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Gibt es einen Unterschied zwischen dem Punkt, an dem Sie sich gerade befinden, und dem, an dem Sie gerne wären? Was hält Sie zurück? Mangelndes Selbstvertrauen? Wir haben alle schon darunter gelitten: Wir wollen eine bessere Arbeit finden, nach einem Partner suchen, uns für einen Kurs anmelden oder unser Geschäft ausbauen, aber die Angst kommt uns in die Quere und wir werden nicht aktiv. Russ Harris, Coach und Mediziner, hat zahlreichen Menschen geholfen, ihre Angst zu überwinden und echtes Selbstvertrauen zu entwickeln. Hierfür bedient er sich des sogenannten Akzeptanz- und Commitment-Trainings. Die wissenschaftlich erforschte Methode nutzt Achtsamkeit – einen Zustand der Offenheit, der Konzentration und des Gewahrseins –, um wahre, dauerhafte Veränderung zu ermöglichen. Dieses mitfühlende, praxisnahe und inspirierende Buch wird Ihnen Wege zu echtem Selbstvertrauen zeigen. Echtes Selbstvertrauen ist nicht irgendein angenehmes Gefühl, das kommt und geht, sondern eine persönliche Qualität. Es ist die Fähigkeit, sich auf sich selbst zu verlassen, sich zu vertrauen, sich selbst treu zu bleiben und entsprechend seinen Kernwerten zu handeln – ungeachtet dessen, wie man sich fühlt. Der Weg zu echtem Selbstvertrauen wird Sie dabei unterstützen, Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen und ein Leben zu führen, das wahrhaft erfüllend ist.
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Seitenzahl: 400
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Russ Harris
Von der Angst zur Freiheit
Aus dem Englischen übersetzt von Christine Sadler
Arbor Verlag
Freiburg im Breisgau
Cover
Titel
Widmung
Impressum
Vorwort von Steven Hayes
Einleitung
Ein kühnes Abenteuer oder gar nichts
Teil 1 Zum Aufwärmen
1: Warum die Mühe?
2: Die guten alten Zeiten
3: Wahr oder falsch?
Teil 2 Das zweischneidige Schwert
4: Es ist nicht unbedingt so
5: Sich vom Haken lösen
6: Niemals knapp an Worten
7: Die Selbstwertfalle
8: Die Regeln des Sicheinlassens
9: Die Rosen riechen
10: Psychischer Smog
Teil 3 Was bringt Sie in Bewegung?
11: Die Grundlagen schaffen
12: Die Erfolgsfalle
13: Zauberkleber
Teil 4 Ihre Angst zähmen
14: Die Angstfalle
15: Ganz viel Raum
16: Einen wilden Hengst reiten
Teil 5 Das Spiel spielen
17: Die Leinen loswerfen
18: Was hält Sie auf?
19: Die Motivationsfalle
20: Die Macht der Selbstakzeptanz
21: Besser werden
22: Die Spitze erreichen
23: Bis es vorbei ist, ist es nicht vorbei
Literaturverzeichnis
Weiterführende Information
Der Autor
Danksagungen
Wichtiger Hinweis
Cover
Inhaltsbeginn
Dank
Für Yulanie und Bruce
Euch beiden herzlichen Dank für all eure Liebe, Unterstützung und Ermutigung; dafür, dass ihr mir sanft den Weg zeigtet, als ich mich verirrte; dafür, dass ihr da wart, als ich euch brauchte; und dafür, dass ihr so viel Wärme und Licht in mein Leben bringt.
Ist das nicht ein Glück?
Impressum
Text © 2010 Russ Harris
© 2014 der deutschen Ausgabe: Arbor Verlag GmbH Freiburgby arrangement with Penguin Group Australia Ltd.
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel: The Confidence Gap. From Fear to Freedom
Alle Rechte vorbehalten
1. Auflage 2022
Titelfoto: © plainpicture/Stockwerk/Jörn Zolondek
Lektorat: Lothar Scholl-Röse
Hergestellt von mediengenossen.de
www.arbor-verlag.de
ISBN E-Book: 978-3-86781-266-5
Vorwort von Steven Hayes
Es ist schwer, ein Mensch zu sein. Uns wird möglicherweise mehr abverlangt als jedem anderen Wesen auf dem Planeten.
„Das ist lächerlich“, kommt die Erwiderung. „Schau dich um. Zumindest in der entwickelten Welt haben wir alles, was wir brauchen: Nahrung, Wasser, Sicherheit, Wärme, Schutz, soziale Stimulation.“ Das stimmt, doch macht dies das Menschsein nur umso schmerzhafter. Wie kann es sein, dass dieselben Geschöpfe, die, relativ gesehen, alles haben, sich auch Sorgen um die Zukunft machen, über Misserfolge der Vergangenheit nachgrübeln oder sich von ihren Ängsten und Selbstzweifeln erdrückt fühlen?
Die Antwort ist ziemlich überraschend: Genau die Fähigkeiten, die zu unseren Erfolgen führen, führen zu unseren Kämpfen.
Der menschliche Verstand ist ein problemlösendes Organ. Er erkennt Gefahr, analysiert Situationen, sagt Ergebnisse voraus und schlägt Handlungen vor. In der Welt außerhalb unserer Haut funktioniert das sehr gut. Wenn aber dieselben logischen Fähigkeiten auf das Innere angewandt werden, wird ein menschliches Leben zu einem Problem, das es zu lösen gilt, statt zu einem Prozess, den es zu erfahren gilt. Eine Falle öffnet sich. Das Leben wird auf Eis gelegt, während wir im Inneren einen Krieg führen.
Hierfür gibt es einen einfachen Grund. Die Welt im Inneren ist nicht logisch, sie ist psychologisch.
Die Regeln des menschlichen Wachstums und der menschlichen Erfahrung sind beinah das genaue Gegenteil der in der äußeren Welt geltenden Regeln. Liegt ein übelriechendes Stück Nahrung auf dem Boden, ist es vollkommen in Ordnung, dieses in den Müll zu werfen. Dieselbe Handlung ist fürchterlich ineffektiv, wenn sie auf unsere am tiefsten sitzenden Ängste angewandt wird.
Sollten Sie in diesem Moment in einen intensiven Kampf mit Ihrem Selbstvertrauen verstrickt sein, haben Sie ungemeines Glück. Ungemeines. Das Leben hat Ihnen ein Gewinnblatt gegeben. Lassen Sie mich das erklären.
Die meisten Menschen, die mit Problemen mit dem Selbstvertrauen zu tun haben, leben ihr Leben wie jemand, dessen Fuß in einer schweren Tierfalle gefangen ist. Die Mehrzahl von ihnen glaubt, sie selbst seien der Grund für das Problem, nicht die Falle, in die sie nun einmal getreten sind. Sie humpeln unter Schmerzen die Straße hinunter, gebremst durch die Falle.
Vielleicht ist das die Situation, in der Sie sich gerade befinden. Warum also haben Sie Glück? Nun, zum einen wissen Sie, dass Ihr Fuß feststeckt. Viele, die in dieser Falle gefangen sind, wissen das nicht. Sie schleppen sich einfach weiter und versuchen, den Schmerz zu ignorieren.
Sie haben zum anderen Glück, weil Sie ein Buch über eine Methode zum Entkommen aus der Falle in den Händen haben, deren Wirksamkeit wissenschaftlich bewiesen ist. Viele andere Menschen probieren verzweifelt den gewöhnlichen Humbug aus, von dem die moderne Wissenschaft heute weiß, dass er sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht aus der Falle befreien wird.
Und Sie haben Glück, weil Sie, wenn Sie mit Selbstvertrauensproblemen umzugehen lernen, sehr, sehr viel besser darauf vorbereitet sein werden, mit ähnlichen, auf dieselbe Art funktionierenden Problemen zurechtzukommen, falls (oder, realistischer ausgedrückt, wenn!) diese Besitz von Ihnen ergreifen. Ihr Leiden war der Eintrittspreis, doch ist dieser bereits bezahlt worden. Genug ist genug. Jetzt ist es Zeit für den herausfordernden Spaß des Lernens und der Transformation.
Es wird sehr viel erfreulicher für Sie sein, sich im Leben vorwärts zu bewegen, ohne überall, wo Sie hingehen, diese schweren, verletzenden Fallen mit sich herumzuschleppen.
Glücklicherweise wird das Buch, das Sie in Händen halten, Ihnen helfen, genau zu sehen, wo sich die Lücke befindet, die zwischen einem Mangel an Selbstvertrauen und dem Tun von Dingen, die funktionieren, liegt. Und wenn Sie diesem Buch eine Chance geben, werden Sie wahrscheinlich einen psychologisch praktikablen Weg nach vorne finden.
Diese letzte Aussage ist keine Garantie – sie ist eine Prognose. Russ spricht nicht viel über die seinem Werk zugrundeliegende Wissenschaft, doch ist diese umfangreich und am Wachsen. Die grundlegende Wissenschaft des Verstandes, um die es auf diesen Seiten geht, umfasst mindestens 150 Studien und wird indirekt durch Hunderte weiterer Untersuchungen gestützt. Sie alle zeigen, dass die meisten Menschen, die diese Bücher lesen, eine bedeutende Verbesserung erfahren, vorausgesetzt, sie lesen sie sorgfältig und praktizieren die darin aufgeführten Methoden.
In diesem großartigen Buch zeigt Russ uns ganz genau, wie sich die Lücke bildet, und lehrt uns die Regeln für menschliches Wachstum und Transformation. Er ist vielleicht der am klarsten schreibende Autor im Bereich des Akzeptanz- und Commitment-Trainings (ACT) und einer der begabtesten Kliniker und talentiertesten Trainer. Er besitzt eine erstaunliche Fähigkeit, das Komplexe einfach erscheinen zu lassen. Und er hat eben dies im vorliegenden Buch einmal mehr getan. Ich arbeite seit dreißig Jahren mit ACT, und ich sitze hier und bin zutiefst bewegt, fühle mich angeregt und informiert. Russ hat mir die Augen geöffnet. Wieder einmal.
Wenn Sie von Ihrem Kampf mit dem Selbstvertrauen befreit werden könnten, würden Sie sich dann nicht glücklich schätzen? Wenn Sie etwas Tiefgehendes lernen könnten, das Ihnen für den Rest Ihres Lebens von Nutzen wäre, würden Sie dann nicht dem Schicksal danken, das Ihnen die Schlüssel zu diesem befreiteren Weg gab?
Auf der anderen Seite Ihres Kampfes sehen Sie die Worte, mit denen ich dieses Vorwort begonnen habe, möglicherweise auf neue Art: Es ist schwer, ein Mensch zu sein. Es ist nicht schwer, weil wir wenige Ressourcen haben oder weil uns entsetzliche Dinge widerfahren, wenngleich dies leider geschieht. Es ist für uns alle schwer, weil es verzwickt ist, dass unser logischer Verstand – die Quelle unserer größten Stärke und Leistung – uns auf so verführerische Art in eine Falle einlädt.
Sie sind kurz davor, zu lernen, wie Sie diese Einladung respektvoll ablehnen. Ist das nicht ein Glück?
Friede, Liebe und Leben,
Steven Hayes
Professor für Psychologie, University of Nevada
Autor von Get Out of Your Mind and Into Your Life (dt. In Abstand zur inneren Wortmaschine)
30.000 Fuß hoch im Himmel über dem Mittelwesten
5. Juni 2010
Einleitung
Inwiefern wäre Ihr Leben anders, wenn Sie nur mehr Selbstvertrauen hätten?
Ob Sie es „Mangel an Selbstvertrauen“, „Versagensangst“, „Leistungsangst“ oder „Selbstzweifel“ nennen, aller Wahrscheinlichkeit nach ist dieses Problem Ihnen im Leben teuer zu stehen gekommen. Überlegen Sie einen Augenblick: Was haben Sie aufgegeben? Was haben Sie verpasst? Welche Gelegenheiten haben Sie seinetwegen versäumt?
Im Laufe der Jahre habe ich mit buchstäblich Tausenden von Menschen gearbeitet, die ihre Hoffnungen, Träume und Ambitionen auf Eis gelegt haben, weil sie „nicht genug Selbstvertrauen besitzen“. Und das Traurige ist, dass dieser Mangel an Selbstvertrauen nicht auf irgendeinen Fehler ihrerseits zurückzuführen ist. Er liegt gewiss nicht in Dummheit oder Faulheit oder negativem Denken begründet, nicht in einer benachteiligten Kindheit oder einem chemischen Ungleichgewicht im Gehirn. Er ist nur deshalb vorhanden, weil sie nicht die Regeln des Spiels des Selbstvertrauens kennen.
Ja, Selbstvertrauen ist ein Spiel – ein gekonntes psychologisches Spiel. Und bedauerlicherweise gibt uns unsere Gesellschaft hierfür die falschen Regeln. Im Laufe der Jahre haben Sie möglicherweise Artikel darüber gelesen, wie sich Versagensangst überwinden, Selbstzweifel ausschalten oder das Selbstvertrauen stärken lässt, haben sich Selbsthilfebücher zu diesen Themen gekauft, sich Fernsehsendungen dazu angeschaut und sich den gut gemeinten Rat von Freunden, Angehörigen und Gesundheitsexperten angehört. Und ich würde vermuten, dass einige dieser Vorschläge gut funktioniert haben – zumindest für kurze Zeit. Aber ich wäre ebenfalls bereit zu wetten, dass sie Ihnen letztendlich nicht das gaben, was Sie sich wünschten. Sind Sie also offen für etwas Neues? Etwas Herausforderndes? Sind Sie bereit zu versuchen, mit einer grundlegend anderen Reihe von Regeln zu spielen?
Ich werde nicht denselben alten Kram abspulen, den Sie schon eine Million Mal gehört haben: Visualisierung, Selbsthypnose, positive Affirmationen, Infragestellen negativer Gedanken, Entspannungstechniken, Stärkung des Selbstwertgefühls, „Durch Schein zum Sein“-Strategien usw. Noch werde ich die Realität leugnen und behaupten, Sie könnten haben, was Sie wollen, indem Sie einfach nur das Universum darum bitten und daran glauben, dass es Ihnen das Gewünschte liefert. (Natürlich würde ich auf diese Weise sehr viel mehr Bücher verkaufen – nichts verkauft sich so gut wie das Versprechen, Sie könnten praktisch ohne jede Anstrengung bekommen, was immer Sie sich wünschen!)
Stattdessen werde ich Ihnen zeigen, warum es nicht Ihre Schuld ist, dass das, was Sie ausprobiert haben, nicht funktioniert. Bislang haben Sie möglicherweise geglaubt, Sie würden sich nicht genug Mühe geben oder würden es „nicht richtig machen“: Sie würden nicht positiv genug denken oder Ihre negativen Gedanken nicht wirksam genug infrage stellen oder Ihre Entspannungstechniken/Selbsthypnose/Visualisierung nicht intensiv genug praktizieren etc. Aber bald schon werden Sie erkennen, dass diese populären Strategien uns zwar häufig kurzfristig Erleichterung von Angst, Sorge und Selbstzweifel geben können, uns aber nur selten langfristig echtes Selbstvertrauen zuteilwerden lassen. Warum ist das so? Weil sie auf den falschen Regeln für das Spiel des Selbstvertrauens aufbauen. Und es gibt keine Möglichkeit, das Spiel zu gewinnen, wenn Sie die Regeln nicht kennen!
Hören Sie jetzt nur einen Moment lang mit dem Lesen auf und achten Sie darauf, was für Gedanken Sie gerade haben. Das ganze Buch hindurch werde ich Sie immer wieder dazu auffordern, dies zu tun: Ihr Gewahrsein dessen zu erhöhen, was Ihr Verstand tut; zur Kenntnis zu nehmen, wie er reagiert und was er Ihnen sagt. Das Vermögen, seine eigenen Gedankenprozesse wahrzunehmen und zu beobachten, ist eine wichtige psychologische Fähigkeit. Und je öfter Sie dies tun, umso mehr werden Sie darüber lernen, wie Ihr Verstand arbeitet – was Ihnen später sehr gelegen kommen wird. Legen Sie also bitte nur für ein paar Sekunden das Buch nieder und achten Sie einfach darauf, was Ihr Verstand Ihnen sagt.
Nehmen Sie solche Gedanken wahr wie: „Wie ist das passiert? Wo habe ich etwas falsch gemacht? Wieso habe ich die ‚falschen Regeln‘ gelernt?“ Die Wahrheit lautet: Es ist beinah unmöglich, dass Sie in unserer modernen Gesellschaft aufwachsen konnten, ohne diese Regeln zu lernen. Sie haben sie gelernt, seit Sie ein kleines Kind waren. Sie sind tief verwurzelt und werden durch landläufige Mythen, Hollywoodfilme, Hochglanzzeitschriften, Pop-Psychologen, Selbsthilfe-Gurus, Hypnotherapeuten, Motivationsredner und dem „auf gesundem Menschenverstand gründenden“ Rat, den wir so häufig von Fachleuten, Freunden und Verwandten erhalten, in hohem Maße gefördert.
Es ist das feste Anhaften an diesen Regeln, das viele Menschen dauerhaft in der „Selbstvertrauensfalle“ feststecken lässt. Sie versuchen weiterhin mithilfe von Werkzeugen und Strategien, die nur für kurze Zeit wirksam sind und sie ständig nach „mehr Selbstvertrauen“ streben lassen, ihre Angst zu überwinden und ihrem Selbstvertrauen Auftrieb zu geben.
Welches nun sind all diese „falschen Regeln“? Und, wichtiger noch, welches sind die „richtigen Regeln“, die uns helfen, das Spiel des Selbstvertrauens zu gewinnen? Beim Durchlesen dieses Buches werden Sie es schrittweise herausfinden. Ich möchte nicht jetzt schon, bevor wir auch nur beim ersten Kapitel angelangt sind, alles vor Ihnen ausbreiten. Vielmehr lade ich Sie dazu ein, dieses Buch als ein Abenteuer zu betrachten, als eine Entdeckungsreise. Ich ermuntere Sie dazu, den Prozess der Erkundung zu genießen und sich an jeder neuen Begegnung auf diesem Weg zu erfreuen. Auf Ihrer Reise werden Sie einen revolutionären neuen Ansatz zur Maximierung des menschlichen Potentials entdecken: ein Modell des Wandels, das sich fest auf topaktuelle Forschung im Bereich der menschlichen Psychologie gründet. Und Sie werden lernen, eine Denkweise zu entwickeln, die als psychische Flexibilität bekannt ist – ein mächtiger mentaler Zustand, der es Ihnen ermöglicht, effektiv auf Angst, Sorge und Selbstzweifel zu reagieren. Zudem werden Sie lernen, echtes, dauerhaftes Selbstvertrauen zu entwickeln. Und Sie werden lernen, Ihre Leistung in jedem beliebigen Lebensbereich – angefangen bei Sport, Arbeit und dem Schaffen von Kunst bis hin zum Kommunizieren mit anderen, zu Kindererziehung und Sex – zu steigern!
Falls Sie an dieser Stelle unsicher sind oder Zweifel haben, halte ich das für gut – und ermuntere Sie dazu, sich Ihre Skepsis zu bewahren. Bitte glauben Sie nichts einfach nur, weil ich es sage. Schließlich hätten Sie Ihre Probleme schon lange aus der Welt geschafft, wenn „zu glauben, was andere Ihnen erzählen“ der beste Weg wäre, sie zu lösen. Statt also automatisch zu glauben, was ich sage, überprüfen Sie bitte immer Ihre eigene Erfahrung und schauen Sie, ob das Gesagte für Sie gilt.
Kann ich mit absoluter Sicherheit garantieren, dass die in diesem Buch beschriebenen Methoden bei Ihnen funktionieren? Nun, sollten Sie jemals jemandem begegnen, der Ihnen eine narrensichere Erfolgsgarantie verspricht, dann kaufen Sie bitte nichts von dem, was er anbietet. Eine Garantie dieser Art ist ein sicheres Zeichen für Unaufrichtigkeit (oder Selbstbetrug). Selbst ein Spitzenchirurg würde niemals garantieren, dass eine Operation ein völliger Erfolg wird. Er würde Ihnen seine bestmögliche Einschätzung der Erfolgschancen geben und Sie dann bitten, eine Einverständniserklärung zu unterzeichnen, mit der Sie die kleinen, aber möglichen Risiken all der Dinge, die schieflaufen könnten, akzeptieren.
Wie sind nun Ihre Erfolgschancen, wenn Sie die Methoden in diesem Buch anwenden? Sehr, sehr hoch. Warum sage ich das? Weil dieses Buch auf einem neuen Modell zur Veränderung des menschlichen Verhaltens basiert, das die Grundfesten der westlichen Psychologie erschüttert. In der Welt des Sports und der Wirtschaft hat dieses Modell unterschiedliche Namen, darunter Mindfulness-Acceptance-Commitment Approach, Training in achtsamkeitsbasierter emotionaler Intelligenz und Training in psychischer Flexibilität. Am häufigsten ist die Bezeichnung Akzeptanz- und Commitment-Training oder ACT (ausgesprochen wie das englische Wort „act“, das „handeln“ bedeutet, nicht als einzelne Buchstaben A-C-T).
Der US-amerikanische Professor Steven Hayes entwickelte ACT in den frühen 1980er Jahren, ursprünglich zur Behandlung von Depression. (In der Welt der Beratung und der Psychotherapie ist die Methode als Akzeptanz- und Commitment-Therapie bekannt.) Bedauerlicherweise war ACT damals ein derart revolutionäres Konzept, dass es mehr als fünfundzwanzig Jahre dauerte, bis die größere Welt der Psychologie in der Lage war, seine Erkenntnisse aufzugreifen. Jetzt, da sich die Beweise für die Wirksamkeit von ACT immer mehr häufen, breitet sich der Ansatz rasch auf dem ganzen Globus aus und zeigt in vielen schwierigen Bereichen des menschlichen Lebens eine starke Wirkung. Und ein Hauptgrund für seinen Erfolg ist die innovative Herangehensweise an das Entwickeln von Achtsamkeit.
Achtsamkeit ist ein mentaler Zustand des Gewahrseins, der Offenheit und der Konzentration. Wenn wir achtsam sind, sind wir in der Lage, uns vollständig auf das einzulassen, was wir gerade tun, nicht hilfreiche Gedanken loszulassen und effektiv zu handeln, ohne uns von unseren Emotionen umtreiben zu lassen. In der östlichen Philosophie ist Achtsamkeit seit Tausenden von Jahren bekannt, wir im Westen aber konnten sie bis vor Kurzem nur dadurch kennenlernen, dass wir klassischen Lehren aus dem Osten folgten, wie zum Beispiel Yoga, Meditation, Tai-Chi, Kampfkünsten oder Zen. ACT ermöglicht es uns, in kurzer Zeit Achtsamkeitsfertigkeiten zu entwickeln, selbst wenn wir diesen alten Traditionen nicht folgen.
Es gibt drei zentrale Achtsamkeitsfertigkeiten, die auf Ihrem Weg zu echtem Selbstvertrauen eine bedeutende Rolle spielen werden. Diese sind als Defusion, Ausdehnung und Sicheinlassen bekannt.
Defusion ist die Fähigkeit, sich von seinen Gedanken zu trennen und sie kommen und gehen zu lassen, statt sich in ihnen zu verfangen oder sie einem diktieren zu lassen, was man tut. Defusion ist ein starkes Mittel für den effektiven Umgang mit schmerzhaften, nicht hilfreichen oder kontraproduktiven Gedanken und Überzeugungen.
Ausdehnung ist die Fähigkeit, sich zu öffnen und für Emotionen, Empfindungen und Gefühle Raum zu schaffen sowie diese kommen und gehen zu lassen, ohne sich von ihnen zermürben, umtreiben oder zurückhalten zu lassen. Ausdehnung ist ein starkes Mittel für den Umgang mit schwierigen Emotionen wie Angst, Wut und Sorge.
Das Sicheinlassen ist die Fähigkeit, „psychisch präsent“ zu sein; vollständig „in diesem Moment“ zu leben; dessen, was genau hier geschieht, völlig gewahr zu sein, statt sich in seinen Gedanken zu verstricken; offen für und neugierig auf die Erfahrung des Hier und Jetzt und aktiv an dieser beteiligt zu sein. Das Sicheinlassen ist eine wesentliche Fähigkeit, wenn Sie gute Leistung zeigen oder Befriedigung und Erfüllung in dem finden wollen, was Sie tun, was immer dies sein mag.
Zu ACT gehört mehr als die Entwicklung von Achtsamkeitsfertigkeiten; das Modell beinhaltet auch, dass Sie klären, welches Ihre Kernwerte sind – Ihre tiefsten Herzenswünsche hinsichtlich dessen, wie Sie sich als Mensch verhalten wollen –, und diese Werte zur Motivation, zum Ansporn und zur Lenkung Ihres Handelns nutzen. Wenn Achtsamkeit, Werte und engagiertes Handeln zusammenkommen, führen sie zu „psychischer Flexibilität“: der Fähigkeit, effektive Handlungen vorzunehmen, geleitet durch Werte, mit Gewahrsein, Offenheit und Fokussierung.
Das ACT-Modell ist bemerkenswert in seiner Anpassungsfähigkeit. Dieselben Werkzeuge, die Zehntausenden Menschen geholfen haben, ihrem Leben nach Jahren des Kampfes mit Drogenabhängigkeit, Alkoholismus, Depression, Panikstörung und Schizophrenie eine neue Richtung zu geben, es zu ändern und zu bereichern, werden jetzt dafür eingesetzt, Berufssportlern und Geschäftsleuten zu helfen, ihre Leistung zu steigern, Organisationen in die Lage zu versetzen, effektiver zu arbeiten, und Berufstätigen jeder Art – von Polizeibeamten und Bankiers bis hin zu Empfangssekretärinnen und Zahnärzten – zu helfen, ihren Stress zu verringern und ihre Arbeitszufriedenheit zu erhöhen. Beim Lesen dieses Buches werden Sie herausfinden, wie Sie diese Werkzeuge nutzen können, um echtes Selbstvertrauen zu entwickeln, um Ihre Träume zu verfolgen und die Person zu sein, die Sie sein wollen. Aber lassen Sie mich Ihnen ein wenig über mich selbst erzählen.
Selbstvertrauen ist ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt, denn viele, viele Jahre lang besaß ich keines! Als Teenager und junger Erwachsener zwischen zwanzig und dreißig war ich in sozialen Situationen unglaublich ängstlich, steckte voller Selbstzweifel und hatte Angst, langweilig, dumm oder unsympathisch zu wirken. Lange bevor ich das gesetzliche Mindestalter für den Alkoholkonsum erreicht hatte, begann ich auf Alkohol angewiesen zu sein, und gegen Ende meines ersten Jahres an der medizinischen Fakultät trank ich jeden Tag in großen Mengen. Dies wurde zunehmend schlimmer, und einmal, während meines dritten Jahres an der medizinischen Fakultät, wurde ich wegen Alkoholvergiftung mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus eingeliefert. (Das Gefühl der Peinlichkeit, das ich empfand, war zwar heftig, aber nicht so schlimm wie der Kater.)
Mein geringes Selbstvertrauen manifestierte sich auch in intimen Beziehungen. Ich hatte so eine Angst vor Zurückweisung, dass ich Mädchen niemals dazu aufforderte, mit mir auszugehen, sofern ich nicht betrunken war – und sie sagten normalerweise nur dann Ja, wenn sie ebenfalls betrunken waren! In den seltenen Fällen, in denen ich tatsächlich eine Freundin hatte, beendete ich die Beziehung in der Regel nach zwei Wochen. Ich dachte, wenn ich die Sache rasch zu einem Ende brächte, würde das Mädchen keine Gelegenheit haben, zu erkennen, wie „minderwertig“ ich war; mit anderen Worten schaffte ich es, meine Freundin zurückzuweisen, bevor sie mich zurückweisen konnte.
Mit dem Studium hatte ich ähnliche Probleme. An der medizinischen Fakultät war ich überzeugt, dass ich dümmer war als jeder andere in meinem Semester, und immer wenn ich versuchte, all diese dicken, komplexen Lehrbücher der Anatomie, Physiologie und Biochemie durchzuackern, schoss all mein Selbstzweifel an die Oberfläche. Was tat ich also? Nun ja, ich mochte diese Angstgefühle oder diese Gedanken darüber, wie dumm ich war, nicht; um sie also zu vermeiden, vermied ich es, zu studieren! Und die Konsequenz? Während der ersten zwei Jahre an der medizinischen Fakultät fiel ich in jeder einzelnen Prüfung durch und musste sie alle wiederholen. (Natürlich half das starke Trinken hierbei nicht.)
Ich hatte großes Glück, dass ich nicht von der Hochschule geworfen wurde; zu jener Zeit stellte ich einen neuen Rekord im Nichtbestehen von Prüfungen auf. Ich schaffte es immer, gerade genug zu tun, um bei der Wiederholung durchzukommen. Schlussendlich lernte ich meine Lektion. In meinem vierten Jahr an der medizinischen Fakultät begann ich, vernünftig zu studieren, und zwei Jahre später schloss ich meine Ausbildung zum Arzt ab. Was mir ein gewaltiges Erfolgserlebnis bescherte. Aber gab es meinem geringen Selbstvertrauen Auftrieb?
Weit gefehlt!
Sobald ich mein Studium beendet hatte, ging mein Selbstzweifel durch die Decke. Als Assistenzarzt im Krankenhaus war ich ständig in einem Zustand größter Angst. Mir graute davor, die falsche Entscheidung zu treffen oder das falsche Medikament zu verabreichen oder nicht die richtige Diagnose zu stellen. Meine Hände werden immer feucht, wenn ich nervös bin – zu diesem Zeitpunkt in meinem Leben aber waren sie weniger feucht als vielmehr tropfnass. Ich rieb sie an den Seiten meines weißen Kittels trocken, aber innerhalb weniger Augenblicke waren sie wieder heiß und feucht. Und wenn ich für medizinische Eingriffe Gummihandschuhe tragen musste, füllten sich die Handschuhe buchstäblich mit Schweiß. Nach einigen Wochen dieses unaufhörlichen Schwitzens entwickelte ich eine üble Form von Dermatitis: Überall auf meinen Fingern bildeten sich plötzlich Massen an roten Blasen, und die Haut musste mit Steroiden behandelt werden, um sich zu beruhigen.
Ich weiß also, wie es ist, kein Selbstvertrauen zu besitzen. Ich habe viele Dinge aufgegeben, die mir wichtig waren. Ich habe wichtige Lebensbereiche verpasst. Ich habe mich durch Selbstzweifel und Furcht vor Versagen zurückgehalten. Und die gute Nachricht: Ich war in der Lage, zu lernen und mich zu verändern. Heute gehe ich mit Selbstvertrauen unter die Leute – aber trinke fast überhaupt nichts. Ich studiere mit Selbstvertrauen – und schreibe dann Bücher über das, was ich lerne. Ich arbeite mit Selbstvertrauen – wozu gehört, dass ich in der ganzen Welt vor Publikum spreche. Also vertraue ich den in diesem Buch beschriebenen Prinzipien nicht nur, weil sie verlässlich wissenschaftlich gesichert sind, nicht nur, weil ich gesehen habe, dass sie Hunderten meiner Klienten geholfen haben, sondern weil sie bei mir in meinem Leben so gut funktioniert haben.
Wenn Sie offen für neue Ideen sind und bereit, ein paar neue Fertigkeiten zu lernen, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass es Ihnen gelingen wird, echtes Selbstvertrauen zu entwickeln. Jedoch wird dies, was wenig überrascht, wie alles, was Ihr Leben verbessert, Zeit und Mühe erfordern. Sie müssen nicht nur Zeit und Mühe investieren, um dieses Buch zu lesen, sondern auch, um diese neuen Fertigkeiten zu üben und sie in den entsprechenden Bereichen Ihres Lebens anzuwenden. Denken Sie einen Augenblick darüber nach, ob Sie bereit sind, diese Zeit und Energie zu investieren.
Wir würden nicht erwarten, lediglich dadurch ein guter Skifahrer oder Maler oder Tänzer zu werden, dass wir Bücher darüber lesen. Bücher über diese Themen zu lesen, kann uns sehr viele wertvolle Informationen geben, um aber gut Ski zu laufen, gut zu malen, gut zu tanzen, müssen wir die entsprechenden Fertigkeiten wirklich üben. Und dasselbe gilt für die Entwicklung echten Selbstvertrauens. Dieses Buch wird Ihnen sowohl die Werkzeuge geben, die Sie brauchen, als auch die Anleitungen für deren Gebrauch – aber Sie werden etwas Übung benötigen, um die Früchte Ihrer Bemühung zu ernten. (Und wenn Sie ein Gefühl des Widerwillens oder des Zögerns verspüren – wenn Ihr Verstand Ihnen so etwas sagt wie: „Aber ich habe nicht die Disziplin/Motivation/Willenskraft dafür“ –, keine Sorge; das sind alles Punkte, die wir in diesem Buch behandeln werden.)
Dieses Buch ist in fünf Teile gegliedert. Teil 1 trägt die Überschrift „Zum Aufwärmen“. Hier werde ich einige landläufige Mythen rund um das Thema Selbstvertrauen infrage stellen, und Sie werden erkennen, auf welche Weise wir alle gelernt haben, nach den falschen Regeln zu spielen. In Teil 2, „Das zweischneidige Schwert“, werden Sie lernen, wie Sie effektiv mit diesen negativen Gedanken umgehen, die wir alle haben (ohne sie zu bestreiten oder zu versuchen, sie durch positive Affirmationen zu ersetzen, usw.). In Teil 3, „Was bringt Sie in Bewegung?“, werden Sie die wesentlichen Grundlagen der Selbstmotivation entdecken und herausfinden, wie sich psychologische Barrieren überwinden lassen. In Teil 4, „Ihre Angst zähmen“, werden Sie Schritt für Schritt lernen, wie Sie Ihre Beziehung zu Angst und Sorge grundlegend transformieren. Und in Teil 5, „Das Spiel spielen“, werden Sie entdecken, wie Sie all Ihre neuen Fertigkeiten zusammenführen, um in dem von Ihnen gewählten Bereich, auf den Sie Ihre Anstrengung konzentrieren, echtes Selbstvertrauen, fortlaufenden Erfolg und Spitzenleistung zu erzielen.
In der Schule haben Sie möglicherweise von Helen Keller gehört. Die 1880 geborene Keller war neunzehn Monate alt, als sie von einer Meningitis heimgesucht wurde, die zur Folge hatte, dass sie für den Rest ihres Lebens taub und blind war. Allen Widrigkeiten zum Trotz lernte sie Lesen und Schreiben und brachte es zu einer großen Autorin, einer einflussreichen Verfechterin progressiven sozialen Wandels und letztendlich zur Nobelpreisgewinnerin. Sie wird in zahllosen Büchern zitiert, und ihre berühmtesten Worte sind wahrscheinlich diese: „Das Leben ist entweder ein kühnes Abenteuer oder gar nichts.“
Wenn Sie für Ihr Leben diese zwei Optionen haben – ein kühnes Abenteuer oder gar nichts –, für welche entscheiden Sie sich dann? Falls Sie möchten, dass Ihr Leben ein kühnes Abenteuer ist, falls Sie wachsen wollen, Ihr volles Potential erkunden und entfalten möchten, falls Sie jetzt bereit sind, eine mutige neue Richtung einzuschlagen, neugierig darauf, was Sie entdecken werden, und gewillt, für das Unbehagen Raum zu schaffen, das dabei aufkommen mag … worauf warten Sie dann noch?
Teil 1Zum Aufwärmen
Kapitel 1
Wie also kann dieses Buch Ihnen nützen?
Auf einer Ebene liegt die Antwort auf der Hand: Sie wollen mehr Selbstvertrauen erlangen. Ich möchte aber, dass Sie etwas tiefer graben, denn Selbstvertrauen ist nicht das Ziel der Reise, nicht wahr? Vermutlich möchten Sie dieses Selbstvertrauen haben, um etwas zu erreichen: um Veränderungen vorzunehmen, die Ihr Leben verbessern werden.
Stellen Sie sich vor, Sie hätten auf magische Weise all das Selbstvertrauen, auf das Sie immer gehofft haben – aber nichts in Ihrem Leben ändert sich. Sie fühlen sich ausgesprochen sicher, aber Sie verhalten sich in jeder Hinsicht weiterhin genauso wie zuvor. Es finden keine Veränderungen Ihrer Beziehungen, Ihrer Arbeit, Ihrer Gesundheit, Ihres Soziallebens oder Ihrer Freizeitaktivitäten statt. Sie halten weiterhin dieselbe alte Alltagsroutine ein, tun dieselben Dinge, die Sie schon immer getan haben. Sie gehen und sprechen genauso wie zuvor. Sie beginnen keine neuen Projekte. Sie verfolgen keine neuen Ziele. Ihre Leistung wandelt sich auf keinerlei Weise. Ihr Charakter verändert sich nicht. Sie behandeln sich selbst oder andere kein bisschen anders. Sie verhalten sich ganz genauso wie zuvor. Das Einzige, was anders ist, ist, dass Sie jetzt Selbstvertrauen fühlen. Wären Sie mit diesem Ergebnis zufrieden?
Ich habe Hunderten Menschen diese Frage gestellt, und keiner hat jemals mit Ja geantwortet. Das überrascht kaum. Wir wollen Selbstvertrauen nicht einfach nur um seiner selbst willen; wir wollen es zu einem Zweck. Wir wollen, dass es uns hilft, unsere Ziele zu erreichen, unsere Träume zu verfolgen oder in einem bestimmten Bereich des Lebens, wie zum Beispiel beim Sport, bei der Arbeit, auf musikalischem oder künstlerischem Gebiet, beim Reden in der Öffentlichkeit, bei der Kindererziehung oder dem Knüpfen von Kontakten, Besseres zu leisten. Deshalb frage ich meine Klienten: „Inwiefern würden Sie sich anders verhalten, wenn Sie alles Selbstvertrauen dieser Welt hätten? Was für eine Person wären Sie und was für Dinge würden Sie tun?“
Die Antworten, die ich auf diese Frage bekomme, unterscheiden sich enorm. Im Folgenden gebe ich Ihnen nur eine kleine Auswahl.
Dave, ein 50 Jahre alter Physiotherapeut, wäre kreativer und würde anfangen, den Roman zu schreiben, von dem er seit über einem Jahrzehnt träumt.Claire, eine etwas schüchterne 33-jährige Empfangssekretärin, die seit über vier Jahren mit niemandem mehr zusammen war, würde sich bei einer Singlebörse im Internet anmelden und ein paar neue Leute kennenlernen. Sie würde außerdem mehr aus sich herausgehen, offener und gesprächiger werden, sowohl im Büro als auch im Kreis ihrer Freunde.Ethan, leitender Angestellter in einem großen Unternehmen, wäre kompetenter im Fällen von Entscheidungen unter Druck und besser in der Beurteilung der Leistung seiner Mitarbeiter.Raj, Besitzer eines sehr gut gehenden Restaurants, würde einen Kredit aufnehmen und ein zweites Restaurant eröffnen, wovon er schon seit über zwei Jahren träumt.Koula, Bearbeiterin von Versicherungsschäden, würde ihre leere, freudlose Ehe aufgeben und eine neue Beziehung eingehen.Rob, ein 42 Jahre alter Immobilienmakler, der sich beruflich verändern möchte, würde sich an der Universität einschreiben und beginnen, als Teilzeitstudent auf einen MBA-Abschluss hinzuarbeiten.Sarah, eine arbeitslose Tänzerin, würde weit mehr Auditions besuchen und viel besser vor der Jury tanzen.Phil, ein semiprofessioneller Tennisspieler, würde unter Druck besser spielen – und, so die Hoffnung, dadurch mehr Spiele gewinnen.Cleo, eine schüchterne 28-jährige Wissenschaftlerin, würde mehr Freundschaften schließen, sich mehr mit Leuten unterhalten und sich in sozialen Situationen natürlicher, herzlicher und einnehmender verhalten.Seb, ein 44 Jahre alter Taxifahrer, würde wieder anfangen, mit seiner Frau zu schlafen. In den letzten drei Jahren hat er aus „Versagensangst“ jede sexuelle Aktivität vermieden.Dana, nachrückende Führungskraft in einem großen produzierenden Unternehmen, würde sich in Besprechungen mehr einbringen, dabei unter anderem ehrlich ihre Meinung sagen und Vorschläge machen.Alexis, eine 28-jährige Mutter von zwei kleinen Jungen, würde gegenüber ihrer tyrannischen, hyperkritischen Schwiegermutter forscher auftreten.Jetzt, da Sie einen Eindruck von den Wünschen anderer Menschen bekommen haben, ist es an der Zeit, eine Verbindung zu Ihren eigenen herzustellen. Bitte nehmen Sie sich so viel Zeit, wie Sie brauchen, um sich die folgenden wichtigen Fragen durchzulesen und ihnen sorgfältig nachzugehen.
Stellen Sie sich vor, Sie hätten unbegrenztes Selbstvertrauen.
Inwiefern würden Sie sich anders verhalten?Inwiefern würden Sie anders gehen und sprechen?Inwiefern würden Sie anders spielen, arbeiten und handeln?Inwiefern würden Sie andere Menschen anders behandeln: Ihre Freunde, Ihre Verwandten, Ihren Partner, Ihre Eltern, Ihre Kinder und Ihre Arbeitskollegen?Inwiefern würden Sie sich selbst anders behandeln?Wie würden Sie Ihren Körper behandeln?Wie würden Sie mit sich selbst reden?Inwiefern würde Ihr Charakter sich ändern?Was für Dinge würden Sie anfangen zu tun?Womit würden Sie aufhören?Welche Ziele würden Sie sich setzen, auf die Sie dann hinarbeiten würden?Welchen Einfluss hätte Ihr neu entdecktes Selbstvertrauen auf Ihre engsten Beziehungen und inwiefern würden Sie sich den betreffenden Menschen gegenüber anders verhalten?Was würden Sie mithilfe Ihres neu entdeckten Selbstvertrauens in der Welt bewirken?Bitte nehmen Sie sich etwas Zeit, um über diese Fragen nachzudenken, bevor Sie weiterlesen. Werden Sie sich über den Zweck klar, der Ihrer Suche nach mehr Selbstvertrauen zugrunde liegt. Ihre Antworten auf diese Fragen sind äußerst wichtig; sie werden die Werte und Ziele Ihrer fortlaufenden Reise festlegen. Und weil sich so viele Menschen nicht sicher sind, was der Unterschied zwischen Werten und Zielen ist, wollen wir uns einen Moment Zeit nehmen, diesen zu untersuchen.
Werte sind „gewünschte Qualitäten des ständigen Handelns“. Mit anderen Worten beschreiben Ihre Werte, wie Sie sich als Mensch verhalten wollen: wie Sie dauerhaft handeln wollen, für was Sie im Leben stehen wollen, nach welchen Prinzipien Sie leben wollen, welche persönlichen Qualitäten und Charakterstärken Sie kultivieren wollen. Zu den üblichen Werten in intimen Beziehungen zählen beispielsweise Vertrauen, Ehrlichkeit, Offenheit, Integrität, Gleichberechtigung, Respekt und liebevolles, fürsorgliches, unterstützendes und selbstbewusstes Verhalten. Dies sind alles Qualitäten des Handelns, das gesamte Leben durchziehende Verhaltensweisen. Werte können niemals vollendet sein, oder als „erledigt“ von der Liste gestrichen werden; sie sind dauerhaft. Wenn es zu Ihren Werten gehört, in Ihrer Beziehung liebevoll zu sein, kommt niemals ein Zeitpunkt, an dem das Liebevollsein vollendet ist.
Ziele sind „gewünschte Ergebnisse“. Mit anderen Worten sind Ziele das, was Sie bekommen, vollenden, besitzen oder erreichen wollen. Ziele sind nicht dauerhaft. In dem Augenblick, in dem Sie ein Ziel erreichen, können Sie es von der Liste streichen; die Sache ist vorüber, vollendet, „erledigt“.
Nehmen wir also einmal an, Sie wollen gerne einen tollen Job haben: Das ist ein Ziel. In dem Augenblick, in dem Sie diesen Job bekommen, ist das Ziel erreicht. Aber nehmen wir einmal an, Sie wollen kompetent, tüchtig und produktiv sein, sich in vollem Umfang engagieren und sorgfältig darauf achten, was Sie tun, offen, freundlich und fürsorglich gegenüber anderen an Ihrem Arbeitsplatz sein: Dies sind Werte, keine Ziele; sie sagen aus, wie Sie sich Ihr gesamtes Leben lang verhalten wollen.
Und beachten Sie: Sie können nach diesen Werten leben, selbst wenn Sie niemals diesen tollen Job bekommen. Wenn diese Werte Ihnen wirklich wichtig sind, können Sie sich dafür entscheiden, bei jeder Arbeit, die Sie tun – von der Bedienung am Tisch bis zur Leitung eines multinationalen Unternehmens –, nach ihnen zu leben. (Sie können auch bei nicht bezahlten Tätigkeiten, wie zum Beispiel dem Großziehen Ihrer Kinder, nach ihnen leben.)
Sie können sich Werte als einen Kompass vorstellen: Sie nutzen sie, damit sie Ihnen eine Richtung vorgeben und Ihnen helfen, während der Reise auf Kurs zu bleiben. Aber durch das Schauen auf einen Kompass haben Sie noch keine Reise. Die Reise beginnt erst, wenn Sie aktiv werden.
Entsprechend seinen Werten zu handeln, ist vergleichbar mit dem Reisen gen Westen: Egal, wie weit Sie in westlicher Richtung reisen, Sie können immer weiterfahren; Sie gelangen nie an einen Ort, der „Westen“ heißt. Im Gegensatz dazu sind Ziele wie die Orte, die Sie auf Ihrer Fahrt gen Westen besuchen wollen: diese Brücke, jener Fluss, dieser Berg, jenes Tal; sie alle können im Laufe der Reise von der Liste gestrichen werden.
Nehmen wir also einmal an, Ihre Werte am Arbeitsplatz lauten: sich engagieren, tüchtig, produktiv, fürsorglich und umgänglich sein. Diese Werte werden bei dieser Arbeit präsent sein und bei der nächsten Arbeit und bei der danach – egal, ob Sie Ihr Ziel, einen Traumjob zu finden, erreichen oder nicht. (Selbstverständlich handeln Sie möglicherweise nicht immer entsprechend diesen Werten – insbesondere, wenn Sie Ihre derzeitige Arbeit nicht mögen –, sollten Sie sich aber nach ihnen richten wollen, haben Sie hierzu jederzeit die Möglichkeit.)
Hier sind ein paar weitere Beispiele, die den Unterschied aufzeigen:
Ein großes Haus haben: Ziel. Für die Familie sorgen und sie beschützen: Werte.Das Match gewinnen: Ziel. Fair, enthusiastisch und gekonnt spielen: Werte.Gute Noten bekommen: Ziel. Sich ganz seinem Studium widmen und neue Ideen untersuchen: Werte.Freunde gewinnen: Ziel. Herzlich, freundlich, zugänglich, unterstützend und aufrichtig sein: Werte.Fünf Kilo abnehmen: Ziel. Sich um seinen Körper kümmern, ihn kräftigen und in guter Verfassung halten: Werte.Das Rennen gewinnen: Ziel. So gut laufen, wie man kann: Wert.Werte spielen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Selbstvertrauen und der Steigerung unserer Leistung. Nicht nur geben sie uns die Inspiration und die Motivation dafür, „das Notwendige zu tun“, auch helfen sie uns unterstützend auf unserem Weg; wir mögen Wochen, Monate oder Jahre von der Vollendung unserer Ziele entfernt sein, aber wir können bei jedem Schritt unseres Weges nach unseren Werten leben und dauerhafte Erfüllung darin finden. Und selbst wenn wir unsere Ziele nicht erreichen – und zuweilen werden wir das nicht –, können wir immer noch Befriedigung und Erfüllung daraus ziehen, nach unseren Werten zu leben.
Wir werden Werte und Ziele später eingehender untersuchen; dies ist nur ein kleiner Vorgeschmack. Jetzt ist es an der Zeit, noch einmal auf diese wichtige Frage zurückzukommen: Was würden Sie anders machen, wenn Sie mehr Selbstvertrauen hätten? Nehmen Sie sich etwas Zeit, um über die Antworten nachzudenken, die Sie auf die Fragen gegeben haben. Hoffentlich liefern Ihre Antworten Ihnen sowohl Werte als auch Ziele. Wollen Sie zum Beispiel mehr Freundschaften schließen oder durchsetzungsfähiger sein oder ein besserer Gesprächspartner werden oder fokussierter und engagierter sein oder Ihr Golfspiel vervollkommnen oder ein besserer Vater bzw. eine bessere Mutter sein oder Ihr Geschäft ausweiten und weiterentwickeln oder die Offenheit und Intimität in Ihrer Ehe erhöhen oder sich selbst besser akzeptieren oder in Ihren Beziehungen authentischer und ehrlicher sein oder mit diesem wichtigen Projekt beginnen oder jenes wichtige Projekt abschließen oder sich beruflich verändern oder dieses Buch schreiben oder jene Prüfungen bestehen oder diese attraktive Person in Ihrem Büro fragen, ob sie mit Ihnen ausgehen will?
Zu diesem Zeitpunkt haben Sie möglicherweise keine „klaren“ Antworten. Das ist völlig in Ordnung. Finden Sie einfach irgendeine Antwort, und sei sie auch sehr vage oder nur ein einziges Wort. Später werden Sie diese Antworten noch einmal überdenken und verfeinern. Im Moment ist es lediglich wichtig, einen Anfang zu machen.
Wenn Sie über diese Antworten nachgedacht haben, schreiben Sie ein paar Worte in den folgenden Abschnitt „Die Lebensveränderungsliste“. Und während Sie die Liste ausfüllen, schauen Sie, ob Sie Ihre Werte (wie Sie sich dauerhaft verhalten wollen) von Ihren Zielen (was Sie bekommen, erreichen, vollenden oder besitzen wollen) unterscheiden können. Falls Sie nicht ins Buch schreiben möchten, können Sie die Liste auch in Ihr Tagebuch abschreiben und dort Ihre Eintragungen machen.
Wenn ich echtes Selbstvertrauen entwickele,
werde ich folgendermaßen anders handeln:werde ich andere Menschen folgendermaßen anders behandeln:werde ich mich selbst folgendermaßen anders behandeln:werde ich folgende persönliche Qualitäten und Charakterstärken entwickeln und anderen demonstrieren:werde ich mich in engen Beziehungen mit Freunden und Angehörigen folgendermaßen anders verhalten:werde ich mich in Beziehungen, die mit Arbeit, Bildung, Sport oder Freizeit zu tun haben, folgendermaßen anders verhalten:werde ich für folgende wichtige Dinge „stehen“:werde ich mit folgenden Aktivitäten beginnen beziehungsweise sie stärker ausüben:werde ich auf folgende Ziele hinarbeiten:werde ich folgende Handlungen vornehmen bzw. Maßnahmen ergreifen, um mein Leben zu verbessern:Wenn Sie Ihre Liste ausgefüllt haben, halten Sie sie bitte zum späteren Nachschlagen griffbereit. Und bitte: Achten Sie, falls Sie tatsächlich gar nichts aufgeschrieben haben, vor dem Weiterlesen darauf, dass Sie zumindest ernsthaft über Ihre Antworten nachdenken. (Es ist in Ordnung, wenn sie vage oder unvollständig sind oder wenn Sie sich des Unterschieds zwischen Werten und Zielen noch nicht sicher sind; wir werden auf all dies später noch einmal zurückkommen. Jetzt ist es lediglich von Bedeutung, dass Sie einen Anfang machen.)
Wie sind Sie also vorgegangen? Haben Sie die Lebensveränderungsliste ausgefüllt, entweder im Kopf oder auf dem Papier? Falls ja, großartig; dies ist ein wichtiger erster Schritt auf Ihrem Weg zu Selbstvertrauen. Falls Sie es nicht getan haben, wie wäre es dann damit, noch einmal zurückzugehen und es jetzt sofort zu tun? Schließlich können wir keine Karatekünste entwickeln, indem wir einfach nur etwas darüber lesen; wir müssen die Bewegungen üben. Und es ist weitgehend dasselbe, wenn es darum geht, Selbstvertrauen zu entwickeln. Die Übungen in diesem Buch sind alle wesentliche Bewegungen oder Schritte; wenn Sie das Spiel des Selbstvertrauens gut spielen wollen, müssen Sie sie ausführen. Also bitte: Sorgen Sie dafür, dass Sie ein paar Antworten gefunden haben, bevor Sie weiterlesen.
Viele Menschen haben sich vollkommen in etwas verirrt, das ich die „Selbstvertrauenslücke“ nenne. Das ist die Stelle, an der wir stecken bleiben, wenn unseren Träumen und Ambitionen die Angst in die Quere kommt. Sie wissen, dass Sie in der Selbstvertrauenslücke feststecken, wenn Sie so etwas glauben wie:
Ich kann meine Ziele nicht erreichen, keine Spitzenleistungen erbringen, nicht die Dinge tun, die ich tun will, oder mich wie die Person verhalten, die ich sein möchte, solange ich nicht mehr Selbstvertrauen fühle.
Gilt dies für Sie? Viele Ansätze zur Selbsthilfe ermuntern Sie ungewollt dazu, so zu denken, aber bald werden Sie entdecken: Je stärker Sie an dieser Überzeugung festhalten, umso mehr wird diese Sie davon abhalten, das Leben zu schaffen, das Sie sich wünschen. Bald werden wir untersuchen, warum dies so ist, aber lassen Sie uns zunächst die zwei unterschiedlichen Definitionen des Wortes „Vertrauen“ ansehen.
1. Ein Gefühl der Sicherheit oder Gewissheit
2. Ein Akt des Vertrauens oder Sichverlassens
Die erste Definition von Vertrauen – „Ein Gefühl der Sicherheit oder Gewissheit“ – ist bei Weitem die meistgebrauchte. Die meisten Menschen stellen sich Selbstvertrauen als ein mächtiges Gefühl der Sicherheit oder Gewissheit vor: ein Gefühl der Gelassenheit, der Ruhe und Unbefangenheit, die absolute Überzeugung, dass man gute Leistung erbringen und ein positives Ergebnis erzielen wird, das Nichtvorhandensein von Angst und Sorge, das Fehlen von Selbstzweifel oder Unsicherheit und die Abwesenheit negativer Gedanken über Misserfolge oder Versagen.
Die zweite Definition wird weit weniger häufig verwendet. In dieser Definition ist Vertrauen kein Gefühl, sondern eine Handlung; sie ist ein „Akt des Vertrauens oder Sichverlassens“. Dies ist eine sehr viel ältere Bedeutung des englischen Wortes für Vertrauen, „confidence“, die auf dessen Ursprung im Lateinischen zurückgeht. Der Begriff „confidence“ stammt von den lateinischen Wörtern „com“, d. h. „mit“, und „fidere“, d. h. „vertrauen“, ab. Wenn wir jemandem vertrauen oder uns auf ihn verlassen – egal, ob es sich bei dieser Person um uns selbst oder um jemand anders handelt –, haben wir häufig nicht Gefühle absoluter Sicherheit oder Gewissheit. Im Allgemeinen gilt vielmehr, dass wir umso mehr dazu neigen, Gefühle der Angst und Sorge zu haben und uns Gedanken darüber zu machen, was möglicherweise schiefgehen kann, je mehr auf dem Spiel steht.
Nehmen wir zum Beispiel einmal an, Sie hätten einen Hirntumor und würden einen Topneurochirurgen an Ihrem Gehirn operieren lassen. Das ist ein „Akt des Vertrauens oder Sichverlassens“ – Sie vertrauen dem Chirurgen oder verlassen sich darauf, dass er die Operation kompetent durchführt. Eine andere Möglichkeit, dies zu sagen, wäre: Sie haben genug Vertrauen in die Fähigkeiten des Chirurgen, um ihn die Operation an Ihnen ausführen zu lassen. Nun ist es höchst unwahrscheinlich, dass Sie unter diesen Umständen Gefühle absoluter Sicherheit und Gewissheit hätten. In der Tat wäre es für ein menschliches Wesen in dieser Situation beinah unmöglich, vollkommen ruhig und gefasst zu sein, ohne jegliche Angst oder Sorge. Wenn Sie ein normaler Mensch sind und vor einer großen Gehirnoperation stehen, können Sie damit rechnen, reichlich Angst und Unsicherheit zu empfinden und viele unangenehme Gedanken über die damit verbundenen Risiken zu haben.
Beide Bedeutungen von „Vertrauen“ – ein Gefühl der Sicherheit oder ein Akt des Vertrauens oder Sichverlassens – sind absolut zutreffend. Aber sie bringen eindeutig zwei sehr unterschiedliche Konzepte zum Ausdruck, und wir müssen sie voneinander unterscheiden, ansonsten kommen wir durcheinander. Für eine saubere Trennung werde ich im gesamten Buch über die „Gefühle des Vertrauens“ bzw. Selbstvertrauens oder über „Vertrauen, das Gefühl“ im Gegensatz zu „Handlungen des Vertrauens“ bzw. Selbstvertrauens oder „Vertrauen, die Handlung“ sprechen. Lassen Sie uns, um zu verstehen, warum diese Unterscheidung so wichtig ist, die Geschichte von Nelson Mandela ansehen.
Wenige Individuen haben die Menschen so inspiriert wie Nelson Mandela. Unglaublichen Widerständen zum Trotz trat er für Gerechtigkeit, Freiheit und Gleichberechtigung ein. In seinem Streben nach einer demokratischen und freien Gesellschaft ging er gegen das erbarmungslos unterdrückerische Apartheidregime in Südafrika vor und riskierte dabei wiederholt sein Leben. Dass er nicht getötet wurde, erscheint wie ein Wunder. Aber als die südafrikanischen Behörden ihn letztendlich ergriffen, verurteilten sie ihn zu siebenundzwanzig Jahren Gefängnis, die ersten achtzehn davon im grausamen Gefängnis auf Robben Island.
In seiner inspirierenden Autobiografie Long Walk to Freedom (dt. Der lange Weg zur Freiheit) beschreibt Mandela die entsetzlichen Bedingungen im Gefängnis auf Robben Island: den ganzen Tag lang Schuften unter der gnadenlosen Sonne; von früh bis spät im Steinbruch Kalkstein brechen und klopfen; ständig war man Prügel, Hunger und psychischer Folter ausgesetzt. Viele Männer wären daran zerbrochen, Jahr für Jahr in dieser Hölle zu leben. Nicht aber Mandela. Er gab seine Sache nie auf. Während all dieser langen Jahre der Gefangenschaft trat er weiterhin für Gerechtigkeit, Freiheit und Gleichberechtigung ein. Und allen Widrigkeiten zum Trotz wurde er schließlich aus dem Gefängnis entlassen und vier Jahre später der erste schwarze Präsident Südafrikas.
Der Autor Richard Stengel, der Mandela zwei Jahre lang beim Schreiben seiner Autobiografie assistierte, verfasste für das Time Magazin einen aufschlussreichen Artikel mit dem Titel „Mandela: His 8 Lessons of Leadership“. Hierin schreibt er, dass Mandela während seines langen Kampfes gegen die Apartheid und seiner vielen Jahre im Gefängnis häufig Angst hatte.
„Natürlich hatte ich Angst!“, erzählte ihm Mandela. „Ich kann nicht so tun, als wäre ich mutig und könnte die ganze Welt schlagen.“ Jedoch wusste Mandela, dass er seine Furcht zu verbergen hatte, wollte er ein großer Führer sein und seine Kameraden im Gefängnis inspirieren. So tat er genau das. Sicher, er konnte seine Gefühle nicht kontrollieren, aber er hatte genug Kontrolle über seine Gesichtsausdrücke, seine Haltung und die Art, wie er ging und sprach, um den Menschen in seiner Umgebung den Eindruck von Furchtlosigkeit zu vermitteln. Und dies war enorm inspirierend für die anderen Gefangenen auf Robben Island. Wenn sie ihn mit stolzer und aufrechter Haltung über das Gelände gehen sahen, stieg ihr Mut. Wie Stengel es ausdrückt, reichte der Anblick aus, „um sie tagelang durchhalten zu lassen“.
Wenn Mandela vertrauensvoll über den Gefängnishof ging, war das dann ein Beispiel für „Vertrauen, das Gefühl“ oder „Vertrauen, die Handlung“? Natürlich war es Letzteres. Er fühlte sich nicht ruhig und sicher. Jedoch war er eindeutig in einen Akt des Vertrauens eingebunden. Er vertraute darauf, dass er auf „aufrechte und stolze“ Weise gehen würde, obwohl er große Angst hatte. Er beseitigte seine Furcht nicht. Er beschrieb dies als das Lernen, „über seine Furcht zu triumphieren“. Mit anderen Worten lernte er, sich auf sich selbst zu verlassen, darauf zu vertrauen, dass er handeln würde, egal, wie sehr er sich fürchtete.
Bevor wir unsere kleinen Abstecher zu den unterschiedlichen Bedeutungen des Wortes „Vertrauen“ und dem Gefängnisleben von Nelson Mandela gemacht haben, sprachen wir über „Selbstvertrauenslücke“. Und ich sagte, dass Menschen in ihr stecken bleiben, wenn sie an dieser Überzeugung festhalten: Ich muss Selbstvertrauen fühlen, bevor ich meine Ziele erreichen kann, Spitzenleistungen erbringen kann, die Dinge tun kann, die ich tun will, oder mich wie die Person verhalten kann, die ich sein möchte.
Stellen Sie sich jetzt nur einen Augenblick lang vor, Mandela hätte während seiner Zeit im Gefängnis nach dieser Regel gespielt. Angenommen, er hätte auf das Verschwinden all seiner Angst und Unsicherheit gewartet, bevor er aktiv wurde. Angenommen, er hätte an diese Vorstellung geglaubt: „Ich kann nicht mit stolzer und aufrechter Haltung über diesen Hof gehen, bevor ich mich ruhig und sicher fühle, bevor ich all meine Furcht beseitigt habe, bevor ich keine Gedanken darüber habe, was schiefgehen könnte.“ Hätte ihm das geholfen, ein inspirierender Führer zu werden?
Mandela wusste eindeutig das Spiel des Selbstvertrauens zu spielen. Er spielte nicht nach der Regel: Ich muss mich sicher fühlen, bevor ich tue, worauf es ankommt. Dies ist die älteste all jener „falschen Regeln“, die ich in der Einleitung erwähnt habe. Und je mehr wir nach ihr spielen, umso schlimmer die Ergebnisse.
Bevor wir nun fortfahren, möchte ich Sie bitten, zehn Sekunden lang innezuhalten und darauf zu achten, was Ihr Verstand tut. Hören Sie sich einfach ruhig diese Stimme in Ihrem Kopf an und nehmen Sie zur Kenntnis, was sie Ihnen sagt.
Wird Ihr Verstand verärgert oder frustriert? Sagt er: „Oh je, bitte erzähl mir nicht, dass er den alten ‚Durch Schein zum Sein‘-Weg einschlagen wird. Von dem habe ich schon gehört!“? Oder prophezeit er das Schlimmste? Sagt er: „Oh Nein. Er wird mir erzählen, dass ich mich einfach mit diesen Angstgefühlen abfinden muss, die Zähne zusammenbeißen und mich zwingen muss, es zu tun!“?
Falls Ihr Verstand Ihnen etwas Derartiges sagt, ist das vollkommen normal und war nur zu erwarten; wie wir später sehen werden, hat der menschliche Verstand die natürliche Neigung, das Schlimmste zu prophezeien. Lassen Sie uns also diese Gelegenheit nutzen, um etwas klarzustellen: Ich werde Sie niemals