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Die 8te Pforte ist der Folgeband zum Buch "Die 7 Pforten des Geistes" und ist eine multidimensionale Erzählung auf der Schwelle von Leben und Tod.
Das E-Book Die 8te Pforte wird angeboten von AkronEdition und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Traum, Geist, Uebergang, Sterbeprozess, multidimensional, Illusion, Traum, Seele, Geister, multiple, niemand
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Seitenzahl: 364
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Akron & Sterntaler
Die 8te Pforte
Jenseits der Schwelle
Der Trauma-Trip des alten Magus
Alle Zeichnungen sowie der „Undine“-Teil in Kapitel 13 („Der vergessene Traum“) entstammen der Feder von Patricia Cooney, die seit vielen Jahren „Undinens unterirdische Sternenkammern“ im Parterregewölbe meines Geisterhäuschens bewohnt.
Weihnachten 2016, am Ruhberg
Copyright © 2017 by Akron Edition GmbH.
Akron Edition GmbH, Ruhberg 20, CH – 9000 St. Gallen
www.akron.de
Layout, Satz- und Umschlaggestaltung: Medienagentur Holger Kliemannel [email protected]
Titelbildmotiv: Patricia Cooney
Illustrationen: Patricia Cooney
Gesamtherstellung: Book Press, PL-Olsztyn
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2017
Alle Rechte vorbehalten.
Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form (auch auszugsweise) ohne die schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert, vervielfältigt oder verbreitet werden.
ISBN 978-3-906925-01-1
Cover
Titel
Impressum
Widmung
Vorwort
Prolog
Buch I: Das Haus der Geister „Die Suche nach dem Tod“
Kapitel 1Niemand
Kapitel 2Der Dialog mit dem eigenen Spiegelbild
Lore-ley
Kapitel 3Niemands Traum
Niemands unerlöste Liebessehnsucht
Kapitel 4Niemand und Seele
Niemands Seele
Kapitel 5Die sechs Geister
Der Tod – die Bühne der Geister
Der erste Geist
Der zweite Geist
Der dritte Geist
Der vierte Geist
… oder die Vision der Grossen Mutter (4)
Der Geist der Finanzen (3) … war nie weg!
Der fünfte Geist
Der Schatten des Schattens (4)
Alle Geister gemeinsam (1-5)
Der sechste Geist
Der Reigen der Geister (1-6)
Kapitel 6Der Wächter der Seele am Ende der Träume
Buch II: Das Haus der Erinnerungen „Die Suche nach dem Tod führt zum Finden von sich selbst“
Kapitel 7Die Stimme im Ohr
Die Hölle im Kopf
Kapitel 8Der multiple Andere
Der Eingangsbereich
Das Phänomen im Treppenhaus
Der Spiegelraum
… und wieder zurück: Der gespiegelte Eingang
Das Traumschiff und der Küchengeist
Noch eine Stufe tiefer: Der Tod
Einen Schritt zurück: Das Erwachen aus einem Wahn
Kapitel 9Das gespaltene Ich
Mein multidimensionaler Zauberplatz
Meine beiden magischen Ichs
Die Unerlösten und ihre Sehnsucht
Kapitel 10Das tückische Du
Die Augen der Sehnsucht
Kapitel 11Der Urahne
Das Gespenst mit den Bernsteinaugen
Niemand kehrt zurück
Kapitel 12Die Hochzeit aller inneren Personen
Der verlorene Teil kehrt wieder heim
Nach Hause: zu mir!
Kapitel 13Undine – der vergessene (T)Raum
Epilog Niemands Vermächtnis
Die Büchse der Pandora
Ein letztes Manöver in der Zeitlosigkeit
Die Rückkehr zu den Sternen
Weitere Bücher
Der allgegenwärtigen, alles umfassenden und unbekannten geistigen Kraft in uns allen gewidmet!
Nach den „7 Pforten des Geistes“, 2012, und meinem Autounfall im gleichen Jahr wollte ich meine literarische Tätigkeit beenden. Doch ein Traum in der Nacht auf den 11.12.
Träumer:Letzte Frage: Was ist mit dem Weiterleben nach dem Tod?
Wächter:Der Tod ist völlig bedeutungslos. Er betrifft nur das Ego und das Ego ist nur eine kleine Feder an der Schwinge des Adlers, und wenn sie wegfällt, wächst darunter schon eine neue nach, und der ganze Vorgang behindert den Flug des Adlers kaum.
Träumer:Und was bleibt von den Träumen?
Wächter:Sie fließen ins Auge des Ewigen zurück, wenn das letzte Individuum am Ende der Reise erwacht und die Kette unterbricht. Dann nämlich, wenn die gereifte Seele die schützende Hülle ihres Egos verlässt und beginnt, wieder mit den kollektiven Schöpferkräften zu zerfließen, welche die Ursprungsquelle darstellen und für die der Mensch nur ein Blick im Auge des Ewigen ist.
Träumer:So hat der Mensch keine wirkliche Freiheit?
Wächter:Er hat viel mehr: nämlich eine schöpferische Illusion seiner Welt. Er weiß nicht, dass das, was er zu tun beabsichtigt, immer gerade dem entspricht, was er sowieso tun wird.
Träumer:Dann wäre das Wollen nur der Trick, sein inneres Streben mit den vorhandenen Energien in Übereinstimmung zu bringen?
Wächter: Nun – Zukunft ist im Grunde immer auch ein Teil unserer inneren Erwartungen.
Träumer:Und wohin führt die Reise?
Wächter:In alle Richtungen gleichzeitig. Die Summe aller gespeicherten Erfahrungen und Erinnerungen ist die treibende Schicksalskraft, die alles vorwärts peitscht, oder andersherum, die „zukünftige“ Erinnerung ist das, was sich in der Gegenwart auswirkt und die Vergangenheit gestaltet, damit das Hier und Jetzt von den Menschen zu jedem Zeitpunkt richtig „beabsichtigt“ werden kann.
Mit diesen letzten Sätzen aus einem mehrseitigen Dialog meiner inneren Personen hatte ich am 23. März 2012 mein letztes Buch, „Die 7 Pforten des Geistes“, beendet. Zwei Stunden später wurde ich vor meinem Grundstück auf der Einbahnstrasse von einem rückwärtsfahrenden Fahrzeug überfahren, und das nächste, was ich wahrnahm, war das Gesicht von Lussia, meiner Gefährtin, die wie ein leuchtender Vollmond über mir schwebte. Sie sagte mir betrübt, dass ich an meinem Gartenzaun von einem Fahrzeug gerammt, mit dem Gesicht gegen die Glasscheibe geklatscht und danach acht Meter rückwärts durch die Luft katapultiert worden wäre. Man hätte mich mit einem Schädel-Hirn-Trauma sofort in die Klinik gebracht, in der ich nach einem mehrtägigen Koma gerade in diesem Augenblick wieder aufgewacht wäre und sie deshalb schon froh sein müsse, dass ich überhaupt noch lebe.
Doch lassen Sie mich die Geschichte der Reihe nach erzählen: An diesem Tag haben sich ein paar gute Freunde von mir anerboten, mir beim Fällen der Bäume zu helfen, denn mittlerweile hat es sich bei uns längst herumgesprochen, dass ich für Garten- und andere materielle Arbeiten zwei linke Hände habe. An diesem Tag hatte ich mich den Korrekturen meiner letzten Publikation gewidmet (siehe Eingangszitat), als ich plötzlich vor dem Haus einen lauten Schrei und einen dumpfen Knall vernahm. Draussen musste ich mit Schrecken feststellen, dass einer der vier Bäume, die zur Fällung standen, zwar ungefähr in der berechneten Linie fiel, doch leider zehn Zentimeter zu weit links auf den metallenen Gartenzaun prallte und von diesem wieder zurückgefedert wurde und in dieser Bewegung meinen mannshohen, hundertjährigen griechischen Amor zerschmetterte, der auf einem Sockel in der Mitte eines kleines Teiches thronte.
Diese Marmorfigur stand mir emotional besonders nahe, war sie vor 150 Jahren nicht nur prominent am Treppenaufgang der marmornen Eingangshalle des St. Galler Museums platziert, sondern sie hatte in meinem Gedächtnis auch eine ganz persönliche Geschichte hinterlassen. Sie war das Geschenk eines guten Freundes an seine Geliebte, nachdem dieser die Figur 1974 während des Theater-Umbaus auf der ungesicherten Baustelle geklaut hatte (und später ertappt wurde). Ich konnte den leicht beschädigten Amor aber ein paar Jahre später für 1000 Franken von der Stadt zurückkaufen, die ja dafür auch keine Verwendung mehr hatte und ihn einfach in ihren Kellern einlagerte. An diesem schicksalsträchtigen Tag war mir daher in der Folge der ganze Tag verdorben. Immer wieder sann ich darüber nach, was mir dieses Malheur wohl zu sagen hatte, denn ich erahnte, ohne die Begleiterscheinungen aber näher ergründen zu können, einen unbewussten, selbst herbeigeführten Zusammenhang. Jedoch erst acht Monate später, während eines Seminars in Wien, als ich den Menschen von diesem Unfall erzählte, fiel‘s mir mit einem Male wie Schuppen von den Augen und auf einmal war die Sache klar.
Als ich im November 1982 in mein Haus einzog, waren die mächtigen, dreissig Meter hohen Bäume noch zierliche vier-Meter-Sträucher, die nahe am Gebäude direkt an der Grenze zum Nachbarn standen. In den nächsten Monaten, in denen ich mich um die totale Restauration dieses kleinen Hexenhäuschens, eine Art „Neuschwanstein im Gartenhäuschenformat“, kümmerte, wurde ich ein paarmal von Nachbarn und Bekannten auf die Bäumchen angesprochen. Sie wollten wissen, ob ich diese nicht lieber fällen sollte, solange sie noch klein waren. Später würden sie bestimmt riesig werden und da sie vom Haus besehen auf der Süd/West-Seite wuchsen, nähmen sie auch viel Sonne und Licht weg. Doch für mich war das seinerzeit keine Option. Ich kann mich noch ganz gut erinnern, als ich damals, von Carlos Castaneda und den zaubernden Tolteken inspiriert, gross in die Welt hinausposaunte: „Was wäre das für ein erbärmliches Ego, das einfach zerstört, was ihm nicht passt und alles seinen persönlichen Befindlichkeiten unterordnet. Diese Bäume standen schon, bevor ich hier einzog, und deshalb hätten sie die älteren Rechte. Howgh – ich habe gesprochen!“
Langsam bekam ich ein Gefühl für die Abläufe, die sich um mich herum abspielten und nun wurde mir die ganze Sachlage allmählich klar: Es kann durchaus problematisch sein, wenn man tiefe Versprechungen, die man in die Welt setzt, später bricht, und dabei geht es auch nicht um einen Gott oder eine höhere Kraft, die einen bestraft, sondern um das eigene Gewissen, das einem diese plötzliche Haltungsänderung nicht verzeiht. Da kann man im Kopf lange darüber debattieren, die Bäume seien in der Zwischenzeit wirklich hoch bzw. der Schattenwurf auf das Haus mittlerweile inakzeptabel geworden, Tatsache bleibt: Ich habe das Allzeitgedächtnis meines tiefsten inneren Wesens irritiert, als ich die Bäume fällen liess, die ich zuvor dreissig Jahre lang „verteidigte“, und deshalb war alles, was daraus erfolgte, auch nur folgerichtig. Um im Bild zu bleiben: Es geht nicht darum, dass man seine Bäume nicht fällen darf noch geht es darum, dass man keine klaren Zielsetzungen formulieren soll, es geht hier einfach darum, aufzuzeigen, was im Inneren passieren kann, wenn man klare emotionale Massstäbe plötzlich umdreht und das Gegenteil vom ehemals Beschworenen anstrebt.
Zurück zur Geschichte: Die gute Stimmung war plötzlich weg, ich fühlte mich richtig niedergeschlagen und bedrückt und grübelte stundenlang vor mich hin, bis ich schliesslich zurück ins Büro schlich, um an den letzten Korrekturen weiterzuarbeiten und irgendwann dann zum Schluss des Buchs gelangte, dem „Echo aus einer anderen Welt“ (siehe Anfangszitat). Irgendwie war ich schon seit Stunden nicht mehr richtig bei der Sache und so war ich ziemlich erleichtert, dass ich kaum noch weitere Satzfehler oder andere Ungenauigkeiten fand und die Sache abschliessen konnte. Auf eine seltsame Weise zog es mich immer wieder nach draussen. Schnell eilte ich zurück in den Garten. Die gefällten Bäume waren inzwischen auf einem grossen Wagen zum Abtransport verstaut, die Werkzeuge sortiert und die vielen Holzstücke und Scherben aufgeräumt, und so eilte ich zu Lussia und half ihr beim Wischen der Strasse (der Garten mündet an eine abschüssige Einbahnstrasse in einem Wohnquartier).
Während ich also Staub und Dreck zusammenkehrte, kam gegen Abend Ceylan, mein türkischer Nachbar, von seiner täglichen Beschäftigung im nahegelegenen Schrebergarten zurück. Er sah die Holzspäne und die Unordnung auf der Strasse und fragte mich, was denn passiert sei, es wäre doch sehr erfreulich, dass diese hohen dunklen Bäume endlich entfernt worden sind. Ich wollte ihm die ganze Geschichte schildern; dazu bewegte ich mich mit ihm zusammen über die Strasse zum Garten hin, an den Zaun, wo ich ihm das Malheur meiner Marmorstatue genau erklärte, die in vielen Stücken zerschmettert im Teich und auf dem Gartenweg lag.
In diesem Moment begann sich die Szenerie farblich plötzlich zu verändern und als erstes fiel mir auf, dass der zerbrochene Amor im Wasser plötzlich einen perlmuttartigen Glanz ausstrahlte, ja, er schimmerte in einem weichen, an den Rändern verschwimmenden halluzinogenen Licht. Allmählich wurde der ganze Torso von innen her beleuchtet und fing an, in prächtigen, unwirklichen Farben zu illuminieren, und dann wurde ich von den verkopften Gedanken befallen, ob mir irgendjemand möglicherweise Haschisch, Ayuasca oder etwas Ähnliches in den Tee gemischt haben könnte, denn es war ein richtiges halluzinogenes Schauspiel, das sich vor mir ausbreitete …
Im selben Atemzug begann ich mich vom Boden zu erheben und während ich etwa in Manneshöhe in der Luft schwebte – ich war damit beschäftigt, mein Gewicht auszubalancieren, um nicht plötzlich auf die Erde zu fallen –, hörte ich unter mir das unruhige Stimmengewirr vieler Menschen, die um mich herum standen. In der gleichen Sekunde durchzuckte mich die Frage, was die Leute von mir wollten, denn die Realität war bei mir völlig ausgeblendet und stattdessen hatte ich das innere Empfinden, als ob sie nach einer Rede verlangten oder dass ich ihnen etwas Wichtiges sagen sollte.1
Ich dachte noch, das verschiebe ich besser auf morgen, denn ich war schon viel zu lange im Garten und hatte im Büro noch viel Arbeit vor mir, und das Nächste, was ich sah, war – wie schon eingangs geschildert – das Gesicht von Lussia, das über mir schwebte. Ihre Stimme klang wie durch Watte, als sie mir mitteilte, dass ich neben einer zerschmetterten Kniescheibe und ein paar Gesichtsbrüchen ein mittelschweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten hätte und soeben aus einem mehrtägigen Koma aufgewacht wäre.
Ich wollte ihr das erst gar nicht glauben, denn das betreffende Auto samt Unglücksfahrer wurde von meinem Bewusstsein (bis heute) verdrängt. In meiner von Morphium getränkten Trance war ich wie euphorisiert und erzählte den Besuchern und allen Menschen an meinem Bett von einem grossartigen Erlebnis, in dem ich mich am Steuer meines Motorboots rheinaufwärts bewegte und eben den Loreleyfelsen passierte, eine schöne, aber wohl dem Trauma geschuldete Reaktion, da die mich betreuende Ärztin auf den Namen Lore hörte.
Drei Jahre später konnte ich diese Vision aufschlüsseln. Ich hatte am 22. Januar 2015 im Dornier-Museum in Friedrichshafen einen Vortrag zum Thema „Was ist mit dem Empfinden jenseits des Denkens? Wo sind die Zugänge zu anderen Ebenen?“, und zwar im Hangar direkt unter dem Flügel einer D-1103, einem historischen Flugzeug, das in den Zwanzigern des letzten Jahrhunderts einige Flüge über den Nordpol machte. Das Podium war einen Meter erhöht, und während ich mich locker ins Thema hineinimprovisierte und dabei auch über meinen Unfall vom März 2012 resümierte, hatte ich plötzlich ein Déjà-vu, eine Art „zukünftige Erinnerung“, und zwar aus der Sicht meines vergangenen Unfalls, als ich seinerzeit plötzlich in die Höhe schwebte und viele Stimmen unter mir wahrnahm, was aus der Sicht von damals eben der „zukünftigen“ Erinnerung unter dem Flügel dieser D-1103 entsprach.
„Die Suche nach dem Tod“
Niemand
„Hörst du mich?“, vernahm ich deutlich eine Stimme. „Wer bist du?“, gab ich zwischen den Welten zurück.
„Gleich wirst du dich wieder erinnern“, hörte ich den inneren Ruf, „lass die Augen nur zu!
Dann kannst du den Übergang besser erfahren, der in deinen Träumen auf dich wartet.“
„Was für einen Übergang?“
„Unsere Begegnung findet auf einer Frequenzebene statt, die bereits an die Pforten des Bewusstseins anklopft, und ich bin die Energie, die ständig zwischen Bewusstem und Unbewusstem hin- und herpendelt. Hier bin ich reine Energie und verfüge im Gegensatz zur anderen Seite über keine äußere Gestalt, doch zur Erleichterung habe ich dir ein Bild von mir rückwirkend in dein Gedächtnis projiziert.“
Der Hintergrund meiner inneren Bilder brachte das Bild wunderbar zum Ausdruck. Es stellte einen Mann unter einer mächtigen Kapuze dar, dessen Gesicht verdeckt im Schatten lag, nur die roten Augen funkelten hervor. Das Gesicht war mir sehr vertraut und auf irgendeine Weise schienen mir auch seine Augen zu antworten, denn einen Moment lang hatte ich das seltsame Gefühl, als blinzelten sie mich an.
Nichts geschah. Das Dröhnen der Stille verstärkte sich. Kein Mensch weit und breit, als ich wieder zu mir kam. Ich war allein, über mir nur die Decke und vor dem Fenster das nächtliche Grau. Um mich herum war es ganz still, weder Geschrei, Chaos oder Hektik, es roch nach Medikamenten und nur das leise Blubbern irgendwelcher Maschinen erfüllte den Raum.
Ein paar Erinnerungsfetzen zuckten mir durch den Kopf und ich hatte das Gefühl, als ob ich vergeblich gegen ein Fahrzeug ankämpfte, das wie ein wilder Stier auf mich zugeschossen kam, und in der nächsten Einstellung lag ich bewusstlos auf der Strasse. Ich machte mir Gedanken, wo ich war und versuchte, alles um mich herum genau aufzunehmen. Dazu liess ich meinen Blick über einen Gesichtskreis von 180 Grad schwenken. Irgendwie nahm ich ein paar grosse Apparaturen und Instrumente um mich herum wahr, Beatmungsmaschinen, Röntgen- und Infusionsgeräte, und langsam dämmerte mir, dass ich mich im Herz eines „Emergency Rooms“, an der Schnittstelle zwischen Rettungswagen und Krankenhaus, befinden musste. Ich war nicht ganz wach, aber ich schlief auch nicht; es musste ein seltsamer Wachtraum sein, der mich mit seinen Schlangenarmen umzüngelte, ein halbwacher Zustand mit dem traumähnlichen Bild eines aus Fragmenten bestehenden Ereignisses.
Noch während ich erschöpft wieder die Lider schloss und mich mit einem Seufzer noch tiefer ins Bett sinken liess, wusste ich, dass ich nicht träumte. Niemals zuvor in meinem Leben war ich bei klarerem Bewusstsein gewesen. Es gab nicht den geringsten Zweifel. An der Wand auf meiner linken Seite leuchtete plötzlich ein grosser Lichtfleck auf und irgendwie starrte ich in einen kegelförmigen Spalt: „Komm da raus!“, rief ich unvermittelt. Aus dem rechten Augenwinkel nahm ich kurz eine Bewegung wahr. „Ich weiss genau, dass du da drinnen steckst!“
Die Leuchtkraft schien die ganze Wand zu überfluten. Es war, als sähe ich durch die geschlossenen Augenlider in ein beissendes Geflimmer. Eine weiße Lichtaura zog mich an und von einer Sekunde zur anderen entzündete sich ein Feuerwerk in meinem Hirn. Erst zirpende, kaum hörbare Stimmen, die immer höher kletterten, kreisende Geräusche, die sich immer schneller drehten und plötzlich hatte ich das innere Gespür, mit den Stimmen zu schweben und in die Ewigkeit aufzusteigen. Ich spürte, wie meine Wirbelsäule in rasende Vibrationen geriet. Irgendwie fühlte ich mich auf einmal in zwei Teile gespalten und gleichzeitig nahm ich den Leuchtfleck als Rahmen einer mir unsichtbaren Welt wahr, in der ich meinem Seelenführer begegnete, irgendwo zwischen Himmel und Erde.
„Zeig dich mir endlich!“ Meine Stimme zitterte vor Aufregung. „Oder bist du zu feige, dich mir zu stellen?“ Dann hörte ich ein leises Scharren, dem ein schürfendes Geräusch folgte. Das Leuchten schien sich auszudehnen und wieder zusammenzuziehen. Es hatte offenbar begonnen, in meine Richtung zu fliessen, denn der Lichtkegel wurde stärker und deutlicher sichtbar. Irgendwann bewegte sich der Spalt, und mir war, als ob jemand den Raum betrat. Um mich herum flutete ein strahlender Glanz.
Ich fühlte mich geistig wie berauscht, als dieses flimmernde Gefunkel wellenförmig auf mich zufloss. Ich versuchte aus den leuchtenden Flächen so etwas wie eine Form oder ein Gesicht herauszulesen; dazu liess ich meinen Blick über das glühende Objekt vor meinen Augen gleiten und sofort glaubte ich irgendwie vertraute Züge wahrzunehmen, die unter dem starken Lichtglanz zum Vorschein kamen, oder anders gesagt, ich wartete, bis die darunterliegenden Gesichtszüge durch die verblassende Glut hindurchschimmerten. Auch wenn ich nichts Genaues wahrnehmen konnte, so bildete ich mir ein, als ob es eine Erscheinung unter einer mächtigen Kapuze war, die sich mir aber nicht zu erkennen gab. „Erkennst du mich? Weisst du, wer ich bin?“, hörte ich eine Stimme, obgleich ich mir ziemlich sicher war, dass ich in diesem Augenblick nur träumte.
„Wo sind wir hier?“, brach es statt einer Antwort aus mir heraus. Meine Persönlichkeitsstruktur löste sich auf und ich bemerkte, wie eine fremde Energie durch mich hindurchfloss.
„Gleich wirst du dich wieder erinnern, allmählich wirst du die Situation verstehen, in der du dich befindest …“ Ich spürte einen eisigen Atem im Gesicht: „Mein Name ist Niemand. Ich bin der Wächter an der Schwelle und erscheine jedem in der Gestalt, in der er sich an mich erinnern kann …“
„Niemand?“ Es war, als ob die mir bekannte Realität zusammenbrach, denn neben meinem Bett sah ich plötzlich zwei flimmernde Augen aufleuchten, als würde ich von einem Hochenergielaser berührt. Das eine Auge brannte sich mir mit seinem Blick punktuell in den Geist oder das Denken ein, während sich das andere kreisförmig um das Empfinden meiner Seele legte, und sie wechselten sich im Rhythmus so ab, dass, wenn das eine in mir explodierte, ich mich in den freien Raum hinausgeschleudert fühlte und, wenn sich das andere in mir wieder zusammenzog, ich mich in Niemands Herzen angekommen fühlte. Zudem erblickte ich um die beiden Augen herum mein eigenes Gesicht: mitten im Zimmer, in dem ich mich befand, und das Leuchten war mein Augenlicht. „Versteh ich dich recht?“, hauchte ich aus dem hintersten Winkel meiner Seele.
„Absolut!“, erwiderte er. „Genauso, wie sich jeder Lebensabschnitt aus verschiedenen Handlungsabläufen und inneren Persönlichkeitsteilen zusammensetzt, ist auch der Tod ein Ereignis mit ganz unterschiedlichen Ausgängen. Dort, wo sich die geistigen Ebenen mit dem menschlichen Selbst schneiden, entsteht ein Durchgang, durch den das Ende in dich eindringen kann.“
„In mich eindringen? Davor bewahre mich Gott!“, brüllte ich. Geister und Dämonen tanzten auf meiner inneren Bühne und schleuderten ganze Armaden von Lichtspeeren auf mich. Mein mehrdimensionales Wesen flackerte einen Moment, dann begann sich meine Bewusstseinsbühne langsam zu verschieben, als ob sie sich zu einem anderen Blickwinkel auseinanderfalten wollte. Unfähig, mich zu rühren, konnte ich spüren, wie seine Energie in meinem Körper floss.
Er legte mir die Hand auf den Kopf und sagte: „Hab keine Angst! Während des Todes löst sich das gewohnte Ich auf und zerstäubt wie eine Handvoll tanzender Funken. Für das menschliche Ego hört sich das viel schlimmer an, als es wirklich ist. Es ist nur das geistige Herausfegen alter Bilder aus deinem Kopf: Ist dieses alte Gerümpel erst einmal aus deiner Seele verbannt, fühlt es sich im gleichen Augenblick schon sehr viel freier an …“
„Mir wird angst und bang …“, wimmerte ich, der Erschöpfung nahe. Ich spürte, wie sich mein Wesen ganz allmählich mit neuen Erkenntnissen füllte und der veränderte Geist die alten Prägungen aus mir herausdrängte.
„Jaja, ich weiss“, erwiderte er, „Niemand macht dir Angst. Es ist der rigorose Abbau alter gewohnter Beklemmungen in deinem Hirn. Spürst du die Wirkung? Bald bist du frei!“
„Was willst du?“, strömte der Schreck aus meiner Seele. Erschütternde Gewissheit breitete sich in mir aus. Als das Leuchten intensiver wurde, verloren sich die Umrisse seines Gesichts … sie begannen sich langsam zu verdunkeln.
„Ich bin auf deinen Ruf gekommen, um dir zu zeigen, wohin du gehen willst!“, sagte er und ein amorphes Objekt leuchtete an seiner Stelle.
Niemand schien einen empfindlichen Nerv in mir getroffen zu haben, denn ich fühlte, wie mir Tränen in die Augen traten. „Dann sag mir, wohin ich gehen will?“, schluchzte ich.
„Zu mir!“, antwortete er. „Ich sagte schon, dass Niemand für das Ende deines Egos steht, und das ist es, was dich antreibt: Du willst zu mir!“
„Zu dir?“ Ich war konsterniert. „Ist das mein Ziel?“
„Ja und nein. Jeder Mensch setzt seine persönliche Welt nach den eigenen Vorstellungen und Wünschen zusammen.“ Wieder bemerkte ich einen Lichtereffekt an der Stelle, wo ich sein Gesicht vermutete. Allmählich wurden die Gesichtszüge wieder deutlicher. „Aber du bist anders, hast ein anderes Ziel“, fuhr er fort. „Du möchtest die Gesamtheit deines Selbst erfahren, deshalb hast du mich gerufen.“
„Ist meine persönliche Welt denn eine andere?“, erlaubte ich mir sachkundig dagegenzuhalten.
„Gewiss“, bestätigte er, „du bist ein nörgelnder Skeptiker und magst die Menschen nicht, die sich traditionell verhalten.“ Die beiden Ebenen begannen sich ineinander zu verdrehen.
„Und wieso kann ich das alles hier mehrfach sehen?“, versuchte ich herauszufinden, denn gleichzeitig lag ich im Bett und konnte nicht nur Niemand, sondern auch noch ein paar weitere verschiedene Frequenzbereiche um mich herum deutlich wahrnehmen, die sich wie die Speichen eines Rades um eine imaginäre Nabe in meinem Kopf drehten.
„Du bist eben anders“, tat er mir kund. „Du weisst, dass die Beschreibung der Welt nur in deinem Kopf existiert und zwar durch die Brille, die dir dein Ego diktiert. Diese Sichtweise verändert sich im Leben je nach Verschiebung des Fokus, durch dessen Linse du die Welt betrachtest. Jede Veränderung der Perspektive verwandelt auch den Hintergrund, auf den sich die Erfahrung der ursprünglichen Sichtweise bezieht, und von verschiedenen Standpunkten aus kannst du verschiedene Assoziationsebenen aufrufen, die unbekannte Bereiche deiner Persönlichkeit freilegen. Es sind deine sechs inneren Geister oder Wesensteile, denen du hier begegnest!“
„Wo seid ihr – ihr Geister?“, brüllte ich. An der Wand auf meiner linken Seite öffnete sich plötzlich ein mannsgrosser, kegelförmiger Lichtspalt. Ich starrte in die Glut: „Kommt wieder aus mir raus!“, befahl ich meinen inneren Wesensteilen. „Niemand hat euch erlaubt, dass ihr in mir drinbleiben könnt.“ Es war, als sähe ich durch meine geschlossenen Augenlider in ein beissendes Geflimmer. Mein Sehen war viel mehr als nur ein äusseres Bild: es war ein inneres Erkennen. Und als ich meine Aufmerksamkeit bewusster auf die äussere Erscheinung neben meinem Bett richtete, deren Gestalt aus dem Schatten plötzlich ins Licht trat, schienen mir auf irgendeine Weise auch ihre Augen zu antworten, denn einen Moment hatte ich das seltsame Gefühl, als hätten sie mich erkannt.
Ich stellte fest, dass diese Vision mehr als nur ein Erlebnis oder eine Erinnerung war: Sie bebilderte eine multiple Situation, in der das Geschehen mehrdimensional übereinandergeschichtet war. „Könnt ihr mehr über euch erzählen?“, erwiderte ich interessiert.
„Sei nicht so neugierig, wir werden dir bald alle begegnen“, hörte ich sie sagen. „Wir sind deine sechs auf unterschiedlichen Stufen operierenden inneren Personen, von denen du alles erfragen kannst, was dich interessiert und was du zu erfahren suchst.“
„Das ist schon ein komisches Gefühl, wenn ich daran denke, dass ihr alle in mir existiert. Wie kann ich mich schützen?“ Ich hatte ein mulmiges Gefühl beim Gedanken, dass da irgendeine fremde Energie in mein Inneres eingedrungen war.
„Normalerweise braucht man sich vor uns nicht zu schützen“, raunten sie mir zu, „denn wir lösen in den Menschen nur die ‚zukünftigen Erinnerungen‘ aus, an die sie sich erst sehr viel später erinnern können, da sie im Moment ihres Empfindens noch gar nicht stattgefunden haben.“
„Dann seid ihr die unerlebten Erfahrungsmuster und Frequenzebenen unbekannter Wesen meiner Art?“, hörte ich mich selbst denken. „Wo kommt ihr her? Was ist eure Welt? Kann ich irgendetwas für euch tun?“, versuchte ich meine innere Unruhe zu überspielen.
„Was möchtest du denn tun?“ Sie schienen ziemlich belustigt über das, was ich sagte.
„Ich möchte mich von meinem persönlichen Ego lösen und euch in die Geisterwelt folgen …“, versuchte ich sie zu überzeugen und löste damit ein Beben in meinem Solarplexus aus. Die Vibrationen wurden schneller und fingen an, sich in mir zu drehen, bis mir schwindlig wurde.
„ … uns folgen“, wiederholten sie verdächtig sanft. Kaum hatten mich ihre Worte berührt, fühle ich die wundersame Wiederkehr einer tief aufsteigenden Erinnerung in mir. Das Licht im Raum wirbelte nach innen, wobei es herrliche Reflexe hervorrief und seltsame, züngelnde Schatten warf: „Du könntest dich höchstens darauf konzentrieren, unsere Botschaft zwischen deinen Ohren gut zu verarbeiten.“
Die Geister expandierten im Bewusstsein rasend schnell und füllten bald mein ganzes Gesichtsfeld aus. Im nächsten Augenblick zogen sie sich zu einem Lichtpunkt vor mir zusammen, von dem ich annahm, dass es Niemands leuchtendes Auge war. Im Grunde war es mein eigener Blick, der sich mir durch Niemands Auge gegenübersah, eine durchscheinende, schimmernde Glut, deren Tiefe die Unbegrenztheit des Kosmos atmete.
„Sieh nur“, sagte dieser ganz ruhig, „sie kommen aus dem Unbewussten herauf zu dir, um dir etwas mitzuteilen.“ Einen Moment war ich ganz davon in Anspruch genommen, die Lichtfünkchen, die ihn umströmten, zu beobachten.
Und gleichzeitig blickten Niemand und ich uns gegenseitig an, da wurde ich mir plötzlich meiner multiplen Situation bewusst. Irgendwie schien er die Kontrolle über mein Verhalten übernehmen zu wollen und ich fragte mich, ob das Ganze möglicherweise nur ein Versuch von mir war, mit dem Tod und dem bevorstehenden Übergang besser umgehen zu können.
„Kommst du mit mir?“, enthüllte er sein charmantestes Lächeln. „Ich habe dich oft in deinen Träumen besucht, auch wenn du dich nicht mehr daran erinnern kannst …“
„Und nun bringst du mir die Erinnerung zurück, die ich schon längst vergessen habe“, fiel ich ihm ins Wort. Ich spürte die alten Bilder in mir: „Ja, ich komme mit“, meine Gedanken begannen zu rasen. Sie drehten sich immer schneller, bis ich sie nicht mehr einzeln wahrnehmen konnte. Meine Hirnganglien fingen an, sich zu bewegen, und das Ganze stieg wie ein nebelhafter Schleier zu mir auf, eine endlose Kette von Assoziationen, die an meiner Wahrnehmung vorbeischwebten. Schnitt.
Mein mehrdimensionales Wesen flackerte einen Moment, dann begann sich meine Bewusstseinsbühne langsam zu verschieben, als ob sie sich zu einer tieferen Dimension von Erkenntnis auseinanderfalten wollte. Und eine Botschaft vereinigte sich aus sechs verschiedenen Perspektiven in meinem Mund: „Wir sind ‚Niemands‘ verschiedene innere Selbst und möchten dir zeigen, was dich auf der anderen Seite erwartet. Bist du bereit?“ Er lächelte maliziös.
„Ja, ich möchte mit dir kommen, dich durch alle Sehnsüchte meines Herzens begleiten“, jubelte es in mir, „und mich in jeder Hinsicht von dir leiten lassen.“
„Dann lass uns die Welt durch meine Augen betrachten …“, mit einem Mal spürte ich seine Augen in meinem Kopf, seine Gedanken pressten sich in mein Bewusstsein und es war, als sähe ich durch die halbgeschlossenen Augenlider in ein Licht: „ … die ich dir zur Verfügung stelle, damit du die Zusammenhänge in deiner Erinnerung besser verstehen kannst!“
Doch bevor ich in seinen Eingebungen versank und mit den mir geliehenen Augen die Ewigkeit ausmaß, hatte ich eine seltsame Vision: „Du fließt als ein Ausdruck menschlichen Ringens um die letzten Dinge in das kosmische Nichts zurück“, strömte es aus meiner Seele. Schnitt.
„Vermeide seinen Blick …“, sagte eine geisterhafte Stimme plötzlich neben mir und ich spürte, dass ich nicht alleine war. Es war aber auch nicht ‚Niemand‘. Eine unbekannte Energie, die ich in Verdacht hatte, der Tod zu sein, hatte sich zwischen uns gestellt und bewegte sich wie ein Doppelgänger. Irgendwie schien mir, als pendelte sie zwischen ihm und mir.
„ … sonst wirst du von ihm aufgesaugt!“ Plötzlich blickte ich durch die Augen meines Traumkörpers. Während die Person, die ich eben noch war, versuchte, seine Hand zu erfassen, dabei aber nur ins Leere griff, berührte mein geträumter Teil die Hand des Sensenmannes: „Was für dunkle Erinnerungen löst du in mir aus?“ Ich weigerte mich, irgendwelche Ratschläge zu befolgen, solange ich die Zusammenhänge nicht kannte.
„Während des Todes löst sich das gewohnte Ich auf und zerstiebt wie eine Handvoll tanzender Funken, und gleichzeitig entstehen neue Impulse, zwischen denen eine starke Verbindung besteht“, fauchte er mich an. „Das ist auch eine der Ursachen, warum wir miteinander reden können, obwohl wir ganz andere Energiewesen sind. Aber durch einen gemeinsamen kosmischen Traum schwingen wir auf der gleichen Frequenz.“
Sein Gesicht flimmerte. Es war der Tod. Im Grunde war es mein eigener Blick, der dem Tod im Umweg über Niemand ins Auge sah, eine durchscheinende, schimmernde Glut, deren Tiefe die Unbegrenztheit des Kosmos atmete.
„Deshalb pendelst du in diesem Augenblick zwischen Verstand und außerkörperlicher Wahrnehmung hin und her, ohne dich aber für die eine oder andere Seite entscheiden zu können“, antwortete er und schaute mich lang und unverwandt an, „denn du bist im Begriff, dich von deinem Körper zu lösen, obwohl du davon auch nicht restlos überzeugt bist, und im Moment steht es unentschieden, das heisst, dir stehen beide Perspektiven offen.“
Ich sagte ihm, dass ich mich in diesem Augenblick sehr unbehaglich fühlte. Ich fürchtete mich vor dem Unbekannten, das mich erwartete, und das mich gleichermassen anzog. Ich hatte Angst.
„Jeder kommt irgendwann an diesen Punkt“, erklärte Niemand hoheitsvoll. „Auch ich bin vor langer Zeit an dieser Stelle gestanden, und die Kraft hat mich geführt. Mach dir keine Sorgen – schließlich bist du ein Stück von mir …“
„Ein Stück von dir – wie soll ich das verstehen?“
„Niemand ist nichts, weil er alles ist“, erwiderte er und schaute mich an. Ich lag nackt ausgestreckt auf dem Laken auf dem schmalen Bett und gleichzeitig fühlte ich mich schwerelos in der Luft kreisen. Der ganze Raum drehte sich um mich. Aus seinem Gesicht fühlte ich Wellen auf mich zufliessen, die mich umgaben, während er weiter sprach: „Jedes kleine Teilchen in mir ist mit menschlichen Erinnerungen gefüllt, die sich durch den Geist bereisen lassen, wenn der Mensch seine Träume und seine außerkörperlichen Erfahrungen für sich nutzen kann. Ich selbst drang in deinen Geist wie in ein verwandtes Territorium ein, und meine Botschaft veränderte sich in deiner Erinnerung, bis du sie als deine eigene erkanntest, denn ich bin die Kraft, die du gerufen hast, um dir zu helfen, der zu werden, der du bist.“
„Und wer bin ich – der Du bist?“ Es war, als hätte meine Seele ihren Körper verlassen, denn obwohl ich mich teilweise unten in der materiellen Sphäre wahrnahm, spürte ich auch, wie ein anderer Teil seine Worte wie ein Treppengeländer benutzte, um sich zu den Göttern hinauf zu schwingen.
„Es gibt kein Ich“, fuhr er fort. „Deshalb gibt es auch kein göttliches Wesen, das man beschreiben könnte, es gibt tausend innere Wesen, die sich zu einer Seele zusammenfinden und sich ständig nach ihren Selbsterfahrungen und ihrer Selbstwahrnehmungsidentität einordnen und umschichten. Zugleich spalten sich ständig Energieströme aus dem Persönlichkeitskern ab und gehen eigene Wege, indem sie sich mit neuen Bewusstseinskonfigurationen verbinden.“ Da fiel mir plötzlich auf, dass er eigentlich gar keine menschlichen Umrisse hatte; das Ganze erschien mir wie eine energetische Vibration. Ich schaute ihn genauer an und weiter fiel mir auf, dass sich sein Bild mit meinen Gedanken irgendwie anders als sonst verknüpfte: ähnlich einem Wesen aus einer anderen Welt, das sich wie eine menschliche Gestalt anfühlte, wie ein geträumter Mensch sozusagen, der eine mächtige Anziehung auf mich ausübte.
„Ganz im Gegenteil“, tat mir der Halbgeträumte kund. Sein Gesicht vibrierte. Es verwandelte sich in einen riesigen Leuchtfleck. Das Licht schien sein ganzes Wesen zu durchfluten und mir war, als ob ich durch die halbgeöffneten Augenlider vor meiner eigenen Erkenntnis stand: „Man könnte diesen Vorgang auch als eine seelische Verwandtschaft bezeichnen, ein Sympathieband oder eine Art starke innere Bindung zwischen verschiedenen Wesen mit verwandten Genen. Zwischen diesen Energieteilen bleibt ein starker seelischer Bund bestehen, egal, wieweit sie sich voneinander entfernen.“
Und als ich ihn fest anschaute, hatte ich den Eindruck von etwas ganz Realem; er war irgendwie tief in mir verwurzelt und übte eine mächtige Anziehung auf mich aus, aber irgendwie war er auch nicht real. Gleichzeitig spürte ich, wie seine Ausstrahlung meine Aufmerksamkeit losliess und sich mein Bewusstsein auf die alleinige Frage zubewegte: „Aber woher nehme ich die Gewissheit, dass du mir keinen Scheiss erzählst?“
Plötzlich berührte er mich; es war wie ein Tropfen reiner Energie. Auch konnte ich seine energetischen Vibrationen sehen. Er schien sich meiner Anwesenheit bewusst zu werden und im gleichen Atemzug spürte ich seine Hand auf der Schulter.
Es war, als sei ein Teil von mir, der schon gestorben war, durch diese Berührung wiederbelebt worden. Als ich die Augen öffnete, war es ein kurzer Moment der gleiche Schauplatz. Ich sah seine Gestalt, irgendwie war er mir vertraut, doch die ganze Szene verschwand in dem Augenblick, als er zu sprechen anhub: „Menschen, die sich anziehen, strömen in der Sekunde, da der Funke zündet und überspringt, miteinander korrespondierende Energieteile aus.“
Ich spürte nichts, aber ich war überzeugt, dass mein Kopf an seiner Schulter lag: „Das ist übrigens das Geheimnis, das wir als Liebe empfinden, und die Art der Aneinanderreihung dieser Jenseitsmeditationen führt zu dem, was der Mystiker normalerweise als die Entwicklung der Persönlichkeit seiner Seele bezeichnet“, fuhr er fort. Seine Augen funkelten aus dem Nichts, und beinahe hätte ich mein Bewusstsein verloren.
Der Dialog mit dem eigenen Spiegelbild
„Niemand, du?“
Plötzlich konnte ich mich wieder erinnern. Es war mein Begleiter, mein innerer Psychopompos, der mich in der Vergangenheit durch die Abgründe meiner inneren Schatten geführt hatte. Es war vor langer Zeit, ich hatte es beinahe vergessen. Aber mit einem Mal stand die ganze Vergangenheit vor meinem inneren Auge da, und ich konnte mich an beinahe jedes Detail wieder entsinnen.
Dann schlug Niemand die Kapuze seines Mantels zurück und mit einem einzigen Blick wurde mir die Antwort klar:Ich sah mich selbst!„Ich bin nicht der, den du zu sehen glaubst“, hörte ich seine Botschaft im Raum, „ich bin der Wächter der Seele am Ende der Träume, der aus dem alten Nichts-weil-es-alles-ist hervorgegangen ist, um dir das zu vermitteln, an das du dich in diesem Augenblick zu erinnern beginnst.“
„Was willst du damit sagen?“
Ich konnte seine Augen in der Dunkelheit leuchten sehen. „Ich blicke in dir auf viele verwandte Erinnerungen zurück, aus denen auch ich einst hervorging, denn ich bin die Summe dessen, der du am Ende deines Weges sein wirst“, spürte ich seine Worte tief in mir, denn sie schienen mir etwas vermitteln zu wollen, das über meine Wahrnehmung hinausging, das Unsagbare nämlich, das nicht wirklich vorstellbar war. „Vergangenheit und Zukunft sind nichts anderes als kosmische Chips oder duale Komponenten, von der Schöpfung als Zeit-Raum Wahrnehmungsmuster im Gehirn unserer Spezies verdrahtet, um die dualen Abläufe in der menschlichen Wahrnehmung zu gewährleisten, und keinesfalls als unabdingbare Form. In diesem Sinn bin ich deine erinnerte Zukunft, in die du einst hineinwachsen wirst, auch wenn alle Teile, die du einst sein wirst, längst in dir vorhanden sind, ähnlich wie deine Lebenswünsche lange schon vor ihrer Erfüllung in deiner Seele fest verankert sind, auch wenn sie nach materiellen Gesichtspunkten noch gar nicht existieren.“
„Du willst meine erinnerte Zukunft sein …“, krächzte ich. „Glaubst du denn wirklich, ich will zu dir?“ Ich stellte fest, dass seine Aussage mehr als eine Feststellung war; es war wie eine gefühlte innere Stimme, eine Art sechster Sinn.
Seine Antwort fiel sehr knapp aus: „Jedes Ego strebt am Ende zu seinem höheren Selbst: Zu mir!“ Die Atmosphäre rund um seine Gesichtszüge flackerte. Ich spürte, dass es nichts mehr zu sagen gab; mein schnodderiger Einwand hatte die Kommunikation verwehrt und es gab nichts mehr, über was wir uns sonst noch hätten unterhalten können. Sein Blick trübte sich ein und ich befürchtete schon, Niemand verschwände oder löste sich auf.
Doch schon im nächsten Moment war sein Blick wieder durchdringend und klar. Er konzentrierte sich auf den kranialen Ansatz meiner Nasenwurzel: „Du glaubst, dass das, was ich sage, einfältig und simpel ist“, sagte er ungerührt, „nur weil du dir wahrscheinlich unendlich tief und sensibel vorkommst – doch dem ist nicht so! Jedes Ego glaubt, sein Leben wäre eine tolle Abenteuergeschichte, die sich vor ihm ausrollt. Erst wenn der Mensch in zunehmendem Alter merkt, dass die Lebensströme immer mehr versickern, bis das Ganze am Ende schliesslich ganz versiegt, ist er am Ziel. Denn im Grunde handelt es sich um eine sich immer enger zusammenziehende Kurzgeschichte, die sich nur durch die kontrollierende Instanz des Ego wie ein grosser Abenteuerroman anfühlt. Am Ende des Lebens haben die wenigsten Menschen die Kraft, sich selbst zu betrügen.“
„Allmählich begreife ich, was du mir sagen möchtest“, entgegnete ich nach einer gewissen Zeit kleinlaut. Dann begann er wieder über den Tod und uns beide zu sprechen und wunderte sich über meine Art, die wirklichen Dinge selbst am Ende des Lebens noch zu verdrängen. Er beschrieb die Zeit und die Erkenntnisse aus den Abläufen der aufeinander folgenden Abschnitte als das wahre Bindeglied zwischen den Generationen und legte dabei besonderen Wert auf die Erkenntnis, dass er für mich genau die Antwort parat hätte, die ich Zeit meines Lebens in der Welt gesucht hätte.
„Ich danke dir! Es scheint mir, als wolltest du mir durch die Blume sagen, dass du gleichermassen Vergangenheit und Zukunft für mich bist, Vater“, antwortete ich sehr berührt. Irgendwie nahm mich dieser Gedanke für sich ein, denn ich fürchtete mich nicht vor der Aufspaltung des Ego, ganz im Gegenteil, ich sehnte mich nach der Verbindung nach etwas Größerem, nach dem Unbekannten, das mein Bewusstsein in höhere Sphären geleitete. Das Gefühl kam aus meinem Geist und heftete sich an das geistige Bild, das ich mir von ihm machte.
„Es ist schon wahr, dass du dich nur verwirrst, wenn du denkst, und du weisst auch immer noch nicht, was du aus unserer Verbindung für dich entdecken kannst, denn es ist eine Fusion zwischen Bild und Geist oder zwischen Geist und Bild“, entgegnete er bestimmt. „Während sich das persönliche Ego, das sich durch die Aneinanderreihung der persönlichen Erlebnisse definiert, in Funken auflöst, bleibt jedem einzelnen Funken sein persönliches Empfinden erhalten. Man kann also sagen, der Geist hat alle Variationen der Seele in alle Winde ausgestreut, aus der sich die Seelen bedienen, bevor sie wieder auf dieser Erde geboren werden. Das Ganze ist wie ein Kaleidoskop, das sich aus den immer gleichen Bausteinen in unendlichen Variationen ausströmt. Das ist auch der Grund, weshalb auf eurem Planeten eine Entwicklung nur schwer möglich ist.“
„Keine Entwicklung?“ Und wieder stand die missverständliche Wand verschiedener Seins-Ebenen zwischen uns. „Das kann ich nicht glauben – ich denke, die Menschheit entwickelt sich ständig.“
„Das ist eine Illusion“, sagte er behutsam. „Was sich bewegt ist nicht die Entwicklung, sondern die Sichtweise des Menschen, der sich atemlos und hektisch um die unveränderbare Nabe des menschlichen Erlebens dreht. Aus dieser Sicht bin ich nicht nur dein geistiger Vater, ich bin auch eine Art Schicksalsnabe, um die du dich drehst.“
„Das versteh ich nicht. Die Menschheit ist doch heute geistig viel weiter und auch sozial viel reifer als noch vor zweitausend Jahren“, tat ich ihm kund.
„Unsinn“, hörte ich ihn sagen. Dann erst bemerkte ich, dass es stockdunkel im Zimmer war, und ich war mir nicht sicher, ob ich meine Augen offen oder geschlossen hatte. „Wir sind nicht die Schöpfer einer besseren Welt“, sprudelten die Worte, „sondern nur die Gestalter immer neuer Illusionen, die sich aus unseren Kreationen ergeben. Menschliche Schatten wie Angst, Misstrauen, gegenseitige Kontrolle sowie die Grundlage des Übels, das alles überwuchernde krebsartige Geschwür kapitalistischen Wachstums und Zugewinns, werden schon in naher Zukunft zu einem unlösbaren Problem.“
„Unlösbar? Was willst du damit sagen?“ Ich deutete mit dem Kinn auf eine imaginäre Stelle im Raum.
„Tod und Zerstörung sind erst dann einsichtig, wenn man die geistigen Zusammenhänge erkennt.“ Plötzlich war er weg, schien vor meinem Auge verschwunden, obwohl ich ihn einen Moment zuvor noch gesehen hatte.
„Meinst du das im Ernst?“ Und dann war er abwechselnd da und wieder nicht.
„Nein!“ Die Antwort erklang wie ein Posaunenstoss aus einer anderen Dimension. „Du hast in meine Augen gesehen“, ich spürte, wie mir der Atem stockte, „da sahst du in die Spiegel einer anderen Welt, die dir nur deine eigene Meinung reflektieren, also das, was du glauben willst, was dir gefällt. Es ist deine eigene Meinung, die du in mir siehst!“
Ich erwachte wie aus einem verrückten Traum. Trotz wirrem Kopf wurde mir die Situation allmählich klar: Ich hatte die Augen halb geschlossen und schien Zeit und Raum völlig entrückt zu sein. „So hat diese Begegnung für uns keinerlei Bedeutung?“, erlaubte ich mir einen leisen Einwand.
„Ganz im Gegenteil! Dass ich dich anschaue und mit dir spreche, bedeutet doch auch, dass ich dich willkommen heisse“, ertönte seine Stimme, „Willkommen zuhause! Willkommen in dir!“
„Das versteh ich nicht!“ Ich konnte meine eigene Betroffenheit spüren und registrierte im gleichen Augenblick, wie mein Sterbeschweiss das Laken dunkel färbte. Dann hatte ich einen Flash und sagte zu ihm: „Auf der einen Seite bist du nur ein Spiegelbild, das mir ständig meinen eigenen Standpunkt reflektiert, und auf der anderen behauptest du, dass wir füreinander wichtig sind: Du, weil ich von dir lernen kann, und ich, weil ich dich durch meine Erkenntnisse vollständig machen kann, wenn ich wieder zu dir zurückkehre …“
„Das braucht sich nicht auszuschliessen“, entgegnete er sehr sanft. Ich spürte seine Energie, die sich zu einer leuchtenden Erkenntnis ausdehnte und meine Wahrnehmung umkreiste: „Hier geht es nicht um die Frage, welches Ding von zweien, hier geht es um eine Situation von Dualität oder Multiplizität.“
Ich überlegte mir, ob ich ihm darauf überhaupt antworten sollte, denn das war die simple Wiederholung seiner ursprünglichen Behauptung am Anfang unseres Gesprächs. Ich wollte aber auch nicht schweigen und drehte den Spiess einfach um: „Und du denkst, ich möchte immer noch zu dir? Doch die Frage wäre: Willst du zu mir?“
„Es ist die Sehnsucht des Menschen nach sich selbst“, meldete er sich mit einem funkelnden Ausdruck in den Augen wieder zu Wort, „wenn die Menschen dieses Verlangen in der Anbetung ihrer eigenen Schöpfungen stillen.“
„Dann ist die Religion kein Heimweg zu Gott, sondern ein Umweg auf dem Weg zu sich selber?“ seufzte ich.
„Religion ist nur ein Bild, das vom Umgang und von der Verantwortung zu sich selbst ablenkt. Eine Droge oder eine Art psychischer Datenbank, aus welcher der Mensch seine Sehnsüchte in den von ihm bevorzugten Bildern abrufen kann, wenn er für seine kollektiven Handlungen und Taten nach einer Legitimation verlangt“, strahlte er. Irgendwie stand er plötzlich weiter von mir weg und nur, wenn ich die Augen verdrehte, konnte ich ihm folgen.