändern. Sie werden kein Tennisspieler, wenn Sie einfach nur ein Buch über Tennis lesen; Sie müssen tatsächlich aufs Spielfeld gehen und ein paar Bälle schlagen. Mit Ihrer Beziehung ist es das Gleiche. Wenn Sie möchten, dass sie sich verbessert, müssen Sie das, was Sie auf diesen Seiten lesen, üben und anwenden. Und das kann manchmal harte Arbeit sein. Es besteht kein Zweifel: Eine liebevolle Beziehung aufzubauen – oder eine zu reparieren, die in Trümmern liegt –, erfordert Zeit, Anstrengung und Engagement. Aber von einem bin ich überzeugt: Wenn Sie die in diesem Buch vorgestellten Methoden konsequent anwenden, bringen Sie sehr viel mehr Reichtum und Liebe in Ihr Leben. Falls Sie also meinen, dass es sich hierbei um etwas handelt, in das zu investieren sich lohnt, lesen Sie bitte weiter.
TEIL 1
Wie der Schlamassel entsteht
KAPITEL 1
Ein unmögliches Unterfangen?
Sich zu verlieben ist einfach. Jeder kann es. Wir tun es so, wie wir unsere Lieblingsspeise essen oder uns einen tollen Film anschauen – mit viel Vergnügen, ohne jede Anstrengung. Aber verliebt zu bleiben – nun, das ist eine wirkliche Herausforderung, eine Herausforderung, die aufgrund all des dummen Zeugs, das uns im Laufe der Jahre in die Köpfe gepumpt wurde, noch umso größer ist. Es begann mit den allerersten Märchen unserer Kindheit, in denen der Prinz und die Prinzessin bis zum Ende ihrer Tage glücklich lebten, und setzt sich fort mit den Hollywood-Ausgängen der meisten beliebten Filme, Bücher und Fernsehsendungen: Wieder und wieder hören und sehen wir dieselben alten Mythen. Dies sind die großen vier:
Erster Mythos: Der perfekte Partner
Wussten Sie schon, dass es irgendwo da draußen in der großen, weiten Welt jemanden gibt, der perfekt zu Ihnen passt? Ja, das stimmt. Da draußen ist der Mann oder die Frau Ihrer Träume, rettungslos verloren, einfach nur Zeit totschlagend, darauf wartend, dass Sie ihn oder sie finden. Suchet, so werdet ihr finden: einen Partner, der alle Ihre Fantasien erfüllt, alle Ihre Bedürfnisse befriedigt und mit Ihnen in immerwährender Glückseligkeit leben wird.
Alles klar. Und an den Weihnachtsmann glauben wir auch.
Die Wahrheit ist, dass es so etwas wie den perfekten Partner nicht gibt, genauso, wie es das perfekte Paar nicht gibt. (Wie es in einem alten Witz heißt, gibt es nur zwei Arten von Paaren: jene, die eine wunderbare Beziehung führen, und jene, die man wirklich gut kennt.) Aber wie schwer fällt es, diese Vorstellung wirklich loszulassen? Wie schwer fällt es, aufzuhören, seinen Partner mit anderen zu vergleichen? Aufzuhören, von dem Partner zu träumen, den man hätte haben können oder gehabt hätte oder hätte haben sollen? Oder von dem Partner, den man tatsächlich hatte, mit dem die Beziehung aber aus dem ein oder anderen Grund nicht von Dauer war? Wie schwer fällt es, aufzuhören, auf den Fehlern und Schwächen und Unzulänglichkeiten seines Partners herumzureiten und darüber nachzudenken, wie viel besser das Leben doch wäre, wenn der Partner sich nur verändern würde?
Antwort: In der Tat sehr schwer, zumindest den meisten normalen Menschen. Aber das muss nicht so bleiben. Veränderung ist möglich, wenn Sie sie wollen. Schauen wir uns nur einmal kurz an, was für einen Preis es hat, sich in diesen Gedankenmustern zu verfangen. Wie viel Frustration, Wut und Enttäuschung erzeugt das bei Ihnen? Natürlich plädiere ich nicht dafür, dass Sie Ihren Partner jederzeit und ohne Rücksichtnahme auf Sie tun lassen, was immer ihm beliebt; das würde nicht zu einer gesunden, lebendigen Beziehung führen. Ich plädiere vielmehr dafür, dass Sie einen ehrlichen Blick auf Ihre eigenen verinnerlichten Überzeugungen darüber werfen, wie Ihr Partner sich verhalten sollte und wie Ihre Beziehung sein sollte; nehmen Sie all die negativen Urteile wahr, die Sie über Ihren Partner und Ihre Beziehung fällen; und nehmen Sie wahr, wie diese Gedanken Sie beeinflussen, wenn Sie sich in ihnen verfangen. Helfen oder schaden sie Ihrer Beziehung?
Zweiter Mythos: Du vervollständigst mich
Was Kinofilme angeht, bin ich ein großer Fan von Liebeskomödien: Vier Hochzeiten und ein Todesfall, Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück, Harry und Sally. Ich finde sie einfach großartig. Einer meiner Lieblingsfilme war Jerry Maguire – Spiel des Lebens, aus dem wir den wunderbaren Satz haben: „Du vervollständigst mich.“ Dies sind die Worte, die Jerry Maguire ganz am Ende des Films zu seiner Freundin sagt, um ihr zu beweisen, wie sehr er sie liebt – und an dieser Stelle verschluckte ich mich plötzlich an meinem Popcorn!
Es ist so nutzlos, dieser Vorstellung Glauben zu schenken. Wenn Sie sich diesem Mythos anschließen und so tun, als wären Sie ohne Ihren Partner unvollständig, können Sie sich auf alle möglichen Probleme gefasst machen. Sie werden abhängig und emotional bedürftig sein und Angst vor dem Alleinsein haben, was einer gesunden, lebendigen Beziehung nicht zuträglich ist. Zum Glück werden Sie beim Weiterlesen jedoch herausfinden, dass Sie bereits vollständig sind – egal, ob Sie einen Partner haben oder nicht. Natürlich wird Ihr Verstand dem nicht bereitwillig zustimmen – zumindest dann nicht, wenn er so ist wie der Verstand der meisten anderen Menschen auf diesem Planeten. Unser Verstand ist von Natur aus selbstkritisch und scheint seine wahre Freude daran zu haben, uns zu erzählen, wie unvollständig wir doch sind. Aber ungeachtet des Widerspruchs, den Ihr Verstand erheben mag, werden Sie beim Durcharbeiten dieses Buches in Ihrem Inneren ein Gefühl der Ganzheit und Vollkommenheit erleben, das von jeder anderen Person unabhängig ist. Dies wird es Ihnen ermöglichen, sich in Ihrer Beziehung stärker selbst treu zu sein: sich ehrlich zu äußern, um das zu bitten, was Sie brauchen, und für sich selbst einzutreten, ohne sich aus Furcht vor Zurückweisung oder Verlassenwerden zurückzuhalten.
Dritter Mythos: Liebe sollte einfach sein
Liebe sollte einfach sein. Hmmmmm. Schauen wir uns diese Aussage einmal genauer an.
Wenn Sie über einen langen Zeitraum hinweg intim mit einem anderen Menschen zusammenleben, der (a) andere Gedanken und Gefühle hat, (b) andere Interessen hat, (c) andere Erwartungen in Bezug auf Hausarbeit, Sex, Geld, Religion, Erziehung, Ferien, sinnvoll genutzte Zeit und das Verhältnis zwischen Berufs- und Privatleben hat, (d) andere Kommunikations-, Verhandlungs- und Ausdrucksstile hat, (e) andere Reaktionen auf die Dinge zeigt, die Sie genießen oder fürchten oder verabscheuen, (f) einen anderen Drang nach Essen, Sex, Sport, Spiel und Arbeit hat, (g) andere Ansprüche an Sauberkeit und Ordnung hat, (h) Freunde und Verwandte hat, mit denen Sie nicht so gut zurechtkommen, (i) lebenslange, tief verwurzelte Gewohnheiten und Eigenarten hat, die Sie stören … sollte es einfach sein?
Klingt das für Sie überzeugend?
Natürlich weist unser Verstand schnell darauf hin, dass unsere Beziehung viel einfacher wäre, wenn unser Partner besser zu uns passen, sich nicht so stark von uns unterscheiden würde. Das ist zwar ein Argument, aber nun sind wir wieder genau beim ersten Mythos: dem vom perfekten Partner. Tatsache ist, dass es in einigen oder allen der oben genannten Bereiche sowie in vielen anderen immer erhebliche Unterschiede zwischen Ihnen und Ihrem Partner geben wird. Das ist der Grund, warum Beziehungen nicht einfach sind. Sie erfordern Kommunikation, Verhandlung, Kompromisse und viel Akzeptanz von Unterschieden; sie erfordern ebenfalls, dass Sie für sich selbst eintreten, dass Sie im Hinblick auf Ihre Wünsche und Gefühle ehrlich sind und dass Sie sich – in einigen Situationen, in denen etwas auf dem Spiel steht, das äußerst wichtig für Ihre Gesundheit und Ihr Wohlbefinden ist – absolut weigern, Kompromisse zu schließen. Das ist eine ziemliche Herausforderung. Aber solange Sie von Ihrem Partner erwarten, so zu denken und zu fühlen und zu handeln wie Sie, können Sie sich auf Enttäuschung und Frustration gefasst machen.
Nun lässt es sich nicht bestreiten, dass es bei einigen Paaren mehr Gemeinsamkeiten gibt als bei anderen. Manchmal sind beide Partner von Natur aus optimistisch, ruhig und gelassen. Manchmal verfügen beide über ausgezeichnete Kommunikationsfähigkeiten. Manchmal haben beide sehr ähnliche Interessen. Und seien wir ehrlich, wenn Sie beide leidenschaftlich gerne klettern, ist die Urlaubsplanung sehr viel einfacher, als wenn einer von Ihnen gerne am Strand in der Sonne liegt und der andere dies absolut nicht ausstehen kann. Aber ganz gleich, wie viel Sie miteinander gemein haben, wird es immer Unterschiede geben, die Sie herausfordern. Glücklicherweise konzentriert sich die Akzeptanz- und Commitment-Therapie, wie der Name schon andeutet, sehr stark auf Akzeptanz. Und wenn Sie lernen, die Unterschiede zwischen Ihnen und Ihrem Partner wirklich zu akzeptieren, werden Sie merken, dass Ihre Frustration, Ihr Groll oder Ihre Wut sich aufzulösen beginnen, sodass Sie die vielen Freuden genießen können, die eine gesunde Beziehung ihnen bietet. (An dieser Stelle eine kleine Erinnerung: „Akzeptanz“ ist nicht das einzige wichtige Wort bei der Akzeptanz- und Commitment-Therapie; da ist auch noch das Wort „Commitment“ – dieser englische Begriff, für den es keine direkte Entsprechung im Deutschen gibt, bezeichnet eine freiwillige Verpflichtung, eine innere Festlegung auf ein Verhalten, ein Ziel oder einen Wert. In diesem Buch geht es nicht nur um Akzeptanz – es geht auch darum, dass man eine innere Verpflichtung eingeht und effektiv handelt, um seine Beziehung zu verbessern.)
Vierter Mythos: Ewige Liebe
Gibt es wirklich ewige Liebe? Das ist eine schwierige Frage. Wenn Menschen von Liebe sprechen, meinen sie normalerweise einen emotionalen Zustand: eine wunderbare Mischung aus Gedanken, Gefühlen und Empfindungen. Das Problem mit dieser Definition von Liebe liegt darin, dass Gefühle nicht sehr lange währen. Genau wie sich die Wolken über uns fortwährend verändern – wie sie schrumpfen, wachsen, sich auflösen und wieder auftauchen –, so verändern sich auch unsere Emotionen. Solange wir Liebe also als ein Gefühl definieren, kann sie nicht ewig dauern. In der Anfangszeit einer Beziehung sind diese Gefühle der Liebe selbstverständlich intensiver, bleiben sie länger bestehen und kommen sie schneller zurück als zu einem späteren Zeitpunkt. Wir bezeichnen diesen Abschnitt, in dem wir bis über beide Ohren verliebt sind und vollkommen berauscht von diesen Romeo-und-Julia-Gefühlen, gemeinhin als „die Verliebtheitsphase“ einer Beziehung. Sie hält nicht lange an – in den meisten Beziehungen im Schnitt sechs bis achtzehn Monate und nur selten, wenn überhaupt, länger als drei Jahre. Und wenn sie vorbei ist, empfinden wir normalerweise ein Gefühl von Verlust. Denn schließlich fühlt sie sich ja gut an! So gut sogar, dass viele Menschen sich von ihrem Partner trennen, wenn die Verliebtheitsphase endet, und schlussfolgern: „Das war’s. Ich bin nicht mehr verliebt, also ist dies eindeutig nicht der richtige Partner für mich. Ich hau ab.“
Das ist sehr schade. Nur wenige Menschen erkennen, dass eine authentische, liebevolle, bedeutsame Beziehung sich normalerweise erst entwickelt, wenn die Verliebtheitsphase vorbei ist (eine weitere Tatsache, derer sich die Liedermacher, Dichter und Popstars nicht bewusst zu sein scheinen). In der Verliebtheitsphase ist es so, als stünden Sie unter dem Einfluss einer Droge, die Sie berauscht und mit Ihren Sinnen spielt. Wenn Sie high sind, scheint Ihr Partner wundervoll zu sein. Aber Sie sehen nicht die Realität; Sie sehen lediglich ein durch die Droge hervorgerufenes Fantasiegebilde. Erst wenn die Wirkung der Droge nachlässt, sehen Sie Ihren Partner so, wie er wirklich ist. Und erkennen plötzlich, dass des Ritters glänzende Rüstung voller Rostflecken ist und es sich bei seinem weißen Pferd in Wirklichkeit um einen grauen Esel handelt. Oder dass der Jungfrau Kleid aus reiner Seide nur billiges Nylon ist und es sich bei ihren goldenen Locken in Wirklichkeit um eine Perücke handelt. Natürlich ist das ein kleiner Schock. Aber hieraus ergibt sich die Chance, eine authentische intime Beziehung zwischen zwei Menschen aufzubauen, die einander so sehen, wie sie wirklich sind. Und bei der Entwicklung dieser Beziehung wird es neue Gefühle der Liebe geben – vielleicht nicht so intensiv und so berauschend, aber unendlich viel reicher und erfüllender.
Angesichts all dessen möchte ich Ihnen eine hilfreichere Vorstellung von Liebe vorschlagen. Betrachten Sie Liebe nicht als ein Gefühl, sondern als eine Handlung. Das Gefühl der Liebe kommt und geht nach Lust und Laune; Sie können es nicht steuern. Aber unabhängig davon, wie Sie sich fühlen, können Sie die Handlung der Liebe ausführen. Ein Beispiel: Manchmal, wenn meine Frau und ich uns streiten, fahren und schreien wir uns an, werden lauter und lauter und beenden die Auseinandersetzung schließlich damit, dass wir in unterschiedliche Zimmer des Hauses stürmen. Das ist weder hilfreich noch nützlich. Es bringt uns einander nicht näher und es löst das Problem nicht; es ist reine Zeitverschwendung und entzieht unserer Beziehung das Leben. Je schneller wir den Schaden reparieren können, umso besser ist es für beide von uns; das haben wir auf die harte Tour gelernt. Manchmal ist es meine Frau, die den ersten Schritt macht und versucht, eine Lösung herbeizuführen – und manchmal bin ich es. Immer aber tut es binnen Kurzem der eine oder andere.
Das ist nicht einfach. Hierfür müssen Sie sich öffnen und Platz für Ihre Wut schaffen, ohne sich von ihr verzehren zu lassen. Sie müssen alle Ihre Gedanken darüber loslassen, wie sehr Sie im Recht sind und Ihr Partner im Unrecht ist. Sie müssen sich wieder mit Ihren Werten verbinden: sich daran erinnern, welche Art von Partner Sie sein möchten und welche Art von Beziehung Sie aufbauen möchten. Und dann müssen Sie handeln.
Vor einigen Wochen hatten meine Frau Carmel und ich einen Riesenkrach, und bei der Gelegenheit war ich derjenige, der den ersten Schritt machte und versuchte, eine Versöhnung herbeizuführen. Ich war immer noch wütend und ich glaubte immer noch, ich sei im Recht und sie im Unrecht, aber es war mir wichtiger, unsere Beziehung wieder mit Leben zu erfüllen, als „im Recht zu sein“. Also ging ich ins Schlafzimmer, in dem Carmel am Lesen war, entschuldigte mich für mein Schreien und fragte, ob sie kuscheln wolle. Sie sagte: „Nein, aber wenn du kuscheln willst, können wir’s tun.“ So lagen wir auf dem Bett und kuschelten. Aber ich empfand keine Liebe für Carmel, während ich mit ihr kuschelte. Stattdessen fühlte ich Anspannung, Frustration, Wut, Selbstgerechtigkeit – und ein starkes Verlangen, die Auseinandersetzung fortzusetzen und zu versuchen, sie zu gewinnen. (Und Carmel empfand so ziemlich dasselbe.) Jedoch schmiegten wir uns trotz dieser starken Gefühle weiter aneinander, und irgendwann kamen wir beide zur Ruhe. Wir führten also beide eindeutig die Handlungen der Liebe aus, obwohl Gefühle der Liebe nicht vorhanden waren.
Die Tatsache, dass Sie mit Liebe handeln können, selbst wenn Sie keine Liebe spüren, verleiht Ihnen sehr viel Macht. Warum? Nun, während die Gefühle der Liebe vergänglich sind und größtenteils außerhalb Ihrer Kontrolle liegen, können Sie die Handlungen der Liebe den ganzen Rest Ihres Lebens lang jederzeit und überall ausführen. Ja, diese Wahrheit lässt sich auf sämtliche menschlichen Gefühle anwenden. Beispielsweise können Sie sich wütend fühlen, aber ruhig handeln. Sie können sich ängstlich fühlen, aber selbstsicher handeln. Und diese Fähigkeit bringt uns zu einem der zentralen Themen der ACT: Hören Sie auf, zu versuchen, Ihre Gefühle zu kontrollieren, und übernehmen Sie stattdessen die Kontrolle über das, was Sie tun. (Diese Betonung des Handelns ist der Grund dafür, warum ACT als das Wort „act“, also „handeln“, ausgesprochen wird, und nicht als einzelne Buchstaben A-C-T.)
Die Mythen überwinden
Es sind viele weitere Mythen über die Liebe im Umlauf, dieses aber sind die „großen Vier“. Sie lassen sich in einer einzigen faustdicken Lüge zusammenfassen: Finden Sie den richtigen Partner, dann werden Sie ganz und vollständig sein und ohne jede Anstrengung für den Rest Ihres Lebens unsterblich verliebt sein. Ich bezeichne diese Geschichte kurz als „Mission Impossible“, als unmögliches Unterfangen. Wenn Sie dieses Zeug glauben, steht Ihnen ein Kampf mit der Wirklichkeit bevor.
Was also ist die Alternative? Eine unglückliche Beziehung, in der Sie liebevoll handeln, obwohl Sie sich nie danach fühlen? Nun, das ist eine Alternative, aber keine, die ich empfehlen würde. Ziel dieses Buches ist es, Ihnen zu helfen, die beste Beziehung zu schaffen, die Ihnen angesichts der Beschränkungen der Realität möglich ist – das heißt, eine Beziehung, in der Sie mit Liebe handeln können, in der Sie das, was Ihr Partner zu bieten hat, schätzen können, in der Sie lernen können, Ihre Unterschiede zu akzeptieren, in der Sie mit Ihren eigenen Emotionen effektiver umgehen und bis zu Ihrem letzten Tag weiter aufblühen und wachsen können. Hört sich das unglaublich an? Falls ja, gut! Ich fordere Sie im gesamten Buch dazu auf, nichts einfach nur deshalb zu glauben, weil ich es sage. Probieren Sie diese Ideen stattdessen aus und schauen Sie, was passiert.
Ich würde Sie gerne auffordern, in den kommenden Tagen sämtliche Gedanken dazu zur Kenntnis zu nehmen, was an Ihrer Beziehung oder Ihrem Partner nicht stimmt. Schauen Sie, ob sie in irgendeiner Form mit den „großen Vier“ in Verbindung stehen. Nehmen Sie sich jeden Tag ein paar Minuten Zeit, um sich einige dieser Gedanken in einem Tagebuch zu notieren, und schreiben Sie nach ein paar Tagen Antworten auf folgende Fragen auf:
• Was geschieht mit Ihrer Stimmung, wenn Sie sich vollkommen in Gedanken darüber verfangen, was an Ihrer Beziehung oder an Ihrem Partner nicht stimmt?
• Was für eine Auswirkung hat es auf Ihre Beziehung, wenn Sie diesen Gedanken Glauben schenken oder ihnen nachhängen?
Im nächsten Kapitel werden wir uns ansehen, was Beziehungen die Liebe entzieht. Bevor Sie jedoch weiterlesen, führen Sie bitte diese Übung durch. Oder denken Sie wenigstens über sie nach. Auf diese Weise werden Sie vorbereitet sein, wenn ich frage: Was ist Ihr Problem?
KAPITEL 2
Was ist Ihr Problem?
INDIRA:
Früher hatten wir Spaß miteinander – wir machten Wochenendausflüge, hatten Leute zum Abendessen da, feierten. Heute sind die Sportsendungen im Fernsehen das Einzige, was ihn interessiert. Ich möchte mich amüsieren!
GREG:
Sie scheint zu glauben, dass ich aus Geld gemacht bin. Ausgeben, ausgeben, ausgeben. Sie kauft diesen nutzlosen Krempel – Klamotten, Bücher, Zeug für die Küche. Sogar einen neuen Fernseher mit Plasmabildschirm. Sie scheint nicht zu begreifen, dass wir eine Hypothek abzubezahlen haben.
JANE:
Er hat kein Interesse mehr an Sex. Er geht ins Bett, wenn ich schon eingeschlafen bin, und steht auf, bevor ich wach werde. Ich weiß, dass ich seit der Geburt der Kinder etwas zugenommen habe, aber …
DEMETRI:
Sie lässt sich nichts sagen. Es muss immer alles nach ihren Vorstellungen gehen. Sie hat Recht. Sie weiß Bescheid. Entweder so oder gar nicht. Und wenn sie nicht bekommt, was sie will, dann, glauben Sie mir – rollen die Köpfe!
MARIA:
Er ist immer so geladen. Sobald er von der Arbeit nach Hause kommt, schreit er die Kinder an, schreit er mich an, beklagt er sich über alles und jedes. Man kann es ihm nie recht machen.
JASON:
Sie hat sich in eine Eiskönigin verwandelt. Ich darf sie nicht einmal berühren. Sobald ich in ihre Nähe komme, gibt sie mir zu verstehen, dass ich sie in Ruhe lassen soll.
DENISE:
Er ist nie zu Hause. Er ist immer im Büro oder mit seinen Freunden unterwegs oder arbeitet an seinem Auto. Und wenn er dann mal hier ist, hört er nie zu. Er ist immer mit seinen eigenen Sachen beschäftigt.
MIKE:
Warum kann sie nicht einfach ihre Sachen wegräumen? Ich dachte immer, Männer wären die Chaoten und Putzmuffel, nicht Frauen! Ständig räume ich ihr hinterher und mache sauber. Ich fühle mich wie eine Hausfrau.
Kommen Ihnen irgendwelche dieser Klagen bekannt vor? Dies sind typische Beispiele für die Beschwerden, die ich üblicherweise in meinem Beratungszimmer höre. Im Laufe der vielen Jahre, in denen ich mit Menschen ganz unterschiedlicher Hintergründe gearbeitet habe, habe ich meine Klienten ihre Partner für so gut wie alles kritisieren hören, was man sich nur vorstellen kann – die Palette reicht von schlechtem Atem bis zu schlechtem Kleidungsgeschmack, von fehlenden Freunden bis zu unpassenden Freunden, von der Ansicht, dass zu viel geredet wird oder zu wenig geredet wird, bis zu der, dass „völliger Unsinn“ geredet wird. Seien wir ehrlich: Die Möglichkeiten, Fehler an seinem Partner zu finden, sind beinah grenzenlos. Was ist in Ihrer Beziehung das Problem?
Kämpfen Sie, schmollen Sie, meiden Sie einander? Haben Sie Meinungsverschiedenheiten um Sex, Geld, die Hausarbeit, die Kinderfrage, Erziehung, Umzüge, Jobwechsel? Fühlen Sie sich einsam, ungeliebt, zurückgewiesen, gedemütigt, tyrannisiert oder als Pantoffelheld? Sind Sie gelangweilt? Stehen Sie durch Ihre Familie, Ihre Gesundheit, Ihre Arbeit oder finanzielle Schwierigkeiten unter Druck? Haben Sie Mühe, mit einer großen Herausforderung des Lebens fertig zu werden, die mit Kindern, einer Krankheit, einem Arbeitsverlust, einem Rechtsstreit, dem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben oder irgendetwas anderem zusammenhängt? Sind Sie gestresst und lassen Sie Ihren Unmut aneinander aus, anstatt sich konstruktiv und gemeinsam mit Ihren Herausforderungen zu befassen?
Was Leben und Liebe schwinden lässt:Fünf grundlegende Prozesse
Ganz gleich, welches Ihre speziellen Probleme sind, Sie werden feststellen, dass sie sich auf fünf grundlegende Prozesse zurückführen lassen – fünf Prozesse, die einer Beziehung garantiert sämtliche Intimität und Lebendigkeit entziehen:
• Abschalten
• Automatisches Reagieren
• Vermeidung
• In-Ihrem-Verstand-Sein
• Vernachlässigung von Werten
Schauen wir uns diese Prozesse einen nach dem anderen an.
Abschalten
Haben Sie jemals eine besondere Verbindung zu einer anderen Person gefühlt? Vermutlich fühlten Sie eine zu Ihrem Partner (zumindest in der Anfangszeit, bevor Ihre Probleme begannen). Wenn wir uns mit jemandem verbinden, ist es, wie der Begriff nahe legt, als würde uns etwas zusammenbinden, uns auf eine besondere Weise vereinen. Wenn wir uns mit jemandem verbinden, sind wir psychisch präsent, sind wir mit anderen Worten in dem Moment ganz bei dieser anderen Person und vollkommen mit ihr befasst.
Wollen wir uns wirklich mit einem anderen Menschen verbinden, besteht der erste Schritt selbstverständlich darin, dieser Person Aufmerksamkeit zu schenken. Aber Aufmerksamkeit allein reicht nicht aus. Wir müssen mit einer bestimmten Haltung aufmerksam sein: mit einer Haltung der Offenheit, Neugier und Empfänglichkeit. Offenheit bedeutet, dass wir ohne Abwehr, ohne Feindseligkeit, ohne Absicht sind; statt mit verschränkten Armen, geballten Fäusten oder erhobenem Zeigefinger dazustehen, haben wir sozusagen unsere Arme weit geöffnet, um die andere Person mit einer Umarmung willkommen zu heißen. Neugier bedeutet, dass wir ein aufrichtiges Interesse an der anderen Person haben. Wir lassen unsere vorgefassten Meinungen los und bemühen uns, etwas über diese Person zu erfahren – darüber, wer sie ist, was sie will und was sie in diesem Moment braucht. Empfänglichkeit bedeutet, dass wir bereit sind, zu akzeptieren, was die andere Person uns gibt, Raum zu schaffen für das, was sie mit uns teilen möchte, was immer es sein mag.
Wie ich bereits erwähnt habe, ist das offene und neugierige Aufmerksamsein gemeinhin als „Achtsamkeit“ bekannt. Wenn jemand sich achtsam mit uns verbindet, fühlen wir uns wichtig, umsorgt, geehrt, gewürdigt, respektiert oder geschätzt. Wenn aber jemand die Verbindung unterbricht und sich von uns distanziert, wenn diese Person in sich gekehrt ist, kalt oder verschlossen; wenn sie so in ihren eigenen Gedanken und Gefühlen verfangen ist, dass sie kein Interesse an uns hat; wenn sie in unserer Gegenwart gelangweilt, gereizt oder abgelenkt zu sein scheint; wenn sie uns wie eine Belästigung, eine Störung oder ein Ärgernis behandelt statt wie ein wertvolles menschliches Wesen, dann fühlt sich das nicht besonders gut an, stimmt’s?
Wenn ein Partner auf Distanz geht und abschaltet, rächt sich der andere leider häufig, indem er dasselbe tut, wodurch schon bald eine teuflische Abwärtsspirale in Gang gesetzt ist. Je mehr Sie sich von Ihrem Partner distanzieren (oder andersherum), umso mehr wird die Intimität und Wärme aus Ihrer Beziehung schwinden, bis letztendlich ein weiter, leerer Raum zwischen Ihnen beiden liegt – ein trockener, trostloser Platz, an dem das Leben nicht gedeihen kann.
Automatisches Reagieren
Bob spielt mit seinem dreijährigen Sohn Daniel „Flugzeug“. Daniel lacht vor Freude, als Bob ihn an einem Arm und einem Bein herumwirbelt und laute Uhh-uhh-uhh-Geräusche macht. Es ist alles ein großes Vergnügen, bis zu dem schrecklichen Augenblick, als Bob den Jungen fallen lässt.
Daniel trifft mit einem dumpfen, dröhnenden Schlag auf dem Boden auf. Es folgt ein kurzer Moment bestürzter Stille, dann verzieht er das Gesicht und beginnt fürchterlich zu heulen. Hektisch und mit rotem Kopf stürzt Bobs Ehefrau Sarah herbei. „Du bist so verantwortungslos!“, fährt sie Bob an. Schnell nimmt sie Daniel in die Arme und sagt: „Es ist alles gut. Dir ist nichts passiert. Was hat Papa mit dir gemacht?“ Während sie Daniels Rücken streichelt, wirft sie Bob einen wütenden Blick zu.
Bob ist fuchsteufelswild. Seiner Meinung nach ist Sarahs Reaktion vollkommen ungerecht. Er schnauzt zurück: „Du bist so ein Biest!“ und stürmt aus dem Zimmer.
Bobs und Sarahs Handlungen sind beide ein gutes Beispiel für automatisches Reagieren. Statt auf die Situation mit Gewahrsein, Offenheit und Selbstbeherrschung zu reagieren, laufen beide Partner auf Autopilot. Befinden wir uns im automatischen Modus, werden wir von unseren Gedanken und Gefühlen wie eine Marionette herumgezerrt; wir verfügen über wenig oder gar kein Selbstgewahrsein und haben wenig oder gar keine bewusste Kontrolle über unser Verhalten. Wenn der Automatismus uns im Griff hat, handeln wir impulsiv, achtlos, eben automatisch: Es ist so, als würden wir blind von unseren Emotionen angetrieben und trügen Scheuklappen, die uns nichts anderes sehen lassen als unsere eigenen Überzeugungen und Urteile. Je automatischer Sie als Partner reagieren, umso wahrscheinlicher handeln Sie auf schädigende Weise, die Ihre Beziehung eher zum Ersticken bringt, als ihr Leben einzuhauchen.
Vermeidung
„Wer sich gerne schlecht fühlt, hebe bitte die Hand!“, forderte ich das Publikum auf. Da saßen mehr als sechshundert Menschen, und nicht eine einzige Hand ging nach oben. Nicht verwunderlich. Menschen mögen keine unangenehmen Gefühle, und wir geben uns alle große Mühe, sie zu vermeiden. Das ist ganz natürlich, aber es schafft auch Probleme. Je mehr wir darauf bedacht sind, im Leben unangenehme Gefühle zu vermeiden, umso mehr geht es mit unserem Leben bergab. Diese Behauptung wird durch eine Fülle wissenschaftlicher Erkenntnisse gestützt. Ein höherer Grad an Erlebnisvermeidung – dies ist der Fachbegriff für den Versuch, unangenehme Gefühle zu vermeiden oder loszuwerden – steht in direktem Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für Depression, Angst, Stress, Abhängigkeit und eine Vielzahl weiterer Gesundheitsprobleme (Hayes et al. 1996).
Warum ist das so? Nun, es liegt hauptsächlich an den Strategien, die wir üblicherweise zum Vermeiden anwenden – Strategien wie die, dass wir Suchtmittel konsumieren, uns ablenken oder uns in unsere Komfortzone zurückziehen. Schauen wir uns diese Strategien jetzt schnell einmal an.
Suchtmittel konsumieren. Menschen sind Experten im Vollstopfen ihres Körpers mit Drogen oder Genussmitteln, um sich gut zu fühlen: mit Schokolade, Pizza, Bier, Wein, Zigaretten, Marihuana, Heroin, Valium, Ecstasy, Pommes Frites und Eiscreme, um nur einige zu nennen. Während diese Substanzen uns oft kurzfristig helfen, unangenehme Gefühle zu vermeiden, wirken sie sich, wenn wir uns zu sehr auf sie verlassen, langfristig verheerend auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden aus.
Sich ablenken. Wenn wir uns schlecht fühlen, versuchen wir häufig, „nicht mehr daran zu denken“. Wir versuchen uns mit allem und jedem abzulenken: mit Fernsehen, mit Computern oder mit Kreuzworträtseln, indem wir wild feiern, uns in Arbeit vergraben oder spazieren gehen. Zwar hilft Ablenkung uns kurzfristig, unangenehme Gefühle zu vermeiden, doch schadet sie oft unserer Lebensqualität. Warum? Erstens wegen der verschwendeten Zeit. Wie viel Zeit Ihres Lebens haben Sie damit vergeudet, fernzusehen, im Internet zu surfen oder Schundblätter zu lesen, um auf diese Weise Langeweile, Angst oder Einsamkeit zu vermeiden? Stellen Sie sich vor, Sie hätten diese Zeit in Dinge investiert, die für Sie wirklich wichtig und bedeutsam waren. Zweitens, weil wir nicht effektiv handeln, um langfristig unsere Lebensqualität zu verbessern, solange wir uns mit Ablenkungen beschäftigen. Dies ist in Beziehungen nur allzu üblich. Statt an der Verbesserung unserer Interaktion mit unserem Partner zu arbeiten, bemühen wir uns darum, uns gut zu fühlen.
Sich in die Komfortzone zurückziehen. Herausfordernde Situationen lassen unangenehme Gefühle wie Furcht, Sorge, Wut oder Frustration entstehen. Wollen wir diese Gefühle vermeiden, haben wir unter anderem die Möglichkeit, uns von derartigen Situationen fernzuhalten. Beispielsweise können Sie sich weigern, mit Ihrem Partner zu sprechen. Oder sich weigern, ihm zuzuhören. Oder sich weigern, ein Bett mit ihm zu teilen. Oder Sie können das Zimmer verlassen oder das Gespräch beenden, sobald Sie beginnen, sich zu ärgern oder aufzuregen. Nun hat das Vermeiden von herausfordernden Situationen natürlich bisweilen seine Berechtigung. Wenn zum Beispiel ein Konflikt zu eskalieren beginnt, kann es eine gute Idee sein, eine „Auszeit“ zu nehmen und es Ihnen beiden zu ermöglichen, sich zu beruhigen, bevor Sie mit dem Gespräch fortfahren. Wenn Sie aber regelmäßig vor der Beschäftigung mit den herausfordernden Themen Ihrer Beziehung davonlaufen, werden Sie auf lange Sicht leiden.
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird dieses Verhalten als „Verweilen in der Komfortzone“ bezeichnet. Leider ist die Komfortzone nicht gar so komfortabel. Je mehr Zeit Ihres Lebens Sie in ihr verbringen, umso mehr fühlen Sie sich festgefahren, niedergedrückt und dem Leben unterlegen. Wir sollten sie umbenennen in die „Stagnierzone“ oder die „Das-Lebenhalb-gelebt-Zone“. Wenn Sie möchten, dass Ihre Beziehung wächst und gedeiht, müssen Sie sich voll und ganz in viele herausfordernde Situationen begeben und Raum für die schwierigen Gefühle schaffen, die sie mit sich bringen. Wenn Sie diese Situationen immer vermeiden, ist Ihre Beziehung zur Stagnation verurteilt.
Alles in allem hat die Strategie der Vermeidung also negative Auswirkungen auf Beziehungen. Natürlich nicht, wenn sie maßvoll angewendet wird. Aber je mehr ein oder beide Partner auf Vermeidung setzen, umso mehr Probleme werden wahrscheinlich entstehen.
In-Ihrem-Verstand-Sein
Der Verstand plappert gerne. Er hat viel Nützliches und Wichtiges zu sagen – aber verdammt viel mehr Nutzloses und Unwichtiges. Stellen Sie sich vor, Sie würden einen Schreiber dafür bezahlen, dass er jeden einzelnen Gedanken aufschreibt, der Ihnen in den nächsten vierundzwanzig Stunden durch den Kopf geht: Wie viel davon wäre es wert, noch einmal gelesen zu werden? Falls Ihr Verstand auch nur annähernd so ist wie meiner, ziemlich wenig!