Aikido - eine friedvolle Kampfkunst - Wolfgang Schwatke - E-Book

Aikido - eine friedvolle Kampfkunst E-Book

Schwatke Wolfgang

4,9

Beschreibung

Aikido ist eine außergewöhnliche Form der Selbstverteidigung gegen unbewaffnete und bewaffnete Angreifer. Die auf den Kriegskünsten der Samurai basierenden Verteidigungstechniken ermöglichen, einen Angriff in einer angemessenen Form entgegentreten zu können. Aufgrund der Erkenntnis, dass ein Konflikt nie mit Kampf dauerhaft beseitigt werden kann, und entsprechend der Geisteshaltung des Aikido, dienen die Verteidigungstechniken nicht zur Zerstörung des Angreifers. Vielmehr soll dem Angreifer mit belehrender Strenge die Nutzlosigkeit seines Tun vor Augen geführt werden, um seine ursprüngliche Aggression aufzugeben. Aikido zeigt daher Wege zur Konfliktvermeidung aber - falls erforderlich - auch zur Konfliktbeseitigung auf. Sie ist eine Kampfkunst mit besonderen geistigen und erzieherischen Inhalten. Die Prinzipien des Aikido und die friedvolle Geisteshaltung der Kampfkunst sind dazu geeignet, diese auch in die zwischenmenschliche Bereiche des Alltags positiv einfließen zu lassen. Aikido wird auch erklärt „als ein Weg (Do) zur Harmonisierung (Ai) der kosmischen Kraft (Ki)“. In diesem Buch wird Aikido in einer verständlichen Form und in einem überschaubaren Umfang vorgestellt. Es soll zum Erlernen dieser besonderen Kampfkunst anregen. Zugleich vermittelt das Buch den Trainerinnen und Trainern das notwendige Fachwissen, um ihren Schülern die zahlreichen Fragen über die technischen und geistigen Inhalte des Aikido zufriedenstellend beantworten zu können. Der Autor Wolfgang Schwatke betreibt Aikido seit fast 40 Jahren (davon ca. 36 Jahre als Trainer für Kinder/Jugend und Erwachsene) und ist Inhaber des 6. Dan Aikido.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 141

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,9 (16 Bewertungen)
14
2
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsangabe

Vorwort

Historie

01 Der frühe Ursprung des Aikido

02 Wegfindung (DO) in Japan

DO in den japanischen Kampfkünsten

03 Entstehen der Kampfkunst Aikido

Grundsätzliches

04 Ueshiba Morihei – der Begründer des Aikido

05 Kampfkunst Aikido

06 Kampfkunst - Kampfsport

07 Die Entwicklung des Aikido nach Ueshiba Morihei

Lehren und Lernen der Kampfkunst

08 Training im Aikido

09 Waffenlose Techniken im Aikido

10 Elemente und Prinzipien im Aikido

11 Der Gebrauch von Waffen im Aikido

12 Aiki-no-kata

13 Hanmi-Hantachi

14 Kaeshi - Renzuko

15 Morote-waza

16 Jiyu-waza

Noch Wissenswertes

17 Gürtelprüfungen

18 Etikette in der Kampfkunst Aikido

19 Meister/Schüler-Beziehung

20 Friedvolle Verteidigung

Ethik der Verteidigung

21 Wie wirksam ist Aikido eigentlich?

22 Warum Aikido erlernen?

Form der Verteidigung

Sportliche Betätigung

Persönliche Ausstrahlung

Abbau von Berührungsängsten

Körperliches Empfinden

Beharrlichkeit, Verlässlichkeit, Disziplin

Nachwort

Quellennachweis

Biografie des Autors

Collage von Julian Fahrenholz / Serie: Aikido - Titel: Aikido-Wurf / 2014 (www.julianfahrenholz.de)

Vorwort

Über die Kampfkunst Aikido wurden schon zahlreiche Artikel und Bücher verfasst, so dass erfahrungsgemäß ein weiteres Buch keine neuen Erkenntnisse über die Historie des Aikido birgt.

Auch die Basisbewegungen, die traditionellen Angriffsformen und Technikfolgen haben sich seit der Entstehung der Kampfkunst nicht so wesentlich verändert, dass diesbezüglich neue schriftliche Betrachtungen zwangsläufig erforderlich wären.

Dieses Buch soll Grundkenntnisse über die Kampfkunst insbesondere den Aikidoka vermitteln, die in ihren Dojo eine Tätigkeit als Trainer beginnen, aber natürlich auch den fortgeschrittenen Aikidoka, die mehr über ihrer Kampfkunst erfahren wollen. Nachdem die Schüler von ihren Lehrern fundierte Antworten auf ihre unterschiedlichen Fragen zu den Techniken und der Lehre des Aikido erwarten, sollten ihre Lehrer über ein hinreichendes Grundwissen verfügen, um sich die notwendige Anerkennung und Akzeptanz zu sichern.

In diesem Buch werden zahlreiche Themen zur Entwicklung der Kampfkunst Aikido und ihren Platz in der Welt des Budo angesprochen, ebenso die geistigen und technischen Inhalte des Aikido. Bewusst habe ich mich bei den einzelnen Betrachtungen kurz gehalten, um den Charakter eines „Handbuches“ zu bewahren, das für eine ausreichende Beantwortung auftretender Fragen ausreicht. So wurden auch Themen aufgenommen, die nicht regelmäßig im Training angesprochen werden aber dennoch interessant genug sind, um die Geisteshaltung des Aikido dadurch besser verstehen zu können.

Falls jedoch der Fragesteller noch tiefer in die Materie zu den einzelnen Themen eintauchen möchte, stehen hierzu zahlreiche weitere Quellen (z.B. Internet) zur Verfügung.

Ein weiterer Aspekt dieses kleine Buch zu schreiben war, Entwicklungen anzusprechen und zu bewerten, mit denen man sich - nach meiner Einschätzung - von den geistigen Inhalten der Kampfkunst Aikido bewusst oder unbewusst entfernt.

So habe ich hierzu teilweise meine Betrachtungen in Form von persönlichen Anmerkungen zu den jeweiligen Themen dargelegt, um fortgeschrittene Aikidoka zumindest zum Nachdenken anzuregen und zur eigenständigen Bewertung zu animieren.

Natürlich soll das Buch auch Außenstehende aufzeigen, was sich hinter Aikido verbirgt und wie umfangreich, reichhaltig und wertvoll sich ein Erlernen dieser Kampfkunst darstellt. Es ist zu wünschen, dass sich nach dem Studium des Buches nicht wenige Leser und Leserinnen dazu animiert fühlen, Aikido zu erlernen.

Ich habe mich bemüht, die Kapitel so zu verfassen, dass diese – dem Charakter eines Handbuches entsprechend - für sich alleine stehen und das Nachschlagen erleichtern.

Deshalb waren in Einzelfällen wiederholende Aussagen unvermeidlich.

In der Hoffnung, dass dieses Handbuch von den Lesern und Leserinnen so angenommen wird wie von mir gedacht, wünsche ich viel Erfolg beim Umsetzen der dargelegten Denkanstöße im Training.

München, September 2016

Wolfgang Schwatke

6. Dan Aikido

Anmerkung:

Entsprechend der japanischen Schreibweise werden nachfolgend bei der Nennung japanischer Namen der Familienname vor den Vornamen gestellt.

Die in diesem Buch verwendeten Bezeichnungen wie „Meister / Lehrer / Trainer / Schüler“ sind selbstverständlich geschlechtsneutral zu verstehen.

01 Der frühe Ursprung des Aikido

Die Wurzeln des Aikido reichen bis zu den japanischen Kriegern des 9. Jahrhundert n. Chr. zurück, als diese sich an unterschiedlichen Waffen übten und diese körperlichen und technischen Fertigkeiten in ihren kriegerischen Auseinandersetzungen einsetzten. In den nachfolgenden Jahren und in der Blütezeit der Samurai entstanden in Japan zahlreiche Kampfschulen mit eigenen spezifischen Kampfstilen, die nur an die Krieger ihrer Kampfschulen vermittelt wurden. Diese geheim gehaltenen Techniken durften insbesondere nicht an Personen weitergegeben werden, die einer anderen in Konkurrenz stehenden Kampfschule angehörten.

Einige Kampfschulen und -stile erreichten teilweise legendären Ruhm und behaupteten sich über Jahrhunderte. Die damaligen Kampfstile beinhalteten verschiedene Formen des Waffenkampfs wie z.B. Schwertkampf, Lanzenkampf, Bogenschießen.

Diese Kampfstile beinhalteten aber auch Taijutsu, die waffenlose Form der Verteidigung.

Obwohl der Gebrauch der verschiedenen Waffen eine vorherrschende Rolle spielte, war das Üben des Taijutsu und die Fähigkeit sich auch ohne Waffen zur Wehr setzen zu können für die Krieger von großer Wichtigkeit. So wenn z.B. die Waffen während eines Kampfes stark beschädigt bzw. zerstört wurden oder bei engen räumlichen Verhältnissen, die einen Einsatz bestimmter Waffen verhinderten.

Ebenso, wenn Krieger vor den Betreten bestimmter Räumlichkeiten der Fürstenhöfe ihre Waffen ablegen mussten, was besonders problematisch war, wenn es sich hier um fremde oder mitunter um verfeindete Fürstenhöfe handelte.

Den höfischen Riten entsprechend durfte der erhöht sitzender Fürst von seinen Untergebenen und Gästen körperlich nicht überragt werden, so dass diese sich in den öffentlichen Empfangsräumen o.ä. nur kniend bewegen bzw. sitzen durften. Um sich auch in dieser Situation vor Überraschungsangriffen schützen zu können, war die unbewaffnete Verteidigung aus dem Kniestand von besonderer Bedeutung, um schnell in eine aufrechte Standposition zu gelangen.

Einer dieser Kampfstile wurde über Jahrhunderte unter der Bezeichnung Daito ryu Jujutsu weitergegeben; meist innerhalb der Familie Takeda und hier zuletzt von Takeda Sokaku (1860-1943). Anfang des 20. Jahrhunderts änderte sich die Bezeichnung in Daito ryu Aikijujutsu.

Der Begründer des Aikido, Ueshiba Morihei, studierte bereits in frühen Jahren Tenji Shinyo ryu Jujutsu sowie Goto Ha Yagyu ryu Jujutsu. In den späteren Jahren erlernte er Aikijujutsu und war zeitweise ein unmittelbarer und somit enger Schüler von Takeda Sokaku, bei dem er die Position Kyoyu Dairi erreichte, die ihm eine hohe Kenntnis im Aikijujutsu bescheinigte.

Auf der Grundlage der waffenlosen Verteidigungstechniken des Aikijujutsu und seiner sehr früh erlernten anderen Jujutsu-Formen entwickelte Ueshiba Morihei (1883-1969) seine Kampfkunst. Nach verschiedenen Änderungen der Bezeichnungen (Aikibujutsu, Aikibudo) nannte er letztlich seinen Stil Aikido.

Takeda *

* Japanisches Samurai-Familienwappen

02 Wegfindung (Do) in Japan

Um die Geisteshaltung des Aikido und den Grund für eine Entwicklung und Schaffung dieser Kampfkunst zu verstehen, ist es hilfreich, sich zuvor - zumindest kurz - mit den traditionellen Künsten in Japan zu befassen.

Seit dem 6. Jahrhundert gehört es zur japanischen Kultur bestimmte Tätigkeiten des Alltags durch rituelles Handeln zu einer Besonderheit aufzuwerten. Etwa ab dem 12. Jahrhundert beeinflusste außerdem der Zen-Buddhismus - neben dem Konfuzianismus und dem Schintoismus - dieses tägliche Handeln in Japan zunehmend.

Im Zen sollen sich die Übenden anhand von praktischen Übungen in kniender und ruhender Position (Zazen) in einen Zustand der „meditativen Versenkung“ selbstlos und absichtslos auf einen Weg (DO) begeben, um zur Erleuchtung (Satori) zu kommen und somit zur „universellen Einheit“ zu gelangen.

Da diesen Zustand nur wenige Übende jemals erreichen können, ist nicht dieses Ziel (Erreichen des Satori) von wesentlicher Bedeutung sondern das tägliche Üben. Hierfür sinnbildlich ist das bekannte Zitat „ Der Weg ist das Ziel“.

Das intensive Üben soll den Fortgeschrittenen ermöglichen, gewollt in einen Zustand der geistigen Leere zu gelangen. Erst der Zustand der geistigen Leere ermöglicht ihnen die geistige Klarheit, um einer „universellen Einheit“ näher zu kommen.

Vor diesem Hintergrund wandelten sich die alltäglichen aber bereits ritualisierten Handlungen zu meditativen Kunstformen mit dem Ziel der Wegfindung (DO). Um diese Besonderheit auch nach außen sichtbar zu machen, erfolgte eine Aufnahme der Silbe DO in deren Bezeichnungen.

Diese Kunstformen können naturgemäß nicht in einer ruhenden Position erledigt werden, sondern die Ausführenden müssen dabei aktiv und „handwerklich“ tätig sein. Deshalb bezeichnet man diese Handlungen mitunter als eine „dynamische Form der Meditation“.

So entstanden schon frühzeitig Kunstformen, die bis in unsere heutige Zeit bekannt und nicht nur in Japan von Bedeutung sind, wie z.B.

Kado – Weg des Blumensteckens

Sado – Weg der Teezubereitung

Shodo – Weg des Schreibens

Auch bei diesen alten Kunstformen stand bzw. steht nicht das ausschließliche Herstellen eines makellosen Endprodukts (Ziel) sondern die unmittelbare, formale und sich immer wiederholende Tätigkeit der Ausübenden im Vordergrund. Unter ständigem Üben lernen sie Körper und Geist auf die augenblickliche Handlungen zu fokussieren. Mit dem Ziel, Körper und Geist in einen harmonischen Einklang zu bringen, um auf diesem Weg (DO) zur „universellen Einheit“ zu gelangen.

Frühzeitig erkennen die Ausübenden, dass es nur sehr wenigen Menschen - wenn überhaupt - gelingen kann, dieses hohe Ziel zu erreichen. Sie erfahren, dass dieses hohe Ziel nicht der Antrieb für ihr Handeln sein kann und darf. Trotz dieses Wissens sollen sich die Ausübenden in ihrem Handeln unablässig darum bemühen dieses Ziel anzustreben. Wie bereits erwähnt, muss der Fokus ausschließlich auf das augenblickliche Handeln konzentriert sein, mit der Erkenntnis, dass nur ein ständiges und beharrliches Tun den Übenden auf seinem Weg (DO) voran und seinem Ziel näher bringt. Die Übenden sollen daher „nicht ziellos aber absichtslos“ handeln.

Um zumindest in die Nähe des Zieles zu gelangen ist es ein langer Weg, den die Übenden für sich selbst gehen müssen. Es kann ihnen vielleicht ein Lehrer als „Wegweiser“ zeitweise hilfreich zur Seite stehen. Jedoch die notwendige Energie und Beharrlichkeit aufzubringen, um den Weg über Jahre zu gehen, müssen die Übenden alleine.

Do in den japanischen Kampfkünsten

Mit dem Beginn des 12. Jahrhunderts begannen in Japan kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den Daimyo (Landesfürsten), um die Herrschaft über das Land zu gewinnen. Diese Kriege und Scharmützel dauerten über Jahrhunderte und fanden erst ihr vorläufiges Ende mit der Schlacht von Sekigahara im Jahr 1600. Etwa ab diesem Zeitpunkt begann das Shogunat der Tokugawa (Edo-Periode), das dem Land einen über fünfzig Jahre lang dauernden Frieden bescherte.

Während der Feudalkriege hielten sich die einzelnen Daimyo zum Erhalt und zur Erweiterung ihrer Macht naturgemäß viele Krieger. Diese ihren Lehnsherren verpflichteten Krieger wurden unter der Bezeichnung Samurai bekannt. Sie verpflichteten sich ihrem Lehnsherrn über den Tod hinaus zur bedingungslosen Treue und Gefolgschaft (vergleichbar mit dem Ehrenkodex der europäischen Ritter des Mittelalters).

Mit dem Beginn des Tokugawa-Shogunats und dem Ende der Feudalkriege, wurde die große Heerschar an Kriegern von den Daimyo nur noch teilweise benötigt. Sie entließen einen Großteil ihrer Samurai aus ihren Diensten, die dann wegen fehlender, adäquater Anstellungen als Krieger perspektivlos durch das Land zogen und als sogenannte Ronin gegen Bezahlung ihre Kampferfahrungen auch für nicht immer moralisch einwandfreie Zwecke zur Verfügung stellten.

Für die bei den Daimyo verbliebenen Samurai waren Kampfeinsätze - wenn überhaupt – nun verhältnismäßig selten. Auch um bei den eventuell noch rekrutierten Kriegern - wegen Mangel an Kampfeinsätzen - keine Unzufriedenheit am Fürstenhof aufzukommen zu lassen, besann man sich offensichtlich auf die zahlreichen japanischen Künste, die sich bereits dem Do verschrieben haben.

So wurden die Prinzipien und Merkmale der Wegfindung (Do) auch auf die Übungen ohne und mit Waffen übertragen. Beim Üben mit den Waffen unter dem Aspekt des Do, stand nun nicht mehr das Töten mit der jeweiligen Waffe im Vordergrund („Ein Hauch - ein Tod“) sondern der meditative Umgang mit der Waffe, um sich geistig und körperlich positiv zu vervollkommnen.

Die bisher in kriegerischen Auseinandersetzungen eingesetzten Techniken und die damit verbundenen Bewegungsabläufe der Kriegskunst Bujutsu dienten so als Grundlage für die künftigen und unter dem Aspekt der Wegfindung (Do) angewandten bzw. noch immer angewendeten Bewegungsformen der japanischen Kampfkünste.

Aus dem Bujutsu (Kriegskunst) entwickelten sich die Kampfkünste des Budo (Weg des Krieges).

So finden wir im Aikido zahlreiche und nahezu gleiche Bewegungs- und Verteidigungsformen, die waffenlos aber auch mit einer Waffe in der Hand ausgeführt werden können.

Die Hinwendung zum Budo bedeutete aber nicht, dass damit die Kriegskunst Bujutsu aufhörte zu existieren. Die über Jahrhunderte dauernde Bedeutung des Bujutsu ließ erst etwa Mitte des 19. Jahrhunderts drastisch nach, als das Tragen von Schwertern in der Öffentlichkeit offiziell untersagt wurde und westliche Militärstrategien die Techniken und Waffen des Bujutsu in ihrer Wirkung überflügelten (z.B. Gebrauch von Schusswaffen). Die von den Familien geheim gehaltenen Techniken ihrer Kampfstile wurden jedoch weiterhin nur innerhalb der Familien über Familienangehörige oder - wenn erforderlich - ihnen vertrauenswürdigen Personen bis in das 20. Jahrhundert weitergegeben.

So geschehen in der Familie Takeda, die das Daito-ryu Jujutsu in dieser Form weitergab.

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges verbot die amerikanische Besatzungsmacht in Japan vorübergehend die weitere Ausübung der traditionellen Kriegskünste. Auch aus diesem Grund wurden diese Kriegskünste von den Verantwortlichen mit den Bezeichnungen der Kampfkünste (Budo) belegt.

Kano Jigoro, der Begründers des heutigen Judo, bezeichnet seine Kampfkunst anfangs als Jiu Jutsu bzw. Kano Jiu Jutsu, um diese dann als Judo zu vorzustellen. Diese Änderung ermöglichte es ihm als ersten Budoka sein Judo zunächst an den Universitäten zur Körperertüchtigung und später an den Polizei- und Militärschulen einzuführen. Dieser Umstand erklärt, warum Judo schon frühzeitig an Bedeutung gewann und sich zum Schul- und Volkssport in Japan entwickelte.

Auch Ueshiba Morihei änderte die Bezeichnung seiner Kampfkunst von anfänglich Aikibujutsu in Aikibudo bis er diese Aikido nannte. Wie berichtet wird, war es das Bemühen von Ueshiba Morihei seine Kampfkunst Aikido als Geschenk für den Kaiser (Tenno) zu präsentieren. Tatsächlich hatte er auch die Gelegenheit sein Aikido in den kaiserlichen Gemächern vorzuführen. Als Uke diente ihm dabei Meister Shioda Gozo - 10. Dan - Aikido (1915 -1994), dem späteren Begründer der Aikido-Stilrichtung Yoshinkan Aikido.

So wandelte sich u.a. folgende Kriegskünste zu Budo-Disziplinen

Jiu Jutsu - Judo (frei übersetzt „sanfte Weg“)

Kenjutsu - Kendo (Weg des Schwertkampfes)

Kyujutsu - Kyudo (Weg des Bogens)

Battojutsu - Iaido (Weg des Schwertziehens)

Aikijujutsu - Aikido („Weg zur Harmonisierung der kosmischen Kraft“)

03 Entstehen der Kampfkunst Aikido

Ueshiba Morihei war auf der Suche nach der „Essenz des Budo“ und fand diese aber nicht in der Geisteshaltung und auch nicht in den Techniken des Aikijujutsu, die ausschließlich auf die körperliche Zerstörung des Gegners ausgerichtet waren bzw. noch sind.

Er gelangte aufgrund seiner persönlicher Erfahrungen zu der Erkenntnis, dass „ein Konflikt nie mit Kampf beendet werden kann“, auch wenn ein Angreifer kurzzeitig außer Gefecht gesetzt wird. Das vorherige Konfliktpotential wird dadurch nicht verringert, das Gegenteil ist eher der Fall, es erhöht sich unkontrolliert.

Daher entwickelte Ueshiba Morihei die Kampfkunst Aikido, deren Techniken die Möglichkeit bieten, eine Verteidigung angemessen auszuführen je nach Angriffskraft und Brisanz der Verteidigungssituation. Nicht das körperliche Zerstören des Angreifers sondern das Kontrollieren des Angriffs ist daher vorrangig das Ziel der Verteidigung im Aikido.

An dieser Stelle sollte allerdings nicht unerwähnt blieben, dass ein konsequentes und robustes Einsetzen der Verteidigungstechniken des Aikido beim Angreifer erhebliche Verletzungen hervorrufen können.

Der Begründer des Aikido war aufgrund seiner Kriegserlebnisse und seiner engen Beziehungen zu Deguchi Onisaburo, dem Begründer der Omotokyo-Sekte, von der Vision beseelt, eine Welt zu schaffen, in der die Menschen miteinander aber auch mit ihrer Umwelt friedvoll umgehen. Er vertrat die Ansicht, dass mit dem Erlernen einer Budo-Disziplin die Menschen (Budoka) dazu ausgebildet werden sollen, um geistig, seelisch und körperlich schwache Menschen zu schützen und helfend zur Seite zu stehen.

Vor diesem geistigen Hintergrund veränderte er die ihm bereits bekannten Techniken des Aikijujutsu für sein Aikido. Anstelle der Schläge und Tritte, die im Aikijujutsu bereits bei der Angriffsaufnahme sowie während der Ausführung der Techniken (z.B. Schläge auf die Wirbelsäule) eingesetzt wurden, um den Angreifer frühzeitig körperlich zu verletzen, setzte der Begründer im Aikido nur andeutungsweise Schläge (Atemi) während des gesamten Ablaufs einer Technik ein, um den Angreifer geistig zu destabilisieren.

Mit einem Atemi im Aikido soll die geistige Verbindung zwischen dem Angriffswillen (Geist) und dem ausführenden Körper zumindest kurzzeitig unterbrochen werden. In diesem kurzen Augenblick der Instabilität des Angreifers leitet der Aikidoka seine Techniken ein und kann den Angreifer anscheinend mühelos und ohne jegliche Muskelkraft überwinden. Die Wirksamkeit der Aikido-Techniken ist daher von außen auch nicht immer leicht erkennbar, im Gegensatz zu einem Faustschlag an den Kopf, dessen Wirkung auch ein Laie leicht nachempfinden kann.

Dieser Umstand ist auch ein Grund, warum Aikido von Außenstehenden oft mit einem Tanz verglichen wird. Aikido wurde anfangs von Budoka anderer Kampfformen, die noch nicht mit dieser Kampfkunst im wahrsten Sinne des Wortes „in Berührung kamen“, als eine wirkungsvolle Form der Verteidigung nicht bzw. nur bedingt akzeptiert. Zwischenzeitlich ließen sich zahlreiche Kampfsportler anhand von praktischen Beispielen am eigenen Körper allerdings eines Besseren belehren.

Trotz der friedvolle Geisteshaltung der Kampfkunst Aikido werden die Wurf- und Hebeltechniken mit einer „belehrenden Strenge“ ausgeführt, um den Angreifer zu werfen oder am Boden zu fixieren.

Wegen der konsequenten Verhebelung des Angreifers am Boden, ist er in dieser Phase nahezu bewegungsunfähig und somit schutzlos gegen zerstörerische Schläge oder Tritte. Der gewissenhafte Aikidoka nutzt diesen Vorteil jedoch aufgrund seiner ethisch-moralischen Geisteshaltung nicht für sich.