Aktivierend-therapeutische Pflege in der Palliative Care -  - E-Book

Aktivierend-therapeutische Pflege in der Palliative Care E-Book

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Beschreibung

In der letzten Lebensphase, die kurz oder auch sehr lange dauern kann, wünschen sich Palliativpatienten Lebensqualität, die sehr persönlich zu gestalten ist. Dabei harmonieren Palliativversorgung und Aktivierend-therapeutische Pflege aufgrund ihres gemeinsamen Anspruchs, Lebensqualität so lange wie möglich zu erhalten. Denn auch bei Palliativpatienten verfolgt Aktivierend-therapeutische Pflege das Ziel, die individuelle, optimal erreichbare Mobilität und Selbstversorgung sowie Teilhabe und Selbstbestimmung möglichst lange zu erhalten oder auch wiederzuerlangen. Neben der Einführung in die Aktivierend-therapeutische Pflege in der Palliative Care bieten Beiträge zu den Pflege- und Handlungsschwerpunkten Beziehungsarbeit, Bewegung und Selbstversorgung sowie Anwendungsbeispiele den Lesenden einen praktischen Zugang.

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Die Herausgeberinnen

Friedhilde Bartels, Gesundheits- und Krankenpflegerin, Pflegedienstleiterin, Fachweiterbildungen in »Palliativ Care«, ehem. Vorstandsmitglied des Bundesverbands der Geriatrie (BVG) und ehem. Präsidentin der Deutschen Fachgesellschaft für Aktivierend-therapeutische Pflege (DGATP) e. V., Autorin und Dozentin für ATP-G und ATP-P.

Sarah Eschmann, Gesundheit- und Krankenpflegerin, Praxisbegleiterin Bobath BIKA®, Peer-Tutor Kinaesthetics, Fachweiterbildungen in »Palliativ Care«, »Demenz Care« und »Diakonie Care«, Mitglied der Deutschen Fachgesellschaft für Aktivierend-therapeutische Pflege e. V. (DGATP), arbeitet als Pflegeexpertin im Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg.

Friedhilde BartelsSarah Eschmann (Hrsg.)

Aktivierend-therapeutische Pflege in der Palliative Care

Praktische Umsetzung

 

Auf Initiative der Deutschen Fachgesellschaft für Aktivierend-therapeutische Pflege e. V.

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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1. Auflage 2022

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-038536-8

E-Book-Formate:

pdf:           ISBN 978-3-17-038537-5

epub:        ISBN 978-3-17-038538-2

Vorwort

 

 

Die schwerstkranke, palliative und sterbende Person hat besondere Bedarfe, vor allem wenn es darum geht, die Lebensqualität der »Ressource Alltagsbewältigung« bei langen palliativen Phasen, die sie immer wieder in der eigenen Häuslichkeit verbringen möchte, wieder zu erreichen oder zu erhalten. Die Aktivierend-therapeutische Pflege bildet dafür die Grundlage und hat auch im palliativen Setting ihre Daseinsberechtigung zur Vermeidung oder Reduzierung einer zu frühen Pflegebedürftigkeit zum Ziel. ATP findet von der Geburt bis zum Tod inkl. der Sterbephase Anwendung und kann deshalb sowohl in den Akutkrankenhäusern als auch in allen Rehakliniken, Einrichtungen der Altenhilfe, der Häuslichkeit und in allen Belangen der palliativen Versorgung nicht nur notwendig, sondern auch sehr indiziert sein.

Definition Aktivierend-therapeutische Pflege

»Aktivierend-therapeutische Pflege (ATP) ist ein sektorenübergreifendes, altersunabhängiges, pflegerisches Angebot von dazu qualifizierten Pflegenden. ATP fördert ressourcenorientiert die Selbstständigkeit, die Selbstbestimmung und die Teilhabe einer Person und ist an deren Lebenssituation und Lebensumfeld angepasst.« DGATP e. V. (Schumann 2018)

Auch die tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen, wie z. B. die Aufhebung der Großfamilie, kann zu Versorgungsproblemen und zur Vereinsamung sterbenskranker Personen führen. Dadurch, dass Generationen auseinanderdriften, bedarf es auch im palliativen Setting besonderes Verständnis, weil die verschiedenen Lebenserfahrungen und Wertevorstellungen aufeinandertreffen. Dies führt oftmals zu Kommunikationsmissverständnissen zwischen sterbenskranken, palliativen Personen und Menschen, die sich in diese Situation nicht oder nur schwer hineinversetzen können. Palliative Personen befinden sich in extremen Lebenssituationen. Dabei hat auch die ältere »Personenklientel« – im Alter sterben die meisten Personen – sehr genaue Vorstellungen, Wünsche und Erwartungen an den Umgang mit ihnen (Bartels 2011/12).

Insgesamt stellt uns die Palliative Care durch die gesellschaftlichen Veränderungen und Erwartungen an die selbstbestimmte Teilhabe und Selbstbestimmung, wie sie im § 1 SGB IX beschrieben sind, vor neue oder veränderte Herausforderungen der Bedürfnisse. Dies stellt uns nicht nur in Hinsicht auf Finanzierung der Sozialversicherungssysteme, sondern auch hinsichtlich der Rahmenbedingungen für ein erfolgreiches und »produktives palliatives Leben und Sterben« – egal in welcher Umgebung – vor gegenwärtige und zukünftige Herausforderungen.

Hinzu kommen die zukünftigen knappen Reserven der qualifizierten Pflegenden: »Laut der Analyse würden im Jahr 2035 rund 270.000 Arbeitskräfte fehlen, berichtete das BIBB …«1. Leider sind viele Pflegende der Palliativpflege nicht in der ATP-P qualifiziert, obwohl dieses Konzept sowohl palliative Personen als auch Pflegende schont und schützt ( Kap. 20).

Die schwerstkranken, palliativen und/oder sterbenden Personen haben besondere Bedarfe. Die oft in ihrer Funktion eingeschränkte und gefährdete Selbstversorgung, -bestimmung und demnach Selbstständigkeit im palliativen Setting bedingt eine helfende Unterstützung bis zur medizinischen Behandlung. Unter Beachtung der individuellen noch vorhandenen Fähigkeiten und Fertigkeiten der palliativen Person sowie aktueller gesundheitlicher Einschränkungen stehen insbesondere das (Wieder-)Erlangen und Erhalten von Alltagskompetenz (Lebensqualität) im Mittelpunkt. Das Zitat von Cicely Saunders gilt immer für alle Personen in diesem Kontext: »Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.«2

Um den besonderen Bedarfen gerecht zu werden, wurden auch für die Palliativversorgung in einem Krankenhaus sog. Komplexbehandlungen mit Mindestmerkmalen eingeführt ( Kap. 1). Dort stand bislang in beiden Versionen (OPS 8-982 und 8-98e) ein Hinweis auf eine aktivierende und/oder therapeutische Pflege. Ab 2020 fehlen diese Mindestmerkmale beim OPS 8-982. Das kann verheerende Folgen haben.

Die Aktivierend-therapeutische Pflege bildet laut der Definition der DGATP die Grundlage für die Lebensqualität bis zum Tod. Pflege mit dem therapeutischen Pflegeziel, eine palliative Pflegebedürftigkeit zu vermeiden oder zu reduzieren, kann nur im Interesse aller Beteiligten liegen. Dabei sind und bleiben die wichtigsten Ressourcen für die palliativen Personen die Pflegenden. Einerseits ist nicht davon auszugehen, dass die Pflege in den Palliativbereichen (stationär und ambulant) vom Pflegenotstand verschont bleibt. Andererseits führt eine notwendige Vielfalt/Anzahl an Pflegekräften besonders in den sich immer weiterverbreitenden palliativen Disziplinen zu hohen Personalkosten. Damit die palliative Pflegequalität auf hohem Niveau und die palliativen Pflegetätigkeiten bezahlbar bleiben, sind diese strukturiert beschriebenen ATP-P-Artikel ein wichtiger Impuls für eine veränderte Pflegesicht und deren Aufgabenverteilung. So ist es uns ein Anliegen, die oft praxisbezogenen Inhalte von teilweise Altbewährtem mit neuem Wissen und vorrangig aktivierend-therapeutisch-palliativen Ansätzen zu kombinieren.

Unser Dank gilt den Autor*innen3, die mit viel Engagement die Artikel geschrieben haben, um sie zur Veröffentlichung zur Verfügung zu stellen. Auch bekamen wir von vielen Bekannten, Freund*innen und (ehemaligen) Kollegen*innen Unterstützung und guten Rat. Auch ihnen ein herzliches Dankeschön!

In diesem Sinne hoffen wir, dass Sie, liebe Leser*innen, etwas von dem Wissen, dem Know-how und den Erfahrungen aus diesem Buch in Ihre alltägliche Arbeit einfließen lassen können!

 

Friedhilde BartelsSarah Eschmann

im September 2021

 

 

Literatur

Bartels, F. (2011/2012) Nicht dem Leben im Krankenhaus mehr Tage – sondern den Tagen im Krankenhaus mehr Leben geben, in: Janßen, U., Blum, K. (Hrsg.), DKI- Barometer Krankenhaus 2011/2012

Schumann, S. (2018) Was ist Aktivierend-therapeutische Pflege?, Deutsche Fachgesellschaft Aktivierend-therapeutische Pflege e. V. (Hrsg.) https://www.dgatp.org/definition-atp, Zugriff 3.7.2019

o. A.: Bundesinstitut prognostiziert »große Herausforderungen« für Pflege

www.bibliomed-pflege.de/news/30903-bundesinstitut-prognostiziert-grosse-herausforderungen-fuer-pflege, erschienen und Zugriff 13.2.2017

https://gutezitate.com/zitat, Zugriff 14.2.2021

1     www.bibliomed-pflege.de/news/30903-bundesinstitut-prognostiziert-grosse-herausforderungen-fuer-pflege, erschienen 13.2.2017

2     https://gutezitate.com/zitat/234984, Zugriff 13.2.2021

3     In diesem Herausgeberband wird hinsichtlich der Pluralformen der »Gender-Stern« oder die neutrale Form genutzt, um alle Geschlechter anzusprechen. Wenn bei bestimmten Begriffen nur die männliche Form gewählt wurde, so ist dies nicht geschlechtsspezifisch gemeint, sondern geschah ausschließlich aus Gründen der besseren Lesbarkeit.

Inhalt

 

 

 

Vorwort

Abkürzungsverzeichnis

I    Einleitung, Einführung in die Themen der Aktivierend-therapeutischen Pflege in der Palliative Care

1   Wissen über notwendige Grundlagen der Palliative Care

Friedhilde Bartels

1.1   Geschichte von Hospiz und Palliative Care

1.2   Worin unterscheiden sich Hospiz- und Palliativversorgung?

1.3   Wann beginnt die palliative Versorgung?

1.4   Inhalte der Palliative Care

1.4.1   Übersicht der allgemeinen und spezialisierten Versorgungsstrukturen

Literatur

2   Was macht Pflege zur palliativen Pflege?

Michael Nehls

2.1   Palliativpflege aus dem pflegerischen Handlungsfeld

2.1.1   Palliativpflege vor dem Hintergrund rechtlicher Instanzen am Lebensende

2.1.2   Palliativpflege als konzeptioneller Ansatz

2.1.3   Palliativpflege als pflegefachliche Aufgabe

2.2   Palliativpflege aus leistungsrechtlicher Perspektive

2.3   Zusammenfassung

Literatur

3   Was macht Aktivierend-therapeutische Pflege in der Palliative Care (ATP-P)?

Friedhilde Bartels

3.1   Einleitung

3.2   Drei Handlungs-und Pflegeschwerpunkte

3.3   Die Basis oder die Grundlage der ATP-P-Handlings

3.3.1   Plastizität

3.3.2   Förderung der Eigenaktivität unter Beachtung der Selbstwahrnehmung

3.3.3   Interdisziplinäre Zusammenarbeit Pflege/Therapie mit dem Ziel, normale Bewegungsabläufe anzubahnen

3.4   Was ist therapeutisch an ATP-P?

Literatur

4   Aktivierend-therapeutische Pflege bei palliativen Personen – Sinn oder Unsinn?

Sarah Eschmann

4.1   Einleitung

4.2   Was ist der Kern der Aktivierend-therapeutischen Pflege?

4.3   Was ist der Kern der palliativen Pflege?

4.4   Was unterscheidet eine palliative Person von einer geriatrischen Person?

4.5   Therapeutische Pflegeziele der Aktivierend-therapeutischen Pflege in der Palliativversorgung

4.6   Die Sinnhaftigkeit der Aktivierend-therapeutischen Pflege im palliativen Setting

Literatur

II   Allgemeine für alle drei Handlungs- und Pflegeschwerpunkte wichtige und relevante Themen

5   »Sag mir ein Sterbenswörtchen…«: Ein Erfahrungsbericht einer Palliativmedizinerin

Dr. Monika Windsor

5.1   Erst einmal etwas zum Menschenbild

5.2   Was ist außer medizinischen Aspekten sehr wichtig bei der Begleitung eines Schwerkranken?

5.3   Hat Teamarbeit eine besondere Bedeutung?

5.4   Was passiert, wenn ich versuche, die Leidenszeit zu verkürzen?

5.5   Tötende Begleitung

5.6   Ein selbstbestimmtes Sterben

5.7   Gibt es bei Geburt und Tod Vergleichbares?

6   Ressourcen bei palliativen Personen

Susette Schumann

6.1   Eine Standortbestimmung

6.2   Gesellschaftliche Zusage an palliative Personen

6.3   Besondere ressourcenorientierte Anforderungen der palliativen Person

6.3.1   Körperliche Ressourcen

6.3.2   Kognitive Ressourcen

6.3.3   Psychische Ressourcen

6.3.4   Emotionale Ressourcen

6.3.5   Soziale Ressourcen

6.3.6   Spirituelle Ressourcen

6.4   Gesamtschau auf die Ressourcen bei palliativen Personen

Literatur

III Pflege- und Handlungsschwerpunkt: Aspekte der Beziehungsarbeit

7   Der individuellen Lebensgeschichten auf der Spur

Sarah Eschmann

7.1   Was bedeutet Biographie?

7.1.1   Zeitgeschichte

7.1.2   Lebenslauf

7.1.3   Lebensgeschichten

7.2   Erinnerung mit »allen Sinnen«

7.3   Biographie im Wandel der Zeit

7.4   Vorteile der Biographie für palliative Personen und Pflegende

7.4.1   Biographische Aspekte (Biographiearbeit) im pflegerischen Alltag nutzen

7.5   Rituale und Gewohnheiten

Literatur

8   Kommunikation mit palliativen Patient*innen und ihren Angehörigen im Rahmen der Beziehungsarbeit

Sarah Eschmann

8.1   Grundlagen der Kommunikation

8.2   Kommunikation bei palliativen Patient*innen

8.3   Realität ist subjektiv

8.4   Gesprächsbausteine

Literatur

9   An- und Zugehörige am Limit und die Rolle der Pflegenden: Beziehungsgeschehen mit Angehörigen in existenziellen Situationen einer Palliativeinheit im Krankenhaus

Sigrid Reineke

9.1   Einleitung

9.2   Von Menschen zu Patient*innen. Von Patient*innen zu Angehörigen Und irgendwo dazwischen: Der hilflose Passagier

9.2.1   Was ist eigentlich Leid? Was hilft den Leidenden?

9.3   Das schlechte Gewissen, die Angst und die Schuld der Angehörigen

9.3.1   Angehörige am Limit – und Möglichkeiten der Hilfe

10 Die persönliche Haltung in der palliativen Pflege macht den Unterschied

Karin Schroeder-Hartwig

10.1 Durch was entwickeln wir eine »anerkannte« Haltung?

10.2 Palliative Care

10.2.1 Historie

10.2.2 Total Pain – Konzept nach Cicely Saunders

10.3 Menschenbild »Leiblichkeit« und Mensch als Maschine

10.3.1 Was hat das mit Haltung gegenüber den palliativen Personen zu tun?

10.4 Wie sollen wir pflegen? Wie wollen wir pflegen? Wie können wir pflegen? Wie haben wir zu pflegen?

10.5 Resümee

Literatur

IV Pflege- und Handlungsschwerpunkt: Bewegung

11 Fazilitation – Schwerpunkt der Aktivierend-therapeutischen Pflege in der Palliative Care

Nikolaus Gerdelmann

11.1 Was bedeutet dies für die Pflegenden in ihrem »palliativen« Alltag?

11.1.1 Am palliativen Individuum

11.1.2 Durch die Aufgabe

11.1.3 Durch die Umgebung

11.1.4 Beim Fazilitieren gilt das Prinzip des »Hands on oder Hands off«

11.2 Das Strukturmodell des Bobath-Konzepts

11.3 Praktisches Beispiel

11.3.1 Fazilitieren des Oberkörpers

11.3.2 Fazilitieren zum Aufstellen der Beine

11.3.3 Fazilitieren des Drehens

Literatur

12 Basale Stimulation® bei schwerstkranken, palliativen und sterbenden Personen

Katharina Röwekamp

12.1 Basale Stimulation®

12.1.1 Bewegen und Wahrnehmen von der gesunden Person bis zur palliativen Person

12.1.2 Was ist Basale Stimulation®?

12.2 Haltung, Technik und Kompetenz

12.2.1 Haltung

12.2.2 Technik

12.2.3 Kompetenz

12.3 Palliativversorgung und Basale Stimulation®

12.3.1 Welche Bedeutung hat die Basale Stimulation® in der Begegnung mit schwerstkranken und sterbenden Menschen?

Literatur

13 »Guten Morgen, Hr. Doktor!«: Ein Praxiserleben

Sarah Eschmann

13.1 Einleitung

13.2 Situation

13.3 Aktivierend-therapeutische Pflege

13.3.1 Der stabile Sitz im Bett nach dem Bobath-Konzept

13.3.2 Die belebende Waschung nach der Basalen Stimulation® in der Pflege

13.4 Fazit

Literatur

14 So, wie man liegt, so fühlt man sich!

Sarah Eschmann

14.1 Was ist Lebensqualität?

14.2 Negative Faktoren, die ein Unwohlsein fördern

14.3 Physiologisch und bequem Positionieren nach dem Bobath-Konzept

14.3.1 Kopf und Extremitäten

14.3.2 Evaluation der bisherigen Positionierung

14.4 Körperbegrenzendes Positionieren nach der »Basalen Stimulation® in der ATP-P«

14.4.1 Die Nestlagerung

14.4.2 Evaluation

14.4.3 Positionierungsanpassung

14.5 Zusammenfassung

Literatur

15 Kleine Hilfsmittel, große Wirkung

Dominik Zergiebel, Stefan Kicker

15.1 Unsere Körperstruktur und ihre Veränderungen

15.1.1 Hinweise aus Untersuchungen

15.2 Das Bobath-Konzept: Grundlage von ATP

15.2.1 Wirkung der Schwerkraft, Unterstützungsfläche, Stabilität für Mobilität

15.2.2 Propriozeption

15.2.3 Homunkulus

15.3 Zusammenhang Positionen und Aktivitäten

15.3.1 Positive Neuroplastizität bei palliativen Personen anwenden

15.4 Das Material

15.4.1 Praktische Anwendung von Wickeln

15.4.2 Das Handtuch als Positionshilfe

15.5 Vorschlag zur Umsetzung

Literatur

V   Pflege- und Handlungsschwerpunkt: Selbstversorgung

16 Mund- und Zahnpflege

Daniela Lorenzen

16.1 Einleitung

16.2 Ziele der Mund-und Zahnpflege

16.3 Planung und Durchführung nach Pflegeprozess und ATP

16.4 Allgemeine Mund- und Zahnpflege als Aktivierend-therapeutische Pflegemaßnahme

16.5 Spezielle Mund- und Zahnpflege als Aktivierend-therapeutische Pflegemaßnahme

16.5.1 Anwendung

16.5.2 Zuständigkeit

16.5.3 Zusätzliche Hilfsmittel

16.6 Durchführung

16.6.1 Zusätzliche Aspekte bei der speziellen Mund- und Zahnpflege bei Personen mit oralisierter Dysphagie

16.6.2 Zusätzliche Aspekte bei der speziellen Mund- und Zahnpflege bei Personen mit nicht-oralisierten Dysphagie

16.6.3 Besonderheit: Zahnprothesen

16.7 Nicht geeignete Hilfsmittel

16.8 Schlussfolgerung

Literatur

VI Beinflussende Faktoren bei der Anwendung von ATP

17 Begleitung von Sterbenden aus anderen Kulturen

Johanna Grünhagen

17.1 Der Tod in anderen Kulturen – ein kurzer Einblick in die Vielfalt

17.2 Sterbende aus anderen Kulturen – von wem sprechen wir überhaupt?

17.3 Egal welche Kultur – ein Glaube hilft beim Sterben.

17.4 Was Ihnen sonst noch begegnen kann…

17.4.1 Verständnis von Krankheit und Pflege

17.4.2 Von der oder dem Pflegenden zum Familienmitglied

17.4.3 Die Bedeutung der Rolle von Mann und Frau

17.4.4 Krankheit als Prüfung oder Strafe

17.4.5 Verständnis von Hygiene

17.4.6 Umgang mit Schmerz und Trauer

17.5 Die größte Herausforderung: Sprachprobleme!

17.6 Was können wir voneinander lernen?

Literatur

VII Anwendungsbeispiele von ATP-P bei symptomauftretenden Belastungen

18 Fatigue – ein häufiger Begleiter und oft nicht erkannt

Sarah Eschmann, Ina Klindworth

18.1 Erfahrungen auf der Palliativeinheit einer Station

18.2 Was ist Fatigue?

18.2.1 Symptome, über die Betroffene klagen

18.3 Wer ist betroffen?

18.4 Mögliche Ursachen und Verstärker der Fatigue

18.4.1 Verschiedene Ursachen der Fatigue

18.5 Fatigue, Depression und Delir

18.6 Fatigue-Assessment

18.7 Fatigue – was nun?

18.7.1 Medikamentöse Behandlung

18.7.2 Psychotherapeutische Hilfe/Psychoonkolog*innen

18.7.3 Aktivierend-therapeutische Pflege

18.8 Wie lebt man mit Fatigue im Alltag?

18.8.1 Fatigue im interdisziplinären Team

Literatur

19 Ideen zur Linderung der Symptomlast

Sarah Eschmann

19.1 Schmerzlinderung durch alternative Anwendungen

19.1.1 Der körperliche Schmerz

19.1.2 Der psychische Schmerz

19.1.3 Der soziale Schmerz

19.1.4 Der spirituelle/existenzielle Schmerz

19.2 Fazit

Literatur

VIII Mitarbeiterorientierung mit ATP-P wird großgeschrieben

Einleitung

20 Aktivierend-therapeutische Pflege in der Palliative Care, eine körpergerechte Arbeitsweise

20.1 Einleitung

20.2 Mitarbeiterschonendes Handling in der palliativen Pflege

20.2.1 Eigenversuch: Vorderseitige und rückenseitige Rückenmuskulatur arbeiten zusammen

20.2.2 Eigenversuch: Eine Voreinstellung über aufgestellte Beine und Verrücken des Beckens erleichtert eine weitere Drehung des Körpers

20.3 Fazit

Literatur

21 Eine Kultur der Erlaubnis

Karin Schroeder-Hartwig

21.1 Allgemeines

21.2 Zeit ist relativ. Wie nutzen wir unsere Zeit?

21.3 Existenzielle Pflege – ein Sorgekonzept

21.3.1 Zeiträuber und die Lösung für alle heißt: »Schwester… kannst du mal«!

21.3.2 Was ist gut investierte Zeit, die der kranken Person und den Pflegenden zugutekommt?

21.3.3 Burnout

21.4 Spiritualität in der Mitarbeiterführung

21.4.1 Der Mensch hat die Freiheit und einen freien Willen

21.4.2 Zeitgeist: Ereignisbezogene Unterbrechungskultur

21.4.3 »Coolout« eine Problemlösungsstrategie?

21.4.4 Gute Pflege braucht Strukturen und Zeit für eine beziehungsorientierte Pflege

21.4.5 Wofür wollen wir Zeit geben?

Literatur

Anhang

Anlage 1: Leitfaden zum Integrieren von EKS ( Kap. 21)

Anlage 2: Akute kritische Ereignisse (AkE) auf/in der Station/Abteilung ( Kap. 21)

Anlage 3: Vorbereitung und Protokoll Reflexionsgespräch (VPR) und für die existenziellen und spirituellen Fallbesprechungen ( Kap. 21)

Glossar ATP-P

Die Autorinnen und Autoren

Stichwortverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

 

 

AAPV

allgemeine ambulante Palliativversorgung

AFA

Albertinen-Fatigue-Assessment

ALS

Amyotrophe Lateralsklerose

APV

allgemeine Palliativversorgung

ATP

Aktivierend-therapeutische Pflege

ATP-P

Aktivierend-therapeutische Pflege in der Pailliative care

AVO

Arztverordnung

BIKA®

Bobath-Initiative für Kranken- und Altenpflege

BQKPMV

besonders qualifizierte und koordinierte Palliativmedizinische Versorgung

DFaG

Deutsche Fatigue Gesellschaft e. V.)

DGATP

Deutsche Fachgesellschaft für Aktivierend-therapeutische Pflege e. V.

DGP

Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin

DGZ

Deutsche Gesellschaft für Zahnerhaltung e. V.

DGZMK

Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde

DNQP

Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege

ebd.

ebenda

EKS

Existenzielle Kommunikation

F.O.T.T.®

Facio-orale Trakt-Therapie

HPG

Hospiz- und Palliativgesetz

ICN

Internationaler Council of Nursing

KEK

Klinische Ethikkomitee

MuZ

Mund- und Zahnpflege

o. äq.

oder äquivalent

PEG

perkutane endoskopische Gastrostomie

SAPV

spezialisierte ambulante Palliativversorgung

SGB V

Sozialgesetzbuch V (Krankenversicherung)

SGB XI

Sozialgesetzbuch XI (Pflegeversicherung)

SPK

suprapubischer Blasenkatheter

SPV

spezialisierte Palliativversorgung.

WHO

Weltgesundheitsorganisation

I           Einleitung, Einführung in die Themen der Aktivierend-therapeutischen Pflege in der Palliative Care

1          Wissen über notwendige Grundlagen der Palliative Care

Friedhilde Bartels

Woody Allen sagte einmal:

»Ich habe keine Angst vor dem Sterben. Ich möchte nur nicht dabei sein, wenn es passiert.«4

(Woody Allen)

Das ist ein Zitat, das vermutlich vielen Personen aus dem Herzen spricht. Oft ist es ja auch die »Angst vor der Angst«, die wir glauben, vor dem Sterben zu bekommen oder zu haben. Und wenn ich ehrlich bin, kann ich mir das sehr gut vorstellen.

Pflegende im Umgang mit palliativen, schwerkranken und sterbenden Personen sind reflektiert, dass ein »sich bewusst Werden« der eigenen Angst, ein »zugewandt Sein« zu einem Sterbenden ein palliatives Setting negativ wie positiv beeinflussen kann. Kenntnisse und Fachwissen über die Entwicklung, die Gestaltung durch Gesetzgebung, Gesellschaft und Einrichtungen sind deshalb unabdingbar.

1.1       Geschichte von Hospiz und Palliative Care

Im Mittelalter wurde der Name Hospital für Herbergen benutzt. Pilger und Bedürftige aber auch Kranke bekamen hier Unterkunft. Und es war ebenfalls ein Ort der Begegnungen.

In bestimmten Einrichtungen in ganz Europa wurden »die Kranken von hingebungsvollen Menschen betreut, geheilt oder respektvoll in den Tod begleitet. Diese Häuser nannte man Hospize«5 (Geschichte-der-palliative-care)

Im 19. Jahrhundert entstanden unter anderen speziell für Krebs- und Tuberkulosekranke Einrichtungen, in denen diese unheilbaren Personen bis zu ihrem Sterben betreut und gepflegt wurden.

Die Linderung des Leidens und die Unterstützung der betreffenden Personen standen auch früher schon im Zentrum der Aufgaben des Arztes, doch meistens konnten sich nur wohlgesittete Bürger einen Arzt leisten. Eine medizinische Versorgung und Betreuung oder gar eine palliative Sterbebegleitung wurde den betroffenen Personen in der Regel nicht geboten. Doch seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert befassten sich die Ärzte zunehmend mit Fragen der palliativen Krankheitsbehandlung, lateinisch »Cura palliativa« genannt.

Ein französisches Sprichwort aus 16. Jahrhundert sagt:

Heilen – manchmal, lindern – oft, trösten – immer.

Durch die dann stattfindende Industrialisierung und durch die Entwicklung der Medizin in den nächsten Jahren gerieten die Ansätze der »Palliativversorgung« wieder in den Hintergrund.

»Als älteste bekannte Einrichtung, die den englischen Begriff »hospice« im heutigen Sinne verwendete, eröffneten 1879 die irischen Schwestern der Nächstenliebe das Our Lady's Hospice for the Care of the Dying in Dublin6 (Geschichte der Hospizbewegung).

In den 1960er Jahren entstanden die heutige moderne Hospizbewegung und die Palliativversorgung als Terminal Care. Sie gehen wesentlich auf Cicely Saunders zurück ( Kap. 2 und  Kap. 10).

1967 gründete sie das Sydenham – St. Christopher‘s (bei London).

Die Entwicklung in Deutschland begann

•  1983 mit der ersten deutschen Palliativstation an der Kölner Universitätsklinik

•  und 1986 mit der Eröffnung des Hospizes »Haus Hörn« in Aachen.

•  Bis heute gibt es weit über 230 stationäre Hospize und über 300 Palliativstationen für Erwachsene in Deutschland.

•  Bis heute gibt es weit über 20.000 qualifizierte Pflegende in Palliativbereichen und über 8.500 Palliativmediziner.

In den Jahren davor war der Begriff Palliative Versorgung nicht sehr verbreitet und viele Pflegende in den 60igern und 70ziger Jahren kennen noch das »Sterben in den Badezimmern der Stationen«. Es wurden meistens die Sterbenden verlegt und nicht die Personen, die weniger krank waren. Das hat sich sehr verändert und wir erleben vielerorts einen Paradigmenwechsel der Palliativversorgung!

Die internationale Hospizarbeit wurde nachhaltig durch die Arbeit von Elisabeth Kübler-Ross beeinflusst. In Deutschland hat zusätzlich u. a. Christoph Student viel zur Entwicklung der Hospizbewegung beigetragen

1.2       Worin unterscheiden sich Hospiz- und Palliativversorgung?

»Im Mittelpunkt steht der kranke Mensch, seine individuellen Wünsche und Bedürfnisse. Palliativstationen haben daher das Ziel, dass der Patient entlassen werden kann. Im Hospiz hingegen können unheilbar kranke Menschen ihre verbleibende Lebenszeit verbringen.«

(Wieland 2019)

Also ist ein Hospiz eine vom Krankenhaus oder von der Altenhilfeeinrichtung unabhängige Einrichtung mit meistens wenigen schwerstkranken Personen (8–16 Plätze), die in einem absehbaren Lebensabschnitt palliativ betreut werden. Der Aufenthalt in einem Hospiz ist indiziert, wenn kein Krankenhausbedarf mehr besteht.

Die durchschnittliche Verweildauer in einem Hospiz liegt in der Regel zwischen 2–4 Wochen.

Definition Hospiz (Auszug)

»Im Mittelpunkt der Hospizarbeit steht der schwerstkranke und sterbende Mensch mit seinen Wünschen und Bedürfnissen sowie seine Angehörigen und Nahestehenden.

Trotz historisch unterschiedlicher Entwicklungen in Deutschland sind Palliativ- und Hospizversorgung als ein gemeinsamer Ansatz bzw. eine gemeinsame Haltung zu verstehen. Hospizbegleitung wurzelt im bürgerschaftlichen Engagement. Begleitet werden Patienten am Ende ihres Lebens sowie deren Angehörige – zu Hause, in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und in stationären Hospizen. Haupt- und Ehrenamtliche arbeiten in multiprofessionellen Teams zusammen, um eine Betreuung zu bieten, die sich an den individuellen Bedürfnissen und Entscheidungen orientiert und hierbei Würde, Frieden und Ruhe anstrebt. In der psychosozialen Begleitung der Betroffenen übernehmen die Ehrenamtlichen vielfältige Aufgaben. Durch ihre Arbeit leisten sie nicht nur einen unverzichtbaren Beitrag in der Begleitung der Betroffenen, sondern sie tragen wesentlich dazu bei, dass sich in unserer Gesellschaft ein Wandel im Umgang mit schwerstkranken und sterbenden Menschen vollzieht.« (DGP 2016)

 

Definition Palliativ Care, Palliativversorgung

Definition Palliativversorgung der Weltgesundheitsorganisation (WHO): »Palliativversorgung ist ein Ansatz, der die Lebensqualität von Patienten und deren Familien verbessert, die mit den Problemen im Zusammenhang einer lebensbedrohenden Erkrankung konfrontiert sind, dies mittels Prävention und Linderung von Leiden durch frühzeitiges Erkennen und umfassende Erfassung sowie durch die Behandlung von Schmerz und anderen Problemen auf körperlichen, psychosozialen und spirituellen Ebenen.« (DGP 2016)

Erklärung: Früher wurde in Deutschland auch eher der Begriff Palliative Care benutzt, um das umfangreiche »Versorgen/Betreuen« der palliativen Personen von der Palliativmedizin abzugrenzen. Es bedarf einer umfangreicheren Umsicht von verschiedenen Berufen mit ihren Fachkenntnissen als »nur« der Medizin. Heute empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) den Begriff der Palliativversorgung in Deutschland zu anzuwenden. (DGP 2016)

Merke: In Hospize finden schwerstkranke und sterbende Personen ein Zuhause. Hier verbleiben sie bis zu ihrem Tod. Die verbleibende Lebensqualität wird den Bedarfen und Bedürfnissen der individuellen Möglichkeiten durch eine palliative Betreuung angepasst.

Das palliative Setting finden in allen Fachbereichen inkl. Hospize bei allen Schwerstkrankenzuständen aller Unheilbarkranken bis zum Sterben statt. Dies weist darauf hin, dass eine palliative Versorgung sehr umfassend ist. Palliative Personen haben durchaus die Möglichkeit, von einer Palliativstation, einer Abteilung im oder am Krankenhaus, entlassen zu werden. Das Ziel ist, die krankheitsbedingten Beschwerden zu lindern und den Gesundheitszustand des Betroffenen so zu stabilisieren. Eine palliative Versorgung stabilisiert den Menschen soweit möglich umfassend, damit die betroffene Person eine Option entwickeln kann, selbstbestimmt an einem Ort ihres Wunsches sterben zu können. Darüber hinaus erhält sie eine Chance und günstige Gelegenheit, die letzte Zeit ihres Lebens eine ihr wichtige Lebensqualität zu entwickeln. Die durchschnittliche Verweildauer auf einer Palliativstation beträgt zehn Tage. Aufenthalte in Palliativeinheiten eines Krankenhauses können deshalb mehrmals bis oft notwendig sein. Auf eine Aktivierend-therapeutische Pflege in der Palliative Care als ein qualifiziertes einzubindendes Konzept ( Kap. 3) ist hier ausdrücklich hinzuweisen.

Abb. 1.1: Kurative und palliative Therapie parallel (Lynn & Adamson 2003, S. 7, mod. nach Davies & Higginson 2004, S. 18)

Auch können eine oder mehrere Erkrankungen palliative und kurative Anteile in der Therapie und Pflege haben ( Abb. 1.1). Oder der kurative Anteil kann bei einem Sturz mit Oberschenkelhalsfraktur, z. B. bei einem langsam wachsenden Tumor, der palliativ zu sehen ist, zu einer Operation und anschließend auch in eine Rehabilitationsklinik führen. Dies führt zu der Frage:

1.3       Wann beginnt die palliative Versorgung?

•  »Palliative Care beginnt, wenn die Diagnose [z. B. Krebs] gesichert ist, der Tod sicher und vermutlich in näherer Zukunft zu erwarten ist. Die Hoffnung auf Heilung wurde aufgegeben.«

•  (Calman 1988, zit. nach Bausewein und Schneider 2013)

•  »Palliative Care beginnt, wenn eine aktive, fortschreitende Erkrankung vorliegt, die Prognose begrenzt ist und wenn der Fokus auf Lebensqualität liegt.«

•  (Doyle et al. 1993, zit. nach Bausewein und Schneider 2013)

Palliative Care beginnt bereits mit der Diagnosestellung einer lebensbegrenzenden Erkrankung!

Diese lebensbegrenzenden Erkrankungen finden sich in allen Fachbereichen und auch in allen Lebenssituationen und Altersgruppen. In den letzten Jahren hat man ein besonderes Augenmerk auf die älteren Menschen geworfen, deren Lebenszeit sehr begrenzt ist. Auch ihnen steht eine Palliativversorgung lt. Leitsatz der Charta zu ( Kap. 1.4).

Personen mit Tumorerkrankungen zeigen einen Verlauf, der über längere Zeit stabil bleibt. In dieser Zeit geht es den Personen dem Krankheitsverlauf entsprechend bis kurz vor dem Sterben. Bei dem Verlauf der organfunktionsbezogenen Kurve ist ein deutlich anderer Verlauf zu erkennen. In dem Absacken der Kurve kann vermutet werden, dass es diesen Personen in dieser Zeit besonders schlecht geht, sich der Zustand durch häufige palliative Versorgung (stationär, ambulant) immer wieder etwas verbessert, doch letztendlich gehen sie den letzten Weg dennoch sehr beschwerlich. Besonders bei Menschen mit Demenz zeigt die Verlaufskurve ein stetiges Abnehmen der Kräfte und eine kontinuierlich abnehmende Kurve bis zum Sterben. In allen Phasen, die hier dargestellt werden, kann die ATP-P angewendet werden. Durch Anwendung aller Handlungs- und Pflegeschwerpunkte des Konzeptes ATP-P (Bartels et al. 2019), also durch Aspekte der Beziehungsarbeit, Bewegung, hier besonders durch die Fazilitation ( Kap. 11), und Selbstversorgung, können die palliativen Personen evtl. Verbesserung, Erhaltung der Situation oder eine Begleitung durch Symptomlinderung ( Kap. 19) erfahren.

Was ist die Palliativversorgung?

Merke: Das lateinische Wort »pallium« bedeutet Mantel und steht für beschützen, umhüllen. Dieses Beschützen und »Wärme Geben« wie ein Mantel beschreibt sehr deutlich den Umgang mit Personen, die schwersterkrankt sind und kurativ keine oder eine begleitende Behandlung bedürfen oder möchten.

Charakteristika von Palliative Care

Der kranke Mensch wird in seiner Ganzheitlichkeit gesehen, mit physischen, psychischen und geistig/seelischen Nöten.

Im Vordergrund steht das medizinisch-ethisch Vertretbare, nicht das medizinisch-technisch Machbare.

Der bzw. die Palliative und/oder Sterbende führt Regie!

1.4       Inhalte der Palliative Care

Palliativversorgung ist ein Ansatz/Leitgedanke zur Verbesserung der Lebensqualität von betroffenen Personen und ihren Familien, die Problemen und Herausforderungen gegenübergestehen, welche mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen.

Dazu gehören das Vorbeugen und Lindern von Leiden, eine frühzeitige Wahrnehmung, eine sichere Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie weiteren belastenden Qualen körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art.

In der Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland heißt es im Leitsatz 2:

»Jeder schwerstkranke und sterbende Mensch hat ein Recht auf eine umfassende medizinische, pflegerische, psychosoziale und spirituelle Betreuung und Begleitung, die seiner individuellen Lebenssituation und seinem hospizlich-palliativen Versorgungsbedarf Rechnung trägt.«

(DGP e. V.; Deutscher Hospiz- und PalliativVerband e. V., Bundesärztekammer, Leitsatz 2)

Das »Recht« ist zwar verankert, doch die Umsetzung gestaltet sich oft sehr schwierig. Immer wieder versuchen Politik, Mediziner und die Gesellschaft, diesem Leitsatz Rechnung zu tragen. Die Gesetzgebung in Deutschland ist durch das Bundes- und die unterschiedlichen Ländergesetze oft schwer durchschaubar. Die letzte Gesetzesänderung auf Bundesebene gab es 2015 mit dem »Hospiz- und Palliativgesetz« (HPG 08.12.2015). Es soll eine Verbesserung der bedarfsgerechten Versorgung unterstützen. Ein Bedarf ist immer der objektiv erkennbare und nachvollziehbare Mangel- und Belastungszustand. Dafür ist die Politik und/oder die Gesellschaft zuständig. Ein Ansinnen ist es, das Sterben in die Mitte der Gesellschaft zurückzuholen, denn sowohl Geburt und Leben als auch Sterben und Tod gehören zum oder ins Leben, auch in strukturschwachen Gegenden. Bereits 2007 wurden die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) und weitere Verbesserungen durch SGB V, § § 37b und § 132d eingeführt.

Die Palliativversorgung in Deutschland wird in vier Bereiche eingeteilt ( Tab. 1.1). In dem ambulanten Bereich gibt es die allgemeine (AAPV) und die spezialisierte (SAPV) Palliativversorgung. Im stationären Bereich (Krankenhaus und Altenpflegeeinrichtungen) gibt es ebenfalls eine allgemeine (APV) und eine spezialisierte (SPV) Palliativversorgung, wobei die Finanzierung der SPV in den Altenpflegeeinrichtungen speziell finanziert und auch gestaltet wird.

Die allgemeine Palliativversorgung findet in der allgemeinen Existenz der ambulanten Pflege und der stationären Langzeitpflege und im Krankenhaus statt. Hier genügt eine Basisqualifikation aller Berufsgruppen.

1.4.1     Übersicht der allgemeinen und spezialisierten Versorgungsstrukturen

Tab. 1.1: Palliativversorgung in Deutschland (nach Radbdruch und Payne 2011)

Stationäre PalliativversorgungAmbulante Palliativversorgung

* Palliativdienste im Krankenhaus sind grundsätzlich der spezialisierten Versorgung zuzurechnen, werden aber aufgrund ihrer derzeitigen Finanzierungsmöglichkeit über eine Komplexpauschale (OPS 8-892) in dieser Finanzierungssystematik nicht der spezialisierten Versorgung (OPS 8-98e) zugeordnet.

Die Palliativversorgung in den Pflegeeinrichtungen kann durch SAPV eingekauft oder als Kooperation gestaltet werden. Sie wird über die Krankenkassen finanziert.

Allerdings gibt es die SAPV nicht überall in Deutschland. In ländlichen Gegenden ist sie eine zusätzliche Aufgabe der Hausärzte und der ambulanten Pflegedienste. Die Wege sind dort weit und die Finanzierung nicht ausreichend gesichert. Das HPG soll hier unterstützend helfen.

Abb. 1.2 stellt die allgemeine und spezialisierte Palliativversorgung in einem Krankenhaus beispielhaft dar:

Abb. 1.2: Allgemeine und spezialisierte Palliativversorgung in einem Krankenhaus

Nicht jedes Krankenhaus verfügt über Palliativbetten oder eine Palliativstation/-einheit. Dort findet die Palliativversorgung durch das Stationsteam als Basiselement statt.

Inhalte der allgemeinen Palliativversorgung im Krankenhaus (alle Stationen) sind grundsätzlich

•  ärztliches und pflegerisches Basismanagement von Schmerzen, Luftnot, Übelkeit usw.

•  die Ermittlung des Patientenwillens und eine partizipative Entscheidungsfindung durch Gespräche mit dem Patienten und evtl. Angehörigen.

•  ein Entlassungsmanagement (§ 39 Abs. 1, SGB V), das den Wünschen und Bedürfnisse der Person entspricht.

•  eine ärztliche Sterbebegleitung lt. den Grundsätzen der Bundesärztekammer von 2011.

Es bleiben viel Fragen offen:

•  Wann, wie oft und wie werden ein palliativer Bedarf und auch Bedürfnisse überhaupt erkannt?

•  Wann ist eine spezialisierte Palliativversorgung notwendig?

•  Nach welchen Regeln erhalten Betroffene eine Palliativversorgung auf einer Station?

Merke: Bislang gibt es keine (gemeinsamen) Kriterien für eine Basisversorgung in Abgrenzung zur spezialisierten Palliativversorgung

Die spezialisierte Palliativversorgung wird über die Komplexbehandlungen geregelt.

•  Es gibt zwei Komplexbeschreibungen (OPS 8-982 – allgemeine – und 8-98e –spezialisierte) mit Mindestmerkmalen, die zu erfüllen sind.

•  Erst ab dem 7. Behandlungstag wird ein gestaffeltes Zusatzentgelt gezahlt.

•  oder krankenhausindividuell vereinbarte Tagessätze nach individuellen Struktur- und Prozessgegebenheiten.

Seit der letzten Gesetzgebung gibt es die spezialisierte palliativmedizinische Komplexbehandlung durch einen Palliativdienst, die krankenhausintern die Basisversorgung in den Stationen durch ihren Dienst unterstützen kann. (OPS 8-98h)

Genauso wie bei der SAPV gehört zur Palliativstation ein interdisziplinäres Team, das sich gemeinsam um das Wohl der betroffenen Personen kümmert.

Abb. 1.3: Teamarbeit in der Palliative Care (Darstellung Sarah Eschmann)

Auf der Homepage der DGP gibt es viele Informationen inkl. Leitlinien, die sowohl für die allgemeine als auch für spezialisierte Palliativversorgung gelten, siehe https://www.dgpalliativmedizin.de/.

Bei all den gesetzlichen Rahmenbedingungen und alltäglichen Begebenheiten in den Kliniken, Hospizen oder der ambulanten Versorgung muss der Mensch im Mittelpunkt bleiben. Denn letztlich und zu aller erst ist die Palliativversorgung eine Haltung!

Literatur

Bartels, F. et al. (2019) Aktivierend-therapeutische Pflege in der Geriatrie. Band I: Grundlagen und Formulierungshilfen, 2. Aufl., Kohlhammer Verlag, Stuttgart

Bausewein, C. und Schneider, M. (2013) Palliativmedizin – alles ganz anders? http://www.klinikum.uni-muenchen.de/Pflege/download/inhalt/veranstaltungen/sueddeutscher_pflegetag/vortraege_2013/03_claudia_bausewein_und_michael_schneider.pdf

Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Hrsg.) OPS Version 2020, Kap. 8 Nicht operative therapeutische Maßnahmen Code 8-982 https://www.dimdi.de/static/de/klassifikationen/ops/kode-suche/opshtml2020/block-8-97…8-98.htm#code8-982, Zugriff 30.8.2020

Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Hrsg.) OPS Version 2020, Kap. 8 Nicht operative therapeutische Maßnahmen Code8-98h https://www.dimdi.de/static/de/klassifikationen/ops/kode-suche/opshtml2020/block-8-97…8-98.htm#code8-98h, Zugriff 30.8.2020

Bundesministerium für Gesundheit (Hrsg.) https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/h/hospiz-und-palliativgesetz.html, Zugriff 9.9.2020

Davies, E. und Higginson, I.J. (2004) Better Palliative Care for Older People. Copenhagen: WHO (https://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0009/98235/E82933.pdf, Zugriff 10.09.2021)

Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e. V. (Hrsg.) (2016) Definitionen zur Hospiz- und Palliativversorgung https://www.dgpalliativmedizin.de/images/DGP_GLOSSAR.pdf, Zugriff 30.8.2020

Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e.V., WHO – neue Definition von Palliative Care (2002) (dgpalliativmedizin.de), Zugriff 20.5.2021

DGP e. V.; Deutscher Hospiz- und PalliativVerband e. V., Bundesärztekammer (Hrsg.), Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen https://www.charta-zur-betreuung-sterbender.de/die-charta_leitsaetze.html

Feichtner, A. (2009) Palliativkurs der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität, Salzburg Geriatrie und Palliativmedizin, Vortragsunterlagen, Limburg

https://www.agitano.com/zitate-sprueche/woody-allen-ich-habe-keine-angst-vor-dem, Zugriff 29.8.2020

Lynn, J. und Adamson, D.M. (2003) Living Well at the End of Life. Adapting Health Care to Serious Chronic Illness in Old Age. Santa Monica, CA: RAND Corporation (https://www.rand.org/pubs/white_papers/WP137.html, Zugriff 10.09.2021)

Radbruch, L. und Payne, S. (2011) White Paper on Standards and Norms for Hospice and Palliative Care in Europe (EAPC) https://www.dgpalliativmedizin.de/images/Radbruch_2011_white_paper_standards_and_norms_deutsch_Teil2.pdf

Todesursachen, Tagungsunterlagen 5. Fachtagung Geriatrie Berlin, 15.10.2010

Wieland, A. (2019) Palliativstation und Hospiz. Westdeutscher Rundfunk Köln (Hrsg.). https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/tod_und_trauer/sterben/pwiepalliativstationundhospiz100.html, Zugriff 30.8.2020

4     https://www.agitano.com/zitate-sprueche/woody-allen-ich-habe-keine-angst-vor-dem, Zugriff 29.8.2020

5     www.palliative.ch/de/palliative-care/die-geschichte-der-palliative-care, Zugriff 21.2.2021

6     http://www.hospizgruppe-bingen.de/index.php/ueber-uns/geschichte-der-hospizbewegung, Zugriff 21.2.2021

2          Was macht Pflege zur palliativen Pflege?

Michael Nehls

Die zentrale Aufgabe von Palliative Care und damit der Palliativpflege ist auf die Verbesserung der Lebensqualität von Personen ausgerichtet, die mit Problemen konfrontiert sind, welche mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen. Palliative Care ist jedoch nicht allein auf die entsprechende Person fokussiert. In gleicher Weise ist Palliative Care auf die Lebensqualität der Zugehörigen dieser Personen ausgerichtet (»…Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien«7). Konzeptionell ist Palliative Care daher ein systemischer Ansatz. Welcher Ansatz dabei zu verfolgen ist, wird eindeutig in der WHO Definition von Palliative Care beschrieben.

Definition von Palliative Care der WHO8

Palliative Care ist ein Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit Problemen konfrontiert sind, welche mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen. Dies geschieht durch Vorbeugen und Lindern von Leiden durch frühzeitige Erkennung, sorgfältige Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie anderen Problemen körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art.

Palliativmedizin:

•  ermöglicht Linderung von Schmerzen und anderen belastenden Symptomen

•  bejaht das Leben und erkennt Sterben als normalen Prozess an

•  beabsichtigt weder die Beschleunigung noch Verzögerung des Todes

•  integriert psychologische und spirituelle Aspekte der Betreuung

•  bietet Unterstützung, um Patienten zu helfen, ihr Leben so aktiv wie möglich bis zum Tod zu gestalten

•  bietet Angehörigen Unterstützung während der Erkrankung des Patienten und in der Trauerzeit

•  beruht auf einem Teamansatz, um den Bedürnissen [sic] der Patienten und ihrer Familien zu begegnen, auch durch Beratung in der Trauerzeit, falls notwendig

•  fördert Lebensqualität und kann möglicherweise auch den Verlauf der Erkrankung positiv beeinflussen

•  kommt frühzeitig im Krankheitsverlauf zur Anwendung, auch in Verbindung mit anderen Therapien, die eine Lebensverlängerung zum Ziel haben, wie z. B. Chemotherapie oder Bestrahlung, und schließt Untersuchungen ein, die notwendig sind [sic] um belastende Komplikationen besser zu verstehen und zu behandeln.

Der Ansatz soll demnach sowohl vorbeugend als auch lindernd sein und frühzeitiges Erkennen sowie fehlerloses Einschätzen und Behandeln beinhalten. Der Ansatz zielt dabei auf mehrere Dimensionen ab. Diese Dimensionen sind

•  physiologischer Natur – wie die Wahrnehmung und Behandlung von Schmerzen und andere körperliche Probleme

•  und darüber hinaus Probleme aus dem psychischen, sozialen und spirituellen Bereich.

Die Vielschichtigkeit an Symptomkonstellationen, die sich damit in der praktischen Arbeit abzeichnen kann, reicht von dem Nebeneinander verschiedener physiologischer, psychosozialer und spiritueller Probleme bis hin zu einem ineinandergreifenden und nicht auflösbaren, komplexen Symptomgeschehen.

Es wird deutlich,

•  dass die Bewältigung dieser Probleme bzw. dass ein frühzeitiges Erkennen,

•  eine fehlerlose Einschätzung und

•  das Behandeln der individuellen Probleme der Person (um mit den Worten der WHO-Definition von Palliative Care zu sprechen) mehrere Professionen und verschiedene Disziplinen erfordert.

In der Definition wird dazu der Teamansatz als Organisationsform der Leistung angesprochen.

Die beiden Berufsgruppen, die hierbei in erster Linie von Gesetzgeber und Kostenträger als Akteure benannt sind, sind Ärzt*innen und die Pflegende. Bei der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) sowie der spezialisierten palliativmedizinischen Komplexbehandlung (OPS Code 8-98e – 2020) sind explizit die Weiterbildung in Palliative Care für Pflegekräfte sowie die Zusatzbezeichnung Palliativmedizin für die Ärzt*innen gefordert.

Nachfolgend sollen einige wenige, aber bedeutende Elemente hervorgehoben werden, die Palliativversorgung und Palliativpflege ausmachen.

2.1       Palliativpflege aus dem pflegerischen Handlungsfeld

Was Pflege zu Palliativpflege macht, ergibt sich aus den besonderen Bedürfnissen, die die betroffenen Personen und ihre Angehörigen an die Versorgung stellen, und aus den daran angepassten Versorgungskonzepten.

Dame Cicely Saunders gilt als die Begründerin der modernen Hospiz- und Palliativbewegung. Auf der Internetseite des St Christopher’s Hospice ist über sie zu erfahren:

»Sie absolvierte eine Ausbildung zur Krankenschwester (1940 bis 1944), medizinischen Sozialarbeiterin (1947) und schließlich zur Ärztin an der St. Thomas’s Hospital Medical School (1951–57). Sie befasste sich seit 1948 mit der Betreuung von Patienten mit unheilbarer Krankheit, hielt zahlreiche Vorträge zu diesem Thema, schrieb viele Artikel und trug zu zahlreichen Büchern bei. Dame Cicely Saunders erkannte die Unzulänglichkeit der Sterbehilfe, die in Krankenhäusern angeboten wurde. So oft wurde Patienten und Familien gesagt, dass ›nichts mehr getan werden könne‹, eine Aussage, die Dame Cicely nicht akzeptierte. Während ihrer Zeit bei St. Christopher lautete ihr Schlagwort: ›Es gibt noch so viel zu tun‹.«

(St. Christopher’s, Übersetzung des Autors)

Ihre Beobachtung, dass eine Person weniger Morphin benötige, wenn ihre emotionalen, sozialen und spirituellen Themen Raum erhalten, führte in das von ihr entwickelte Konzept des »Total Pain«. Das Medizinstudium begann sie, um ihre Idee einer besseren Schmerzbehandlung umsetzen zu können (Cicely Saunders Institute).

Cicely Saunders gilt als Begründerin der modernen Palliativ- und Hospizbewegung, die in den 1960er Jahren im Vereinigten Königreich entstand.

Beachte: Aus der Entstehungsgeschichte heraus betrachtet, ist Palliative Care von Beginn an multiprofessionell konzipiert: die Verbindung von Pflege, medizinischer Sozialarbeit und Medizin.

In der Entstehung war die Idee einer verbesserten Schmerzbehandlung impulsgebend.

Merke: Pflegekräfte sind durch ihre Nähe an der Person, die sich insbesondere durch die körperliche Arbeit am Leib der Personen ausdrückt, das wichtigste Bindeglied zwischen Patient*innen und Familie und den anderen multiprofessionellen Teammitgliedern.

In einigen Fällen, insbesondere in der ambulanten Pflege, sind sie die einzigen sichtbaren Gesundheitsdienstleistenden in ihrem Umfeld oder Gebiet (Fitch et al. 2015). Die Pflegenden haben die Möglichkeit, aufgrund der Kontakthäufigkeit und -dauer eine Beziehungsqualität mit besondererNäheherzustellen, um über intime, schwierige Themen des Patienten zu sprechen. Dieses Potential benötigt jedoch einen entsprechend fachlich ausgerichteten Blickwinkel (Nikolic, Ruppert und Heindl 2019, S. 61).

Merke: In der Palliativversorgung ist von den Pflegefachkräften ein Umdenken notwendig. Pflegeziele orientieren sich in erster Linie an der Lebensqualität und nicht an den üblichen Standards.

Angesichts der verbleibenden Lebenszeit gilt es, gemeinsam mit der Person und den Angehörigen neue Ziele zu definieren. Doch nicht nur das Umdenken hinsichtlich der Ziele muss sich in der Palliativpflege vollziehen. Auch ist die Palliativpflege geprägt von einer Grundhaltung, die den kranken Menschen nicht isoliert oder gar aufgrund der zugrundeliegenden Erkrankung organspezifisch betrachtet. Vielmehr ist der Blick auf alle Aspekte des kranken Menschen zu lenken, die für ihn mit Wohlbefinden und Lebensqualität zu tun haben.

Fallbeispiel