Akrons Crowley Tarot Führer - Akron Frey - E-Book

Akrons Crowley Tarot Führer E-Book

Akron Frey

4,8

Beschreibung

C. F. Frey alias Akron ist der Romantiker unter den Tarotexperten. Weshalb? Er versucht zu begreifen, für uns greifbar zu machen. Unser Leben, unsere Gefühle, unser Zusammenspiel mit allem, was da noch ist – und wie wir dieses Alles wahrnehmen, ist sein Forschungsfeld und dabei nutzt er als Werkzeug den Tarot. Sein „Feld“ ist nicht nur „weit“, sondern vor allem tief: Er schaut in die Tiefen der Seelen und riskiert immer wieder Blicke ins Abgründige, ins scheinbar Unerklärbare. Und damit setzt er, ganz in der Tradition der Romantiker, einen Gegenpol zur gnadenlosen Globalisierung – unserer epochalen Revolution – hin zum anderen, wunderbar grenzenlosen, alles möglich Machenden, hin zum Imaginären, das wir gemeinsam mit ihm als doch Mögliches erfahren können. Das Werkzeug für seine magische Philosophie heisst nicht nur TARO, ROTA oder gar RAT(I)O, sondern er hat sich auch den besonderen unter den Tarots ausgesucht und dessen Initiator: den Thoth Tarot und Edward Alexander Crowley, der sich seit seinen jungen Erwachsenenjahren Aleister nennen wird. So laden wir Sie ein zu lesen: Diese von Akron festgehaltenen äusserst interessanten biographischen Abrisse aus dem Leben des Aleister Crowley – und damit ebenso Abrisse aus dem Leben einiger höchst interessanter Frauen -, illustriert durch viele Bilder, die fremdes Leben anschaulich machen. Und zugleich auch zu Charles Freys eigener Geschichte, die davon erzählt, wie er dem Magier begegnete, die aber zugleich und vor allem eine unterhaltsame authentische Zeitreise ist in eine kurze Periode der Geschichte des letzten Jahrhunderts, in der noch rebelliert wurde, probiert, experimentiert und gelebt – ohne Zukunftsängste, sondern mit Erstaunen auf die Wunder aller Welten…

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 321

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,8 (26 Bewertungen)
22
2
2
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



AKRONS

CROWLEY TAROT FÜHRER

Band I

Eine magische Reise durch die Welt des

MEGA THERION

Für Friedaund Ursi

Wenn 

das Licht erlischt,  

bleibt 

die Trauer. 

Wenn 

die Trauer vergeht,  

bleibt 

die Erinnerung 

Hinweis

Alle in diesem Buch enthaltenen Angaben wurden vom Autor nach bestem Wissen zusammengestellt. Die Informationen sind nicht dazu gedacht, einen Arzt oder Therapeuten zu ersetzen. Eine Haftung des Autors bzw. des Verlags für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

Originalausgabe

1. Auflage 2007

© Akron

© der deutschsprachigen Ausgabe: 2007 AGM AGMüller Urania, Neuhausen/​Schweiz

Die Verwendung der Kartenabbildungen mit freundlicher Genehmigung von © Ordo Templi Orientis.

Thoth Tarot® und O.T.O.® sind eingetragene Warenzeichen von Ordo Templi Orientis, New York.

ISBN 978-3-03819-132-2 (Schuber mit Band I und II)

ISBN 978-3-90537-247-2 (Band I)

ISBN 978-3-90537-248-9 (Band II)

Das gesamte Werk ist im Rahmen des Urheberrechtsgesetzes geschützt. Jegliche vom Verlag nicht genehmigte Verwertung ist unzulässig. Dies gilt auch für die Verbreitung durch Film, Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art, für die Übersetzung, Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen sowie für den auszugsweisen Nachdruck.

Umschlagbild: Ass der Scheiben aus dem Original Aleister Crowleys® Thoth Tarot

Umschlaggestaltung: Antje Betken

Illustrationen: Patricia Cooney, H. R. Giger, Monika Obser, Peregrinus, Voenix u.a.

Fotos: verschiedene Fotografen, siehe Quellen

Layout & Satz: Antje Betken

Produkt-Manager: Silvie Bachmann

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015

www.uraniaverlag.ch

www.akron.de

Inhalt

Cover

Titel

Widmung

Impressum

Dieses Buch und sein Autor

LieberAleister Crowley

I Das Buch Thoth – Meine persönliche Geschichte

II Das Buch Thoth – Die magische Ausrichtung

Der Channel und das Liber Legis

»Die Zwillingsfalken« von Har-Sopdu

Die Vision und die Stimme

Der Schutzengel

Eine Standortbestimmung

III Das Buch Thoth – Die Gewichtung für den Tarot

Der Golden Dawn

Samuel Liddel Mathers Farbenskala

Die drei Zeitalter

Die Lady und das Biest

Die projektive Geometrie

Rudolf Steiners Sonnen-Raum

IV Die Person Aleister Crowley – Das Leben des Magiers

Crowleys Erben: McMurtrys Caliphat

V Ergänzungen zur Abbey of Thelema

1. Der Geist der Zeit

2. Die heiligen Fresken

Anhang

Autorenvita

Quellen

Crowleyana

Fußnoten

Dieses Buch und sein Autor

C. F. Frey alias Akron ist der Romantiker unter den Tarotexperten. Weshalb? Er versucht zu begreifen, für uns greifbar zu machen. Unser Leben, unsere Gefühle, unser Zusammenspiel mit allem, was da noch ist – und wie wir dieses Alles wahrnehmen, ist sein Forschungsfeld und dabei nutzt er als Werkzeug den Tarot. Sein »Feld« ist nicht nur »weit«, sondern vor allem tief: Er schaut in die Tiefen der Seelen und riskiert immer wieder Blicke ins Abgründige, ins scheinbar Unerklärbare.

Und damit setzt er, ganz in der Tradition der Romantiker, einen Gegenpol zur gnadenlosen Globalisierung – unserer epochalen Revolution – hin zum anderen, wunderbar Grenzenlosen, alles möglich Machenden, hin zum Imaginären, das wir gemeinsam mit ihm als doch Mögliches erfahren können.

Das Werkzeug für seine magische Philosophie heißt nicht nur TARO, ROTA oder gar RAT(I)O, sondern er hat sich auch den besonderen unter den Tarots ausgesucht und dessen Initiator: den Thoth Tarot und Edward Alexander Crowley, der sich seit seinen jungen Erwachsenenjahren Aleister nennen wird.

Dieser Aleister Crowley war eine der faszinierendsten und schillerndsten Personen seiner Zeit, der es zu eigenem literarischem Erfolg brachte und auf ewig festgehaltenem literarischem Ruhm als zweifelhafte, böse Hauptfigur im Hintergrund in William Somerset Maughams Roman Der Magier, ein Roman, der immerhin in die Reihe der 50-bändigen Bibliothek der Süddeutschen Zeitung aufgenommen wurde, die damit warb, »50 große Romane der Weltliteratur des 20. Jahrhunderts, ausgewählt von der Feuilletonredaktion der Süddeutschen Zeitung«. Dabei wäre vielleicht der große Somerset-Maugham-Roman Der Menschen Hörigkeit eine Alternative gewesen. Aber eben, Crowley faszinierte, und tut es bis heute, denn das Magische verzauberte zu allen Zeiten und eben auch heute noch.

Aleister Crowley ging als Magier und als Mensch bis an die eigenen Grenzen, um zu Erkenntnissen zu gelangen, die jenseits seiner technikgläubigen, industrialisierten und dem neuen Gott Fortschritt hörigen Gesellschaft lagen. Doch wenn Crowley seine Grenzen erforschte, um daraus den Gewinn zu ziehen, ein großer Magier zu sein, so trieb er andere, insbesondere Frauen, weit jenseits der ihrigen: in Abhängigkeit, Hörigkeit, ins Elend, ins Irrenhaus oder sogar in den Tod. Dabei hatte er seinen Ruhm, insbesondere den in der Nachwelt, ursächlich zwei Frauen zu verdanken: seiner Ehefrau Rose und, rund 40 Jahre später, Lady Frieda Harris. Rose nämlich war es, die ihm Aiwass, den Boten des ägyptischen Gottes Thoth (Gott der Magie, der Weisheit und der Wissenschaft, aber auch der Schreiber und des Kalenders) ankündigte. Sie befahl ihm, in den Tempel zu gehen und alles zu notieren, was ihm eine geheimnisvolle Stimme diktierte. Das führte schließlich zur Niederschrift seines berühmten Liber Al vel Legis, mit dem er den Neuen Äon der Göttin, ein neues Zeitalter, das der Frauen, einleiten wollte. Dieses Manuskript war 1904 auf merkwürdige Weise verloren gegangen. Jahre später fand er es »rein zufällig« auf dem Dachboden von Boleskine wieder, zur gleichen Zeit, als er von Rose geschieden wurde. Und Lady Frieda Harris war es, von der er glaubte, dass sie einen Tarot nach seinen Vorstellungen und oftmals sehr konkreten Anweisungen, den Regeln des Golden Dawn folgend, kreierte. Doch er merkte nicht oder wollte vielleicht nicht sehen, dass die Malerin Harris sich nicht immer an diese Vorgaben hielt, weshalb manche der Farbbeschreibungen aus dem Liber 777 (in Band II rechts neben den Kartenabbildungen aufgeführt) auch nicht mit dem tatsächlichen Bild korrespondieren. Außerdem fügte Harris einigen Bildern einen weiteren, nicht unbedeutenden Aspekt hinzu: Sie benutzte Rudolf Steiners »projektive Geometrie« für die Gestaltung, besonders gut zu erkennen beispielsweise bei Magus, Hohepriesterin, Eremit, Stern oder Königin der Kelche, aber selbst in Crowleys Signumskarte, dem Ass der Scheiben, noch wahrnehmbar. Und: Steiner war nicht sonderlich interessiert, weder am Golden Dawn noch am O.T.O., dem Erben Aleister Crowleys, wiewohl er eine Zeitlang Mitglied des österreichischen Ablegers des O.T.O. war, sondern verfolgte lieber seine eigenen anthroposophischen Interessen.

Deshalb seien die Fragen gestattet: Müsste der Aleister Crowley Thoth Tarot nicht zumindest auch Frieda Harris Namen im Titel oder Untertitel tragen? Müsste das Liber Al nicht zumindest eine Widmung für Rose enthalten?

So laden wir Sie ein zu lesen:

Diese von Akron festgehaltenen äußerst interessanten biographischen Abrisse aus dem Leben des Aleister Crowley – und damit ebenso Abrisse aus dem Leben einiger höchst interessanter Frauen –, illustriert durch viele Bilder, die fremdes Leben anschaulich machen. Und zugleich auch zu Charles Freys eigener Geschichte, die davon erzählt, wie er dem Magier begegnete, die aber zugleich und vor allem eine unterhaltsame authentische Zeitreise ist in eine kurze Periode der Geschichte des letzten Jahrhunderts, in der noch rebelliert wurde, probiert, experimentiert und gelebt – ohne Zukunftsängste, sondern mit Erstaunen auf die Wunder aller Welten.

Der Verlag

LieberAleister Crowley

Ich bitte deinen geneigten Geist um Nachsicht, wenn ich dieses Buch gleich mit ein paar kritischen Bemerkungen eröffne, aber ich denke, für den unvorbereiteten Leser ist es hilfreich, sich in der Auseinandersetzung mit deiner genialen, oft aber auch brachialen und intellektuell kaum zu bewältigenden Botschaft, dem Buch Thoth, nicht alleine zu fühlen. Dahinter verbirgt sich – du ahnst es – meine eigene Erfahrung. Bei meiner ersten Beschäftigung mit dem Thoth Tarot 1981 fühlte ich mich ziemlich frustriert draußen im Regen stehen gelassen, denn ich brachte die für mein damaliges Empfinden stellenweise zusammenhanglos aus verschiedenen esoterischen Lehren assoziierenden und miteinander in Beziehung gebrachten Erklärungen nicht auf die Reihe, bis ich schließlich entnervt aufgab und später auf das deine Message verdrängende, aber eingängig und reflektiert geschriebene Handbuch Gerd Zieglers1 zugriff, das 1984 unter dem Titel TAROT – Spiegel der Seele erschienen war. Was ich damals noch nicht wissen konnte war, dass sich deine Kartenbeschreibungen mit ihren kabbalistischen, magischen und mystischen Korrespondenzen ohne die Kenntnis und Hinzuziehung deiner Lebensphilosophie gar nicht erschließen lassen. Auf der einen Seite erschien mir dein monströses Opus zwar als schier unerschöpflicher Fundus esoterischen Wissens, eine wahre Fundgrube geistiger Tiefe, gespickt mit Einsichten und Erkenntnissen, die völlig neue Dimensionen aufschlossen, und sich im Bestreben, größere Zusammenhänge zu finden, in Schwindel erregende psychologische Höhen hinaufkatapultierten. Auf der anderen Seite beschlich mich aber immer wieder das komische Gefühl, dass du den Leser in deiner widersprüchlichen Art auf die Schippe nehmen wolltest, wenn du, nur um ein Beispiel zu nennen, einerseits bei jeder sich bietenden Gelegenheit von Engeln, Dämonen und anderen außerirdischen Wesen schwärmst, die es zu beherrschen oder zu integrieren gilt, dich aber unversehens als mystischer Atheist bekennst, der sämtliche magischen Erscheinungen als Bestandteile der menschlichen Psyche definiert, und durch das willkürliche Aneinanderreihen und Zitieren endloser Gedankenschlangen sowohl aus seinem Lebenswerk wie auch aus vielen Bereichen der Weltliteratur den atemlosen Leser im sprichwörtlichen Sinn erschlägst.

Heute ist mir klar: Im Grunde handelt es sich bei diesem Buch um den Weg des Narren, der sich um den Preis, seine kindliche Unschuld bewahren zu können, von allen Götzen und Dogmen befreien muss, um seinen Platz anstelle der alten Götter einzunehmen. Dabei vernichtet er seine Eltern, seine inneren Autoritäten, befreit sich von allen falschen Propheten, sprengt die Ketten seiner Konditionierungen und erschafft das Neue Æon aus sich selbst heraus um den Preis der Erkenntnis, dass der Mensch am Ende seines Lebens trotz all seiner Bemühungen einsam und allein dasteht. Dass dieses neue Zeitalter im Grunde nichts anderes als die Vision eines malträtierten Ego darstellt, die Flucht in einen eigenen Wahn, um dem Sektentrauma seiner Kindheit zu entfliehen, wurde mir klar, als ich eine Notiz in deinem Tagebuch fand. Du schriebst: Habe ich überhaupt etwas Wertvolles getan, oder bin ich weiter nichts als ein läppischer Nichtsnutz, der als eine Serie von Veränderung dieser oder jener Art existiert? Ein Ausschuss, Feigling, Strohmann? Ich kann keinerlei Antwort darauf finden, der Urteilsspruch lautet stets eindeutig auf »Schuldig!« Das war für mich der entscheidende Hinweis, der mich auf die Fährte brachte, die sich für mich heute so darstellt: Alle deine prophetischen Visionen sind in Wahrheit wahrscheinlich eine Flucht vor dir selbst – vor deiner eigenen Vergangenheit. Alle deine Erläuterungen sind einerseits sehr detailliert und differenziert, im gleichen Atemzug in ihrer oft ziemlich willkürlich aneinander gereihten Fülle aber sehr verschwommen, und irgendwie erscheint es mir, als ob es dir wichtig gewesen wäre, eine Vision zu entwickeln, an die du glauben konntest. Schließlich ist es gefährlich, die Illusion hinter der Vision zu erfassen, die Klarheit der Wahrheit, denn dann gäbe es ja nichts mehr, vor dem man davonlaufen könnte. Deine Rolle ist die des einsamen Unverstandenen, der ausgestoßen aus den Reihen der Menschheit seine exzentrischen Bahnen zieht. Da dein jugendlicher Geist anfangs noch nicht mit dem »höheren Licht« korrespondierte, konntest du das Schöpfungszentrum nicht erkennen. Trotzdem hattest du stets völlig unbeirrt von anderen deine eigene Initiation vollzogen. Soweit die Einweihungen dafür nicht vorlagen, entwarfst du sie selbst. Doch wer den unerschrockenen Doktor Faustus in dir sieht, müsste auch den Mephistopheles dazu erfinden. Da du deine eigene Mitte in Gott nicht erkanntest, meintest du, Gott umgekehrt als Mittelpunkt in dir selbst erfahren zu müssen. Deshalb identifiziertest du dich mit dem Unerkannten, das du zu erkennen glaubtest, bzw. mit dem Bösen selbst. Damit machtest du das Göttliche zum Teil deines persönlichen Willens und gebärdetest dich selbst als Schöpfer, der die Umwelt nach seiner eigenen Vorstellung bildet und in seine persönlichen Ziele einbindet. Der Advocatus Diaboli nennt es das Luzifer-Syndrom.

Aleister Crowley mit Fischerhut, 1942

Zurück zum Buch. Die einzig verfügbare deutsche Übersetzung deines Epos bei Urania2 ist gespickt mit inhaltlichen wie auch übersetzten Fehlern. Das hat seinen guten Grund. Zur Zeit der Herausgabe deines Buches 1944 warst du von deiner Drogenabhängigkeit schon so schwer gezeichnet, dass es nicht erstaunlich ist, wenn du immer wieder Dinge verwechseltest oder eigene Erkenntnisse widerriefst, als ob du im Alter vergessen hättest, was du als egozentrischer Dandy einst der erstaunten Welt verkündetest.3 Deshalb stellt sich für den unvorbereiteten Leser auch die Frage: Handelt es sich hier nicht um ein unlesbares Buch – einen Quasi- oder Anti-Tarot? Irgendwie ist es eine Art philosophischer Poly-Arhythmie, mystisch verbrämt und sich querbeet durch die verschiedensten Kulturen pflügend, sich dabei aus den verschiedensten Zitaten speisend in einem schier unerschöpflichen Ellaborat mystisch verunklarend gehütet dargestellt. Gerade weil deine Absicht nicht genau umrissen oder klar ist, weil sich die verschiedenen Gedanken und Möglichkeiten an den Grenzen ihrer Dualität überlappen, ineinander eindringen und sich miteinander vermischen, darf man dein Opus – will man einen roten Faden finden – keinesfalls mit dem Verstand ergründen. Jedes Einzelteil in sich ist weder präzis noch einleuchtend, aber zusammen ergibt es einen Geist, in dem der Leser spürt, dass das ganze Universum als menschliche Vision in ihm enthalten ist. Indem du alles mit deinen Erklärungen zudeckst, erschaffst du eine »überdefinierte« Situation, die zwar alles einschließt, was einem dazu einfällt, aber gleichzeitig auch alles offen lässt. Mit einem Satz: Es macht ganz den Anschein, als ob du in diesem Kartendeck nicht nur dein ganzes Lebenswerk, sondern auch ein ganzes Universum an Assoziationen und Gedankenfragmenten hineininterpretieren wolltest. Du versuchst die Symbole zu überhöhen, indem du erklärst, dass sie im Grunde einer höheren Absicht dienen, die in diesem oder jenem Werk nachzuschlagen wäre, wobei du zur Darstellung des Unerklärbaren gerade wieder jene (unerklärten) Symbole benutzt. Es ist ein merkwürdiger Versuch, von dem abzulenken, was du eigentlich zu erklären suchst, und damit das zu beschreiben, was sich nicht beschreiben lässt, dem Leser aber trotzdem das Gefühl zu geben, dass in seinem Geist das Unbeschreibliche irgendwie seinen Platz hat, wenn er zwischen den Zeilen liest, deinen Fußnoten folgt oder die von dir empfohlene Literatur (meistens deine eigene) beizieht. Und tatsächlich: Der Wissensanspruch, den du dir selbst gesteckt hast, ist unwahrscheinlich hoch. Es ging dir darum, neben der Kabbala, der jüdischen Geheimlehre, die hinter Zahlen und Buchstaben den verborgenen Sinn der Welt sucht, und den philosophisch-okkulten, Hermes Trismegistos zugeschriebenen Schriften, in denen ägyptische, griechische, jüdische und christliche Bestandteile vereinigt sind, auch die Symbole der Freimaurer, Illuminaten, Rosenkreuzer und des Fernen Ostens mit einfließen zu lassen. Du vermischtest das Ganze in einer Art »gnostischem Mix«, der über die Ingredienzen der Alchemie, des magischen Enochismus und der heiligen Magie von Abramelin sowie unter der weiteren Einbeziehung von Schutzkreisen, Zauberstäben, Anrufungen, altägyptischer Mystik und einer Prise Sexualmagie zu einem in der okkulten Szene bekömmlichen Drink »verschüttelt« wird, mit der Kirsche des viel zitierten Satzes Do what thou wilt shall be the whole of the law (Liber Legis I/​40) darin.4

Kommen wir zu Gott. Vom unreifen, aber begeisterten Bruder Perdurabo bis zum schwergewichtigen, aber illusionslosen Meister Therion war es für dich ein langer Weg, und was einstmals eine zynische Identifikation mit dem war, was die gehasste Kirche den Erlöser nannte, verwandelte sich im Lauf der Zeit in eine komplexe magische Operation. Allmählich transformierte sich der Mensch in deinem Weltbild gleichermaßen in Schöpfer und Geschöpftes, Wanderer und Weg, Täter und Opfer der historischen Entwicklung, und nicht selten schwang deine Poesie auf einer geistigen Frequenz, bei der man den Eindruck hatte, dass sie aus einer übermenschlichen Quelle strömte. Oft beziehst du dich auch auf Geistführer und höhere Stimmen, die du zu interpretieren versuchtest, aber man hat dabei weniger das Gefühl, dass dir die Geister etwas mitteilen möchten, sondern – umgekehrt – dass du für die Geister eine Botschaft hattest, die sie dann stellvertretend über dich der Welt verkünden. Die Darstellung des Unsagbaren scheint dich zu beflügeln, Sinnbilder aus dem Hut zu zaubern, die dem unbewussten kollektiven Speicher entsprungen sind, und diese in einen überlieferten Mantel zu kleiden, wie ihn nicht nur der Mythos, sondern auch die Literatur oder die bildenden Künste bieten, wenn es gilt, etwas emotional »heraufzugewichten«, das man als innere Sehnsucht bezeichnen kann. Diese Symbole auf der Ebene der Träume und Phantasievorstellungen hast du sehr elegant in deine außerirdischen Erscheinungen gehüllt, die ihre Visionen in deinen Schriften so zweckdienlich entfalteten, dass man sich die Frage stellen muss, ob da möglicherweise nicht doch höhere Kräfte im Spiel waren? Diese »spirituelle« Haltung war gerade um die Jahrhundertwende sehr beliebt. Doch nicht nur du – auch viele andere spirituelle Meister, die ihre Botschaften wie harte Brotreste in alten Mysterien aufweichten, schöpften mit ihren Löffeln tief in den geheimnisvollen Pfründen außerirdischer Erscheinungen, mit denen sie die Suppenteller ihrer Anhänger füllten. Selbst wenn sich das ein wenig despektierlich anhört, heißt das nicht, dass manche Höhenflüge der selbsternannten Gurus, nur weil sie sich nicht in ein anerkanntes Religionsmodell einfügen, deswegen weniger wahr oder wirklich sind als die überlieferten Wundertaten der Heiligen der großen Kirchen.

Im Rückblick sieht es fast so aus, als ob der Mensch gezwungen ist, nicht nur den Inhalt, sondern auch die Form des Mythos zu benutzen, um seiner eigenen Ergriffenheit, die er in der Realität nicht unterbringen kann, in den Künsten und Gefühlen ein Denkmal zu setzen. Das war schon in der Klassik und Romantik nicht anders. Wenn Goethes Faust kraft seines Paktes die »Projektion des Ewigweiblichen in sich« erfährt und am Ende am Selbstbekenntnis seiner Selbsterkenntnis scheitert (bevor er durch einen dramaturgischen Kniff des »himmlischen Herrn« gerettet wird), so ist dein Bruder Perdurabo5 ein schöpferischer Masochist. Er will bis ans Ende aushalten, auch wenn ihn die Langeweile beinahe erschlägt, denn nur wer bis ans Ende aushält, hat später nichts mehr auszuhalten. Dabei hattest du selbst die Menschheit als das furchtbarste Ereignis auf dem Planeten Erde, dem Planeten der Langeweile, deklariert. Wenn also weder Fausts geistige Erkenntnis noch Nietzsches erkannte Wahrheit annehmbar ist – was bleibt dem Menschen dann? Du hast es uns erklärt: das Neue Æon. Wo es für Faust die schöpferische Weiblichkeit einer wirklichen Frau ist, die durch ihre Schönheit hindurchleuchtet und ihn wie ein Flammenmeer anzieht, ist es für dich die Erweiterung des Menschen bis zu den Grenzen des Absoluten, bis in den Kern des wahrhaftigen und einzigartigen Gottes, der in jedem Menschen schlummert und die Seele einzig und allein entflammen kann: Nicht das Leuchtfeuer des Ewigweiblichen, sondern der Archetypus des Ewiggöttlichen ist das, was dich anzieht. Das Geniale bei dir war, dass du jede deiner göttlichen Inspirationen so exakt übermitteltest, dass sich dein persönliches Destillat irgendwo auf einer geistigen Frequenz so stark verankern konnte, dass sich auch heute noch viele Menschen davon angezogen fühlen. Auch wenn die meisten deiner Einfälle wieder in Zwischenbemerkungen ausufern und in den Fußnoten literarischer Verweise zerstäuben, im Gebrause und Getöse der nächsten Idee triumphieren oder im Dickicht der unter den Tisch gefallenen Idee warten, bis ein nächster Assoziationsfunke sie fünfzig Seiten später wieder zum Leben erweckt, macht sie das zwar für den Laien oft unverständlich, nicht aber für den Studierenden, der ja darauf lauert, immer wieder ein weiteres Puzzlestück vom großen Kuchen zu erhaschen, das er in sein Mosaik einfügen kann.

Alles in allem ist das Buch Thoth in der gesamten Tarotliteratur ein herausklaffender Einzelgänger. Man könnte sogar behaupten, dein gesamtes Werk rage in seiner erschlagenden Fülle und der unkontrollierten emotionalen Kraft wie die New Yorker Freiheitsstatue aus dem verbrämten esoterischen Geist um die Jahrhundertwende heraus6, nicht nur im Sinne einer avantgardistisch-revolutionären Leistung, sondern auch wegen deines eigenen, exzentrischen Stils. Es ist die Ehrlichkeit und der Stolz eines vom Gefühl seiner Überlegenheit zutiefst durchdrungenen Ego nach dem Motto Der Mittelpunkt bin ich! In The Sacred Magick, Canto VII, schriebst du einst über dich: Ich weiß, dass ich einer der ewigen Götter bin, und es verdrießt mich, dass ich anderen Göttern begegnen muss, die entweder unterlassen, mich zu ehren, und mich hassenoder verachten, oder dass andere verfehlen, sich selbst zu erkennen und daher mich mit Anbetung behandeln statt mit Achtung, mit Knechtschaft statt mit Freundschaft; die mir Gehorsam anbieten, wenn ich Kameradschaft benötigte, den Stein des Dienstes, wenn ich nach dem Brot der Liebe hungere. Und – in der Tat: Du warst im künstlerischen Empfinden »nach oben« offen und deine schöpferische Potenz war ungeheuer. Deshalb soll die Beschäftigung mit diesem Koloss auch nicht in die Richtung gehen, an deinem Denkmal zu kratzen – im Gegenteil. Das Ziel liegt darin, den Sinnbildern, die du aus verschiedenen Kulturen zu diesem inspirierenden Patchwork zusammengetragen hast, sachlich nachzuspüren, nicht nur um das filigrane philosophische Netzwerk herauszufiltern, das du um jede der Karten gesponnen hast, sondern um auch in die vielen Töpfe zu gucken, an denen du so reichlich geschnuppert hast. Letzten Endes geht es auch darum, ein bisschen über die Hintergründe deiner magischen Auftritte und Akte von Selbstdarstellung zu spekulieren, über die Art und Weise, wie du deine eigene Aufgabe verstandest und nach außen inszeniertest. So wenn du beispielsweise deine manchmal derben Eingebungen einfallsreich in ein für deine Umwelt »objektives« Weltbild einknüpftest, auf dem sich deine Jünger so hurtig um die Schwerkraft ihres Meisters herumdrehen ließen. Oft erscheinst du auch manisch-depressiv: wenig einfühlsam vor dem Wesen der anderen, besonders, wenn du deinem bärbeißigen Sarkasmus die Zügel schießen lässt. Dein Witz ist inspirierend und kreativ, grob und schonungslos und deine Worte oft verletzend wie scharfe Messer. Als The Great Beast und Freistil-Schamane warst du stolz wie Satan und spucktest auf die erbärmlichen Glaubensbekenntnisse der anderen; dabei bedientest du dich in deiner »Welterkenntnis« selbst ausreichend der Literatur, Philosophie, Psychologie, der Freudschen Psychoanalyse einschließlich der Erkenntnisse und Überlegungen der theoretischen Physik.

Unbestritten ist aber auch die Tatsache, dass du in der gesamten Tarotliteratur zweifelsfrei derjenige warst, der am meisten sowohl zur Bereicherung wie auch zur Verwirrung mythologischer Bilder und Symbole beigetragen hat, und wir können sicher sein, dass das noch länger so andauern wird. Dein eigener Kampf gegen die Gesellschaft und die lodernde Flamme deiner eigenen Selbstsuche ist der geistige Ruf, den du den Menschen, die dem Druck der Gesellschaft nur schwer standhalten oder durch die Leere eines nie gefundenen Lebenssinnes an sich selbst zweifeln, entgegenhältst: Verzweifle nicht! Liebe ist das Gesetz, Liebe unter Willen. Dieses Licht deiner visionären Auseinandersetzung mit den Kräften des Kosmos wird seinen Schatten auch weiterhin in den Prägungen der dir geistig oder seelisch verwandten Menschen vorauswerfen, die deine Fackel in ihren Köpfen und das Mantra auf den Lippen tragen: Erkenne deinen Wahren Willen und tu ihn. Gehorche dir selbst! Nur schon allein für diesen Kampfruf der Selbsterlösung vor der kollektiven Angst des Ego vor sich selbst gebührt dir unser aller Dank!

Wintersonnenwende 2006 – in tiefer Ergebenheit

Dein

I Das Buch Thoth – meine persönliche Geschichte

1967–1968 (Erste Berührung)

Charles im Juni 1968 in der Tenne, einem Nachtclub in Konstanz

Meine erste persönliche Berührung mit dem magischen Branding des Meisters hatte ich im Flower-Power-Hippie-Sommer 67, als mir jemand in der Kasernendisco in Göppingen, in der wir jeden Abend für die GIs rockten, bevor sie nach Vietnam ausgeflogen wurden, ein schrilles Buch mit der Bemerkung in die Hand drückte, das sei ein Text über den größten Satanisten dieses Jahrhunderts. Möglicherweise war es mein umgedrehtes Kreuz um den Hals aus einem Dracula-Film, das mich für dieses Präsent prädestinierte, vielleicht aber auch der Status des Drummers einer professionellen Rockband mit 900Mark Monatsgehalt, was damals der Traum eines jeden Jungen war. Es war der Sommer des Welthits , der Vorbote oder der Sommer vor dem Sommer der Liebe, der ein Jahr später kam: ein halbes Jahr bevor die Beatles ihr -Album herausbrachten und die Stones ihr hinterher schoben, als auf dem Höhepunkt shakte und swingte und sich die ersten Meditationsgruppen bildeten, die ein Jahr später in den fernen Osten pilgerten, die ersten Joints die Runde machten, aber nur unter den Trendsettern, die wussten, wo das Zeugs herkam. Als Jimi Hendrix auf dem Höhepunkt seiner Karriere seine Sternenbannerhymne durch die Metallsaiten quälte und durch die monströsen Marshalltürme wie Manna über die entrückte Zuhörerschaft ausstreute, als sich mit dem Sound von oder allmählich in den Gehirnnebeln festsetzte und alle von einer Hippieranch oder einer Landkommune träumten, bis uns der -Mord um Charles Manson aus unserer Haschischwolke aufschreckte. Es war die Erinnerung an die Illusion einer Gesellschaft von freien Menschen, wie sie sich zu Hunderttausenden im Schlamm von suhlten, die Vision, wie sie friedvoll miteinander umgingen, wie sie aßen, schliefen, kackten, sich liebten und miteinander stritten, Babys zeugten, Freundschaften schlossen, Pot rauchten, Gedichte schrieben, Filme drehten, Bullen verarschten, einfach der ganz normale (abgehobene) Alltag, wie ich ihn am Ende der sechziger Ära in Erinnerung hatte. Unter dem kosmischen Sound der Hendrix-Nummer auf der ersten LP waren wir zum Aufbruch bereit, es fehlte nur noch ein Kick, ein Auslöser, da alles, was in der Luft lag, noch nicht richtig greifbar war und erst ein Jahr später gesellschaftliche Realität wurde, und deshalb kam mir der erste Kontakt mit den Schauergeschichten des grusligen Schwarzmagiers gerade recht. Es passte einfach wunderbar ins Konzept. Oder vielleicht zu dem mir bislang unbekannten Teil meines unterschwellig brütenden, magischen Charakters.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!