Alaska Hölle (Clint Morgan No.02) - Alfred Wallon - E-Book

Alaska Hölle (Clint Morgan No.02) E-Book

Alfred Wallon

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Beschreibung

John Logan brach vor einem halben Jahr nach Alaska auf, um nach Gold zu suchen. Zunächst schrieb er seiner Frau Lorna einige Briefe, aber dann riss die Korrespondenz aus unerklärlichen Gründen ganz ab.Lorna Logan vermutet, dass ihrem Mann etwas zugestoßen sein könnte. Deshalb bittet sie den Abenteurer Clint Morgan, nach ihrem Mann zu suchen. Die Reise über den Klondike ins ferne Alaska wird zu einem gefährlichen und abenteuerlichen Wagnis. Aber in Dawson City enden die Gefahren nicht, sondern setzten sich auf dramatische Weise fort. Denn als Morgan erste Hinweise auf den Verbleib von Logan findet, begreift er, dass sein eigenes Leben bedroht ist.

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Alaska Hölle

ONLY eBook - Western

Buch 21

Alfred Wallon

In dieser Reihe bisher erschienen

e101 Alfred Wallon Die letzten Tage von Stonewall Jacksone102 Alfred Wallon Das Gewissen eines Killerse103 Alfred Wallon Stahlspur nach Leadvillee104 Alfred Wallon Die Pioniere von Kentuckye105 Alfred Wallon Tod am little big Horne106 Alfred Wallon Geistertanze107 Alfred Wallon Die Expeditionen des Jedediah Smithe108 Alfred Wallon Die Expeditionen des Meriwether Lewis und William Clarke109 Alfred Wallon John Calhouns Geheimnis - Die Calhouns - Eine Texas-Dynastie - Band 1e110 Alfred Wallon Revolver-Rachee111Alfred Wallon Blutige Grenzee112 Alfred Wallon Der rote Generale113 Alfred Wallon Fehderecht im Pleasant Valleye114Alfred Wallon Piano-Krieg in Dodge-Citye115 Alfred Wallon Auf der Spur des Mörderse116Alfred Wallon Wettlauf mit dem Tode117Alfred Wallon Corrigan Jagt die Walker-Bandee118Alfred Wallon Wenn Hass regierte119 Alfred Wallon Das Massaker von Santa Ritae120 Alfred Wallon Terror in San Franciscoe121 Alfred Wallon Alaska Hölle

© 2024 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a,  51570 Windeck

Redaktion: Alfred Wallon

Titelbild: Mario Heyer unter Verwendung der KI Software Midjourney

Umschlaggestaltung: Mario Heyer

Satz: Gero Reimer

Alle Rechte vorbehalten

ISBN: 978-3-7579-7468-8

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Inhalt

Vorwort

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Epilog

Über den Autor

Vorwort

Alaska-Hölle, der Roman, den Sie jetzt gleich lesen werdem, spielt in einer Zeit, in der die eigentliche Epoche des sogenannten Wilden Westens schon fast zu Ende war.

In den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts waren die unermesslich weiten Ebenen des mittleren Westens bereits erschlossen. Eisenbahnschienen zogen sich in einem, für die damalige Zeit guten Verkehrsnetz durch den ganzen Kontinent. Neue Städte schossen aus dem Boden wie Pilze und vergingen auch ebenso schnell wieder. Die Errungenschaften der neuen Zivilisation und der Technik hielten Einzug, die Zeiten der legendären Outlaws und Revolvermänner näherten sich ihrem Ende. Durch die aufkommende Technik konnte das organisierte Banditentum erfolgreich bekämpft werden.

Eine Zeit war vorprogrammiert, in der kein Platz mehr für Abenteuer der vergangenen Jahre war, bis sich die überraschende Nachricht von den riesigen Goldvorkommen in Alaska auf dem Kontinent verbreitete. Wie schon beim Goldrausch in Kalifornien Jahrzehnte zuvor, machten sich auch diesmal wieder zu allem entschlossene Menschen auf, dem Weg in den hohen Norden. Allen Gefahren zum Trotz, immer nur das Gold vor Augen, das alle Sorgen lösen konnte, vorausgesetzt, dass man Glück hatte und fündig wurde.

Der Goldrausch der Jahre 1897 und 1898 brachte viele Menschen in Bewegung. Alles gaben sie auf, nur des Goldes wegen. Frauen und Kinder wurden zurückgelassen unter fadenscheinigen Versprechungen, dass ein großer Goldfund die momentane Lage zum Guten ändern sollte. Viele der Abenteurer kehrten nicht mehr zurück. Sie verloren ihr Leben in einem Land, das so unbarmherzig und menschenfeindlich war, dass man, von heutiger Sicht aus betrachtet, die Strapazen, die diese Menschen auf sich nahmen, nur bewundern kann. Denn heute ist für uns alle vieles selbstverständlich, was fast hundert Jahre früher unmöglich schien.

1

Der stoppelbärtige Mann in der zerlumpten Kleidung blickte unstet hin und her, als er die Schwingtüren des Paradiso Saloons beiseitestieß und den rauchgeschwängerten Raum betrat. Er spürte sofort, wie sich die misstrauischen Augen der anwesenden Gäste auf ihn hefteten. Jedoch nur für wenige Sekunden. Dann widmeten sich die Gäste wieder ihrem Bier und den Gesprächen, die sie geführt hatten, weil ein Mann aus der Gosse für sie ohne Bedeutung war.

Der Mann im Eingang des Saloons schluckte, weil man ihn nicht so beachtete, wie er es sich gewünscht hatte. Deshalb versuchte er es jetzt auf andere Weise.

"Gold!", krächzte er mit kehliger Stimme. “Unten im Hafen ist gerade die Sacramento Queen vor Anker gegangen. Sie kommt aus Alaska - mit reichen Männern an Bord!"

Im Saloon brachen plötzlich sämtliche Gespräche ab. Es wurde so still, dass man sogar das Summen einer dicken Fliege hören konnte, die in der Nähe der Deckenlampe ihre Kreise zog. Doch diese Stille hielt nur für wenige Sekunden an. Schon bald entstand aufgeregtes Gemurmel unter den Gästen, und natürlich richteten sich jetzt sämtliche Blicke auf den zerlumpten Burschen, der zufrieden grinste.

"Ihr müsst es euch ansehen!", rief er. "Vor dem Anlegesteg ist die Hölle los. Jeder will die Teufelskerle sehen, die als reiche Männer zurückgekommen sind!”

Unruhe entstand im Saloon, als neugierige Männer ihre Stühle zurückschoben und hastig aufstanden. Eine seltsame Eile hatte auf einmal jeden von ihnen gepackt. Wie es jedes Mal der Fall war, wenn ein ganz bestimmtes Wort die Runde machte. Gold! Dieses Zauberwort war schon seit eh und je von schicksalhafter Bedeutung für all diejenigen gewesen, die vom schnellen Reichtum träumten.

Der Zerlumpte zuckte zusammen, als er jetzt Männer auf den Ausgang zustürmen sah. Er trat hastig zwei Schritte zur Seite, damit ihn die Gäste des Saloons nicht über den Haufen rannten. So eilig hatten die es auf einmal. Kein Wunder, denn erst vor wenigen Wochen hatte die Excelsior schon einmal einen Trupp Goldsucher aus Alaska zurückgebracht. Männer, die durch harte Arbeit und eine geradezu unverschämte Portion Glück reich geworden waren. Natürlich wollte jetzt jeder der Erste sein, um unten am Hafen diese Glückspilze zu sehen und zu hören, was sie zu erzählen hatten. Da blieb keine Zeit mehr übrig, um einem zerlumpten Mann Aufmerksamkeit zu spendieren, dafür, dass er diese gute Nachricht übermittelt hatte.

Nur der schweigsame Mann in der dunklen Cordjacke, der an einem der Ecktische saß und vor sich auf dem Tisch eine Patience ausgelegt hatte, während er genüsslich eine Zigarre rauchte, schien sich überhaupt nicht um die Hektik ringsherum zu kümmern. Er registrierte zwar, wie sich jeder gegenseitig auf die Füße trat, um als erster den Hafen zu erreichen. Aber er selbst machte gar keine Anstalten, jetzt ebenfalls aufzustehen und sich den Neugierigen anzuschließen. Stattdessen nippte er an seinem Glas Bourbon und studierte die Karten auf dem Tisch vor sich, während der Zerlumpte an der Theke nach Whiskey bettelte. Der Keeper überhörte jedoch die krächzende Stimme des Mannes. Stattdessen blickte auch er nervös zu den Schwingtüren, wo vor wenigen Augenblicken fast alle seine Gäste verschwunden waren. Am liebsten hätte auch er sich ihnen angeschlossen, wenn da nicht noch der schweigsame Mann am Ecktisch gewesen wäre, der sich überhaupt nichts aus diesen Neuigkeiten zu machen schien.

"Mister, bitte“, stotterte er und warf dem Mann in der Cordjacke einen flehenden Blick zu. "Können Sie Ihren Bourbon nicht schneller ... ich meine ..."

Er brach ab und blickte zu Boden, als der Mann am Tisch den Kopf hob und ihn lange und durchdringend ansah. Erst dann nahm er die Zigarre aus dem Mundwinkel, ließ sie achtlos auf den Sägemehlfußboden fallen, wo er sie mit einem Stiefelabsatz ausdrückte. Dann holte er eine Geldmünze aus der Jackentasche und warf sie dem Keeper zu, der sie sofort auffing.

"Sie können gehen und diesen Verrückten folgen", sagte er zu dem schwitzenden Keeper, dem die Eile im Gesicht geschrieben stand. “Aber erst, wenn Sie dem armen Teufel ein Glas eingeschenkt haben. Klar?"

Der Keeper nickte heftig und beeilte sich, dem Wunsch des Mannes in der Cordjacke nachzukommen. Er holte eine Flasche vom billigsten Whiskey aus dem Regal und goss ein Glas voll ein. Das stellte er dem Zerlumpten so hastig hin, dass ein Teil der rötlichen Flüssigkeit überschwappte. Während der Mann sofort mit zitternden Fingern nach dem Glas griff und den Keeper ungläubig ansah, band dieser hastig seine Schürze ab, knüllte sie zusammen und rannte hinaus auf die Straße.

CIint Morgan blickte dem Keeper kopfschüttelnd nach. Dann erhob er sich ebenfalls und ging an der Theke vorbei, wo der Zerlumpte nun das Glas Redeye hob und es mit einem Zug austrank. Sein Adamsapfel zuckte, als er den billigen Whiskey in sich hineinschüttete und gierig auf die Flasche starrte, die der Keeper in seiner Eile auf der Theke hatte stehen lassen. Er schaute kurz zu Morgan hinüber und griff dann sofort nach der Flasche. Schließlich bekam er so eine Gelegenheit nicht wieder. Er rief Morgan etwas mit krächzender Stimme zu und huschte dann durch die Schwingtüren.

Morgan blickte dem Mann kopfschüttelnd nach und verließ dann ebenfalls den Saloon.

Sein Blick richtete sich jetzt auf das Durcheinander, das sich gerade auf den Straßen abspielte. Ganz San Francisco schien plötzlich von einem eigenartigen Fieber gepackt worden zu sein. Männer und Frauen ließen alles stehen und liegen, womit sie gerade zugange gewesen waren und machten sich auf den Weg zum Hafen. Ein Bierkutscher, der gerade im Begriff gewesen war, vor einem der zahlreichen Saloons seine Ware abzuladen, überlegte es sich anders, als er die Menschenmenge zum Hafen eilen sah. Er holte mit der Peitsche aus und trieb seine Pferde an wie ein Verrückter. Dass er beinahe zwei Menschen über den Haufen gefahren hätte, schien ihn einen Dreck zu kümmern.

CIint Morgan beobachtete mit ausdrucksloser Miene das Treiben um ihn herum. Es schien fast so, als sei er der Einzige in Frisco, der noch nicht von den Auswirkungen des Goldfiebers infiziert worden war. Wenn die Menschen erst gierig nach Gold waren, dann hatte das schlimmere Folgen als die Pest.

Unwillkürlich schweiften seine Gedanken zurück zu jenem denkwürdigen Tag, über den damals alle größeren Zeitungen des Landes berichtet hatten. Das war der Tag gewesen, an dem George Carmack mit seiner indianischen Frau Kate und den beiden Gefährten Skookum Jim und Tagish Charlie mit der Portland in Seattle angekommen war.

Damals hatte alles verrückt gespielt. Vor allem, als der Indianer Tagish Charlie im besten Hotel der Stadt abgestiegen war und anschließend Gold aus den Fenstern des Hotels geworfen hatte, um das sich dann eine gewaltige Menschenmenge geprügelt hatte. Diese drei Männer waren die Ersten gewesen, die im fernen Alaska auf unglaublich riesige Goldvorkommen gestoßen waren. Gold, das sie zu mehrfachen Millionären gemacht hatte!

Natürlich hatte daraufhin sofort ein großer Run auf die Goldfelder eingesetzt, der selbst den Goldrausch in Kalifornien vor vielen Jahren in den Schatten stellte. Vor allen Dingen dann, als wenige Tage später nach Carmacks Ankunft ein weiteres Schiff mit 68 Goldsuchern aus Alaska in der Bucht von Frisco vor Anker ging. Männer, die ebenfalls mit Goldfunden reich geworden waren.

In den Tagen des Jahres 1897 verbreitete sich diese unglaubliche Nachricht in Windeseile. Mittlerweile sorgten ja Schnellpressen und Telefone dafür, dass auch die Menschen an der Ostküste nur wenige Tage später erfahren konnten, in welchem Freudentaumel San Francisco schwelgte. Gold! Wieder einmal spürten die Menschen jene geheimnisvolle Macht, die von diesem gelben Metall ausging, und der sie sich nicht entziehen konnten.

Die Regent´s Street, wo sich das prunkvolle Gebäude des Paradiso Saloons befand, fiel gut fünfzig Yards weiter vorne steil ab. Bis hinunter zum Hafen. Morgan erkannte auch von hier oben den gewaltigen Dampfkessel des Ozeanschiffes, das wohl jetzt schon die Goldsucher ausgespuckt hatte.

Es bedurfte keiner großen Phantasie, um sich vorzustellen, was jetzt unten im Hafenbezirk vor sich ging, und welche Szenen sich vielleicht dort nun abspielten. Morgan hatte das Wochen zuvor selbst mitbekommen, als er für Senator Shaun McCauley in Seattle einen Auftrag zu erledigen hatte und Zeuge gewesen war, wie dort im Hafen auch ein Schiff aus Alaska vor Anker gegangen war. Mit Männern an Bord, denen man die Strapazen der letzten Monate von weitem hatte ansehen können. Ausgemergelte, dürre Gestalten, die dennoch mit einem Lächeln von Bord gegangen waren, denn sie waren ja jetzt reich. Niemand mehr dachte an diejenigen, die es nicht geschafft hatten und ihr Leben in diesem unbarmherzigen Land aufs Spiel gesetzt hatten.

Während sich drüben auf der anderen Straßenseite zwei Männer zu prügeln begannen, weil jeder von ihnen den letzten Platz in der ohnehin schon total überfüllten Straßenbahn ergattern wollte, die in Richtung Hafen fuhr, spürte Morgan plötzlich, dass jemand hinter ihm stand. Langsam drehte er sich um und blickte in das lächelnde Gesicht eines kleinen Mannes mit olivfarbener Haut und schräg stehenden Augen. Er verneigte sich vor ihm, so dass Morgan den langen Zopf des Mannes sehen konnte, der bis auf den Rücken reichte.

"Mister Morgan?", fragte der Chinese in akzentfreiem Englisch. "Man wünscht Sie zu sprechen, Sir. Wenn Sie bitte mitkommen wollen?"

Morgan begriff nicht, was das sollte. Er kannte den Chinesen nicht und konnte sich auch nicht daran erinnern, ihn schon einmal gesehen zu haben. Der Chinese bemerkte die unausgesprochene Frage in Morgans Augen und setzte sofort zu einer Erklärung an.

"Mrs. Lorna Logan möchte Sie um einen Rat bitten, Mister Morgan. Bitte folgen Sie mir. Mrs. Logans Kutsche steht dort drüben in der Seitenstraße."

Morgan zögerte immer noch, weil er sich zurecht fragte, was diese Mrs. Logan von ihm wollte. Woher wusste sie, wer er war und wo er sich zu dieser Tageszeit aufhielt?

"Bitte, Mister Morgan", bat ihn der Chinese noch einmal mit einem freundlichen Lächeln, weil er wohl Morgans Misstrauen spürte. "Ich richte Ihnen nur die Bitte von Mrs. Logan aus. Folgen Sie mir bitte."

Er wandte sich einfach ab und ging zielstrebig mit gesenktem Kopf voran. Morgan blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen, denn nun war er wirklich neugierig geworden auf diese Mrs. Logan. Während er die Straße entlangging, bekam er aus den Augenwinkeln mit, dass keiner von den beiden Streithähnen es geschafft hatte, einen Platz in der Straßenbahn zu bekommen. Während die nämlich ihre Fäuste kampflustig geschwungen hatten, war die Straßenbahn einfach weitergefahren. Das hinderte jedoch keinen der Männer daran, den Kampf zu unterbrechen. Im Gegenteil!

Morgans Finger tasteten unwillkürlich nach der Waffe im Schulterhalfter, weil er nicht wusste, was auf ihn zukam. Zwar machte der Chinese einen durchaus vertrauenerweckenden Eindruck. Aber in einer Großstadt wie San Francisco musste man auch tagsüber mit allem möglichen rechnen, und ein Mann wie Clint Morgan überließ nichts dem Zufall, sondern verhielt sich entsprechend vorsichtig. Sein Leben war bisher gekennzeichnet gewesen von Kampf und Abenteuer. Deshalb verließ sich Morgan auch weiterhin auf seinen Instinkt. Selbst wenn er sich in einer großen Stadt wie San Francisco aufhielt. Er hatte in dieser Stadt am Pazifik schon ganz andere Dinge erlebt, die ihn fast das Leben gekostet hatten.

Er folgte dem Chinesen zu der Seitenstraße, wo sich diese Mrs. Logan angeblich befinden sollte. Aber bevor Morgan die Einmündung zu dieser Straße erreicht hatte, drang plötzlich ein Schrei an seine Ohren. Der Schrei einer Frau!

* * *

Lorna Logan zuckte erschrocken zusammen, als sie plötzlich zwei heruntergekommene Gestalten zwischen zwei Häusern auftauchen sah. In diesem Augenblick hatten auch sie die Frau erspäht, blieben jetzt stehen und musterten sie mit geradezu unverschämten Blicken. Lorna Logan spürte sofort mit dem wachsamen Instinkt einer erfahrenen Frau, dass diese Männer zu der Sorte Menschen gehörten, vor denen man sich in Acht nehmen musste. Vor allen Dingen dann, wenn sie allein und ohne Schutz war.

"Nun sieh mal einer an!", krächzte der Größere von beiden und stieß seinen Freund mit dem Ellbogen an. "Jake, siehst du die hübsche Lady da in der Kutsche? Die hat sich wohl hierher verirrt."

Der andere strich sich erregt mit seinen schmutzigen Fingern über das bärtige Kinn, bevor er zu einer Antwort ansetzte. In Gedanken hatte er die elegant gekleidete Frau schon längst ausgezogen.

"Worauf du dich verlassen kannst, Barney", krächzte er nun. "Sie fühlt sich wohl sehr allein. Wir sollten ihr ein wenig Gesellschaft leisten."

Lorna Logan bemühte sich, ganz ruhig zu bleiben, obwohl sie spürte, wie sich allmählich Panik in ihr ausbreitete. Hilfesuchend schaute sie hinüber zur Hauptstraße, wo eben der Chinese verschwunden war. Er schien mit seiner Suche immer noch keinen Erfolg gehabt zu haben. Wo er nur so lange blieb?

Ob sie es schaffte, die Männer eine Zeit lang auf Distanz zu halten? Sie sahen nämlich ganz so aus, als müsste Lorna Logan nun mit dem Schlimmsten rechnen, was einer schönen Frau passieren konnte.

Vielleicht hätte sie doch besser auf die ernstgemeinten Ratschläge ihrer Freunde hören sollen. Die hatten sie nämlich ausdrücklich davor gewarnt, allein nach diesem Mann zu suchen, den ihr Senator McCauley empfohlen hatte. Für eine gut erzogene Frau wie Lorna Logan war San Francisco auch am Tag nicht ungefährlich. Vor allen Dingen, wenn sie sich allein in den Seitenstraßen aufhielt wie jetzt.

“Barney, die Lady scheint uns wohl nicht zu mögen!", riss sie jetzt wieder die Stimme einer der Männer aus ihren verzweifelten Gedanken. "Dabei sind wir doch richtige Teufelskerle. Ganz anders als die Waschlappen, die sie wohl so kennt. Meinst du nicht, dass wir ihr das einmal zeigen sollten?"

“Keine schlechte Idee, Jake", erwiderte sein Kumpan und leckte sich in stiller Vorfreude über die Lippen, während er sich der Kutsche immer weiter näherte.

Wenn er jetzt seinen Arm ausstreckte, dann konnte er Lorna Logans Kleid ohne Mühe berühren. Und dass er darauf aus war, das konnte sie an der unverhohlenen Gier erkennen, die sich in den wieselartigen Augen des Mannes abzeichnete.

"Lassen Sie mich zufrieden!", stieß sie jetzt hervor und hatte große Mühe, ihre Panik zu zügeln. Angst stieg in ihr auf, die sie zittern ließ. "Verschwinden Sie!"

"Lady, Sie sind aber ganz schön kratzbürstig", meinte der grinsende Bursche namens Jake. "Aber das macht gar nichts - ich mag widerspenstige Frauen. Erst recht, wenn das so feine Ladies wie Sie sind."

Plötzlich streckte er seinen Arm vor, wollte nach ihr greifen und sie aus der Kutsche zerren. Lorna Logan stieß einen leisen Schrei aus und versuchte, sich nach besten Kräften zu wehren. Sie tastete nach der Reitpeitsche neben sich und holte damit aus. Bevor es der gierige Kerl geschafft hatte, sie aus der Kutsche zu zerren, hatte sie auch schon mit der Peitsche ausgeholt. Das Leder traf mit einem klatschenden Geräusch die Wange des Halunken und hinterließ dort einen kräftigen roten Striemen. Der Mann taumelte zurück, mit einem ungläubigen Blick in den verschlagenen Gesichtszügen. Er hielt sich die Wange, während seine grinsenden Gesichtszüge sich in eine wütende Grimasse verwandelten.

"Die hat mich geschlagen, Barney!", rief er zornig. "Komm, jetzt zeigen wir es ihr. Aber gründlich!"

Lorna Logan erkannte verzweifelt, dass sie die Wegelagerer nur noch kurz mit der Peitsche würde aufhalten können. Gegen zwei zu allem entschlossene Strauchdiebe war das kein wirksamer Schutz. Hilfesuchend blickte sie wieder zur Einmündung der Seitenstraße und erkannte dort auf einmal zwei Männer. Einer von ihnen war ihr chinesischer Diener Ling. Und der andere ...

Im selben Moment wurde ihr die Peitsche aus der Hand gerissen, während der zweite Kerl auch zudringlich wurde. Ein lauter, verzweifelter Schrei der Angst entrang sich Lorna Logans Kehle, als gierige Hände ihren Körper abtasteten und glucksendes Lachen an ihr Ohr drang.

Das Aufbellen des Schusses nahm sie erst wahr, als die Hände der Halunken Sekundenbruchteile später von ihr abließen. Dann erschallte eine Stimme, die den beiden Herumtreibern galt.

"Lasst die Frau los!"

Lorna Logan wich vor den Männern zurück, die sie eben noch festgehalten hatten und schaute hinüber zu der Stelle, wo der Schuss gefallen war. Sie sah, wie der Mann neben Ling seine Waffe auf die beiden Halunken richtete und sie mit kalten Augen von Kopf bis Fuß musterte. Mit einem Blick, der auch ihr unter die Haut ging.

"Ihr hört wohl schlecht, wie?", sagte Morgan mit gefährlich leiser Stimme und zielte mit seiner Waffe zufällig auf den Magen des größeren Mannes. "Haut ab!"

Irgendetwas lag in seiner Stimme, was die beiden Strauchdiebe zur Vorsicht mahnte. Der Größere stieß seinen Kumpan heftig in die Seite, bevor er sich abwandte und das Weite suchte. Sein Gefährte folgte ihm auf der Stelle. Dabei hatte er es so eilig, dass er beinahe über einen rostigen Eimer gestolpert und voll hingefallen wäre.

Morgans Blicke folgten den Kerlen. So lange, bis er sicher sein konnte, dass von den beiden Halunken keine Gefahr mehr drohte. Schließlich kannte er die Seitenstraßen dieses Stadtbezirks und wusste, dass sie nicht ungefährlich waren. Erst recht nicht für eine so schöne Frau!

"Mrs. Lorna Logan?", sagte er und lächelte der schönen dunkelhaarigen Frau zu. "Ich heiße Clint Morgan. Sie wollten mich sprechen?"

Es war typisch für Morgan, dass er über diesen Zwischenfall kein einziges Wort mehr verlor. Ganz im Gegensatz zu Lorna Logan, der der Schock noch tief in den Knochen steckte. Wahrscheinlich, weil sie wusste, wie knapp sie einem schlimmen Schicksal entgangen war. Allein der Gedanke daran ließ sie noch einmal erschaudern. Deswegen hatte sie Mühe, sich wieder zu beruhigen, bevor sie sich an Morgan wandte.

“Nicht hier, Mister Morgan", erwiderte sie, während Ling auf den Kutschbock stieg. "Bitte steigen Sie ein. Ling wird uns ins Palace Hotel fahren. Dort werde ich Ihnen sagen, weshalb ich Sie habe suchen lassen."

"Einverstanden", erwiderte Morgan und stieg zu ihr, während der Chinese die losen hängenden Zügel des Pferdes ergriff. Augenblicke später fuhr die Kutsche auch schon los. Weiter hinauf zu den Bezirken der Stadt, wo sich die eleganten Häuser und Hotels befanden. Wo Menschen lebten, für die Hunger und Elend Fremdworte waren.

* * *

CIint Morgan kam nicht umhin, die luxuriös eingerichteten Räume der dunkelhaarigen Frau zu bewundern. Solche Zimmer in einem ohnehin schon teuren Hotel wie dem Palace mussten ein Heidengeld kosten. Diesen Gedanken behielt er aber vorerst für sich und nahm in einem der bequemen Sessel Platz. Noch wusste er nichts von der schönen Frau.

"Schießen Sie los, Mrs. Logan", forderte er sie deshalb auch auf. "Woher kennen Sie mich, und was wollen Sie von mir?"

"Sie kommen sofort zur Sache, Mister Morgan", erwiderte sie nun und nahm in dem gegenüberstehenden Sessel Platz. "Genau so, wie es mir Senator McCauley gesagt hat."

Daher wehte also der Wind! Sie wusste es von Shaun McCauley, von diesem alten irischen Haudegen, für den Morgan schon des Öfteren Kastanien aus dem Feuer geholt hatte. Das roch gewaltig nach Ärger. Die Tage der Ruhe würden wohl aus und vorbei sein!

"Mister Morgan, ich will mich kurzfassen!", fuhr Lorna Logan nun fort. "Mein Mann John Logan ist vor einem guten Jahr nach Alaska aufgebrochen, um dort nach Gold zu suchen. Bisher hat er mir regelmäßig geschrieben. Aber seit einigen Monaten habe ich nichts mehr von ihm gehört, und deswegen mache ich mir natürlich große Sorgen. Mister Morgan, ich weiß nicht mehr weiter. Deshalb habe ich mich an Senator McCauley gewandt, und der hat Sie mir empfohlen. Als einen Mann, der für einen gewissen Preis Aufträge erledigt.“

“Sie möchten, dass ich Nachforschungen über Ihren Mann anstelle, Mrs. Logan?", fragte Morgan. "Wissen Sie eigentlich, was Sie da von mir verlangen? Zehntausende haben sich in den letzten Monaten auf den Weg nach Alaska gemacht, um schnell reich zu werden. Ich habe über diese Wahnsinnigen schon viel gelesen. Sie ja auch, oder?"

"Dass das nicht leicht ist, weiß ich selbst, Mister Morgan" antwortete sie und bemühte sich, sich ihre Enttäuschung über seine ablehnende Haltung nicht ansehen zu lassen. "Umsonst sollen Sie das ja auch nicht tun. Ich biete Ihnen 5.000 Dollar, wenn Sie nach Alaska fahren und dort nach meinem Mann suchen."

Morgans Augen leuchteten für Sekundenbruchteile kurz auf. Das war eine große Summe. Mrs. Logan musste ein ganz besonderes Interesse daran haben, ihren Mann so schnell wie möglich wiederzufinden.

"Warum haben Sie Ihren Mann eigentlich gehen lassen, Mrs. Logan?", erkundigte sich Morgan, weil ihm etwas an der ganzen Sache nicht gefiel. "Verzeihen Sie bitte, wenn ich persönlich werde. Aber eine Frau, die sich solch eine Unterkunft leisten kann, ist doch bestimmt nicht auf Gold angewiesen, oder?"

"Ich stamme aus einer wohlhabenden Familie, Mister Morgan", erklärte sie ihm jetzt. "Mein Mann John dagegen war - wollen wir es einmal so ausdrücken - ein Mann ohne Reichtum, als ich ihn kennenlernte. Das würde aber zu weit führen, um Ihnen all das zu erzählen. Wollen Sie mir nun helfen oder nicht? Mehr als 5.000 Dollar kann ich Ihnen allerdings nicht bieten. Von Senator McCauley weiß ich zwar schon, dass es nicht billig ist, Ihre Dienste in Anspruch zu nehmen. Aber das ist alles, was ich habe."

"Sie nehmen es mir nicht übel, wenn ich Sie noch etwas frage, Mrs. Logan?", hakte Morgan weiter nach, weil ihm etwas noch nicht gefiel. "Vielleicht bin ich jetzt ein wenig zu deutlich. Aber eine so schöne Frau wie Sie lässt man nicht allein. Noch nicht einmal für einen einzigen Tag. Ihr Mann muss ein ziemlicher Narr gewesen sein, dass er es trotzdem getan hat."

Ihre Lippen umspielte ein kurzes Lächeln, als sie das unverhohlene Kompliment aus seinem Mund vernahm. Ihre Augen blieben allerdings davon unberührt. Eine Tatsache, die Morgan durchaus registrierte. Der Eindruck einer zu allem entschlossenen Frau verstärkte sich jetzt noch in ihm. Sie schien ihren Mann wirklich sehr zu lieben, dass sie alle Hebel in Bewegung setzte, um ihn suchen zu lassen.

"John und ich hatten in der Vergangenheit einige Differenzen", erwiderte Mrs. Logan. "Die sind aber vollkommen unwichtig für Ihren Auftrag. Wollen Sie mir nun helfen oder nicht? Sonst muss ich mir jemand anderen suchen."

Morgan konnte sich sehr gut vorstellen, auf welche Weise diese charmante und zugleich eiskalte Frau Senator McCauley umgarnt hatte. Wäre er McCauley nicht so sehr verpflichtet gewesen, hätte er es sich unter Umständen anders überlegt und die Bitte von Mrs. Logan abgelehnt. Weil sie nur äußerlich schön und anziehend wirkte. Innerlich war sie bestimmt so kalt wie ein Fisch.

“In Ordnung, Mrs. Logan", sagte er nach reiflicher Überlegung. "Ich nehme den Auftrag an. Aber ich brauche einige Zeit, um die notwendigen Vorbereitungen zu treffen. Ich muss mich um eine Schiffspassage kümmern und den notwendigen Proviant für so eine lange Reise zusammenstellen."

"Daran soll es nicht scheitern, Mister Morgan", antwortete Lorna Logan mit einem triumphierenden Lächeln, griff hinter sich in eine Kommodenschublade und holte einen braunen Umschlag hervor. "Wenn Sie ein guter Freund von Senator McCauley sind, dann wissen Sie auch, dass er nichts dem Zufall überlässt. Mit seiner Hilfe ist es mir gelungen, auf der Alaska Queen für Sie eine Passage zu buchen. Hier ist die Fahrkarte. Das Schiff sticht schon morgen in See. Allzu viel Zeit haben Sie also nicht mehr für Ihre Vorbereitungen."

Jetzt war Morgan wirklich überrascht, Mrs. Logan schien in der Tat schon alles organisiert zu haben, obwohl sie eigentlich gar nicht wusste, ob er den Auftrag überhaupt annahm.