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In der letzten Lebensphase, die kurz oder auch sehr lange dauern kann, wünschen sich Palliativpatienten Lebensqualität, die sehr persönlich zu gestalten ist. Dabei harmonieren Palliativversorgung und Aktivierend-therapeutische Pflege aufgrund ihres gemeinsamen Anspruchs, Lebensqualität so lange wie möglich zu erhalten. Denn auch bei Palliativpatienten verfolgt Aktivierend-therapeutische Pflege das Ziel, die individuelle, optimal erreichbare Mobilität und Selbstversorgung sowie Teilhabe und Selbstbestimmung möglichst lange zu erhalten oder auch wiederzuerlangen. Neben der Einführung in die Aktivierend-therapeutische Pflege in der Palliative Care bieten Beiträge zu den Pflege- und Handlungsschwerpunkten Beziehungsarbeit, Bewegung und Selbstversorgung sowie Anwendungsbeispiele den Lesenden einen praktischen Zugang.
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Seitenzahl: 325
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Die Herausgeberinnen
Friedhilde Bartels, Gesundheits- und Krankenpflegerin, Pflegedienstleiterin, Fachweiterbildungen in »Palliativ Care«, ehem. Vorstandsmitglied des Bundesverbands der Geriatrie (BVG) und ehem. Präsidentin der Deutschen Fachgesellschaft für Aktivierend-therapeutische Pflege (DGATP) e. V., Autorin und Dozentin für ATP-G und ATP-P.
Sarah Eschmann, Gesundheit- und Krankenpflegerin, Praxisbegleiterin Bobath BIKA®, Peer-Tutor Kinaesthetics, Fachweiterbildungen in »Palliativ Care«, »Demenz Care« und »Diakonie Care«, Mitglied der Deutschen Fachgesellschaft für Aktivierend-therapeutische Pflege e. V. (DGATP), arbeitet als Pflegeexpertin im Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg.
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1. Auflage 2022
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-038536-8
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-038537-5
epub: ISBN 978-3-17-038538-2
Die schwerstkranke, palliative und sterbende Person hat besondere Bedarfe, vor allem wenn es darum geht, die Lebensqualität der »Ressource Alltagsbewältigung« bei langen palliativen Phasen, die sie immer wieder in der eigenen Häuslichkeit verbringen möchte, wieder zu erreichen oder zu erhalten. Die Aktivierend-therapeutische Pflege bildet dafür die Grundlage und hat auch im palliativen Setting ihre Daseinsberechtigung zur Vermeidung oder Reduzierung einer zu frühen Pflegebedürftigkeit zum Ziel. ATP findet von der Geburt bis zum Tod inkl. der Sterbephase Anwendung und kann deshalb sowohl in den Akutkrankenhäusern als auch in allen Rehakliniken, Einrichtungen der Altenhilfe, der Häuslichkeit und in allen Belangen der palliativen Versorgung nicht nur notwendig, sondern auch sehr indiziert sein.
»Aktivierend-therapeutische Pflege (ATP) ist ein sektorenübergreifendes, altersunabhängiges, pflegerisches Angebot von dazu qualifizierten Pflegenden. ATP fördert ressourcenorientiert die Selbstständigkeit, die Selbstbestimmung und die Teilhabe einer Person und ist an deren Lebenssituation und Lebensumfeld angepasst.« DGATP e. V. (Schumann 2018)
Auch die tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen, wie z. B. die Aufhebung der Großfamilie, kann zu Versorgungsproblemen und zur Vereinsamung sterbenskranker Personen führen. Dadurch, dass Generationen auseinanderdriften, bedarf es auch im palliativen Setting besonderes Verständnis, weil die verschiedenen Lebenserfahrungen und Wertevorstellungen aufeinandertreffen. Dies führt oftmals zu Kommunikationsmissverständnissen zwischen sterbenskranken, palliativen Personen und Menschen, die sich in diese Situation nicht oder nur schwer hineinversetzen können. Palliative Personen befinden sich in extremen Lebenssituationen. Dabei hat auch die ältere »Personenklientel« – im Alter sterben die meisten Personen – sehr genaue Vorstellungen, Wünsche und Erwartungen an den Umgang mit ihnen (Bartels 2011/12).
Insgesamt stellt uns die Palliative Care durch die gesellschaftlichen Veränderungen und Erwartungen an die selbstbestimmte Teilhabe und Selbstbestimmung, wie sie im § 1 SGB IX beschrieben sind, vor neue oder veränderte Herausforderungen der Bedürfnisse. Dies stellt uns nicht nur in Hinsicht auf Finanzierung der Sozialversicherungssysteme, sondern auch hinsichtlich der Rahmenbedingungen für ein erfolgreiches und »produktives palliatives Leben und Sterben« – egal in welcher Umgebung – vor gegenwärtige und zukünftige Herausforderungen.
Hinzu kommen die zukünftigen knappen Reserven der qualifizierten Pflegenden: »Laut der Analyse würden im Jahr 2035 rund 270.000 Arbeitskräfte fehlen, berichtete das BIBB …«1. Leider sind viele Pflegende der Palliativpflege nicht in der ATP-P qualifiziert, obwohl dieses Konzept sowohl palliative Personen als auch Pflegende schont und schützt ( Kap. 20).
Die schwerstkranken, palliativen und/oder sterbenden Personen haben besondere Bedarfe. Die oft in ihrer Funktion eingeschränkte und gefährdete Selbstversorgung, -bestimmung und demnach Selbstständigkeit im palliativen Setting bedingt eine helfende Unterstützung bis zur medizinischen Behandlung. Unter Beachtung der individuellen noch vorhandenen Fähigkeiten und Fertigkeiten der palliativen Person sowie aktueller gesundheitlicher Einschränkungen stehen insbesondere das (Wieder-)Erlangen und Erhalten von Alltagskompetenz (Lebensqualität) im Mittelpunkt. Das Zitat von Cicely Saunders gilt immer für alle Personen in diesem Kontext: »Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.«2
Um den besonderen Bedarfen gerecht zu werden, wurden auch für die Palliativversorgung in einem Krankenhaus sog. Komplexbehandlungen mit Mindestmerkmalen eingeführt ( Kap. 1). Dort stand bislang in beiden Versionen (OPS 8-982 und 8-98e) ein Hinweis auf eine aktivierende und/oder therapeutische Pflege. Ab 2020 fehlen diese Mindestmerkmale beim OPS 8-982. Das kann verheerende Folgen haben.
Die Aktivierend-therapeutische Pflege bildet laut der Definition der DGATP die Grundlage für die Lebensqualität bis zum Tod. Pflege mit dem therapeutischen Pflegeziel, eine palliative Pflegebedürftigkeit zu vermeiden oder zu reduzieren, kann nur im Interesse aller Beteiligten liegen. Dabei sind und bleiben die wichtigsten Ressourcen für die palliativen Personen die Pflegenden. Einerseits ist nicht davon auszugehen, dass die Pflege in den Palliativbereichen (stationär und ambulant) vom Pflegenotstand verschont bleibt. Andererseits führt eine notwendige Vielfalt/Anzahl an Pflegekräften besonders in den sich immer weiterverbreitenden palliativen Disziplinen zu hohen Personalkosten. Damit die palliative Pflegequalität auf hohem Niveau und die palliativen Pflegetätigkeiten bezahlbar bleiben, sind diese strukturiert beschriebenen ATP-P-Artikel ein wichtiger Impuls für eine veränderte Pflegesicht und deren Aufgabenverteilung. So ist es uns ein Anliegen, die oft praxisbezogenen Inhalte von teilweise Altbewährtem mit neuem Wissen und vorrangig aktivierend-therapeutisch-palliativen Ansätzen zu kombinieren.
Unser Dank gilt den Autor*innen3, die mit viel Engagement die Artikel geschrieben haben, um sie zur Veröffentlichung zur Verfügung zu stellen. Auch bekamen wir von vielen Bekannten, Freund*innen und (ehemaligen) Kollegen*innen Unterstützung und guten Rat. Auch ihnen ein herzliches Dankeschön!
In diesem Sinne hoffen wir, dass Sie, liebe Leser*innen, etwas von dem Wissen, dem Know-how und den Erfahrungen aus diesem Buch in Ihre alltägliche Arbeit einfließen lassen können!
Friedhilde BartelsSarah Eschmann
im September 2021
Bartels, F. (2011/2012) Nicht dem Leben im Krankenhaus mehr Tage – sondern den Tagen im Krankenhaus mehr Leben geben, in: Janßen, U., Blum, K. (Hrsg.), DKI- Barometer Krankenhaus 2011/2012
Schumann, S. (2018) Was ist Aktivierend-therapeutische Pflege?, Deutsche Fachgesellschaft Aktivierend-therapeutische Pflege e. V. (Hrsg.) https://www.dgatp.org/definition-atp, Zugriff 3.7.2019
o. A.: Bundesinstitut prognostiziert »große Herausforderungen« für Pflege
www.bibliomed-pflege.de/news/30903-bundesinstitut-prognostiziert-grosse-herausforderungen-fuer-pflege, erschienen und Zugriff 13.2.2017
https://gutezitate.com/zitat, Zugriff 14.2.2021
1 www.bibliomed-pflege.de/news/30903-bundesinstitut-prognostiziert-grosse-herausforderungen-fuer-pflege, erschienen 13.2.2017
2 https://gutezitate.com/zitat/234984, Zugriff 13.2.2021
3 In diesem Herausgeberband wird hinsichtlich der Pluralformen der »Gender-Stern« oder die neutrale Form genutzt, um alle Geschlechter anzusprechen. Wenn bei bestimmten Begriffen nur die männliche Form gewählt wurde, so ist dies nicht geschlechtsspezifisch gemeint, sondern geschah ausschließlich aus Gründen der besseren Lesbarkeit.
Vorwort
Abkürzungsverzeichnis
I Einleitung, Einführung in die Themen der Aktivierend-therapeutischen Pflege in der Palliative Care
1 Wissen über notwendige Grundlagen der Palliative Care
Friedhilde Bartels
1.1 Geschichte von Hospiz und Palliative Care
1.2 Worin unterscheiden sich Hospiz- und Palliativversorgung?
1.3 Wann beginnt die palliative Versorgung?
1.4 Inhalte der Palliative Care
1.4.1 Übersicht der allgemeinen und spezialisierten Versorgungsstrukturen
Literatur
2 Was macht Pflege zur palliativen Pflege?
Michael Nehls
2.1 Palliativpflege aus dem pflegerischen Handlungsfeld
2.1.1 Palliativpflege vor dem Hintergrund rechtlicher Instanzen am Lebensende
2.1.2 Palliativpflege als konzeptioneller Ansatz
2.1.3 Palliativpflege als pflegefachliche Aufgabe
2.2 Palliativpflege aus leistungsrechtlicher Perspektive
2.3 Zusammenfassung
Literatur
3 Was macht Aktivierend-therapeutische Pflege in der Palliative Care (ATP-P)?
Friedhilde Bartels
3.1 Einleitung
3.2 Drei Handlungs-und Pflegeschwerpunkte
3.3 Die Basis oder die Grundlage der ATP-P-Handlings
3.3.1 Plastizität
3.3.2 Förderung der Eigenaktivität unter Beachtung der Selbstwahrnehmung
3.3.3 Interdisziplinäre Zusammenarbeit Pflege/Therapie mit dem Ziel, normale Bewegungsabläufe anzubahnen
3.4 Was ist therapeutisch an ATP-P?
Literatur
4 Aktivierend-therapeutische Pflege bei palliativen Personen – Sinn oder Unsinn?
Sarah Eschmann
4.1 Einleitung
4.2 Was ist der Kern der Aktivierend-therapeutischen Pflege?
4.3 Was ist der Kern der palliativen Pflege?
4.4 Was unterscheidet eine palliative Person von einer geriatrischen Person?
4.5 Therapeutische Pflegeziele der Aktivierend-therapeutischen Pflege in der Palliativversorgung
4.6 Die Sinnhaftigkeit der Aktivierend-therapeutischen Pflege im palliativen Setting
Literatur
II Allgemeine für alle drei Handlungs- und Pflegeschwerpunkte wichtige und relevante Themen
5 »Sag mir ein Sterbenswörtchen…«: Ein Erfahrungsbericht einer Palliativmedizinerin
Dr. Monika Windsor
5.1 Erst einmal etwas zum Menschenbild
5.2 Was ist außer medizinischen Aspekten sehr wichtig bei der Begleitung eines Schwerkranken?
5.3 Hat Teamarbeit eine besondere Bedeutung?
5.4 Was passiert, wenn ich versuche, die Leidenszeit zu verkürzen?
5.5 Tötende Begleitung
5.6 Ein selbstbestimmtes Sterben
5.7 Gibt es bei Geburt und Tod Vergleichbares?
6 Ressourcen bei palliativen Personen
Susette Schumann
6.1 Eine Standortbestimmung
6.2 Gesellschaftliche Zusage an palliative Personen
6.3 Besondere ressourcenorientierte Anforderungen der palliativen Person
6.3.1 Körperliche Ressourcen
6.3.2 Kognitive Ressourcen
6.3.3 Psychische Ressourcen
6.3.4 Emotionale Ressourcen
6.3.5 Soziale Ressourcen
6.3.6 Spirituelle Ressourcen
6.4 Gesamtschau auf die Ressourcen bei palliativen Personen
Literatur
III Pflege- und Handlungsschwerpunkt: Aspekte der Beziehungsarbeit
7 Der individuellen Lebensgeschichten auf der Spur
Sarah Eschmann
7.1 Was bedeutet Biographie?
7.1.1 Zeitgeschichte
7.1.2 Lebenslauf
7.1.3 Lebensgeschichten
7.2 Erinnerung mit »allen Sinnen«
7.3 Biographie im Wandel der Zeit
7.4 Vorteile der Biographie für palliative Personen und Pflegende
7.4.1 Biographische Aspekte (Biographiearbeit) im pflegerischen Alltag nutzen
7.5 Rituale und Gewohnheiten
Literatur
8 Kommunikation mit palliativen Patient*innen und ihren Angehörigen im Rahmen der Beziehungsarbeit
Sarah Eschmann
8.1 Grundlagen der Kommunikation
8.2 Kommunikation bei palliativen Patient*innen
8.3 Realität ist subjektiv
8.4 Gesprächsbausteine
Literatur
9 An- und Zugehörige am Limit und die Rolle der Pflegenden: Beziehungsgeschehen mit Angehörigen in existenziellen Situationen einer Palliativeinheit im Krankenhaus
Sigrid Reineke
9.1 Einleitung
9.2 Von Menschen zu Patient*innen. Von Patient*innen zu Angehörigen Und irgendwo dazwischen: Der hilflose Passagier
9.2.1 Was ist eigentlich Leid? Was hilft den Leidenden?
9.3 Das schlechte Gewissen, die Angst und die Schuld der Angehörigen
9.3.1 Angehörige am Limit – und Möglichkeiten der Hilfe
10 Die persönliche Haltung in der palliativen Pflege macht den Unterschied
Karin Schroeder-Hartwig
10.1 Durch was entwickeln wir eine »anerkannte« Haltung?
10.2 Palliative Care
10.2.1 Historie
10.2.2 Total Pain – Konzept nach Cicely Saunders
10.3 Menschenbild »Leiblichkeit« und Mensch als Maschine
10.3.1 Was hat das mit Haltung gegenüber den palliativen Personen zu tun?
10.4 Wie sollen wir pflegen? Wie wollen wir pflegen? Wie können wir pflegen? Wie haben wir zu pflegen?
10.5 Resümee
Literatur
IV Pflege- und Handlungsschwerpunkt: Bewegung
11 Fazilitation – Schwerpunkt der Aktivierend-therapeutischen Pflege in der Palliative Care
Nikolaus Gerdelmann
11.1 Was bedeutet dies für die Pflegenden in ihrem »palliativen« Alltag?
11.1.1 Am palliativen Individuum
11.1.2 Durch die Aufgabe
11.1.3 Durch die Umgebung
11.1.4 Beim Fazilitieren gilt das Prinzip des »Hands on oder Hands off«
11.2 Das Strukturmodell des Bobath-Konzepts
11.3 Praktisches Beispiel
11.3.1 Fazilitieren des Oberkörpers
11.3.2 Fazilitieren zum Aufstellen der Beine
11.3.3 Fazilitieren des Drehens
Literatur
12 Basale Stimulation® bei schwerstkranken, palliativen und sterbenden Personen
Katharina Röwekamp
12.1 Basale Stimulation®
12.1.1 Bewegen und Wahrnehmen von der gesunden Person bis zur palliativen Person
12.1.2 Was ist Basale Stimulation®?
12.2 Haltung, Technik und Kompetenz
12.2.1 Haltung
12.2.2 Technik
12.2.3 Kompetenz
12.3 Palliativversorgung und Basale Stimulation®
12.3.1 Welche Bedeutung hat die Basale Stimulation® in der Begegnung mit schwerstkranken und sterbenden Menschen?
Literatur
13 »Guten Morgen, Hr. Doktor!«: Ein Praxiserleben
Sarah Eschmann
13.1 Einleitung
13.2 Situation
13.3 Aktivierend-therapeutische Pflege
13.3.1 Der stabile Sitz im Bett nach dem Bobath-Konzept
13.3.2 Die belebende Waschung nach der Basalen Stimulation® in der Pflege
13.4 Fazit
Literatur
14 So, wie man liegt, so fühlt man sich!
Sarah Eschmann
14.1 Was ist Lebensqualität?
14.2 Negative Faktoren, die ein Unwohlsein fördern
14.3 Physiologisch und bequem Positionieren nach dem Bobath-Konzept
14.3.1 Kopf und Extremitäten
14.3.2 Evaluation der bisherigen Positionierung
14.4 Körperbegrenzendes Positionieren nach der »Basalen Stimulation® in der ATP-P«
14.4.1 Die Nestlagerung
14.4.2 Evaluation
14.4.3 Positionierungsanpassung
14.5 Zusammenfassung
Literatur
15 Kleine Hilfsmittel, große Wirkung
Dominik Zergiebel, Stefan Kicker
15.1 Unsere Körperstruktur und ihre Veränderungen
15.1.1 Hinweise aus Untersuchungen
15.2 Das Bobath-Konzept: Grundlage von ATP
15.2.1 Wirkung der Schwerkraft, Unterstützungsfläche, Stabilität für Mobilität
15.2.2 Propriozeption
15.2.3 Homunkulus
15.3 Zusammenhang Positionen und Aktivitäten
15.3.1 Positive Neuroplastizität bei palliativen Personen anwenden
15.4 Das Material
15.4.1 Praktische Anwendung von Wickeln
15.4.2 Das Handtuch als Positionshilfe
15.5 Vorschlag zur Umsetzung
Literatur
V Pflege- und Handlungsschwerpunkt: Selbstversorgung
16 Mund- und Zahnpflege
Daniela Lorenzen
16.1 Einleitung
16.2 Ziele der Mund-und Zahnpflege
16.3 Planung und Durchführung nach Pflegeprozess und ATP
16.4 Allgemeine Mund- und Zahnpflege als Aktivierend-therapeutische Pflegemaßnahme
16.5 Spezielle Mund- und Zahnpflege als Aktivierend-therapeutische Pflegemaßnahme
16.5.1 Anwendung
16.5.2 Zuständigkeit
16.5.3 Zusätzliche Hilfsmittel
16.6 Durchführung
16.6.1 Zusätzliche Aspekte bei der speziellen Mund- und Zahnpflege bei Personen mit oralisierter Dysphagie
16.6.2 Zusätzliche Aspekte bei der speziellen Mund- und Zahnpflege bei Personen mit nicht-oralisierten Dysphagie
16.6.3 Besonderheit: Zahnprothesen
16.7 Nicht geeignete Hilfsmittel
16.8 Schlussfolgerung
Literatur
VI Beinflussende Faktoren bei der Anwendung von ATP
17 Begleitung von Sterbenden aus anderen Kulturen
Johanna Grünhagen
17.1 Der Tod in anderen Kulturen – ein kurzer Einblick in die Vielfalt
17.2 Sterbende aus anderen Kulturen – von wem sprechen wir überhaupt?
17.3 Egal welche Kultur – ein Glaube hilft beim Sterben.
17.4 Was Ihnen sonst noch begegnen kann…
17.4.1 Verständnis von Krankheit und Pflege
17.4.2 Von der oder dem Pflegenden zum Familienmitglied
17.4.3 Die Bedeutung der Rolle von Mann und Frau
17.4.4 Krankheit als Prüfung oder Strafe
17.4.5 Verständnis von Hygiene
17.4.6 Umgang mit Schmerz und Trauer
17.5 Die größte Herausforderung: Sprachprobleme!
17.6 Was können wir voneinander lernen?
Literatur
VII Anwendungsbeispiele von ATP-P bei symptomauftretenden Belastungen
18 Fatigue – ein häufiger Begleiter und oft nicht erkannt
Sarah Eschmann, Ina Klindworth
18.1 Erfahrungen auf der Palliativeinheit einer Station
18.2 Was ist Fatigue?
18.2.1 Symptome, über die Betroffene klagen
18.3 Wer ist betroffen?
18.4 Mögliche Ursachen und Verstärker der Fatigue
18.4.1 Verschiedene Ursachen der Fatigue
18.5 Fatigue, Depression und Delir
18.6 Fatigue-Assessment
18.7 Fatigue – was nun?
18.7.1 Medikamentöse Behandlung
18.7.2 Psychotherapeutische Hilfe/Psychoonkolog*innen
18.7.3 Aktivierend-therapeutische Pflege
18.8 Wie lebt man mit Fatigue im Alltag?
18.8.1 Fatigue im interdisziplinären Team
Literatur
19 Ideen zur Linderung der Symptomlast
Sarah Eschmann
19.1 Schmerzlinderung durch alternative Anwendungen
19.1.1 Der körperliche Schmerz
19.1.2 Der psychische Schmerz
19.1.3 Der soziale Schmerz
19.1.4 Der spirituelle/existenzielle Schmerz
19.2 Fazit
Literatur
VIII Mitarbeiterorientierung mit ATP-P wird großgeschrieben
Einleitung
20 Aktivierend-therapeutische Pflege in der Palliative Care, eine körpergerechte Arbeitsweise
20.1 Einleitung
20.2 Mitarbeiterschonendes Handling in der palliativen Pflege
20.2.1 Eigenversuch: Vorderseitige und rückenseitige Rückenmuskulatur arbeiten zusammen
20.2.2 Eigenversuch: Eine Voreinstellung über aufgestellte Beine und Verrücken des Beckens erleichtert eine weitere Drehung des Körpers
20.3 Fazit
Literatur
21 Eine Kultur der Erlaubnis
Karin Schroeder-Hartwig
21.1 Allgemeines
21.2 Zeit ist relativ. Wie nutzen wir unsere Zeit?
21.3 Existenzielle Pflege – ein Sorgekonzept
21.3.1 Zeiträuber und die Lösung für alle heißt: »Schwester… kannst du mal«!
21.3.2 Was ist gut investierte Zeit, die der kranken Person und den Pflegenden zugutekommt?
21.3.3 Burnout
21.4 Spiritualität in der Mitarbeiterführung
21.4.1 Der Mensch hat die Freiheit und einen freien Willen
21.4.2 Zeitgeist: Ereignisbezogene Unterbrechungskultur
21.4.3 »Coolout« eine Problemlösungsstrategie?
21.4.4 Gute Pflege braucht Strukturen und Zeit für eine beziehungsorientierte Pflege
21.4.5 Wofür wollen wir Zeit geben?
Literatur
Anhang
Anlage 1: Leitfaden zum Integrieren von EKS ( Kap. 21)
Anlage 2: Akute kritische Ereignisse (AkE) auf/in der Station/Abteilung ( Kap. 21)
Anlage 3: Vorbereitung und Protokoll Reflexionsgespräch (VPR) und für die existenziellen und spirituellen Fallbesprechungen ( Kap. 21)
Glossar ATP-P
Die Autorinnen und Autoren
Stichwortverzeichnis
AAPV
allgemeine ambulante Palliativversorgung
AFA
Albertinen-Fatigue-Assessment
ALS
Amyotrophe Lateralsklerose
APV
allgemeine Palliativversorgung
ATP
Aktivierend-therapeutische Pflege
ATP-P
Aktivierend-therapeutische Pflege in der Pailliative care
AVO
Arztverordnung
BIKA®
Bobath-Initiative für Kranken- und Altenpflege
BQKPMV
besonders qualifizierte und koordinierte Palliativmedizinische Versorgung
DFaG
Deutsche Fatigue Gesellschaft e. V.)
DGATP
Deutsche Fachgesellschaft für Aktivierend-therapeutische Pflege e. V.
DGP
Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin
DGZ
Deutsche Gesellschaft für Zahnerhaltung e. V.
DGZMK
Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde
DNQP
Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege
ebd.
ebenda
EKS
Existenzielle Kommunikation
F.O.T.T.®
Facio-orale Trakt-Therapie
HPG
Hospiz- und Palliativgesetz
ICN
Internationaler Council of Nursing
KEK
Klinische Ethikkomitee
MuZ
Mund- und Zahnpflege
o. äq.
oder äquivalent
PEG
perkutane endoskopische Gastrostomie
SAPV
spezialisierte ambulante Palliativversorgung
SGB V
Sozialgesetzbuch V (Krankenversicherung)
SGB XI
Sozialgesetzbuch XI (Pflegeversicherung)
SPK
suprapubischer Blasenkatheter
SPV
spezialisierte Palliativversorgung.
WHO
Weltgesundheitsorganisation
Woody Allen sagte einmal:
»Ich habe keine Angst vor dem Sterben. Ich möchte nur nicht dabei sein, wenn es passiert.«4
(Woody Allen)
Das ist ein Zitat, das vermutlich vielen Personen aus dem Herzen spricht. Oft ist es ja auch die »Angst vor der Angst«, die wir glauben, vor dem Sterben zu bekommen oder zu haben. Und wenn ich ehrlich bin, kann ich mir das sehr gut vorstellen.
Pflegende im Umgang mit palliativen, schwerkranken und sterbenden Personen sind reflektiert, dass ein »sich bewusst Werden« der eigenen Angst, ein »zugewandt Sein« zu einem Sterbenden ein palliatives Setting negativ wie positiv beeinflussen kann. Kenntnisse und Fachwissen über die Entwicklung, die Gestaltung durch Gesetzgebung, Gesellschaft und Einrichtungen sind deshalb unabdingbar.
Im Mittelalter wurde der Name Hospital für Herbergen benutzt. Pilger und Bedürftige aber auch Kranke bekamen hier Unterkunft. Und es war ebenfalls ein Ort der Begegnungen.
In bestimmten Einrichtungen in ganz Europa wurden »die Kranken von hingebungsvollen Menschen betreut, geheilt oder respektvoll in den Tod begleitet. Diese Häuser nannte man Hospize«5 (Geschichte-der-palliative-care)
Im 19. Jahrhundert entstanden unter anderen speziell für Krebs- und Tuberkulosekranke Einrichtungen, in denen diese unheilbaren Personen bis zu ihrem Sterben betreut und gepflegt wurden.
Die Linderung des Leidens und die Unterstützung der betreffenden Personen standen auch früher schon im Zentrum der Aufgaben des Arztes, doch meistens konnten sich nur wohlgesittete Bürger einen Arzt leisten. Eine medizinische Versorgung und Betreuung oder gar eine palliative Sterbebegleitung wurde den betroffenen Personen in der Regel nicht geboten. Doch seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert befassten sich die Ärzte zunehmend mit Fragen der palliativen Krankheitsbehandlung, lateinisch »Cura palliativa« genannt.
Ein französisches Sprichwort aus 16. Jahrhundert sagt:
Heilen – manchmal, lindern – oft, trösten – immer.
Durch die dann stattfindende Industrialisierung und durch die Entwicklung der Medizin in den nächsten Jahren gerieten die Ansätze der »Palliativversorgung« wieder in den Hintergrund.
»Als älteste bekannte Einrichtung, die den englischen Begriff »hospice« im heutigen Sinne verwendete, eröffneten 1879 die irischen Schwestern der Nächstenliebe das Our Lady's Hospice for the Care of the Dying in Dublin6 (Geschichte der Hospizbewegung).
In den 1960er Jahren entstanden die heutige moderne Hospizbewegung und die Palliativversorgung als Terminal Care. Sie gehen wesentlich auf Cicely Saunders zurück ( Kap. 2 und Kap. 10).
1967 gründete sie das Sydenham – St. Christopher‘s (bei London).
Die Entwicklung in Deutschland begann
• 1983 mit der ersten deutschen Palliativstation an der Kölner Universitätsklinik
• und 1986 mit der Eröffnung des Hospizes »Haus Hörn« in Aachen.
• Bis heute gibt es weit über 230 stationäre Hospize und über 300 Palliativstationen für Erwachsene in Deutschland.
• Bis heute gibt es weit über 20.000 qualifizierte Pflegende in Palliativbereichen und über 8.500 Palliativmediziner.
In den Jahren davor war der Begriff Palliative Versorgung nicht sehr verbreitet und viele Pflegende in den 60igern und 70ziger Jahren kennen noch das »Sterben in den Badezimmern der Stationen«. Es wurden meistens die Sterbenden verlegt und nicht die Personen, die weniger krank waren. Das hat sich sehr verändert und wir erleben vielerorts einen Paradigmenwechsel der Palliativversorgung!
Die internationale Hospizarbeit wurde nachhaltig durch die Arbeit von Elisabeth Kübler-Ross beeinflusst. In Deutschland hat zusätzlich u. a. Christoph Student viel zur Entwicklung der Hospizbewegung beigetragen
»Im Mittelpunkt steht der kranke Mensch, seine individuellen Wünsche und Bedürfnisse. Palliativstationen haben daher das Ziel, dass der Patient entlassen werden kann. Im Hospiz hingegen können unheilbar kranke Menschen ihre verbleibende Lebenszeit verbringen.«
(Wieland 2019)
Also ist ein Hospiz eine vom Krankenhaus oder von der Altenhilfeeinrichtung unabhängige Einrichtung mit meistens wenigen schwerstkranken Personen (8–16 Plätze), die in einem absehbaren Lebensabschnitt palliativ betreut werden. Der Aufenthalt in einem Hospiz ist indiziert, wenn kein Krankenhausbedarf mehr besteht.
Die durchschnittliche Verweildauer in einem Hospiz liegt in der Regel zwischen 2–4 Wochen.
»Im Mittelpunkt der Hospizarbeit steht der schwerstkranke und sterbende Mensch mit seinen Wünschen und Bedürfnissen sowie seine Angehörigen und Nahestehenden.
Trotz historisch unterschiedlicher Entwicklungen in Deutschland sind Palliativ- und Hospizversorgung als ein gemeinsamer Ansatz bzw. eine gemeinsame Haltung zu verstehen. Hospizbegleitung wurzelt im bürgerschaftlichen Engagement. Begleitet werden Patienten am Ende ihres Lebens sowie deren Angehörige – zu Hause, in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und in stationären Hospizen. Haupt- und Ehrenamtliche arbeiten in multiprofessionellen Teams zusammen, um eine Betreuung zu bieten, die sich an den individuellen Bedürfnissen und Entscheidungen orientiert und hierbei Würde, Frieden und Ruhe anstrebt. In der psychosozialen Begleitung der Betroffenen übernehmen die Ehrenamtlichen vielfältige Aufgaben. Durch ihre Arbeit leisten sie nicht nur einen unverzichtbaren Beitrag in der Begleitung der Betroffenen, sondern sie tragen wesentlich dazu bei, dass sich in unserer Gesellschaft ein Wandel im Umgang mit schwerstkranken und sterbenden Menschen vollzieht.« (DGP 2016)
Definition Palliativversorgung der Weltgesundheitsorganisation (WHO): »Palliativversorgung ist ein Ansatz, der die Lebensqualität von Patienten und deren Familien verbessert, die mit den Problemen im Zusammenhang einer lebensbedrohenden Erkrankung konfrontiert sind, dies mittels Prävention und Linderung von Leiden durch frühzeitiges Erkennen und umfassende Erfassung sowie durch die Behandlung von Schmerz und anderen Problemen auf körperlichen, psychosozialen und spirituellen Ebenen.« (DGP 2016)
Erklärung: Früher wurde in Deutschland auch eher der Begriff Palliative Care benutzt, um das umfangreiche »Versorgen/Betreuen« der palliativen Personen von der Palliativmedizin abzugrenzen. Es bedarf einer umfangreicheren Umsicht von verschiedenen Berufen mit ihren Fachkenntnissen als »nur« der Medizin. Heute empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) den Begriff der Palliativversorgung in Deutschland zu anzuwenden. (DGP 2016)
Merke: In Hospize finden schwerstkranke und sterbende Personen ein Zuhause. Hier verbleiben sie bis zu ihrem Tod. Die verbleibende Lebensqualität wird den Bedarfen und Bedürfnissen der individuellen Möglichkeiten durch eine palliative Betreuung angepasst.
Das palliative Setting finden in allen Fachbereichen inkl. Hospize bei allen Schwerstkrankenzuständen aller Unheilbarkranken bis zum Sterben statt. Dies weist darauf hin, dass eine palliative Versorgung sehr umfassend ist. Palliative Personen haben durchaus die Möglichkeit, von einer Palliativstation, einer Abteilung im oder am Krankenhaus, entlassen zu werden. Das Ziel ist, die krankheitsbedingten Beschwerden zu lindern und den Gesundheitszustand des Betroffenen so zu stabilisieren. Eine palliative Versorgung stabilisiert den Menschen soweit möglich umfassend, damit die betroffene Person eine Option entwickeln kann, selbstbestimmt an einem Ort ihres Wunsches sterben zu können. Darüber hinaus erhält sie eine Chance und günstige Gelegenheit, die letzte Zeit ihres Lebens eine ihr wichtige Lebensqualität zu entwickeln. Die durchschnittliche Verweildauer auf einer Palliativstation beträgt zehn Tage. Aufenthalte in Palliativeinheiten eines Krankenhauses können deshalb mehrmals bis oft notwendig sein. Auf eine Aktivierend-therapeutische Pflege in der Palliative Care als ein qualifiziertes einzubindendes Konzept ( Kap. 3) ist hier ausdrücklich hinzuweisen.
Abb. 1.1: Kurative und palliative Therapie parallel (Lynn & Adamson 2003, S. 7, mod. nach Davies & Higginson 2004, S. 18)
Auch können eine oder mehrere Erkrankungen palliative und kurative Anteile in der Therapie und Pflege haben ( Abb. 1.1). Oder der kurative Anteil kann bei einem Sturz mit Oberschenkelhalsfraktur, z. B. bei einem langsam wachsenden Tumor, der palliativ zu sehen ist, zu einer Operation und anschließend auch in eine Rehabilitationsklinik führen. Dies führt zu der Frage:
• »Palliative Care beginnt, wenn die Diagnose [z. B. Krebs] gesichert ist, der Tod sicher und vermutlich in näherer Zukunft zu erwarten ist. Die Hoffnung auf Heilung wurde aufgegeben.«
• (Calman 1988, zit. nach Bausewein und Schneider 2013)
• »Palliative Care beginnt, wenn eine aktive, fortschreitende Erkrankung vorliegt, die Prognose begrenzt ist und wenn der Fokus auf Lebensqualität liegt.«
• (Doyle et al. 1993, zit. nach Bausewein und Schneider 2013)
Palliative Care beginnt bereits mit der Diagnosestellung einer lebensbegrenzenden Erkrankung!
Diese lebensbegrenzenden Erkrankungen finden sich in allen Fachbereichen und auch in allen Lebenssituationen und Altersgruppen. In den letzten Jahren hat man ein besonderes Augenmerk auf die älteren Menschen geworfen, deren Lebenszeit sehr begrenzt ist. Auch ihnen steht eine Palliativversorgung lt. Leitsatz der Charta zu ( Kap. 1.4).
Personen mit Tumorerkrankungen zeigen einen Verlauf, der über längere Zeit stabil bleibt. In dieser Zeit geht es den Personen dem Krankheitsverlauf entsprechend bis kurz vor dem Sterben. Bei dem Verlauf der organfunktionsbezogenen Kurve ist ein deutlich anderer Verlauf zu erkennen. In dem Absacken der Kurve kann vermutet werden, dass es diesen Personen in dieser Zeit besonders schlecht geht, sich der Zustand durch häufige palliative Versorgung (stationär, ambulant) immer wieder etwas verbessert, doch letztendlich gehen sie den letzten Weg dennoch sehr beschwerlich. Besonders bei Menschen mit Demenz zeigt die Verlaufskurve ein stetiges Abnehmen der Kräfte und eine kontinuierlich abnehmende Kurve bis zum Sterben. In allen Phasen, die hier dargestellt werden, kann die ATP-P angewendet werden. Durch Anwendung aller Handlungs- und Pflegeschwerpunkte des Konzeptes ATP-P (Bartels et al. 2019), also durch Aspekte der Beziehungsarbeit, Bewegung, hier besonders durch die Fazilitation ( Kap. 11), und Selbstversorgung, können die palliativen Personen evtl. Verbesserung, Erhaltung der Situation oder eine Begleitung durch Symptomlinderung ( Kap. 19) erfahren.
Merke: Das lateinische Wort »pallium« bedeutet Mantel und steht für beschützen, umhüllen. Dieses Beschützen und »Wärme Geben« wie ein Mantel beschreibt sehr deutlich den Umgang mit Personen, die schwersterkrankt sind und kurativ keine oder eine begleitende Behandlung bedürfen oder möchten.
Der kranke Mensch wird in seiner Ganzheitlichkeit gesehen, mit physischen, psychischen und geistig/seelischen Nöten.
Im Vordergrund steht das medizinisch-ethisch Vertretbare, nicht das medizinisch-technisch Machbare.
Der bzw. die Palliative und/oder Sterbende führt Regie!
Palliativversorgung ist ein Ansatz/Leitgedanke zur Verbesserung der Lebensqualität von betroffenen Personen und ihren Familien, die Problemen und Herausforderungen gegenübergestehen, welche mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen.
Dazu gehören das Vorbeugen und Lindern von Leiden, eine frühzeitige Wahrnehmung, eine sichere Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie weiteren belastenden Qualen körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art.
In der Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland heißt es im Leitsatz 2:
»Jeder schwerstkranke und sterbende Mensch hat ein Recht auf eine umfassende medizinische, pflegerische, psychosoziale und spirituelle Betreuung und Begleitung, die seiner individuellen Lebenssituation und seinem hospizlich-palliativen Versorgungsbedarf Rechnung trägt.«
(DGP e. V.; Deutscher Hospiz- und PalliativVerband e. V., Bundesärztekammer, Leitsatz 2)
Das »Recht« ist zwar verankert, doch die Umsetzung gestaltet sich oft sehr schwierig. Immer wieder versuchen Politik, Mediziner und die Gesellschaft, diesem Leitsatz Rechnung zu tragen. Die Gesetzgebung in Deutschland ist durch das Bundes- und die unterschiedlichen Ländergesetze oft schwer durchschaubar. Die letzte Gesetzesänderung auf Bundesebene gab es 2015 mit dem »Hospiz- und Palliativgesetz« (HPG 08.12.2015). Es soll eine Verbesserung der bedarfsgerechten Versorgung unterstützen. Ein Bedarf ist immer der objektiv erkennbare und nachvollziehbare Mangel- und Belastungszustand. Dafür ist die Politik und/oder die Gesellschaft zuständig. Ein Ansinnen ist es, das Sterben in die Mitte der Gesellschaft zurückzuholen, denn sowohl Geburt und Leben als auch Sterben und Tod gehören zum oder ins Leben, auch in strukturschwachen Gegenden. Bereits 2007 wurden die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) und weitere Verbesserungen durch SGB V, § § 37b und § 132d eingeführt.
Die Palliativversorgung in Deutschland wird in vier Bereiche eingeteilt ( Tab. 1.1). In dem ambulanten Bereich gibt es die allgemeine (AAPV) und die spezialisierte (SAPV) Palliativversorgung. Im stationären Bereich (Krankenhaus und Altenpflegeeinrichtungen) gibt es ebenfalls eine allgemeine (APV) und eine spezialisierte (SPV) Palliativversorgung, wobei die Finanzierung der SPV in den Altenpflegeeinrichtungen speziell finanziert und auch gestaltet wird.
Die allgemeine Palliativversorgung findet in der allgemeinen Existenz der ambulanten Pflege und der stationären Langzeitpflege und im Krankenhaus statt. Hier genügt eine Basisqualifikation aller Berufsgruppen.
Tab. 1.1: Palliativversorgung in Deutschland (nach Radbdruch und Payne 2011)
Stationäre PalliativversorgungAmbulante Palliativversorgung
* Palliativdienste im Krankenhaus sind grundsätzlich der spezialisierten Versorgung zuzurechnen, werden aber aufgrund ihrer derzeitigen Finanzierungsmöglichkeit über eine Komplexpauschale (OPS 8-892) in dieser Finanzierungssystematik nicht der spezialisierten Versorgung (OPS 8-98e) zugeordnet.
Die Palliativversorgung in den Pflegeeinrichtungen kann durch SAPV eingekauft oder als Kooperation gestaltet werden. Sie wird über die Krankenkassen finanziert.
Allerdings gibt es die SAPV nicht überall in Deutschland. In ländlichen Gegenden ist sie eine zusätzliche Aufgabe der Hausärzte und der ambulanten Pflegedienste. Die Wege sind dort weit und die Finanzierung nicht ausreichend gesichert. Das HPG soll hier unterstützend helfen.
Abb. 1.2 stellt die allgemeine und spezialisierte Palliativversorgung in einem Krankenhaus beispielhaft dar:
Abb. 1.2: Allgemeine und spezialisierte Palliativversorgung in einem Krankenhaus
Nicht jedes Krankenhaus verfügt über Palliativbetten oder eine Palliativstation/-einheit. Dort findet die Palliativversorgung durch das Stationsteam als Basiselement statt.
Inhalte der allgemeinen Palliativversorgung im Krankenhaus (alle Stationen) sind grundsätzlich
• ärztliches und pflegerisches Basismanagement von Schmerzen, Luftnot, Übelkeit usw.
• die Ermittlung des Patientenwillens und eine partizipative Entscheidungsfindung durch Gespräche mit dem Patienten und evtl. Angehörigen.
• ein Entlassungsmanagement (§ 39 Abs. 1, SGB V), das den Wünschen und Bedürfnisse der Person entspricht.
• eine ärztliche Sterbebegleitung lt. den Grundsätzen der Bundesärztekammer von 2011.
Es bleiben viel Fragen offen:
• Wann, wie oft und wie werden ein palliativer Bedarf und auch Bedürfnisse überhaupt erkannt?
• Wann ist eine spezialisierte Palliativversorgung notwendig?
• Nach welchen Regeln erhalten Betroffene eine Palliativversorgung auf einer Station?
Merke: Bislang gibt es keine (gemeinsamen) Kriterien für eine Basisversorgung in Abgrenzung zur spezialisierten Palliativversorgung
Die spezialisierte Palliativversorgung wird über die Komplexbehandlungen geregelt.
• Es gibt zwei Komplexbeschreibungen (OPS 8-982 – allgemeine – und 8-98e –spezialisierte) mit Mindestmerkmalen, die zu erfüllen sind.
• Erst ab dem 7. Behandlungstag wird ein gestaffeltes Zusatzentgelt gezahlt.
• oder krankenhausindividuell vereinbarte Tagessätze nach individuellen Struktur- und Prozessgegebenheiten.
Seit der letzten Gesetzgebung gibt es die spezialisierte palliativmedizinische Komplexbehandlung durch einen Palliativdienst, die krankenhausintern die Basisversorgung in den Stationen durch ihren Dienst unterstützen kann. (OPS 8-98h)
Genauso wie bei der SAPV gehört zur Palliativstation ein interdisziplinäres Team, das sich gemeinsam um das Wohl der betroffenen Personen kümmert.
Abb. 1.3: Teamarbeit in der Palliative Care (Darstellung Sarah Eschmann)
Auf der Homepage der DGP gibt es viele Informationen inkl. Leitlinien, die sowohl für die allgemeine als auch für spezialisierte Palliativversorgung gelten, siehe https://www.dgpalliativmedizin.de/.
Bei all den gesetzlichen Rahmenbedingungen und alltäglichen Begebenheiten in den Kliniken, Hospizen oder der ambulanten Versorgung muss der Mensch im Mittelpunkt bleiben. Denn letztlich und zu aller erst ist die Palliativversorgung eine Haltung!
Bartels, F. et al. (2019) Aktivierend-therapeutische Pflege in der Geriatrie. Band I: Grundlagen und Formulierungshilfen, 2. Aufl., Kohlhammer Verlag, Stuttgart
Bausewein, C. und Schneider, M. (2013) Palliativmedizin – alles ganz anders? http://www.klinikum.uni-muenchen.de/Pflege/download/inhalt/veranstaltungen/sueddeutscher_pflegetag/vortraege_2013/03_claudia_bausewein_und_michael_schneider.pdf
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Hrsg.) OPS Version 2020, Kap. 8 Nicht operative therapeutische Maßnahmen Code 8-982 https://www.dimdi.de/static/de/klassifikationen/ops/kode-suche/opshtml2020/block-8-97…8-98.htm#code8-982, Zugriff 30.8.2020
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Hrsg.) OPS Version 2020, Kap. 8 Nicht operative therapeutische Maßnahmen Code8-98h https://www.dimdi.de/static/de/klassifikationen/ops/kode-suche/opshtml2020/block-8-97…8-98.htm#code8-98h, Zugriff 30.8.2020
Bundesministerium für Gesundheit (Hrsg.) https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/h/hospiz-und-palliativgesetz.html, Zugriff 9.9.2020
Davies, E. und Higginson, I.J. (2004) Better Palliative Care for Older People. Copenhagen: WHO (https://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0009/98235/E82933.pdf, Zugriff 10.09.2021)
Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e. V. (Hrsg.) (2016) Definitionen zur Hospiz- und Palliativversorgung https://www.dgpalliativmedizin.de/images/DGP_GLOSSAR.pdf, Zugriff 30.8.2020
Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e.V., WHO – neue Definition von Palliative Care (2002) (dgpalliativmedizin.de), Zugriff 20.5.2021
DGP e. V.; Deutscher Hospiz- und PalliativVerband e. V., Bundesärztekammer (Hrsg.), Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen https://www.charta-zur-betreuung-sterbender.de/die-charta_leitsaetze.html
Feichtner, A. (2009) Palliativkurs der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität, Salzburg Geriatrie und Palliativmedizin, Vortragsunterlagen, Limburg
https://www.agitano.com/zitate-sprueche/woody-allen-ich-habe-keine-angst-vor-dem, Zugriff 29.8.2020
Lynn, J. und Adamson, D.M. (2003) Living Well at the End of Life. Adapting Health Care to Serious Chronic Illness in Old Age. Santa Monica, CA: RAND Corporation (https://www.rand.org/pubs/white_papers/WP137.html, Zugriff 10.09.2021)
Radbruch, L. und Payne, S. (2011) White Paper on Standards and Norms for Hospice and Palliative Care in Europe (EAPC) https://www.dgpalliativmedizin.de/images/Radbruch_2011_white_paper_standards_and_norms_deutsch_Teil2.pdf
Todesursachen, Tagungsunterlagen 5. Fachtagung Geriatrie Berlin, 15.10.2010
Wieland, A. (2019) Palliativstation und Hospiz. Westdeutscher Rundfunk Köln (Hrsg.). https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/tod_und_trauer/sterben/pwiepalliativstationundhospiz100.html, Zugriff 30.8.2020
4 https://www.agitano.com/zitate-sprueche/woody-allen-ich-habe-keine-angst-vor-dem, Zugriff 29.8.2020
5 www.palliative.ch/de/palliative-care/die-geschichte-der-palliative-care, Zugriff 21.2.2021
6 http://www.hospizgruppe-bingen.de/index.php/ueber-uns/geschichte-der-hospizbewegung, Zugriff 21.2.2021
Die zentrale Aufgabe von Palliative Care und damit der Palliativpflege ist auf die Verbesserung der Lebensqualität von Personen ausgerichtet, die mit Problemen konfrontiert sind, welche mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen. Palliative Care ist jedoch nicht allein auf die entsprechende Person fokussiert. In gleicher Weise ist Palliative Care auf die Lebensqualität der Zugehörigen dieser Personen ausgerichtet (»…Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien«7). Konzeptionell ist Palliative Care daher ein systemischer Ansatz. Welcher Ansatz dabei zu verfolgen ist, wird eindeutig in der WHO Definition von Palliative Care beschrieben.
Palliative Care ist ein Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit Problemen konfrontiert sind, welche mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen. Dies geschieht durch Vorbeugen und Lindern von Leiden durch frühzeitige Erkennung, sorgfältige Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie anderen Problemen körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art.
Palliativmedizin:
• ermöglicht Linderung von Schmerzen und anderen belastenden Symptomen
• bejaht das Leben und erkennt Sterben als normalen Prozess an
• beabsichtigt weder die Beschleunigung noch Verzögerung des Todes
• integriert psychologische und spirituelle Aspekte der Betreuung
• bietet Unterstützung, um Patienten zu helfen, ihr Leben so aktiv wie möglich bis zum Tod zu gestalten
• bietet Angehörigen Unterstützung während der Erkrankung des Patienten und in der Trauerzeit
• beruht auf einem Teamansatz, um den Bedürnissen [sic] der Patienten und ihrer Familien zu begegnen, auch durch Beratung in der Trauerzeit, falls notwendig
• fördert Lebensqualität und kann möglicherweise auch den Verlauf der Erkrankung positiv beeinflussen
• kommt frühzeitig im Krankheitsverlauf zur Anwendung, auch in Verbindung mit anderen Therapien, die eine Lebensverlängerung zum Ziel haben, wie z. B. Chemotherapie oder Bestrahlung, und schließt Untersuchungen ein, die notwendig sind [sic] um belastende Komplikationen besser zu verstehen und zu behandeln.
Der Ansatz soll demnach sowohl vorbeugend als auch lindernd sein und frühzeitiges Erkennen sowie fehlerloses Einschätzen und Behandeln beinhalten. Der Ansatz zielt dabei auf mehrere Dimensionen ab. Diese Dimensionen sind
• physiologischer Natur – wie die Wahrnehmung und Behandlung von Schmerzen und andere körperliche Probleme
• und darüber hinaus Probleme aus dem psychischen, sozialen und spirituellen Bereich.
Die Vielschichtigkeit an Symptomkonstellationen, die sich damit in der praktischen Arbeit abzeichnen kann, reicht von dem Nebeneinander verschiedener physiologischer, psychosozialer und spiritueller Probleme bis hin zu einem ineinandergreifenden und nicht auflösbaren, komplexen Symptomgeschehen.
Es wird deutlich,
• dass die Bewältigung dieser Probleme bzw. dass ein frühzeitiges Erkennen,
• eine fehlerlose Einschätzung und
• das Behandeln der individuellen Probleme der Person (um mit den Worten der WHO-Definition von Palliative Care zu sprechen) mehrere Professionen und verschiedene Disziplinen erfordert.
In der Definition wird dazu der Teamansatz als Organisationsform der Leistung angesprochen.
Die beiden Berufsgruppen, die hierbei in erster Linie von Gesetzgeber und Kostenträger als Akteure benannt sind, sind Ärzt*innen und die Pflegende. Bei der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) sowie der spezialisierten palliativmedizinischen Komplexbehandlung (OPS Code 8-98e – 2020) sind explizit die Weiterbildung in Palliative Care für Pflegekräfte sowie die Zusatzbezeichnung Palliativmedizin für die Ärzt*innen gefordert.
Nachfolgend sollen einige wenige, aber bedeutende Elemente hervorgehoben werden, die Palliativversorgung und Palliativpflege ausmachen.
Was Pflege zu Palliativpflege macht, ergibt sich aus den besonderen Bedürfnissen, die die betroffenen Personen und ihre Angehörigen an die Versorgung stellen, und aus den daran angepassten Versorgungskonzepten.
Dame Cicely Saunders gilt als die Begründerin der modernen Hospiz- und Palliativbewegung. Auf der Internetseite des St Christopher’s Hospice ist über sie zu erfahren:
»Sie absolvierte eine Ausbildung zur Krankenschwester (1940 bis 1944), medizinischen Sozialarbeiterin (1947) und schließlich zur Ärztin an der St. Thomas’s Hospital Medical School (1951–57). Sie befasste sich seit 1948 mit der Betreuung von Patienten mit unheilbarer Krankheit, hielt zahlreiche Vorträge zu diesem Thema, schrieb viele Artikel und trug zu zahlreichen Büchern bei. Dame Cicely Saunders erkannte die Unzulänglichkeit der Sterbehilfe, die in Krankenhäusern angeboten wurde. So oft wurde Patienten und Familien gesagt, dass ›nichts mehr getan werden könne‹, eine Aussage, die Dame Cicely nicht akzeptierte. Während ihrer Zeit bei St. Christopher lautete ihr Schlagwort: ›Es gibt noch so viel zu tun‹.«
(St. Christopher’s, Übersetzung des Autors)
Ihre Beobachtung, dass eine Person weniger Morphin benötige, wenn ihre emotionalen, sozialen und spirituellen Themen Raum erhalten, führte in das von ihr entwickelte Konzept des »Total Pain«. Das Medizinstudium begann sie, um ihre Idee einer besseren Schmerzbehandlung umsetzen zu können (Cicely Saunders Institute).
Cicely Saunders gilt als Begründerin der modernen Palliativ- und Hospizbewegung, die in den 1960er Jahren im Vereinigten Königreich entstand.
Beachte: Aus der Entstehungsgeschichte heraus betrachtet, ist Palliative Care von Beginn an multiprofessionell konzipiert: die Verbindung von Pflege, medizinischer Sozialarbeit und Medizin.
In der Entstehung war die Idee einer verbesserten Schmerzbehandlung impulsgebend.
Merke: Pflegekräfte sind durch ihre Nähe an der Person, die sich insbesondere durch die körperliche Arbeit am Leib der Personen ausdrückt, das wichtigste Bindeglied zwischen Patient*innen und Familie und den anderen multiprofessionellen Teammitgliedern.
In einigen Fällen, insbesondere in der ambulanten Pflege, sind sie die einzigen sichtbaren Gesundheitsdienstleistenden in ihrem Umfeld oder Gebiet (Fitch et al. 2015). Die Pflegenden haben die Möglichkeit, aufgrund der Kontakthäufigkeit und -dauer eine Beziehungsqualität mit besondererNäheherzustellen, um über intime, schwierige Themen des Patienten zu sprechen. Dieses Potential benötigt jedoch einen entsprechend fachlich ausgerichteten Blickwinkel (Nikolic, Ruppert und Heindl 2019, S. 61).
Merke: In der Palliativversorgung ist von den Pflegefachkräften ein Umdenken notwendig. Pflegeziele orientieren sich in erster Linie an der Lebensqualität und nicht an den üblichen Standards.
Angesichts der verbleibenden Lebenszeit gilt es, gemeinsam mit der Person und den Angehörigen neue Ziele zu definieren. Doch nicht nur das Umdenken hinsichtlich der Ziele muss sich in der Palliativpflege vollziehen. Auch ist die Palliativpflege geprägt von einer Grundhaltung, die den kranken Menschen nicht isoliert oder gar aufgrund der zugrundeliegenden Erkrankung organspezifisch betrachtet. Vielmehr ist der Blick auf alle Aspekte des kranken Menschen zu lenken, die für ihn mit Wohlbefinden und Lebensqualität zu tun haben.