Adelina oder Der Abschied vom neunzehnten Lebensjahre Aufzeichnungen - Kokoschka, Bohuslav - kostenlos E-Book

Adelina oder Der Abschied vom neunzehnten Lebensjahre Aufzeichnungen E-Book

Kokoschka, Bohuslav

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The Project Gutenberg EBook of Adelina oder Der Abschied vom neunzehntenLebensjahre, by Bohuslav KokoschkaThis eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and withalmost no restrictions whatsoever.  You may copy it, give it away orre-use it under the terms of the Project Gutenberg License includedwith this eBook or online at www.gutenberg.org/licenseTitle: Adelina oder Der Abschied vom neunzehnten Lebensjahre       AufzeichnungenAuthor: Bohuslav KokoschkaIllustrator: Oskar KokoschkaRelease Date: July 3, 2016 [EBook #52486]Language: German*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK ADELINA ODER DER ABSCHIED ***Produced by Jens Sadowski and the Online DistributedProofreading Team at http://www.pgdp.net

Bohuslav Kokoschka

AdelinaoderDer Abschiedvom neunzehnten Lebensjahr.

Aufzeichnungen

Kurt Wolff Verlag · München

Bücherei „Der jüngste Tag“ Band 76/77

Gedruckt bei Poeschel & Trepte in Leipzig

Mit einer Zeichnung von Oskar Kokoschka

Copyright 1920 by Kurt Wolff Verlag, München

Mir selber gewidmet

Motto:

Hier liegt begraben ein neunzehntes Lebensjahr.

Was Leben war

Ward zum Kadaver

Unter einem Buchdeckel.

Mit dem versah er

Die Gruft,

Daß in der Weltluft

Seines ferneren Lebens

Dies Leben sich nicht zersetze ...

„Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten“

(Goethe)

Ach, meine Kammer!

Ich bin jetzt Florestan in deinen Mauern, und Feuchtigkeitsflecken an den Wänden und von mir behütete zarte Spinnenwebe in den Ecken nehm ich als Tränen und Zeichen der Trauer, und daß meine gütige Kammer Eins ist mit mir und meinem Kummer ...

Odalisk, Plakatschönheit, langer Nagel an der Wand rostet ein in ihrer weißen Stirne ... Luise, Handelsschülerin, Lukretia, erblüht, groß geworden und vergiftet im Odem der Kärntnerstraße, Franka H. und zwölfjährige Dorothea ... Flüchtlinge vor dieser Welt, denen ich ins Stammbuch schrieb: Wie dies Buch in meiner Hand, voll weißer Blätter, unbeschrieben ..., et ceterae, ihr alle seid mir wie: Aden, Freemande, Brisbane, Amboina, Yokohama, Mahé, seligstes Hinlallen, Erinnern des greisen Weltreisenden, Einsamen im Lehnstuhle, bei dem kalten Schein der Lampe, Junggesellenzimmer — Museum, vor dem Schlafengehen zu Gott ...

Ich ziehe den weißen Vorhang vom Fenster weg und ein lichter Einbrecher kam in die Kammer ...

An einem Morgen war das, und ich stehe am Fenster und lächle meine Kammer an.

Ja, diese Blätter werden davon berichten. — — —

Lateinischer Himmel über den Telegraphendrähten von einem Dach zum andern!

„Wirklich!“

als er den Saum des Vorhangs in der Hand hält ... Sonntag, und die liebe Amateurstimme, das ist ein böhmisches Dienstmädchen. Es hat noch keinen Liebsten und deshalb läßt es sich Zeit. Und zwischen seinem Singsang der Klang von silbernen Löffeln, die gerade in die Schieblade verwahrt werden.

Fenster sind sämtlich offen, und die Stockwerke herunter an Fenster und Wand brennt die Sonne. Julisonne im März!

*

„Ach ja, und von Adelinen ahnen Sie wohl nichts. Ich hätte, ja, ebensogut hätte ich sagen können: Adelina.

Adelinen ...“

„Gehen wir, ich bitte Sie!“ Eindringlich sagt es Luise zu ihrem Galan.

Ja, es war ein Galan mit lila Strümpfen und dem Girardi in der Hand. Denn seine Haare waren gebrannt.

Er blies seine Brust auf, schüttelte das Hosenbein zurecht und „erfüllt ihren Wunsch“.

„O, guten Tag, Fräulein Emma! Entschuldigen Sie; ich weiß es, ich habe Sie heute schon mehrere Male gegrüßt, aber ich versichere, für Sie habe ich immer ein echtes, ja echt — man nimmt so in die Hand und sagt echt — echtes Gefühl der Freundschaft gehabt. Sie waren es doch, die sagte, zu kurzen Hosen paßten gestreifte Strümpfe mit rotem Rand? Sie lachen? Ja, Sie glauben doch nicht, ich hätte etwas getrunken? Ach, Emma!“

Aber Emma war schon weg.

Ja, er hatte plötzlich zu reden begonnen, ohne daß es jemand geahnt hätte, zu wem.

Da verhielt sich ein Mensch die halbe Stunde, die er hier war, vollkommen ruhig, einmal sieht er an seiner linken Achsel herab und an seinem linken Mundwinkel zieht etwas, dann verhält er sich wieder ganz wie vorher.

Plötzlich aber redet er, redet, und ein junges Mädchen steht auf, sagt etwas zu ihrem Begleiter, und beide gehen fort.

In diesem Augenblicke kommen Emma und Olga. Sie sind wieder da und haben etwas Listiges auf dem Herzen. Sie haben etwas ausgeheckt, Emma und Olga. Ach, man war gespannt, auf ihren Gesichtern stand geschrieben: Man verspricht sich Erfolg von dieser Unternehmung.

„Wir fragen Sie, in wen sind Sie eigentlich verliebt?“

„In wen? Wie?! Was?!“ Er springt auf. „Das heißt also ...“

Plötzlich beruhigt er sich und sagt: „Fräulein Emma und Fräulein Olga, bitte setzen Sie sich da neben mich, so, links und rechts, ja?

Ich werde Ihnen eine Geschichte erzählen:

Da hat jemand ein Schauspiel geschrieben. Gegen Schluß des vierten Aktes, denken Sie sich — geben Sie her den Schirm, bitte (es war ein Riesenschirm), ich werde ihn halten — gegen Schluß des vierten Aktes, die erste Persönlichkeit der Stadt im Kreise ihrer Familie.

Im Hintergrunde ein leuchtendes Transparent: „Es lebe hoch usw., die usw.“, und Volk. Und jetzt, glauben Sie, Fräulein Emma und Fräulein Olga, daß ich es jetzt so machen werde, wie der:

Aufrecht: „Was da auch kommen mag“, bleich, die Hand ausgestreckt. „Das ist noch nicht alles“, sagt die Hand. Er schüttelt den Kopf.

Nein, der Kopf weiß noch mehr!

Und die Augen schließen sich wieder, und der Mund öffnet sich abermals, dieser widerspenstige Mund, der alles ausplaudert.

„Was sagt er?“ fragen viele Stimmen. „Was fällt diesem Menschen ein?“ liest man auf allen Gesichtern. Ja, ja, in der Tat, alles das hat mit dem Transparent nichts zu tun ...

Er blickt zurück in den Kreis der Familie, da steht die, leuchtenden Auges und ihr Auge sagt: „Du herrlicher Mensch, stark sein!“

Da muß er (ach er muß), er will es, der Dichter; leise muß er zu seiner Frau sagen: „Betty, fasse dich und ertrage was jetzt kommt.“ Und es ist dies keine Regiebemerkung. Ja, das sagt er. Und Betty faßt sich, die Gute ..!

Dann wendet er sich zum Volk, und ein schwarzer Sprung im erbleichenden Gesicht plaudert alles aus. Alles.

Wie hübsch sich das ausnahm von der dritten Galerie (dieses einzige Mal, das ich in einem Theater war). Gleichsam ein Pointejunges, das auf der Pointe selber saß, die sich vier Akte hindurch geschwollen völlerte. Und jetzt, jetzt war es ihr endlich gegönnt, durch einen schwarzen Sprung aus einem bleichen Gesicht zu platzen. Wie ein Donnerschlag!

Herr Rohrland muß sagen: „Wie ein Donnerschlag!“ Und es ist dies keine Regiebemerkung. Und sie tut es, die Pointe.

Selbst das Volk auf der Bühne zog ab.

Das ist die Tat der Pointe!“

Emma und Olga sehen sich an. Ach, daß sie beide denselben Gedanken hatten! Ist er verrückt?

Sie sahen sich an und lachten, Emma und Olga.

„Ja, in wen Sie eigentlich verliebt sind, wollten wir ja wissen?“

Er holt tief Atem, lehnt sich zurück und steckt die Hände in die Hosentaschen.

Dann fing er wieder an:

„Sie waren gespannt auf eine Pointe, die der ganzen Sache so gewissermaßen eine Krone aufzusetzen hätte; sehen Sie, eine Pointe“, und er wog mit der Hand ...

„Ich aber würde Wahrheit erzählen, liebes Fräulein Emma und Fräulein Olga, o Wahrheit,“ sagte er glühend. „Und Wahrheit hat keine Pointe. Nein, sie bedarf ihrer nicht! Holla, sie geht nicht auf dem Schreibtisch spazieren!“

Er sprang auf und eilte fort.

*

Einmal sah ich sie beisammen sitzen. Sie und ihn. In einer Nische des Hotelparks. Sie besahen sich gerade ein fadendünnes Goldkettchen, ein Medaillon war daran.

Und er mußte sie lehren, wie man das Medaillon öffnet und wieder zumacht. Und gleich, gleich nimmt sie es ihm aus der Hand.

Ach, voll Eifer ist sie ...!

Da entdeckt sie etwas darin, und die Freudenröte breitet sich über ihr Gesicht. Strahlt sie nicht? Sicuro, sie strahlt ...

Und dann, was tat sie nicht alles mit ihrem Medaillon und in ihrem Glück! Sie legt das Medaillon auf den Handrücken, läßt es da eine Weile so liegen und betrachtet es, das gelbe, glatte Gold, auf dem hellen Handrücken.

Dann, als sie sich das Medaillon um den Hals hängen will, nimmt er es ihr aus der Hand, schaut ihr in die Augen, hängt es ihr um.

Mit eigener Hand ...

Sie hält sich still und willig. Es leuchtet aus ihren Augen, frattanto sie vor sich hin auf den Boden blickt ..

Windstill war es im Garten.

*

Dieses Medaillon ist von ihm.

Wohl, wohl, ihm, dem kahlrasierten Herrn. Aber wartet nur bis die Jahreszeit kommt, da man die Haare wachsen läßt! Hähä! ...

Aber wo gerate ich hin!? Elastizität! Elastizität!

Da sehe ich, wie ein Herr plötzlich in seinen Taschen sucht. Seine Finger übereilen alle die Gegenden an seinem Leib, wo Taschen sein könnten; da bin ich bei ihm und lächle: Bitte?

Er springt auf, nickt, nickt und brennt sich die Zigarette an, und die Hand in der Rocktasche bleibt darin. Dann verbeugt er sich, ich sehe an ihm vorbei und auf die Bank, und von da blicken mich zwei graue Augen an. —

Ob man will oder nicht. Es ist nichts auszusetzen an ihm ... Und ich gehe wieder fort und an der Brustwehr entlang.

Da bleibe ich stehen, gerade da, und aus der Brusttasche nehme ich die Karte von Damenhand und lasse sie in das Wasser fallen.